Neues Pfingsten oder alte Gleise? - Missionszentrale der Franziskaner
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Benedikt XVI. und die Option für die Armen<br />
Die Eröffnungsansprache zur Fünften<br />
Generalversammlung des Episkopats<br />
aus Lateinamerika und <strong>der</strong> Karibik war<br />
für Papst Benedikt XVI. eine gute Gelegenheit,<br />
eine bedeutsame Aussage über<br />
die vorrangige Option für die Armen zu<br />
machen, indem er sie mit <strong>der</strong> Jünger-<br />
Existenz und folglich auch <strong>der</strong> missionarischen<br />
Existenz jedes Christen in Verbindung<br />
brachte.<br />
Auf den folgenden Seiten behandle<br />
ich allein diesen Punkt <strong>der</strong> Rede. Zuerst<br />
werden wir darauf achten, wie <strong>der</strong> Papst<br />
die Beziehung zwischen dem Glauben an<br />
Christus und <strong>der</strong> Option für die Armen<br />
bedenkt; dann werden wir uns fragen,<br />
von welchen Armen <strong>der</strong> Papst spricht,<br />
und schließlich folgen – im Sinne einer<br />
Schlussfolgerung – einige Anmerkungen<br />
zum Verhältnis zwischen Evangelisierung<br />
und För<strong>der</strong>ung des Menschen.<br />
Der christologische Glaube<br />
– Grundlage <strong>der</strong> Option für<br />
die Armen<br />
Aufschlussreich ist, dass <strong>der</strong> Papst das<br />
Thema bei seinem ersten Besuch anlässlich<br />
einer bedeutsamen kirchlichen Versammlung<br />
auf jenem Kontinent aufgreift,<br />
auf dem dieser Ausdruck Ende <strong>der</strong> 60er<br />
Jahre des vergangenen Jahrhun<strong>der</strong>ts entwickelt<br />
wurde. Seit damals hatten christliche<br />
Gemeinden, Pastoralpläne, Bischofsdokumente<br />
– auch weit über die Grenzen<br />
Lateinamerikas hinaus –, Texte an<strong>der</strong>er<br />
Gutierrez – Benedikt XVI. und die Option für die Armen<br />
Gustavo Gutiérrez Merino,<br />
geb. 1928 in Lima/Peru, war<br />
Mitbegrün<strong>der</strong> und Namensgeber<br />
<strong>der</strong> Befreiungstheologie, heute<br />
Mitglied des Dominikanerordens in<br />
Lima/Peru<br />
christlicher Konfessionen und das Lehramt<br />
von Papst Johannes Paul II. diese Formel<br />
und die mit ihr verbundene biblisch<br />
verwurzelte Perspektive übernommen.<br />
In einem solchen Prozess blieben jedoch<br />
Missverständnisse und Verdrehungen<br />
nicht aus, ebenso wenig wie Verän<strong>der</strong>ungen<br />
durch Hinzufügungen und Streichungen,<br />
in <strong>der</strong> Absicht ihren Inhalt zu<br />
präzisieren, aber auch unterschwelliger<br />
Wi<strong>der</strong>stand bzw. Versuche, ihre Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
abzuschwächen.<br />
Die Rede des Papstes war dazu bestimmt,<br />
einen wegweisenden Einfluss auf<br />
die Versammlung auszuüben, an die sie<br />
sich richtete. Bei dieser Gelegenheit also<br />
spricht Benedikt XVI. von <strong>der</strong> Option<br />
und macht auf ihre theologische Tragweite<br />
aufmerksam: „Die bevorzugte Option<br />
für die Armen (ist) im christologischen<br />
Glauben an jenen Gott implizit enth<strong>alte</strong>n,<br />
<strong>der</strong> für uns arm geworden ist, um<br />
uns durch seine Armut reich zu machen<br />
(vgl. 2 Kor 8,9)“ (Eröffnungsansprache<br />
Nr. 3) 1 . Hier liegen die Wurzeln für ihren<br />
evangelisierenden und gesellschaftlich<br />
verpflichtenden Charakter. In <strong>der</strong> Tat ist<br />
ihr theologischer Ursprung glasklar; letztlich<br />
ist sie die Option Gottes, die in Jesus<br />
offenbar wird. Deswegen habe ich sie als<br />
theozentrische Option bezeichnet. Diesen<br />
theologischen Ursprung zu behaupten,<br />
nimmt <strong>der</strong> Option nichts – das sei<br />
eindringlich hervorgehoben – von ihrem<br />
konkreten und verlässlich genauen Cha-<br />
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