Lagerwirklichkeit - Brandenburgische Landeszentrale für politische ...
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Gramm täglich. 328 Weihnachten 1946 soll es schon 400 Gramm Brot gegeben haben.<br />
329 Die Sterblichkeit sank erst im März 1947 wieder ab, blieb aber weit über dem<br />
vom NKWD geplanten Maß.<br />
Hygienische Bedingungen<br />
Ein Grund da<strong>für</strong>, daß das NKWD-Personal relativ selten im Lager anzutreffen war,<br />
lag sicher in der extremen Ausbreitung von Ungeziefer. Läuse, Flöhe und Wanzen<br />
bestimmten einen Teil der Atmosphäre in den Unterkünften. Gegen die Wanzen<br />
konnten sich die Gefangenen weitgehend nur selbst zur Wehr setzen, wenn sie<br />
nachts überfallen wurden. Von Zeit zu Zeit griff auch die sowjetische Lagerleitung<br />
ein. „Ich habe erlebt, wie Baracken ausgegast wurden und man manchmal danach<br />
Wassereimer voll Wanzen heraustrug.“ 330 Das sowjetische Personal ließ die Fußbodendielen<br />
und Pritschen täglich anfeuchten, was kaum Nutzen versprach, und vor<br />
allem im Winter Kälte und Nässe in den Baracken noch verstärkte.<br />
Die Bedingungen <strong>für</strong> Körperhygiene waren denkbar schlecht und wurden auch<br />
nicht verbessert. Die Entlausung im ersten Korpus war <strong>für</strong> jeden Gefangenen nur<br />
alle vier bis sechs Wochen zugänglich, dann auch verbunden mit einer kurzen Dusche.<br />
331 Die ohnehin schon durch ständiges Tragen zerschlissene Kleidung litt unter<br />
dieser Wärmebehandlung zusätzlich. Viele Gefangene trugen Lumpen. Nur was<br />
den Toten abgenommen wurde, konnte diese Lage verbessern. Manch ein Gefangener<br />
tauschte sein Brot gegen ein zusätzliches Kleidungsstück ein.<br />
Neben der Dusch- und Entlausungsbaracke und möglicherweise einigen Waschräumen<br />
in bestimmten Baracken befanden sich in Jamlitz nur drei Wasserstellen, einfache<br />
Pumpen außerhalb der Baracken. Einige Berichte sprechen sogar von der Möglichkeit,<br />
sich im Unterschied zu Ketschendorf täglich reinigen und die Unterwäsche<br />
waschen zu können. 332 Duschen war jedenfalls nur in Verbindung mit der Entlausung<br />
möglich, während die Lagerleitung dies nach Belieben tun konnte. Seife hat es<br />
erst später in geringem Maße gegeben. Die Zähne reinigten sich die Gefangenen mit<br />
Kiefernnadeln oder Stoffresten. 333 Handtücher besaßen die Gefangenen nicht. Ihre<br />
Kleidung wechselten sie im Grunde während der gesamten Lagerzeit in Jamlitz nicht.<br />
Die Haare wurden den Gefangenen seit November 1945 kahl geschoren. 334 Für die<br />
Frauen galt dies später nicht mehr. Als Toiletten standen am Tage eine Ost- und eine<br />
Westlatrine, jeweils auf Küchenhöhe nahe dem Lagerzaun, zur Verfügung – lediglich<br />
überdachte offene Abortgruben. Dorthin mußten jeweils 20 Gefangene zugleich<br />
gehen, immer in Begleitung eines wachhabenden deutschen Gefangenen (die sogenannte<br />
„Lagerpolizei“), da sich die Latrinen im freien Sektor befanden. „Mancher<br />
schaffte es nicht mehr bis zum ‘Donnerbalken’, es ging in die Hosen, es fror an, mancher<br />
schaffte es noch, konnte sich aber auf dem Balken nicht mehr halten, fiel in die<br />
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