Lagerwirklichkeit - Brandenburgische Landeszentrale für politische ...
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übrig, was schwer nachzuvollziehen ist). Die NSDAP-Mitglieder allerdings wurden<br />
noch weiter differenziert. Hinzu kamen „Propaganda-“, „Organisations-“ und „Kassenleiter“.<br />
Zwei weitere neue Haftkategorien waren „Handlager der Faschisten“ und<br />
„Mannschaft- und Offiziersdienstgrade der Deutschen Armee“ sowie „antisowjetische<br />
Propaganda“ (insgesamt etwa 40 Gefangene). Von 61 blieben 40 Kategorien.<br />
Ausländer spielten in Jamlitz kaum eine Rolle. Sind es im Oktober 1945 129, so<br />
im April 1947 nur noch 13.<br />
Zum Alter der Gefangenen. Laut sowjetischer Statistik waren im Mai 1946 nur<br />
17% aller männlichen Gefangenen bis 35 Jahre alt und 57% 45 Jahre und älter; bei<br />
den Frauen umgekehrt mehr als 50% jünger als 35 und nur 32% älter als 45. Laut<br />
zentraler Statistik von April bis Juli 1946 war Jamlitz bezogen auf die über 45jährigen<br />
(mit nur 55%) das jüngste Spezlager. 558 Zur Zeit der höchsten Belegung Ende<br />
Januar 1947 betrug der Anteil der Frauen unter 35 Jahren und über 45 gleichmäßig<br />
etwa 45%. Das Frauenlager war also etwas älter geworden. Bei den Männern hatte<br />
sich das Alter deutlicher erhöht: Fast 60% waren nun älter als 45 Jahre und weiterhin<br />
nur 17% jünger als 35. Ende März 1947, mit beginnender Auflösung des Lagers,<br />
verringerte sich der Anteil der über 45jährigen auf 48%. Entgegen dem in<br />
Erinnerungen wiedergegebenen Eindruck, wonach einen Großteil der Gefangenen<br />
Jugendliche bildeten, zeigen zumindest die Lagerakten, daß etwa stets die Hälfte<br />
der Insassen in Jamlitz über die Lebensmitte hinaus und älter war.<br />
Als die Alliierten Siegermächte des 2. Weltkrieges, also auch die Sowjetunion, am<br />
12. Oktober 1946 als Konsequenz aus dem Urteil des Nürnberger Kriegsverbrecherprozesses<br />
die Kontrollrats-Direktive (KRD) Nr. 38 unter dem Titel „Verhaftung<br />
und Bestrafung von Kriegsverbrechern, Nationalsozialisten und Militaristen und Internierung,<br />
Kontrolle und Überwachung von möglicherweise gefährlichen Deutschen“<br />
unterzeichneten, befanden sich etwa 80.000 Deutsche in den sowjetischen<br />
Speziallagern der SBZ, davon 7131 im Lager Nr. 6 Jamlitz.<br />
Mit der KRD 38 war zwischen den Alliierten, abgesehen von der Internierungserklärung<br />
im Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945, erstmals und einheitlich die<br />
Anwendung der Internierung als Strafhaft geregelt worden. Die UdSSR setzte damit<br />
ihre seit April 1945 auf deutschem Boden angewendete Verhaftungs- und Gefangenenpraxis<br />
legitimatorisch selbst unter Druck. Wie schon angedeutet, dachten jedoch<br />
die NKWD-Verantwortlichen nicht daran, irgendeinen Einfluß der mitgetragenen Direktive,<br />
die ja Gesetzeskraft hatte, auf ihr Spezlagersystem zuzulassen. Galt zwar laut<br />
sowjetischer Strafprozeßordnung ohnehin, daß ein Militärstaatsanwalt nur dann eine<br />
Verhaftung genehmigen durfte, wenn bereits durch ein eröffnetes Strafverfahren Ermittlungen<br />
geführt wurden 559, so bewegten sich die sowjetischen Organe bei Verhaftung<br />
und Gefangenschaft auf kriegs- bzw. besatzungsrechtlicher oder besser, sog.<br />
extralegaler Grundlage und daran änderte auch die KRD 38 nichts.<br />
Offenbar als Folge der KRD 38 ließ das NKWD in allen Spezlagern die Haftkategorien<br />
lediglich differenzieren, wie <strong>für</strong> Jamlitz dargestellt. Ende Oktober 1946, also<br />
knapp anderthalb Jahre nach Installierung des Spezlagersystems, fertigte die Abtei-<br />
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