Lagerwirklichkeit - Brandenburgische Landeszentrale für politische ...
Lagerwirklichkeit - Brandenburgische Landeszentrale für politische ...
Lagerwirklichkeit - Brandenburgische Landeszentrale für politische ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
maligen Gefangenen: „... wie in keinem anderen Lager blühten hier die Freundschaften.<br />
... Und natürlich die Liebe.“ 439<br />
Die Kontakte zwischen Männern und Frauen in der neutralen Zone des Lagers beruhten<br />
wohl auch darauf, daß ein Teil der Wachmannschaften selbst „Freundinnen“<br />
im Lager hatte und die deutsche Lagerleitung hier ebenfalls schützend wirkte.<br />
Treffpunkte waren das in den Küchenkomplex integrierte Waschhaus mit<br />
Trocken- und Bügelstube 440 und die Reviere, vor allem das Frauenrevier. In der<br />
Waschbaracke des Frauenlagers war zudem offenbar ein Raum hergerichtet, in dem<br />
Ehemänner oder Söhne einmal wöchentlich zu Besuch sein konnten. 441 Sowjetische<br />
Wachangehörige kamen zum Teil auch direkt in die Frauenbaracken zu ihren Verabredungen.<br />
442 Schwangerschaften blieben nicht aus. Bei der körperlichen Allgemeinverfassung<br />
kam es jedoch zu Frühgeburten; Abtreibungen wurden im Lager<br />
durch eine Hebamme ausgeführt. 443<br />
Einige Kontakte sind in den Erinnerungen besonders präsent. So hat sich der ehemalige<br />
Wlassow-Soldat Paul Gregori, Aufseher im Außendienst, um Margot Göbeler<br />
gesorgt. „Mit roter Armbinde, hat er Zutritt zu den Unterkünften der Frauen. Beide<br />
fühlen sich zueinander hingezogen. Als Margot schwer erkrankt, sorgt Gregori<br />
wie ein Vater <strong>für</strong> sie. Er holt das Mädchen aus der Typhus-Baracke, läßt es ins Lazarett<br />
überführen, versorgt es mit Medikamenten und Lebensmitteln“ und schmuggelt<br />
eine Nachricht <strong>für</strong> sie heraus. 444<br />
Auch der NKWD-Sergeant „Malinki“ hatte Zutritt zum Frauenlager und konnte<br />
seine Freundin sogar aus der Baracke abholen. 445<br />
Als im Januar 1947 eine größere Zahl gefangener Frauen aus Ketschendorf eintrifft,<br />
sind auch drei Kleinkinder 446, Jungen im Alter zwischen acht und 17 Monaten, darunter.<br />
Eine Mutter war bei der Geburt gestorben. Sie werden erst 1948 entlassen.<br />
Für die Säuglinge stellen die sowjetischen Offiziere normale Essenrationen, Windeln<br />
und Seife zur Verfügung - immerhin! Trotzdem wiegt diese Menschlichkeit viel<br />
vor dem Hintergrund des diese Kinder umgebenden Elends. Männer haben Kinderwagen<br />
gebaut und sowjetische Soldaten, die immer wieder neugierig nachschauten,<br />
sogar Spielzeug ins Lager gebracht. 447<br />
Am 14. Januar 1947 wird im Speziallager Jamlitz ein Kind geboren. Die Entbindung<br />
muß, unterstützt durch den Frauenarzt Dr. Stumm und eine Hebamme, auf einer<br />
gewöhnlichen Pritsche mit Matratze erfolgen. Die sowjetische Ärztin Schaljapina<br />
habe die Babyausstattung ihres eigenen in Jamlitz gestorbenen Kindes diesem<br />
Neugeborenen gegeben. Else Winkel, die Führerin des Frauenlagers, und ihr Sohn<br />
Joachim werden getrennt von den anderen Frauen untergebracht. 448 Sie stillt auch<br />
einen zweiten in Jamlitz geborenen Jungen mit, doch er stirbt nach sieben Monaten.<br />
Joachims Vater, gefangener Sowjetbürger und in Jamlitz einer der Küchenchefs, ist<br />
zu diesem Zeitpunkt schon nach Sibirien deportiert. 449<br />
Joachim wird als Vierjähriger, wie auch zwei 1947 in Mühlberg geborene Kinder<br />
von „Jamlitzer“ Frauen, erst Anfang 1950 aus Buchenwald mit seiner Mutter<br />
entlassen. Am 27. Mai 1951 stellt ihm der Jamlitzer Bürgermeister Hans Grünberg<br />
83