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Lagerwirklichkeit - Brandenburgische Landeszentrale für politische ...

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Auch <strong>für</strong> Jamlitz galt die „Provisorische Ordnung der Speziallager“, welche Arbeit<br />

zwar nicht verbat, sie aber über das Maß der zur Aufrechterhaltung der Lagerfunktionen<br />

hinausgehenden Tätigkeiten einfach nicht vorsah. „Die Russen haben von Anfang<br />

an gesagt: <strong>für</strong> Deutsche ist Arbeit Medizin. Und Medizin gibt’s bei uns nicht.“ 339<br />

In der Tat ist die Beschäftigungslosigkeit ein schwer zu verstehendes Phänomen,<br />

mußten doch selbst einfache NSDAP-Mitglieder bis Ende 1945 in der SBZ die sogenannten<br />

„Pg-Einsätze“, kostenlos und am Wochenende, über sich ergehen lassen.<br />

Diese Tatenlosigkeit in den Spezlagern ist als eine zusätzliche Ursache <strong>für</strong> den allgemeinen<br />

persönlichen Verfall vor allem der mittleren und älteren Jahrgänge und<br />

deren Tod anzusehen.<br />

In Jamlitz hatten in der ersten Periode bis zu ihrer Deportation im Mai und Juni<br />

1946 vor allem gefangene Sowjetbürger wichtige Arbeitsfunktionen inne, neben den<br />

begehrten Baracken- und Bataillonsposten auch jene in Küche und Speisesaal. 340 Die<br />

Besetzung der wenigen Arbeitskommandos wurde von der deutschen Lagerleitung<br />

reguliert. Für gewöhnliche Arbeiten wurde auch aufgerufen. „Mir brachte etwas Glück<br />

der Rat ..., sich zu allem zu melden, was aufgerufen wird, um nicht im Stursinn des Barackenlebens<br />

dahinzusiechen. Alles, ob Jauchetonnen wegtragen, oder als Brotholer<br />

und selbst bei den ‘Halbkreisingenieuren’ ..., die mit einem Kiefernwedel halbe Kreise<br />

beschrieben, und in diesem Nadelwald die herunterfallenden Nadeln wegzuwedeln<br />

hatten - eine Arbeit, die nie zu Ende ging, selbst vom Wedel fielen die Nadeln, aber<br />

man war im kleinen Kreis und hatte <strong>für</strong> diese Zeit seine Ruhe.“ 341<br />

Es kam in wenigen Fällen vor, daß Arbeit aus prinzipiellen Erwägungen abgelehnt<br />

wurde. „Warum soll ich bei den Russen arbeiten ..., bloß damit ich einen Nachschlag<br />

kriege? Die anderen mußten ja auch, die große Masse, ohne einen Nachschlag auskommen.<br />

Entweder überleben oder sterben, bitte. Aber deshalb bei den Russen sauber<br />

machen? Nein.“ 342<br />

Nachdem noch beim Ausbau der Sicherungsanlagen, beim Roden der Schußstreifen<br />

und zusätzlichen Barackenbau einige hundert Gefangene unter schwersten<br />

Bedingungen angetrieben wurden, konnten die täglich anfallenden Handwerksarbeiten<br />

von einer aus etwa 200 Gefangenen bestehenden und separat untergebrachten<br />

„Wirtschaftskompanie“ erledigt werden. 343 Dazu gehörte offenbar auch<br />

eine Tischlerei. 344 Wieviele Gefangene in der erwähnten Friseurbaracke, der Nachlaß-Sortiererei/Schneiderei,<br />

der Bäckerei und der Bad- und Entlausungsbaracke gearbeitet<br />

haben, ist nicht bekannt. Bestimmte Arbeiten in Küche und Eßsaal wurden<br />

periodisch neu vergeben. Nur die Köche bildeten eine Ausnahme. „Zuweilen wurden<br />

abwechselnd aus den verschiedenen Baracken rd. 50 bis 100 Freiwillige zum<br />

Kartoffelschälen <strong>für</strong> die Mittagsmahlzeit angefordert. Das Schälen dauerte gewöhnlich<br />

von 10 Uhr abends bis morgens 4 Uhr. Von Hunger getrieben meldete ich<br />

mich auch mehrmals. Wir saßen dort auf langen Bänken. Vor uns standen große<br />

Kisten mit Kartoffeln. Trotz strengen Verbotes, dabei Kartoffeln zu essen, haben wir<br />

es alle während des Schälens getan. Ich erinnere mich, daß ich jedes Mal über ein<br />

Dutzend rohe Kartoffeln aß.“ 345<br />

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