summer vibes again! - mex} - Magazin
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Text von Yvonne Kunz<br />
Guerilla Gärtner<br />
Städte sind unwirtliche Orte voller Spritzbeton und Asphalt. Dagegen kämpfen die Guerilla-<br />
Gärtner. Im Schutz der Nacht pflanzen sie Stockrosen und anderes.<br />
Der 1. Mai war in den letzten Jahren nicht mehr nur rot, sondern auch grün. Gefragt waren neue Formen des Widerstands; Scheiben einschlagen bei McDonalds<br />
trägt kaum noch Früchte, illegal etwas pflanzen hingegen sehr wohl und zwar im Wortsinn. Und so verlassen gen Frühling bewusste Stadtbewohner auf der ganzen<br />
Welt ihr Haus bewaffnet mit Blumensamen, Wasserflaschen und einem kleinen Grabwerkzeug, etwa einer Gabel.<br />
Untergrund-Gärtner<br />
Für die Untergrund-Gärtner der Schweiz ist der 1. Mai nicht der Tag der Arbeit,<br />
sondern der internationale Tag der Sonnenblumen-Guerilla. Auf vermüllten<br />
Brachen, auf Verkehrsinseln oder in vernachlässigten Parkanlagen versenken<br />
sie das Saatgut in zwei Zentimeter tiefen Löchern. In den folgenden Wochen<br />
werden die Gärtner regelmässig zu den Pflanzstellen zurückkehren, um<br />
Unkraut zu jäten und die Gewächse zu wässern. Läuft es gut, dann erfreut eine<br />
illegale Blütenpracht zumindest ab August Anwohner und Passanten. Bei den<br />
Schwarzgärtnern handelt es sich weder um spiessige Schrebergartenstreber<br />
mit Geranienträumen noch um verschrobene Weltverbesserer.<br />
Vielmehr sind es Leute, die genug haben von kommerziellen öffentlichen<br />
Räumen, von Lebenswelten, die vor allem auf die Bedürfnisse der Geschäftswelt<br />
zugeschnitten sind. Diese Grünfinger sind Angehörige einer global tätigen<br />
„Garden Guerilla“. Entstanden ist das Phänomen im New York der Siebzigerjahre,<br />
als ein exorbitanter Anstieg der Mietpreise viele Leute zum Umzug in<br />
günstigere Quartiere zwang. Auf den dortigen Brachen gedieh nirgends eine<br />
dekorative Pflanzenwelt, sondern vor allem die Kriminalität.<br />
Nachhaltigkeit<br />
Mittlerweile hat sich das Gärtnern zum urbanen Trendsport gemausert. Und zwar<br />
nicht nur im Mai. Jeden Monat finden in westlichen Grosstädten, von New York<br />
und Toronto bis Brüssel und Berlin, zahlreiche generalstabsmässig geplante<br />
Pflanzaktionen statt. Geneigte Menschen eignen sich dabei meist nachts vernachlässigte<br />
Ecken an, begrünen sie mit Blumen, Kräutern und Gemüse. Legal<br />
ist dieses Treiben nicht; wer derartige Eingriffe in die Raumplanung vornimmt,<br />
bräuchte eigentlich eine Bewilligung. Deshalb bedient sich die charmante<br />
Bewegung wohl absichtlich des handelsüblichen Terrorismusvokabulars:<br />
Von Zellen ist da die Rede, von Samengranaten, und Frühbeete<br />
zur Pflanzenaufzucht werden als „Training Camps“ bezeichnet.<br />
Besonders aktiv sind die Schwarzgärtner in London. Dem Blog des dortigen<br />
Bewegungsgründers, Richard Reynolds, ist zu entnehmen, wie weit sich die<br />
vor acht Jahren von einigen Unentwegten initiierte Aktion schon entwickelt hat.<br />
Guerilla-Gärtner gewinnen schon mal Gartenpreise für ihre Anlagen, Jugendsektionen<br />
werden gegründet und Hollywood-Stars schauen vorbei. Im vergangenen<br />
Jahr war Londons Lavendelernte so üppig, dass daraus Duftkissen hergestellt<br />
und verkauft wurden. Kürzlich erschien ein Buch, das die Geschichte dieser<br />
Bewegung nacherzählt: „On Guerilla Gardening“.<br />
Überzeugnung<br />
Lisa White, Chefredaktorin der renommierten Gartenzeitschrift „Bloom“, deutet<br />
„Guerilla Gardening“ als Anzeichen für eine neue Lebensphilosophie. Die<br />
Menschen hätten eingesehen, dass sie Vieles in der Natur zerstörten. „Das<br />
wollen sie wieder gutmachen, sich mit ihr versöhnen“, sagte sie in einem<br />
Interview. Das ist zwar eine reichlich blumige Interpretation, doch ein Drang<br />
zurück zur Natürlichkeit lässt sich tatsächlich feststellen. Was aber nicht nur auf<br />
das kollektive schlechte Gewissen gegenüber Mutter Natur zurückzuführen ist,<br />
sondern darauf, dass die Menschen selbst zunehmend zivilisationsmüde sind.<br />
Ein Zufall ist es sicher nicht, dass das grüne Hobby auch sonst Konjunktur hat.<br />
{<br />
Es wird gepriesen als Ausgleich zum hektischen Tagesgeschäft,<br />
bei dem stets ruckzuck ein Ergebnis her muss.<br />
Herz<br />
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