24.02.2012 Aufrufe

NewSpaces_05_DE

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

30<br />

Die Fünf-Sterne-Frau<br />

Es gibt nur eine Köchin mit fünf Michelin-Sternen:<br />

die Katalanin Carme Ruscalleda. Sie fühlt sich<br />

aus tiefstem Herzen mit ihrer Umgebung verbunden.<br />

Ein Lebensgefühl, eine Philosophie, die sie auf<br />

jeden Teller malt Text: Anuschka Seifert Fotos: Pamela Spitz<br />

Eine besternte<br />

Autodidaktin<br />

Bei Carme Ruscalleda<br />

ist alles ein bisschen<br />

anders als sonst in der<br />

Haute Cuisine. Dazu<br />

gehört auch, dass ihre<br />

Köche durch eine<br />

Panoramascheibe<br />

freien Blick auf das<br />

Mittelmeer haben.<br />

Carme Ruscalleda serviert ihre Tempura aus Zucchiniblüten<br />

und katalanischer Blutwurst in einem feinen Kichererbsenbad<br />

und lächelt verschmitzt. Noch sieht das, was sich auf dem Teller<br />

befi ndet, wie ein Gemälde von Antoni Tàpies aus, das in<br />

dunklen Pastellfarben gehalten ist. Kräftige Pinselstriche aus<br />

einer schwungvollen Hand, wenn auch in Miniatur, durchkreuzen<br />

den Teller. Doch sowie man das zarte Gebilde durchschneidet,<br />

sich den ersten delikaten Bissen zu Munde geführt<br />

hat, entsteht plötzlich so etwas wie eine bunte Landschaft David<br />

Hockneys. Aus Carme Ruscalledas haselnussbraunen Augen<br />

springt förmlich der Schalk, sie lacht, auf diesen Moment hat sie<br />

gewartet, auf dieses ungläubige Gesicht, das gleichzeitig im<br />

Genuss versinkt. Sie strahlt wie ein Kind, freut sich über diesen<br />

kleinen winzigen Moment und füllt damit die ganze Küche.<br />

Ohne Farben wären ihre Gerichte undenkbar. Die einzelnen<br />

Gemüse und Früchte sind so lebendig, saftig und farbenfroh,<br />

dass man meint, sie sprängen gleich vom Teller. Da legt sie<br />

Jakobsmuscheln auf ein dünnes Bett aus hellen Kartoffeln und<br />

tiefgrünen Artischocken, jeder Schnittlauch wird einzeln drapiert,<br />

jedes noch so kleine grasgrüne Blättchen wird von Hand auf den<br />

Teller verlesen, jedes Tröpfchen Olivenöl mit feinsten Kräutern<br />

Thinking the Future lll 31<br />

parfümiert, die jedes für sich, Zweig für Zweig, heute Morgen<br />

gesammelt wurden, und dann zum Schluss: wunderbar duftende,<br />

blutrote Rosenblätter. Fertig. Das Gemälde ist perfekt.<br />

„Wer grau isst, ist grau“, kommentiert Carme lakonisch,<br />

während ihre kleinen, fl inken, wohlgeformten Hände unaufhörlich<br />

schneiden, häckseln, stampfen, mischen für das nächste<br />

Gemälde. Auch perfekt. „Joan Miró hat einmal gesagt, dass die<br />

Menschen eine Krone aus Augen bräuchten, um all die schönen<br />

Farben zu sehen.“ Carme Ruscalleda hat eine, und dazu noch<br />

eine aus Nasen und Mündern. Aus der Ferne hört man das Meer<br />

rauschen. Carme schaut hoch, lächelnd, in die Runde ihrer<br />

23 Köche, zu denen auch Tochter Mercè und Sohn Raúl gehören.<br />

Der winzige Badeort Sant Pol, 44 Kilometer nördlich von Barcelona,<br />

scheint so idyllisch verschlafen, dass man hier kaum eines<br />

der weltbesten Restaurants vermuten würde. Aber Carme, die<br />

mit einer bäuerlichen Küche groß geworden ist, hätte ja auch nie<br />

gedacht, dass sie eine der weltbesten Köchinnen werden würde:<br />

„Ich erfi nde nichts, ich bin kein Experte, aber ich lerne von allem<br />

und von jedem, und ich bin Autodidaktin.“ Studieren wollte sie

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!