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50 Thinking the Future IV<br />
Jean Nouvel erdacht hat, sondern auch für den Beitrag des<br />
Botanikers Patrick Blanc. Die Wände eines Bürotrakts hat<br />
er mit Farnen, Büschen und Gräsern bedeckt. „Mur vegetal“,<br />
grüne Mauer, nennt Blanc seine Schöpfung, die einen hypnotischen<br />
Effekt auf die Passanten ausübt: Der Wind spielt mit<br />
Grashalmen und Blättern, die Vegetationsphasen verändern<br />
Farbe und Konsistenz. Der Mur vegetal ist keine starre Struktur,<br />
sondern eine lebende, pulsierende Form. „Wir denken immer,<br />
Pfl anzen brauchen Erde“, erklärt er sein Konzept, „aber Erde ist<br />
nur eine Art und Weise, um die Pfl anze mit Wasser und Mineralstoffen<br />
zu ver sorgen.“ Blanc hat für den Mur vegetal eine<br />
Konstruktion aus Filz, Stahl und Plastik geschaffen, ein künstliches<br />
Medium, das die Pfl anzen ernährt und die Mauer vor<br />
den dünnen, starken Wurzeln schützt.<br />
Das Projekt Mur vegetal blüht, wächst und gedeiht – und<br />
fast scheint es so, als hätte der Wind die Idee wie einen<br />
Flugsamen weitergetragen (so etwas nennt man wohl Trend).<br />
Wer ins Restaurant des Luxushotels Pershing Hall an den<br />
Champs-Élysées kommt, betritt eine Welt aus Farben. Unter<br />
einem Glasdach wächst eine grüne Wand mehr als zwanzig<br />
Meter in die Höhe. Die Blütenkelche und Farnwedel von<br />
Patrick Blanc gehören genau wie die Licht installation zum<br />
Interior Design. Die meisten Gäste, erzählt der Maître,<br />
verlangen einen Platz neben dem Mur vegetal, und dort sieht<br />
man die modernen Menschen dann sitzen, wie sie verwundert<br />
die Hand nach der grünen Wand ausstrecken und sich<br />
wohl fragen, ob die Minz- und Korianderblätter, die dem<br />
Ahi Tuna im Sesammantel die besondere Note geben, wohl<br />
in diesem vertikalen Garten geerntet wurden.<br />
Die Urban-Green-Bewegung bastelt in Paris an einem<br />
neuen Idealmodell der Stadt, einem lebendigen Gebäude-<br />
Netzwerk, das die Sinne anspricht und Energie effi zient verteilt,<br />
das auf organische Art und Weise wächst und sich an<br />
die verändernden Umweltbedingungen anpasst. „Die europäische<br />
Stadt hat heute eine Vorbildfunktion“, sagt Jacques<br />
Ferrier, „wir müssen ein Gleichgewicht zwischen Verdichtung<br />
und Lebensqualität schaffen – und so den Weg ins urbane<br />
Millennium weisen.“ Auf der ganzen Welt beginnen die Städte<br />
zu grünen und zu blühen. Der Bürgermeister von Chicago<br />
fördert Rooftop Gardens auf den Wolkenkratzern, um das<br />
Wassermanagement und das Stadtklima zu verbessern. In<br />
Tokio pfl anzen urbane Landwirte auf den ungenutzten Oberfl<br />
ächen der Stadt Kürbisse und Reis an – nicht zuletzt, um<br />
Transportwege zu sparen. Und New York hat mit der High<br />
Line, einem Park, der auf den Schienen einer alten Hoch bahn<br />
im Stadtteil TriBeCa wächst, einen der modernsten und<br />
schönsten Plätze der urbanen Welt geschaffen.<br />
Im 21. Jahrhundert, meint Jacques Ferrier, ist die<br />
Hochtechnologie nicht mehr der Feind der Natur, „sondern<br />
ermöglicht es uns, die Natur zurück in unser Leben zu<br />
holen“. Urban Green, das ist die Urbarmachung der Welt 2.0<br />
– Computer, Hightech-Materialien und Fantasie könnten<br />
unsere selbstgeschaffene Steinwüste, die Erdoberfl äche<br />
zweiter Ordnung, zum Leben erwecken. ¤<br />
www.edouardfrancois.com<br />
www.jacques-ferrier.com<br />
www.verticalgardenpatrickblanc.com<br />
Die grüne Wand des von Jean Nouvel<br />
entworfenen Museums am Quai Branly hat<br />
der Botaniker Patrick Blanc angelegt.<br />
Sein Mur vegetal verändert sich konstant<br />
mit den Jahreszeiten.<br />
Auch dem Caixa Forum in Madrid hat Patrick Blanc mit einem Mur vegetal zu innerstädtischem Grün verholfen.<br />
Seine ausgeklügelten Konstruktionen versorgen die Pfl anzen auch ohne Erde mit Nährstoffen und Wasser.<br />
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FOTOS S. 50: ROLAND HALBE/ARTURIMAGES; S. 50/51 (HINTERGRUND): PICTURE-ALLIANCE/J. J. GUILLEN; S. 51: VIEW PICTURES/INIGO BUJEDO AGUIRRE