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Wieso wird das Gespräch am Ende des Lebens zwischen Arzt und ...

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eiden Seiten <strong>wird</strong> viel Heuchelei verlangt. Darum auch die gequälten<br />

<strong>Gespräch</strong>e an den Spitalbetten. Der Weiterlebende ist froh, wenn er wieder<br />

draussen ist <strong>und</strong> der Sterbende versucht einzuschlafen.“<br />

Max Frisch, schreibt in seiner Trauerrede über Peter Noll: „Er wollte nicht<br />

sterben als entmündigtes Objekt der Medizin“ <strong>und</strong> in einem anderen Satz sagt<br />

Frisch über Peter Noll: „Aus seinen hellen Augen trifft uns der Blick eines<br />

Befreiten, der zu wissen wagt, was er weiss, <strong>und</strong> uns ein Gleiches zutraut.“<br />

Hier also der Sterbende als Lehrmeister. Clara Obermüller, die mit Walter<br />

Matthias Diggelmann verheiratet war sagt: Wir, die Überlebenden, können nicht<br />

weiterhin so tun, als wüssten wir nicht, was auf uns zukommt. Sie, die<br />

Sterbenden lehren uns, <strong>das</strong>s der Tod zum Leben gehört. Sie lehren uns, dieses<br />

Wissen anzunehmen <strong>und</strong> mit ihm weiterzuleben.<br />

Ich selbst bin immer wieder beeindruckt <strong>und</strong> betrachte mich als privilegiert,<br />

wenn ich Menschen in den letzten <strong>Lebens</strong>wochen begleiten darf. Und wenn ich<br />

dann erleben darf, wie diese Menschen ihre Endlichkeit anzunehmen bereit sind<br />

<strong>und</strong> mit einer gewissen Selbstverständlichkeit auch darüber sprechen, was nach<br />

ihrem Tod sein soll, ist dies einerseits ergreifend aber auch ermutigend <strong>und</strong> es<br />

hilft uns in unserer Rolle als Ärzte, diesen wichtigen <strong>Lebens</strong>fragen nicht mit<br />

allzu grosser Scheu zu begegnen. Unlängst habe ich ein längeres <strong>Gespräch</strong> mit<br />

einer Patientin geführt, die unter einem metastasierenden Tumor leidet <strong>und</strong> sich<br />

dagegen ausgesprochen hat, eine im Coecum lokalisierte Metastase operieren zu<br />

lassen <strong>und</strong> es war dabei irgendwie für die Patientin <strong>und</strong> mich erleichternd, nicht<br />

mehr darüber sprechen zu müssen, welche Therapiemodalitäten nun noch zur<br />

Verfügung stehen würden, sondern ganz einfach über <strong>das</strong>, was ihr im Leben<br />

wichtig ist <strong>und</strong> was sie in der ihr noch verbleibenden Zeit zu verwirklichen<br />

gedenke.<br />

Auch Harold Brodkey, der berühmte <strong>am</strong>erikanische Schriftsteller, schilderte die<br />

Distanz der ärztlichen Sachlichkeit zu seinem effektiven Befinden sehr<br />

eindrücklich: „Tag für Tag, so will es unser Pakt, geben wir (<strong>Arzt</strong> <strong>und</strong> Patient)<br />

uns in diesem Krankenhauszimmer terminologisch mit Details ab, unter<br />

Umgehung der unbeantworteten Fragen. Die Bedeutung der Blutwerte, der T-<br />

Zellen-Zahl, <strong>des</strong> Vorhandenseins von Antigenen u.s.w…… <strong>und</strong> die ganze Zeit<br />

über ist aus dem Augenwinkel der Ausgang zu erspähen, <strong>das</strong> weitere Schicksal,<br />

<strong>das</strong> man manchmal Bestimmung nennt, geschlängelt um den Äskulapstab, der<br />

gezielt in den gekränkten Leib gestochen <strong>wird</strong>“. Was Brodkey mit diesem<br />

ungewohnten Bild vom zustechenden Aeskulap genauer meint, sagt er an einer<br />

anderen Stelle: „ Medizin <strong>und</strong> Natur stossen uns gewalts<strong>am</strong> an den Rand <strong>des</strong><br />

<strong>Lebens</strong>“. Mit diesen Worten beschreibt er was viele Patienten heute erfahren,<br />

nämlich <strong>das</strong>s sie kaum mehr unterscheiden können, ob es letztlich die Krankheit<br />

oder die Medizin ist, die sie umbringt. Gerade wegen den letzten heroischen

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