Ausgabe 02/2013 vom Mittwoch, dem 27. Februar - Sondershausen
Ausgabe 02/2013 vom Mittwoch, dem 27. Februar - Sondershausen
Ausgabe 02/2013 vom Mittwoch, dem 27. Februar - Sondershausen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
14<br />
SONDERSHÄUSER HEIMATECHO<br />
Erlebte Hochwasser und Überschwemmungen in <strong>Sondershausen</strong> -<br />
Große Schäden in der Unterstadt, besonders im Schwarzen Viertel<br />
Ob es Hochwasser und Überschwemmungen<br />
gab oder nicht, das hing entscheidend von<br />
der Wetterkonstellation ab. War der Boden<br />
tief gefroren, lag sehr viel Schnee und setzte<br />
plötzlich Tauwetter mit Starkregen ein, dann<br />
war mit Hochwasser und Überschwemmungen<br />
der Wipper zu rechnen. Das trat in<br />
den Monaten <strong>Februar</strong> bzw. März der Jahre<br />
1942, 1946 und 1947 auch ein. Die Wipper<br />
entspringt im Ohmgebirge des Eichsfeldes<br />
aus zwei Quellen. Die eine entsteht bei Kaltohmfeld<br />
hinter Worbis, die andere hinter<br />
<strong>dem</strong> Dorfe Ursel. In Bernterode fließen sie zusammen.<br />
Zwischen <strong>dem</strong> Schlosse Lohra und<br />
Bleicherode, der Hainleite und der Windleite<br />
verläuft die Wipper nach <strong>Sondershausen</strong><br />
herab. Durch Wasser aus den Waldbergen<br />
führte sie im Bereich ihres Tiefpunktes<br />
am Wippertor und Volksplatz schon bedrohliches<br />
Hochwasser. Sie breitete sich mit<br />
starker Strömung und schokoladenfarbenem<br />
Wasser in ihrem Urstromtal aus. Die Einwohner<br />
der Unterstadt, besonders im Schwarzen<br />
Viertel, beobachteten das mit großer Sorge<br />
um ihr Hab und Gut. Links von der Cruciskirche<br />
stand eine Litfasssäule. Daneben befand<br />
sich ein Wassereinlauf, dessen Kanal unter<br />
<strong>dem</strong> 1730 als Waisenhaus errichteten Fachwerkbau,<br />
heute Wippertal WBG, in die kleine<br />
Wipper (Mühlwipper) mündete. Am Wassereinlauf,<br />
in den bis zum Ende der 20er Jahre<br />
die Bebra, von der Pfarrstraße kommend, die<br />
Hauptstraße entlang offen einfloss, zeigte<br />
sich durch den Rückstau des Wassers zuerst<br />
die bevorstehende Überschwemmung.<br />
1942 war der Winter lang und hart. In der<br />
Nacht zum 19. März 1942 schoss aus <strong>dem</strong><br />
Park, durch das Gehöft des Viehhändlers Wilhelm<br />
Hartlee, Planplatz 4a, das Wasser heraus<br />
und überflutete den Planplatz und die Unterstadt.<br />
Die Überschwemmung kam nicht von<br />
der großen, sondern von der kleinen Wipper.<br />
Die Schäden waren Unterspülungen und ein<br />
Dammbruch.<br />
Ich erinnere mich: Wir wohnten über der<br />
Schmiede von Hermann Härtling, vormals<br />
Hugo Schrader, in der unteren Jechastraße.<br />
Durch den Gitterrost des Gullys hinter der<br />
Toreinfahrt blubberte das Wasser heraus und<br />
breitete sich schnell bis zum Treppenaufgang<br />
aus. Mehrere Schmiedegesellen stemmten<br />
eiligst eine eiserne Wagenachse von in-<br />
nen gegen das alte Tor. Sie rückten noch einen<br />
mächtigen Holzklotz mit einem Amboss<br />
dagegen. Als später das Militär mit einem<br />
Schwimmpanzer durch die überflutete Straße<br />
fuhr, öffneten sich das Tor und die verbarrikadierten<br />
Haustüren durch den Seitendruck<br />
des Wassers wie von Geisterhand (Bild 1). Die<br />
Menschen flüchteten <strong>vom</strong> Erdgeschoss ins<br />
obere Stockwerk. Das Militär, die Feuerwehr<br />
und Sanitäter leisteten von Schlauchboten<br />
aus Hilfe und versorgten mit Milch und Brot<br />
(Bild 2).<br />
Das Hochwasser und die Überschwemmung<br />
<strong>vom</strong> 08./09. <strong>Februar</strong> 1946 ging von der "Wilden<br />
Wipper" und deren schmalem Arm, der<br />
"Zahmen Wipper", aus. Es war höher als 1942.<br />
Bereits am 05.<strong>02</strong>.46 rief die Alarmsirene zu<br />
erhöhter Vorsicht und Wachsamkeit auf. Der<br />
Wipperdamm war zwischen<br />
<strong>Sondershausen</strong><br />
und Stockhausen gebrochen.<br />
Das Wasser stand<br />
bis zur Pfarrstraße. Der<br />
Schlosspark war völlig<br />
überschwemmt.<br />
Die Kranken aus den Baracken<br />
auf der Gänsespitze<br />
waren rechtzeitig<br />
umquartiert worden. Angeschwemmtes<br />
Treibholz<br />
versperrte den Wasserdurchlass<br />
unter den Brücken.<br />
Und was da alles<br />
angeschwommen kam:<br />
Ich sah einen Küchenschrank<br />
in <strong>dem</strong> noch das Geschirr stand. Mit<br />
Wäscheleinen versuchte man Scheithölzer<br />
in den eigenen Hausflur zu<br />
lenken, denn Brennholz war<br />
knapp. Mit Kähnen und Flößen<br />
beteiligten sich Angehörige<br />
der Roten Armee am<br />
Hilfswerk.<br />
Am 14.03.1947 setzte plötzliches<br />
Tauwetter ein. Die<br />
unsachgemäße Entsorgung<br />
von Weihnachtsbäumen<br />
und anderem Unrat<br />
führte zur Verstopfung des<br />
Flussbettes der Bebra. Sie<br />
trat westlich der Bebrastraße<br />
übers Ufer und überschwemmte<br />
die Bebrastra-<br />
Nr. <strong>02</strong>/<strong>2013</strong><br />
ße, die Lange Straße und die Schösserstraße.<br />
Aus <strong>dem</strong> Kanal der Bebra in der oberen Jechastraße<br />
quoll das Wasser heraus und lief hinunter<br />
zum Planplatz, wo durch den Austritt<br />
der Wipper die Unterstadt bis zur Schösserstraße<br />
unter Wasser stand. Vor <strong>dem</strong> Hochwasser<br />
mussten auch die Tiere in Sicherheit<br />
gebracht werden. Die Hühner und die Karnickel<br />
verfrachteten wir auf den Dachboden. Es<br />
sah aus wie bei den Bremer Stadtmusikanten,<br />
als der Hahn und die Hühner auf <strong>dem</strong> uralten<br />
Gebälk unterm Dach saßen. Die Hasen<br />
sausten hin und her und<br />
schlugen ihre Haken. Die<br />
Überschwemmungen<br />
durch die Wipper verursachten<br />
große Schäden an<br />
den alten Häusern der Unterstadt.<br />
Wir Kinder freuten uns,<br />
weil wir einige Tage nicht<br />
zur Schule gehen konnten.<br />
Das Hochwasser war<br />
viel interessanter! Bereits<br />
von 1860 bis 1864 wurden<br />
der Wipperflusslauf<br />
und die Wipperdämme<br />
mehrfach verändert. Durch die bis 2005 am<br />
Volksplatz errichtete Hochwasserschutzmauer,<br />
den Rückbau der Deiche verbunden mit<br />
einer Profilaufweitung der Wipper und der<br />
tiefer gelegten Sohle, soll unsere Stadt vor<br />
Überschwemmungen sicher sein. (Bild 3)<br />
Dabei wurde von einer Wiederholung des<br />
Hochwassers in Abständen von 100 Jahren<br />
ausgegangen. Warten wir es ab!<br />
Gerhard Axt