13.04.2013 Aufrufe

Wilhelm Krull Laudatio auf die Edition der Tagebücher von Harry ...

Wilhelm Krull Laudatio auf die Edition der Tagebücher von Harry ...

Wilhelm Krull Laudatio auf die Edition der Tagebücher von Harry ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

- 4 -<br />

lerdings vergeblich. Sein großer Einsatz für <strong>die</strong> linksliberale Deutsche Demokratische<br />

Partei wurde am Ende nicht mit einem Mandat belohnt. Wie überhaupt sein Leben<br />

durch eine Fülle <strong>von</strong> Wechselbä<strong>der</strong>n, <strong>von</strong> engagierten Neuanfängen und großen Ent-<br />

täuschungen geprägt war.<br />

Ulrich Ott spricht daher zu Recht da<strong>von</strong>, dass sich Kesslers Leben im Großen und<br />

Ganzen „als eine Folge <strong>von</strong> Wellenbergen und Wellentälern nachzeichnen lässt“<br />

(Einleitung zu Bd. 9, S. 14), wobei er ab Ende <strong>der</strong> 1920er Jahre seine Enttäuschun-<br />

gen nicht mehr habe „durch neuen Gewinn kompensieren können“ (ebd.). Gemeint<br />

ist damit sowohl <strong>der</strong> weitere Gang <strong>der</strong> politischen Ereignisse als auch <strong>die</strong> ganz per-<br />

sönliche, <strong>von</strong> schweren Erkrankungen, Exil und finanziellen Schwierigkeiten gekenn-<br />

zeichnete Situation des Grafen, <strong>die</strong> sich im Verl<strong>auf</strong> <strong>der</strong> 1930er Jahre immer weiter<br />

zuspitzte. Er, <strong>der</strong> Grandseigneur, <strong>der</strong> einst in <strong>der</strong> Gesellschaft <strong>von</strong> London, Paris und<br />

Berlin zuhause war, musste am Ende mit zwei Zimmern in einem Landgasthof unweit<br />

<strong>von</strong> Lyon vorlieb nehmen, wobei er auch <strong>auf</strong> dem Landsitz seiner Schwester, <strong>der</strong><br />

Marquise de Brion, in Fournels eine Zuflucht fand.<br />

Genau zwei Monate nach dem letzten Tagebucheintrag vom 30. September 1937<br />

verstarb Graf Kessler. Beerdigt wurde er in seiner Geburtsstadt Paris, <strong>auf</strong> dem welt-<br />

bekannten Friedhof Père Lachaise am 7. Dezember 1937. Zu den Freunden und Be-<br />

kannten, <strong>die</strong> <strong>von</strong> ihm Abschied nahmen, gehörten u. a. auch Julien Green und André<br />

Gide. Letzterer mokierte sich in seinem Tagebuch darüber, dass <strong>die</strong> vielen Maler und<br />

Bildhauer, <strong>die</strong> Kessler so großzügig unterstützt hatte, <strong>der</strong> Beerdigung ferngeblieben<br />

waren. Freilich fügten sie damit <strong>der</strong> Kette <strong>von</strong> Undankbarkeiten und Enttäuschungen<br />

im Leben und Sterben Kesslers nur noch ein weiteres Glied hinzu. Auch in <strong>die</strong>ser<br />

Hinsicht schloss sich in Paris <strong>der</strong> Kreis seines in je<strong>der</strong> Hinsicht <strong>auf</strong>regenden, <strong>von</strong><br />

wenigen Glücksmomenten und vielen Rückschlägen geprägten Lebens.<br />

Was macht seine <strong>Tagebücher</strong> so beson<strong>der</strong>s?<br />

In einer Zeit, in <strong>der</strong> vieles ungewiss scheint und dennoch alles berechnet und ver-<br />

messen wird, in <strong>der</strong> Leistung vor allem in Form quantifizierbarer Rankings und Ra-<br />

tings zum Ausdruck gebracht wird, gilt es zunächst einmal festzuhalten, dass <strong>Harry</strong><br />

Graf Kessler in <strong>der</strong> „ewigen Bestenliste“ auch unter <strong>die</strong>sen Aspekten ganz vorn mit

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!