Biotonne versus Eigenkompostierung â Stand und Perspektiven ...
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<strong>Biotonne</strong> <strong>versus</strong> <strong>Eigenkompostierung</strong> – <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Perspektiven</strong><br />
Michael Kern<br />
1 Einleitung<br />
M. Kern<br />
Unbestritten hat die Erfassung von Bioabfällen in Deutschland einen hohen Stellenwert<br />
<strong>und</strong> die <strong>Biotonne</strong> ist in vielen Städten <strong>und</strong> Gemeinden <strong>Stand</strong>bein der kommunalen<br />
Abfallentsorgung. Dennoch gibt es nach wie vor eine Vielzahl von Bürgerinnen<br />
<strong>und</strong> Bürgern, die gegenwärtig keine <strong>Biotonne</strong> benutzen, entweder weil für ihr Gebiet<br />
keine <strong>Biotonne</strong> angeboten wird oder weil sie sich als Eigenkompostierer quasi selbst<br />
von der <strong>Biotonne</strong> befreit haben.<br />
Mit der Verabschiedung <strong>und</strong> dem Inkrafttreten des Kreislaufwirtschaftsgesetzes am<br />
1. Juni 2012 soll insbesondere die Erfassung <strong>und</strong> stofflich-energetische Verwertung<br />
von Bioabfällen weiter ausgebaut werden. Dies geschieht nicht zuletzt vor dem Hintergr<strong>und</strong>,<br />
dass der Anbau von Biomasse, vor allem von Energiemais, immer mehr in<br />
Frage gestellt wird, da er in Konkurrenz zu Nahrungs- oder Futtermitteln angebaut<br />
wird. Bioabfälle zeigen hingegen keine negativen ökologischen Wirkungen, da sie<br />
quasi sowieso anfallen <strong>und</strong> lediglich einer sinnvollen Verwertung zugeführt werden<br />
müssen.<br />
Im Sinne dieses Gesetzes werden nach § 3 Absatz 7 unter Bioabfällen folgende biogenen<br />
Stoffströme zusammengefasst:<br />
1. Garten- <strong>und</strong> Parkabfälle<br />
2. Landschaftspflegeabfälle<br />
3. Nahrungs- <strong>und</strong> Küchenabfälle aus Haushaltungen, aus dem Gaststätten- <strong>und</strong><br />
Cateringgewerbe, aus dem Einzelhandel <strong>und</strong> vergleichbare Abfälle aus Nahrungsmittelverarbeitungsbetrieben<br />
4. Abfälle aus sonstigen Herkunftsbereichen, die den in den Nummern 1 bis 3 genannten<br />
Abfällen nach Art, Beschaffenheit oder stofflichen Eigenschaften vergleichbar<br />
sind<br />
Damit wurde insbesondere auch die Bedeutung der Nahrungs- <strong>und</strong> Küchenabfälle<br />
aus Haushaltungen sowie aus dem Gaststätten- <strong>und</strong> Cateringgewerbe hervorgehoben.<br />
Wurde bisher die <strong>Eigenkompostierung</strong> immer als Alternative zur kommunalen Erfassung<br />
von Bioabfällen mittels <strong>Biotonne</strong> verstanden, muss die Frage gestellt werden,<br />
welche Rolle die <strong>Eigenkompostierung</strong> in einem nachhaltigen abfallwirtschaftlichen<br />
Gesamtkonzept zukünftig einnehmen soll.<br />
39
6. Biomasse-Forum 2012<br />
2 <strong>Stand</strong> der <strong>Eigenkompostierung</strong><br />
2.1 Rechtsgr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Technik<br />
Das gr<strong>und</strong>legende Recht auf <strong>Eigenkompostierung</strong> ist bereits durch das KrWG gegeben.<br />
Nach § 17 des KrWG sind die Erzeuger <strong>und</strong>/oder Besitzer von Abfällen zu deren<br />
Abgabe verpflichtet, wenn sie selbst zur eigenen Verwertung des Abfalls nicht in<br />
der Lage sind. Die Verwertung muss ordnungsgemäß <strong>und</strong> schadlos erfolgen, d. h.<br />
sie muss in Einklang mit dem KrWG <strong>und</strong> anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften<br />
stehen <strong>und</strong> darf durch die Beschaffenheit der Abfälle, das Ausmaß der Verunreinigung<br />
<strong>und</strong> die Art der Verwertung keine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit<br />
verursachen <strong>und</strong> vor allem keine Schadstoffanreicherung hervorrufen.<br />
Demzufolge sind Eigenkompostierer nur dann von der Überlassungspflicht befreit,<br />
soweit sie eine Verwertung auf den von ihnen im Rahmen ihrer privaten Lebensführung<br />
genutzten Gr<strong>und</strong>stücke durchführen.<br />
Die exakte Zahl der Eigenkompostierer in Deutschland ist nicht bekannt. Man kann<br />
allerdings in allen Städten <strong>und</strong> Kreisen, die eine <strong>Biotonne</strong> anbieten, feststellen, dass<br />
ein bestimmter Prozentsatz der Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürger sich als Eigenkompostierer<br />
von der <strong>Biotonne</strong> befreien lässt. Der Anschlussgrad an die <strong>Biotonne</strong> schwankt in diesen<br />
Regionen zwischen 20 % <strong>und</strong> annähernd 100 %. Hierbei lässt sich eine klare<br />
Abhängigkeit von möglichen Gebühreneinsparungen durch <strong>Eigenkompostierung</strong> <strong>und</strong><br />
der Eigenkompostiererquote feststellen, d. h. je größer die Einsparungsmöglichkeiten,<br />
desto mehr Eigenkompostierer sind in der Regel festzustellen.<br />
Die Nachweisführung über die <strong>Eigenkompostierung</strong> wird b<strong>und</strong>esweit sehr unterschiedlich<br />
gehandhabt <strong>und</strong> reicht von einfachem Ankreuzen <strong>und</strong> Einreichen des Befreiungsantrages<br />
bis hin zu Flächennachweisen <strong>und</strong> Fotodokumentation der <strong>Eigenkompostierung</strong>sanlage.<br />
Stichprobenartig werden auch Kontrollen durchgeführt.<br />
Die technische Umsetzung <strong>und</strong> Praxis der <strong>Eigenkompostierung</strong> wird ebenfalls in einem<br />
sehr weiten Spektrum realisiert. Sie reicht von einem einfachen Haufwerk bis<br />
hin zu geschlossenen Kompostern. Für die <strong>Eigenkompostierung</strong> stehen verschiedene<br />
Komposterbauweisen zur Verfügung (Abbildung 1). Bei ausreichendem Platzangebot<br />
bietet die Aufsetzung zur Kompostmiete mit den Vorteilen des leichten Befüllens<br />
<strong>und</strong> Umsetzens eine einfache <strong>und</strong> gute Lösung. Der Lattenkomposter bietet den<br />
Vorteil des selbstständigen Luft- <strong>und</strong> Wasseraustauschs, ist aber nur bedingt witterungsbeständig.<br />
Für kleine Gärten bieten sich Schnellkomposter aus Kunststoff an.<br />
Sie sind platzsparend <strong>und</strong> schützen kompostierte Speiseabfälle vor Ungeziefer. Da<br />
bei ihnen die Fäulnisgefahr durch einen nur mäßigen Feuchtigkeitsaustausch hoch<br />
ist, bedarf diese Art der Kompostierung besonderer Sorgfalt. In der Regel wird keine<br />
aktive Belüftung durchgeführt, die Belüftung der Mieten erfolgt durch Diffusion<br />
oder/<strong>und</strong> Umsetzen der Mieten. Die Mischung von feuchten <strong>und</strong> weichen Abfällen mit<br />
stark strukturierten <strong>und</strong> trockenen Abfällen lässt den Rottevorgang durch so entste-<br />
40
M. Kern<br />
hende gute Belüftung schnell <strong>und</strong> problemlos ablaufen. Sehr grob strukturiertes Material<br />
muss gegebenenfalls zerkleinert werden.<br />
Bei allen Verfahren ist eine Pflege durch den Kompostierenden erforderlich. Neben<br />
einer geeigneten <strong>Stand</strong>ortwahl über offenem Boden zur Vermeidung von Staunässe<br />
muss ein für die Mikroorganismen günstiger Feuchtegrad gewährleistet werden, z. B.<br />
durch Abdeckung oder Schutz vor intensiver Sonneneinstrahlung (Schattenplätze).<br />
Während der Rotte verändern sich Struktur <strong>und</strong> Dichte des Materials. Um die sich<br />
bildenden Bereiche unterschiedlicher Feuchte <strong>und</strong> Temperatur zu durchmischen, das<br />
Rottematerial zu belüften <strong>und</strong> eine gleichmäßige Kompostierung zu gewährleisten,<br />
ist ein regelmäßiges Umsetzen nötig.<br />
Während in Kompostwerken zu Beginn der Rotte durch ein großes Angebot an leicht<br />
abbaubarer Substanz viel Energie freigesetzt wird <strong>und</strong> eine Heißrottephase mit Temperaturen<br />
zwischen 50 <strong>und</strong> 70 °C eintritt, bleiben die Temperaturen bei der <strong>Eigenkompostierung</strong><br />
durch regelmäßige Zugabe nur kleiner Mengen <strong>und</strong> entsprechend<br />
geringer Energiefreisetzung niedrig. Hinzu kommt ein ungünstigeres Verhältnis von<br />
Volumen zu Oberfläche, welches eine Eigenerwärmung ebenfalls erschwert. Eine bei<br />
der industriellen Kompostierung eintretende Hygienisierung bleibt durch die niedrigen<br />
Temperaturen aus. Es findet eine „kalte Kompostierung“ statt.<br />
Eine Belastung für die Umwelt kann durch Sickerwasserbildung in den Kompostmieten<br />
entstehen. Sickerwasser bildet sich, wenn zu viel Wasser, z. B. durch Niederschlag,<br />
in den Kompost gelangt <strong>und</strong> anschließend im Boden versickert. Das Wasser<br />
löst unter anderem Stoffe wie Stickstoff <strong>und</strong> trägt diesen als Nitrat in Boden <strong>und</strong><br />
Gr<strong>und</strong>wasser ein.<br />
Abb. 1: Technische Umsetzung der <strong>Eigenkompostierung</strong><br />
41
6. Biomasse-Forum 2012<br />
2.2 Bioabfälle für die <strong>Eigenkompostierung</strong><br />
Die im häuslichen Bereich anfallenden Bioabfälle eignen sich in unterschiedlicher<br />
Weise für die <strong>Eigenkompostierung</strong>. Gr<strong>und</strong>sätzlich kann man drei verschiedene Eignungsprofile<br />
zuordnen.<br />
I Gut geeignete Inputstoffe<br />
42<br />
Gut geeignete Inputstoffe sind Garten- <strong>und</strong> Grünabfälle. Dies gilt für Baum-,<br />
Strauch-, Hecken-, Stauden- <strong>und</strong> Grasschnitt, Laub, Schnittblumen, Fallobst,<br />
Unkraut, rohe Gemüse-, Salat- <strong>und</strong> Obstabfälle. Hierbei handelt es sich um<br />
gute Kompostrohstoffe, die vergleichsweise geringe Anforderungen an die<br />
Kompostierung stellen.<br />
II Weniger gut geeignete Inputstoffe<br />
Deutlich höhere Anforderungen an die <strong>Eigenkompostierung</strong> stellen pflanzliche<br />
Küchenabfälle <strong>und</strong> Speisereste. Hierbei sind insbesondere gegarte Gemüse<br />
<strong>und</strong> Obstabfälle, Brotreste, Nudeln, Reis, Hirse, Schalen, Zitrusfrüchte, verdorbene<br />
oder überlagerte pflanzliche Lebensmittel ohne Verpackung, Kaffee<strong>und</strong><br />
Teesatz etc. zu nennen. Da diese Abfälle in der Regel das deutlich höhere<br />
Energiepotenzial aufweisen, muss zum ordnungsgemäßen Ab- <strong>und</strong> Umbau<br />
dieser Stoffe kontinuierlich genügend Sauerstoff bereitgestellt werden, was<br />
üblicherweise durch regelmäßiges Umsetzen erfolgt. Bei diesen Abfallströmen<br />
besteht ein Risiko für einen erhöhten tierischen Schädlingsbefall.<br />
III Schlecht geeignete Inputstoffe<br />
Tierische Küchenabfälle <strong>und</strong> Speisereste eignen sich nur bedingt für die <strong>Eigenkompostierung</strong>.<br />
Insbesondere rohe oder gekochte Fleisch-, Geflügel- <strong>und</strong><br />
Fischabfälle, Innereien, Knochen, Wurst, Käse, Eier, Eierschalen <strong>und</strong> überlagerte<br />
bzw. verdorbene tierische Lebensmittel ohne Verpackung sowie Milchprodukte<br />
stellen eine hohe Anforderung an die <strong>Eigenkompostierung</strong>. Hierbei<br />
steht die Hygienisierung <strong>und</strong> Abtötung von phyto- <strong>und</strong> humanpathogenen<br />
Keimen im Vordergr<strong>und</strong>. Zudem besteht die Gefahr des erhöhten Schädlingsbefalls,<br />
insbesondere durch Mäuse <strong>und</strong> Ratten.<br />
Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> werden bei der überwiegenden Anzahl der Eigenkompostierer<br />
Stoffströme der Gruppe III <strong>und</strong> teilweise auch der Gruppe II nicht der <strong>Eigenkompostierung</strong><br />
zugeführt, sondern in der Regel über den Restabfall entsorgt. Somit wird<br />
in der Praxis nur ein vergleichsweise geringer Anteil der Küchen- <strong>und</strong> Speiseabfälle<br />
tatsächlich der <strong>Eigenkompostierung</strong> zugeführt.<br />
2.3 Anforderungen an die <strong>Eigenkompostierung</strong><br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich gilt, dass mit der <strong>Eigenkompostierung</strong> schädliche, nachteilige oder das<br />
allgemeine Wohlbefinden beeinträchtigende Einwirkungen auf Boden, Wasser, Luft
M. Kern<br />
sowie auf Mensch, Tiere <strong>und</strong> Pflanzen auszuschalten oder zumindest so gering wie<br />
möglich zu halten sind.<br />
Darüber hinaus muss eine sinnvolle Verwertung der erzeugten Komposte auf den<br />
eigengenutzten Gr<strong>und</strong>stücken sichergestellt sein. Um eine Überdüngung der Flächen<br />
<strong>und</strong> eine damit einhergehende mögliche Gr<strong>und</strong>wassergefährdung auszuschließen,<br />
ist in der Regel ein Bedarf an Gartenfläche von 30 bis 50 Quadratmeter je Einwohner<br />
erforderlich.<br />
Geht man von einer gemäß Bioabfallverordnung vorgegebenen Obergrenze von maximalen<br />
Kompostgaben von 20 Tonnen Trockenmasse pro Hektar alle drei Jahre<br />
aus, ergibt dies eine spezifische Kompostgabe von ca. 1,1 kg Kompost (Frischmasse)<br />
je Quadratmeter Gartenfläche <strong>und</strong> Jahr. Unterstellt man ein mittleres Bioabfallaufkommen<br />
von 109 kg Bio- <strong>und</strong> Grünabfall je Einwohner <strong>und</strong> Jahr (Mittelwert für<br />
Deutschland) entspricht dies ca. 55 kg Kompost pro Einwohner <strong>und</strong> Jahr, der verwertet<br />
werden muss. Für diese Kompostmenge wäre dann eine entsprechende Gartenfläche<br />
von 50 qm erforderlich. Allerdings sollte hierbei nur die tatsächliche Gartenfläche<br />
(Nutzgarten) berücksichtigt werden, da in der Regel keine Kompostgaben auf<br />
Ziergarten- oder Rasenflächen ausgebracht werden. Somit wird bei den allermeisten<br />
Gartenbesitzern die tatsächlich nutzbare Gartenfläche deutlich eingeengt.<br />
Abbildung 2 zeigt beispielhaft Flächenanforderungen verschiedener öffentlich-rechtlicher<br />
Entsorgungsträger (örE) an die <strong>Eigenkompostierung</strong>.<br />
Abb. 2: Flächenanforderung an Eigenkompostierer<br />
Da selbst bei einem fachgerecht angelegten Kompostplatz eine gewisse Geruchsentwicklung<br />
nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, sollte bei der Eigenkom-<br />
43
6. Biomasse-Forum 2012<br />
postierung immer ein ausreichender Abstand zu Fenstern, Eingängen, Terrassen<br />
<strong>und</strong> Nachbargr<strong>und</strong>stücken, Wegen oder Wohnhäusern vorgesehen sein.<br />
Problematisch ist immer wieder der Befall von Komposthaufen durch Mäuse <strong>und</strong> Ratten,<br />
die diesen gern als Brut-, Schlaf- oder Futterplatz nutzen. Aus seuchenhygienischen<br />
Gründen sollte für die Kompostierung von Bioabfällen tierischer Herkunft <strong>und</strong><br />
Speiseresten zwingend ein ratten- <strong>und</strong> mäusedichter Behälter genutzt werden, d. h.<br />
ein allseitig geschlossener Behälter mit einer maximalen Spaltenbreite von 1,5 cm,<br />
bei Mäusen sogar kleiner (0,5 cm).<br />
Besonders problematisch ist die <strong>Eigenkompostierung</strong> von Eierschalen, Schweine<strong>und</strong><br />
Geflügelfleischresten, da das entstehende Temperaturprofil in der <strong>Eigenkompostierung</strong><br />
in der Regel nicht ausreicht eventuell vorhandene Salmonellen abzutöten,<br />
sodass immer ein Gefährdungspotenzial bei der Kompostnutzung besteht.<br />
3 Kommunal erfasste Mengen an Bioabfälle<br />
3.1 Mengenentwicklung<br />
Die Erfassung von Bio- <strong>und</strong> Grünabfällen aus Haushalten erfolgt auf unterschiedlichen<br />
Wegen: Typischerweise werden sie über <strong>Biotonne</strong>n beim Bürger gesammelt<br />
(Holsystem). Weit verbreitet ist zudem die separate Einsammlung von Grünabfällen,<br />
zum Beispiel an Wertstoffhöfen oder durch Straßensammlung.<br />
2010 wurden nach Angaben des Statistischen B<strong>und</strong>esamtes insgesamt 8,9 Mio. Mg<br />
Bio- <strong>und</strong> Grünabfälle erfasst, darunter ca. 4,3 Mio. Mg Bioabfälle <strong>und</strong> ca. 4,6 Mio. Mg<br />
Grünabfälle. Diese Entwicklung (Abbildung 3) verdeutlicht, dass sich die Getrenntsammlung<br />
im Bereich Bio- <strong>und</strong> Grünabfälle in der B<strong>und</strong>esrepublik auf hohem Niveau<br />
etabliert hat, wenngleich es noch deutliche Unterschiede in der Erfassungsleistung<br />
der verschiedenen B<strong>und</strong>esländer gibt.<br />
44
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
in Mio. Mg/Jahr<br />
2,9<br />
2,1<br />
6,7<br />
5,9<br />
5,1<br />
7,1 7,6 8,1 8,1 8,6 8,3 8,3 8,4 8,6 8,8 8,8 9,1 8,9<br />
2000<br />
1999<br />
1998<br />
1997<br />
1996<br />
1995<br />
1993<br />
1990<br />
2010<br />
2009<br />
2008<br />
2007<br />
2006<br />
2005<br />
2004<br />
2003<br />
2002<br />
2001<br />
Abb. 3: Entwicklung des Bio- <strong>und</strong> Grünabfallaufkommens 1990–2010<br />
M. Kern<br />
Im Mittel ergibt sich ein spezifisches Abfallaufkommen von ca. 109 kg Bio- <strong>und</strong> Grünabfall<br />
je Einwohner <strong>und</strong> Jahr. Dabei ist hinsichtlich der pro Kopf erfassten Mengen<br />
ein deutliches Gefälle zu beobachten. Während in Niedersachsen ca. 144 kg/E*a<br />
gesammelt werden, sind es in Brandenburg lediglich 40 kg/E*a (Abbildung 4).<br />
Das geringste spezifische Aufkommen von Bio- <strong>und</strong> Grünabfällen ist durchgängig in<br />
den östlichen B<strong>und</strong>esländern zu verzeichnen, wobei Sachsen-Anhalt mit 96 kg/E*a<br />
den höchsten Wert erreicht, damit aber immer noch mit 13 kg unter dem B<strong>und</strong>esdurchschnitt<br />
rangiert.<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
kg /Ew.*a<br />
144 143<br />
Niedersachsen<br />
138<br />
Rheinland-Pfalz<br />
Bayern<br />
133<br />
Saarland<br />
128<br />
Hessen<br />
Abb. 4: Spezifisches Bio- <strong>und</strong> Grünabfallaufkommen 2010<br />
121<br />
Datengr<strong>und</strong>lagen: Abfallbilanzen der Länder 2010 / 1) = 2009<br />
109<br />
Baden-Württemberg<br />
90<br />
Nordrhein-Westfalen 1)<br />
96<br />
Schleswig-Holstein<br />
86<br />
Sachsen-Anhalt<br />
Bremen<br />
74<br />
Thüringen 1)<br />
51 50<br />
Sachsen<br />
42 40<br />
Berlin<br />
Mecklenburg-Vorpommern<br />
Brandenburg<br />
WitzenhausenInstitut 2012<br />
21<br />
Hamburg<br />
45
6. Biomasse-Forum 2012<br />
Auch beim Vergleich der Siedlungsstrukturen zeigen sich deutliche Unterschiede in<br />
der spezifischen Erfassungsleistung von Bio- <strong>und</strong> Grünabfällen (Abbildung 5). Die<br />
meisten Bioabfälle (<strong>Biotonne</strong>) werden im dichteren ländlichen sowie im städtischen<br />
Bereich erfasst (54 bis 58 kg/E*a). Im ländlichen Bereich mit weniger als 150 E/km²<br />
werden lediglich ca. 38 kg Bioabfall je Einwohner <strong>und</strong> Jahr erfasst. In dieser Struktur<br />
wird oftmals zugunsten der <strong>Eigenkompostierung</strong> auf eine umfassende Einführung der<br />
<strong>Biotonne</strong> verzichtet. Allerdings dokumentieren viele Hausmüllanalysen, dass sich<br />
gerade in diesen Siedlungsstrukturen aufgr<strong>und</strong> der deutlich größeren Gartenflächen<br />
<strong>und</strong> dem damit verb<strong>und</strong>enen höheren Grünabfallaufkommen, trotz teilweise gut funktionierender<br />
<strong>Eigenkompostierung</strong> hohe Anteile an Bioabfällen im Hausmüll wiederfinden.<br />
Somit ist der Verzicht auf eine <strong>Biotonne</strong> in ländlichen Strukturen in der Regel<br />
nicht sinnvoll.<br />
In der großstädtischen Bebauung (> 1.750 E/km²) werden mit lediglich 24 kg je Einwohner<br />
<strong>und</strong> Jahr die geringsten Mengen an Bioabfällen (<strong>Biotonne</strong>) erfasst (Abbildung<br />
5). In hoch verdichteten Bebauungsstrukturen wird oftmals mit dem Hinweis auf<br />
Stellplatzprobleme auf die Umsetzung der getrennten Bioabfallerfassung verzichtet.<br />
Allerdings findet sich auch in diesen Strukturen ein deutlich höheres Potenzial.<br />
Abb. 5: Getrennt erfasstes Bio- <strong>und</strong> Grünabfallaufkommen (2007) differenziert<br />
nach Siedlungsstruktur<br />
3.2 Umsetzung der Erfassung von Bio- <strong>und</strong> Grünabfällen in den<br />
Kreisen, kreisfreien Städten <strong>und</strong> Zweckverbänden<br />
In Deutschland gibt es 96 öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger (von insgesamt<br />
405), die ihren Bürgern keine <strong>Biotonne</strong> anbieten (Abbildung 6). Dies betrifft r<strong>und</strong><br />
14,3 Mio. Menschen. 67,5 Mio. Bürger leben in Regionen, in denen die <strong>Biotonne</strong> eingeführt<br />
wurde. Der tatsächliche Anschlussgrad an die <strong>Biotonne</strong> liegt in diesen Regio-<br />
46<br />
70 kg/E*a<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
38,1<br />
59,2<br />
ländlich<br />
(bis 150 E/km²)<br />
58,4<br />
60,2<br />
ländlich dicht<br />
(150 bis 750 E/km²)<br />
53,6<br />
51,6<br />
städtisch<br />
(750 bis 1.750 E/km²)<br />
Bioabfall Grünabfall<br />
Quelle: Eigene Ausw ertung auf der Gr<strong>und</strong>lage der Abfallbilanzen der Länder<br />
24<br />
35,7<br />
großstädtisch<br />
(mehr als 1.750 E/km²)
M. Kern<br />
nen jedoch nur bei r<strong>und</strong> 56 Prozent, sodass weiteren ca. 30 Mio. Bürgern keine <strong>Biotonne</strong><br />
zur Verfügung steht. Insgesamt nutzen somit b<strong>und</strong>esweit fast 44 Mio. Bürger<br />
<strong>und</strong> damit mehr als die Hälfte aller Einwohner der B<strong>und</strong>esrepublik keine <strong>Biotonne</strong>.<br />
Abb. 6: Verfügbarkeit der <strong>Biotonne</strong> in den Gebieten der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger<br />
in Deutschland<br />
Quelle. Witzenhausen-Institut 2010<br />
47
6. Biomasse-Forum 2012<br />
Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass ein erheblicher Anteil an Bioabfällen nach wie<br />
vor über den Restabfall entsorgt <strong>und</strong> damit nicht oder nur unzureichend genutzt wird.<br />
Die damit einhergehende Vernichtung von Ressourcen- <strong>und</strong> Energiepotenzialen widerspricht<br />
den Zielen einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft.<br />
Dieser Umstand wird noch zusätzlich verstärkt durch die Vorgabe vieler öffentlichrechtlicher<br />
Entsorgungsträger, die per Abfall- <strong>und</strong> Gebührensatzung gekochte Lebensmittelreste,<br />
Fleisch- <strong>und</strong> Wurstwaren, Knochen <strong>und</strong> Gräten, feuchtflüssige Nahrungsmittel,<br />
wie z. B. Joghurt oder Quark, aus der <strong>Biotonne</strong> ausschließen <strong>und</strong> vorgeben,<br />
dass diese Abfälle über den Restabfallbehälter zu entsorgen sind.<br />
Gerade vor dem Hintergr<strong>und</strong> der steigenden Anzahl von Bioabfallvergärungsanlagen,<br />
die teilweise Vorschaltanlagen vor der Kompostierung darstellen, ist der Ausschluss<br />
dieser besonders biogasreichen Stoffströme völlig unverständlich.<br />
4 Bioabfallpotenzial im Restmüll<br />
Zur Ermittlung der potenziellen Organikmenge im Hausmüll wurde, basierend auf<br />
den Ergebnissen von Hausmüllanalysen 1 , ein mittlerer Anteil von ca. 40 % nativer<br />
Organik (Bioabfall) ermittelt (Abbildung 7).<br />
Abb. 7: Mittlere Zusammensetzung von Hausmüll<br />
Differenziert man nun zwischen <strong>Biotonne</strong>nnutzern <strong>und</strong> Nicht-<strong>Biotonne</strong>nnutzern, zeigt<br />
sich bei allen untersuchten öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern, dass der native<br />
Organikanteil (Bioabfälle) im Hausmüll bei Haushalten ohne <strong>Biotonne</strong> deutlich größer<br />
ist als bei Haushalten, die die <strong>Biotonne</strong> nutzen (Abbildung 8).<br />
1 602 Einzelstichproben aus 13 örE mit insgesamt ca. 4 Mio. Einwohnern<br />
48<br />
Mittel- <strong>und</strong> Feinmüll < 40 mm<br />
(ohne Organik)<br />
8,3 Gew.-%<br />
PPK<br />
10,6 Gew.-%<br />
Glas<br />
4,1 Gew.-%<br />
Kunststoffe<br />
6,3 Gew.-%<br />
Metalle<br />
1,8 Gew.-%<br />
Verb<strong>und</strong>e<br />
3,9 Gew.-%<br />
Sonstiges<br />
25,5 Gew.-%<br />
Organik<br />
39,3 Gew.-%<br />
Witzenhausen-Institut 2012
M. Kern<br />
Dies bestätigt auch die Vermutung, dass viele Eigenkompostierer lediglich Garten<strong>und</strong><br />
Grünabfälle kompostieren, aber den überwiegenden Teil der pflanzlichen <strong>und</strong><br />
insbesondere tierischen Küchen- <strong>und</strong> Speiseabfälle über den Restmüll entsorgen.<br />
Das Potenzial an Bioabfällen allein aus der Küche wird auf ca. 50 bis 70 kg je Einwohner<br />
<strong>und</strong> Jahr abgeschätzt. Somit beläuft sich das im Hausmüll enthaltene theoretische<br />
native Organikpotenzial auf insgesamt 4 bis 5 Mio. Mg/a. Das mittelfristig abschöpfbare<br />
Potenzial an nativer Organik (Bioabfall) liegt hierbei bei schätzungsweise<br />
20 % bis 40 % bzw. 1 bis 2 Mio. Mg/a.<br />
Abb. 8: Mittlerer nativer Organikanteil im Hausmüll bei <strong>Biotonne</strong>nnutzern <strong>und</strong><br />
Haushalten ohne <strong>Biotonne</strong><br />
5 Zusammenfassung/Fazit<br />
Die Erfassung von Bioabfällen in Deutschland hat bereits einen erfolgreichen Weg<br />
hinter sich <strong>und</strong> hat sich auf hohem Niveau mit annähernd 9 Mio. Mg erfasster Bioabfälle<br />
stabilisiert. Außerdem wird von einer Vielzahl von Eigenkompostierern überwiegend<br />
Grün- <strong>und</strong> Gartenabfall kompostiert <strong>und</strong> wieder in den Stoffkreislauf zurückgeführt.<br />
Pflanzliche <strong>und</strong> insbesondere tierische Küchen- <strong>und</strong> Speiseabfälle spielen in der <strong>Eigenkompostierung</strong><br />
eher eine ungeordnete Rolle. Deshalb ist es auch nicht verw<strong>und</strong>erlich,<br />
dass das native Organik-Menge im Restmüll bei den Eigenkompostierern in<br />
der Regel deutlich größer ist als die Organik-Menge bei den <strong>Biotonne</strong>nnutzern. Insgesamt<br />
kann davon ausgegangen werden, dass im Restmüll zwischen 4 <strong>und</strong><br />
5 Mio. Mg Bioabfälle verbleiben.<br />
Ziel ist es, diesen Anteil durch geeignete Maßnahmen deutlich zu reduzieren. Hierbei<br />
gilt es, die kommunale Getrennterfassung <strong>und</strong> <strong>Eigenkompostierung</strong> in einen sinnvol-<br />
49
6. Biomasse-Forum 2012<br />
len Einklang zu bringen. <strong>Eigenkompostierung</strong> nur zum Zweck der Gebühreneinsparung<br />
sollte keine weitere Unterstützung finden. Die Vorgaben für eine sinnvolle <strong>Eigenkompostierung</strong><br />
sollten offen <strong>und</strong> restriktiv kommuniziert werden. Hierbei sollte<br />
man sich von der Devise „<strong>Eigenkompostierung</strong> oder <strong>Biotonne</strong>“ verabschieden. Die<br />
neue Devise muss heißen: „<strong>Eigenkompostierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Biotonne</strong>“. Dies wird auch dem<br />
bereits heute praktizierten Stoffstrommanagement der Eigenkompostierer gerecht.<br />
Nur so kann das im Bioabfall vorhandene stoffliche <strong>und</strong> energetische Nutzungspotenzial<br />
sinnvoll erschlossen werden.<br />
50