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sönlichkeiten an einem dialogischen Verhältnis wahrgenommen<br />

und anerkannt werden. Im Moment spiegelt<br />

ihnen die Gesellschaft dagegen vor, dass sie trotz deutscher<br />

Staatsangehörigkeit keine „echten“ Deutschen<br />

sein können. Jugendliche aus Migrantenfamilien merken<br />

in ihrem Alltag, wie ihnen durch strukturelle Benachteiligung<br />

und noch stärker durch resistente Vorurteile Einstiegs-<br />

und Aufstiegschancen in der Gesellschaft verwehrt<br />

werden.<br />

(vgl.:Tarek Badawia:, „zweiheimisch“ eine innovative Integrationsformel;<br />

in: Cornelia Spohn (Hrsg.), zweiheimisch. Bikulturell leben in<br />

Deutschland)<br />

Text: Zerissenheit<br />

„Ich wanderte täglich zwischen zwei Welten und wurde<br />

von meinen Gefühlen und Gedanken zerrissen. Zu Hause<br />

musste ich die Türkin sein, die traditionell leben und<br />

denken sollte. In der Schule war ich mit der deutschen<br />

Kultur konfrontiert, in der mir mehr Freiraum geboten<br />

wurde. Hier durfte ich eine eigene Persönlichkeit entwickeln,<br />

während mir zu Hause ständig Vorschriften gemacht<br />

wurden, wie ich als Türkin zu sein hätte. In meiner<br />

Familie wurde ich in erster Linie darauf vorbereitet,<br />

irgendwann zu heiraten und meinem Ehemann und meinen<br />

Gästen das Leben angenehm zu gestalten. In der<br />

Schule wurde mir hingegen vermittelt, dass ich viel lernen<br />

und eine Berufsausbildung machen sollte, um<br />

selbstständig und selbstbestimmt zu leben.“<br />

(Seyran Ates: Große Reise ins Feuer. Die Geschichte einer deutschen<br />

Türkin, S.79ff.)<br />

30<br />

Text: Bikulturalität als Reichtum<br />

„Als ich mit dem Studium fertig war, wurde ich gefragt,<br />

ob ich mir vorstellen könnte, in die Türkei zurückzukehren.(...)<br />

Ich habe mich lange auf Gespräche zu dieser<br />

Frage eingelassen. Bis ich festgestellt habe, dass ich<br />

dahin gehöre, wo ich gerade bin. Ich entscheide mich,<br />

meinen Lebensumständen entsprechend jeweils neu,<br />

wo ich gerade im Leben hingehöre und stehe. Meine Bikulturalität<br />

empfinde ich inzwischen als Reichtum und<br />

nicht als latente Schizophrenie. Ich spreche, empfinde,<br />

denke und träume in zwei Sprachen und bin geprägt<br />

von zwei Kulturen, die sich ergänzen, ähneln, aber auch<br />

widersprechen. Das macht mich vielfältiger und offener<br />

für andere Kulturen. Mir ist die Möglichkeit gegeben,<br />

Verbindungen zwischen den Kulturen herzustellen, die<br />

etwas Neues ergeben, etwas, was andere in meiner Situation<br />

ähnlich erleben, aber auch Verbindungen, die<br />

nur mich betreffen.<br />

Die berühmten zwei Stühle, zwischen denen wir angeblich<br />

sitzen sollen, existieren nicht. Sie existieren nur in<br />

den Köpfen von Menschen, denen es schwer fällt, sich<br />

außerhalb ihrer festgefahrenen Strukturen zu bewegen<br />

oder, besser gesagt, sich zu setzen. (...) Als Migrantin<br />

habe ich gelernt, mich auf vielen Stühlen wohl zu fühlen.<br />

Wir setzen uns mal dort- und mal da hin. Das Hin<br />

und Her zwischen den Kulturen ist keine Zerissenheit,<br />

es bringt uns nicht in ständige Konflikte, sondern bereichert<br />

unser Leben.“<br />

(Seyran Ates: Große Reise ins Feuer. Die Geschichte einer deutschen<br />

Türkin, S.249f.)

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