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Dr. Josefine Heusinger, Dr. Christine Roßberg, Renate Michalski ...

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<strong>Dr</strong>. <strong>Josefine</strong> <strong>Heusinger</strong>, <strong>Dr</strong>. <strong>Christine</strong> <strong>Roßberg</strong>, <strong>Renate</strong> <strong>Michalski</strong>: Diskussionsforum mit Mitarbeiter/innen von<br />

Berliner Pflegeheimen<br />

nen BewohnerInnen, an ihrer Geschichte und ihren Geschichten an. Biografiearbeit ist<br />

nicht nur ein Bogen in der Akte, der ausgefüllt wird, sondern Ausdruck von Interesse an<br />

und Respekt vor jedem Einzelnen.<br />

• Soziale Beziehungen pflegen, d. h., für das Pflegepersonal, für die BewohnerInnen wichti-<br />

ge Menschen zu kennen und die Kontakte zu unterstützen, vor allem zu Angehörigen so-<br />

wie zu alten Freunden und Bekannten.<br />

• Es ist aber auch durchaus möglich, neue Beziehungen zu knüpfen. Ein sehr schönes Bei-<br />

spiel findet sich in diesem Fotoband, der eine Reihe von Freundschaften dokumentiert, die<br />

in einem Pflegeheim neu entstanden sind. Vielleicht ist es ein allgemein menschliches Be-<br />

dürfnis, vielleicht in unserer Leistungsgesellschaft besonders ausgeprägt, das weiß ich<br />

nicht. Aber um sich wohl zu fühlen, ist es für fast alle Menschen entscheidend, für andere<br />

nützlich, bedeutsam, wichtig zu sein. Wie oft sagen alte Menschen ganz traurig „Ich bin<br />

doch zu nichts mehr nütze“. Ihnen Wege zu zeigen, die ihnen erlauben, etwas für andere<br />

Schönes, Gutes, Sinnvolles zu tun, ist deshalb für ihre Zufriedenheit entscheidend.<br />

• Das ist bekannt aus Wohngemeinschaften, in denen BewohnerInnen beim Kochen helfen.<br />

Das ist ein guter Ansatz. Aber nicht alle wollen kochen. Bei meinen Untersuchungen habe<br />

ich z. B. beobachtet, dass Beschäftigungsangebote für eine nützliche Tätigkeit die Bewoh-<br />

nerInnen oft sehr befriedigen. Und für einzelne ist es toll, wenn sie eine Aufgabe haben,<br />

und sei es das tägliche Abreißen der Kalenderblätter auf dem Flur und im Gemeinschafts-<br />

raum, das Tischdecken oder Serviettenfalten oder Medizinbecher abtrocknen, Zeitung ho-<br />

len oder, oder, oder. Auch selbst das Bett zu machen, kann mit Stolz erfüllen – andere<br />

sind aber auch empört, weil sie bei den Heimpreisen einen Hotelservice erwarten. Erst die-<br />

se Woche habe ich gelesen von einem Heim, das BewohnerInnen 25 - 50 € für praktische<br />

Hilfen zahlt. Das ist nicht nur eine gute Aufbesserung des Taschengeldes und Anerken-<br />

nung, das schafft auch Verbindlichkeit.<br />

• Ganz kurz möchte ich noch auf die Frage der Einzelzimmer eingehen. Ein eigenes Zimmer<br />

ist sicher das, was sich mit minimalen Ausnahmen alle Menschen wünschen. Die Privat-<br />

sphäre zu wahren ist ohnehin schwer, wenn man sich nicht mehr selbst versorgen kann.<br />

Wenigstens einen Ort zum Ungestörtsein sollte man dann haben dürfen. Die Argumente,<br />

die hier immer wieder vorgebracht werden, sind nicht überzeugend: Bettlägerigkeit sollte<br />

es außer bei Sterbenden sowieso nicht geben, jeder pflegebedürftige Mensch kann in ge-<br />

eignete Pflegerollstühle mobilisiert werden oder notfalls mit dem Bett an der Gemeinschaft<br />

teilhaben. Einsamkeit lässt sich nicht bekämpfen, indem zwei Menschen in ein Zimmer ge-<br />

steckt werden. Selbst Ehepaare bevorzugen im Heim oft zwei Zimmer nebeneinander. Die<br />

aktuellen Vorschläge der Marseille-Kliniken, eine wie sie es nennen „2-Sterne-Pflege“ an-<br />

zubieten, also Mehrbettzimmer und Gemeinschaftsbäder, lehne ich deshalb ab.<br />

• Eine gute Versorgung der BewohnerInnen kann nur von zufriedenen MitarbeiterInnen ge-<br />

sichert werden. Die BewohnerInnen sind zwar der verletzlichste Teil, aber auch die Mitar-<br />

beiterInnen verdienen mehr Aufmerksamkeit. Viele leiden darunter, die ihnen anvertrauten<br />

Menschen nicht glücklicher machen zu können. Dabei ist das Problem nicht, dass sie nicht<br />

wüssten wie das geht. Sie haben tatsächlich wenig Zeit dafür und meist viel zu wenig Un-<br />

terstützung von oben. In der Folge reagieren sie z. B. so, wie mir eine Fachkraft erklärte:<br />

Gesundheit Berlin (Hrsg.): Dokumentation 13. bundesweiter Kongress Armut und Gesundheit, Berlin 2007<br />

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