Libyen-1mrz12
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Liebe GenossInnen,<br />
um es gleich am Anfang klarzustellen, ich halte eure politischen Prinzipien für<br />
durchaus richtig und eure Zeitschrift für sehr gut (sie ist die einzige, die ich<br />
regelmäßig beziehe, und hat kein Äquivalent in Deutschland) – und ich möchte<br />
gerade deswegen meine Kritik an eurer Interpretation der Geschehnisse in<br />
<strong>Libyen</strong> zu Papier bringen.<br />
Mit der grundlegenden Einschätzung zum ´Arabischen Frühling´ bin ich<br />
durchaus eurer Meinung. Aber es ist meines Erachtens auch eine Frage der<br />
Methode: Eine allgemein richtige Analyse ist in ihrer Allgemeinheit richtig, im<br />
konkreten Fall können die Dinge auch ganz anders liegen.<br />
Und <strong>Libyen</strong> ist anders.<br />
Allgemeine Einschätzungen sind am konkreten Objekt zu überprüfen.<br />
Ich habe mir die Mühe gemacht, nach Informationen über die konkrete<br />
Entwicklung in <strong>Libyen</strong> von den ersten Protesten bis zum NATO-Angriff zu<br />
suchen, so weit es mir möglich war. Ich habe keine allgemeine Analyse der<br />
Gesellschaft und des Landes angestellt, es geht nur um die Geschehnisse des<br />
letzten Jahres bis zum Angriff der Bomber.<br />
Es handelt sich also um das vermeintliche, revoltierende Subjekt in <strong>Libyen</strong>.<br />
Eurer Meinung nach gab es dort eine Massenbewegung gegen den Diktator<br />
Ghaddafi und irgendwann sind dann reaktionäre Kräfte auf die Bewegung<br />
aufgesprungen und haben sich in ihr durchgesetzt. An dieser Interpretation habe<br />
ich meine Zweifel.<br />
Zu Erleichterung der Debatte habe ich die Aussagen im Text als Thesen<br />
durchnummeriert.<br />
1)<br />
Oppositionelle politische Organisationen<br />
Ägypten und Tunesien haben eine völlig andere Geschichte, eine völlig andere<br />
politische Tradition als <strong>Libyen</strong>.<br />
Ohne ins Detail zu gehen, nur ein Beispiel: Es reicht zu erwähnen, dass bei den<br />
Wahlen in Tunesien – wie ihr ja geschrieben habt – auch die Kommunistische<br />
Partei Tunesiens und die Kommunistische Arbeiterpartei Tunesiens Sitze<br />
erringen konnten; bei den ägyptischen Wahlen haben etliche linke Parteien<br />
kandidiert. Zu den bevorstehenden Wahlen in <strong>Libyen</strong> werden Parteien noch<br />
gesucht, vierzig Jahre lang gab es keine. Bis jetzt gibt es nur die<br />
Molembruderschaft – und die ist keine politische Partei.<br />
Vielleicht gibt es Parteien, Organisationen, Zirkel, Revolutionskomitees, oder<br />
ähnliches – ich habe allerdings nichts davon entdecken können. Tatsächlich war<br />
in der <strong>Libyen</strong>berichterstattung immer nur von „Rebellen“ die Rede. Auch heute<br />
sind nur einige Namen aus dem ´Nationalrat´ bekannt, ihr habt ja darüber<br />
geschrieben, nicht aber politische Massenorganisationen und Parteien.<br />
Sicher könnte es auch an der dünnen Berichterstattung liegen, sicher könnte sich<br />
auch wie anderswo in den Protesten und in der Revolte ein neues Subjekt
gebildet haben, dass noch über keine Form der Organisierung verfügt, auch<br />
nicht in Räten, Stadtteilkomitees, usw.<br />
Tatsächlich hat sich aber niemand zu Wort gemeldet. Irgendwelche Videos sind<br />
im Internet zu sehen, auch in <strong>Libyen</strong> sollen die „Rebellen“ über facebook in<br />
Verbindung getreten sein – warum meldet sich keine oppositionelle<br />
Organisation im Netz? 1<br />
2)<br />
Zwei Phasen?<br />
Im Gegensatz zu Ägypten und Tunesien verging kaum Zeit mit Protesten und<br />
die militärische Intervention von Frankreich, England und den USA setzte ein.<br />
Eure Vorstellung ist es aber trotzdem, dass es zwei Phasen gegeben hätte: In der<br />
ersten Phase vollzog sich eine Massenrebellion der Libyer gegen Ghaddafi, in<br />
der zweiten kamen die imperialistischen Mächte, siegten militärisch über<br />
Ghaddafi und setzten ihre Regierung ein, den ´Nationalrat´.<br />
Diese Vorstellung lässt sich anhand des Verlaufs der Ereignisse in <strong>Libyen</strong> nicht<br />
verifizieren.<br />
Was geschah denn in der angeblich ersten Phase:<br />
3)<br />
„Erste Phase“<br />
Im Februar 2011 gab es in <strong>Libyen</strong> Proteste gegen Ghaddafi, die Angaben zur<br />
Teilnehmerzahl mehrere Kundgebungen sind aber höchst widersprüchlich:<br />
einige hundert Teilnehmern, ein paar Tausend, auf jeden Fall nie mehr als<br />
mehrere 10.0000. Diese Angaben sind in der Presse fast immer ganz allgemein<br />
formuliert worden und daher nicht nachprüfbar (wer hat wo demonstriert, für<br />
was und wieviele waren es?).<br />
Was an konkreten Informationen zu finden war, ist hier aufgeführt:<br />
Am 6. Februar 2011 wurden Abdul Hakim Ghoga, Medhi Kashbur und zwei<br />
weiteren Juristen aus Bengasi von Gaddafi in sein Zelt in Tripolis eingeladen.<br />
Thema war die Demokratisierung des Landes. Man kam zu keinem Ergebnis.<br />
Mehr ist nicht bekannt.<br />
1 Das „Komitee für den 17. Februar“ hat in Wirklichkeit keine Rolle gespielt, die<br />
„Bewegung des 17. Februar“ scheint nur ein Phantom-Name zu sein.
Am 15. Februar versammelten sich die ersten Demonstranten nach Aufrufen im<br />
Internet angeblich in verschiedenen Städten <strong>Libyen</strong>s unter der Parole „Es gibt<br />
keinen Gott außer Allah, Muammar ist ein Feind Allahs.“<br />
Angeführt worden waren die Proteste von Angehörigen der beim Massaker im<br />
Abu-Salim-Gefängnis fünfzehn Jahre zuvor Getöteten, nachdem ihr Anwalt<br />
Fathi Terbil verhaftet worden war.<br />
Die einzige konkrete Angabe, die dazu zu finden war, entstammt der englischen<br />
Zeitung ´Economist´:<br />
„Dem ´Economist´ vom 26.2.11 zufolge kam die Initialzündung durch eine<br />
Demonstration in Bengasi am 15. Februar durch ca. 60 Jugendliche.“ 2<br />
Die amerikanische Menschenrechtsorganisation ´ Human Rights Watch´ hat sehr<br />
viel später am ausführlichsten über diese Tage vor dem 17. Februar berichtet,<br />
allerdings ist dieser Verein auch mit Vorsicht zu genießen, er gehört zu den<br />
´NGOs´, die oft ein sehr zweifelhaftes Spiel betreiben.<br />
Auf jeden Fall wird die Angabe von den 60 Demonstranten in Bengasi nicht<br />
bestritten – es wird einfach keine Zahl genannt!<br />
Human Rights Watch beruft sich im folgenden Text ausschließlich auf eigene<br />
Quellen. Übereinstimmend handelte es sich bei den Protestierenden um das<br />
Komitee der Angehörigen und Freunde der Opfer einer Gefängnisrevolte, die<br />
1996, also 15 Jahre (!) zuvor, stattgefunden hatte, und der Opfer einer<br />
Demonstration vom 17.2.2006, die 6 Jahre zuvor war. Informationen zu diesen<br />
beiden Geschehnissen gibt es nicht, es heißt nur, es handelte sich bei der<br />
Gefängnisrevolte um einen Aufstand „normaler“, nicht politischer Häftlinge:<br />
„(New York, 16. Februar 2011) - Libysche Sicherheitskräfte haben mindestens<br />
14 Personen verhaftet, als im Vorfeld der geplanten friedlichen Demonstrationen<br />
am 17. Februar 2011 bereits Proteste stattfanden, so Human Rights Watch. Die<br />
libysche Regierung soll umgehend alle Aktivisten, Schriftsteller und<br />
Demonstranten freilassen, die nur wegen ihrer Rolle bei der Vorbereitung der<br />
Proteste für den 17. Februar festgenommen wurden. Zudem soll allen Libyern<br />
das Recht auf friedliche Demonstration gewährt werden.<br />
Am Abend des 15. Februar setzten Regierungstruppen Schlagstöcke und<br />
Tränengas ein, um die Protestierenden auseinanderzutreiben, die in Bengasi,<br />
<strong>Libyen</strong>s zweitgrößter Stadt, zusammengekommen waren. Dabei wurden sie von<br />
Angreifern in zivil unterstützt. 14 Personen wurden nach Angaben des<br />
Onlinemagazin Quryna verletzt. Quellen in <strong>Libyen</strong> teilten Human Rights Watch<br />
außerdem mit, dass mindestens eine Person getötet wurde.<br />
(...)<br />
Angesichts der weitverbreiteten Proteste in Tunesien und Ägypten haben<br />
libysche Websites dazu aufgerufen, am 17. Februar einen „Tag des Zorns“<br />
2 Zit. auf der web-site der ´Internationalen Kommunistischen Strömung´, www.<br />
internationalism.org
auszurufen. Dieser soll im Gedenken an den Jahrestag der 2006<br />
niedergeschlagenen friedlichen Proteste stattfinden, bei denen mindesten zwölf<br />
Demonstranten getötet worden waren.<br />
Quellen in <strong>Libyen</strong>, welche nicht namentlich genannt werden wollen, teilten<br />
Human Rights Watch mit, dass die Demonstrationen am 15. Februar anfingen,<br />
nachdem die Regierung zwei Schlüsselfiguren festgenommen hatte, die mit den<br />
Familien der Opfer des Massakers im Abu Salim Gefängnis von 1996<br />
verbunden waren. Die Gruppe der Opfer hat in den letzten zwei Jahren<br />
regelmäßig Proteste organisiert, bei denen sie eine unabhängige<br />
Untersuchung der Gefängnismorde sowie eine Strafverfolgung der<br />
Verantwortlichen forderte.<br />
Etwa um 15.30 Uhr drangen fünf Sicherheitsbeamte in das Haus des<br />
Rechtsanwalts und Sprechers des Komitees, Fathi Terbil, ein, haben ihn<br />
verhaftet und seinen Laptop beschlagnahmt. Er berichtete, dass später noch ein<br />
weiterer prominenter Sprecher der Gruppe, Farag Sharany, festgenommen<br />
wurde. Beide wurden im Hauptquartier der Sicherheitsdienstes in Bengasi<br />
festgehalten.<br />
Um neun Uhr abends haben sich zahlreiche Familienmitglieder vor dem<br />
Hauptquartier des Sicherheitsdienstes versammelt, um deren Freilassung zu<br />
fordern. Bald schlossen sich ihnen einige hundert Menschen an, unter ihnen<br />
Schriftsteller und Aktivisten. Gegen 23 Uhr verhafteten Sicherheitskräfte<br />
Mohamed al-Sareet, einen Schriftsteller, der für die unabhängige Website Jeel<br />
Libya schreibt. Idris al-Mismari, ein Schriftsteller und ehemaliger politischer<br />
Gefangener sagte gegenüber Al-Dschasira, dass Sicherheitsbeamte in zivil die<br />
Menschenmenge durch den Einsatz von Tränengas, Schlagstöcken und heißem<br />
Wasser auseinandergetrieben haben.<br />
(...)<br />
Die Verhaftungen gingen am 16. Februar weiter. Um fünf Uhr morgens während<br />
eines Live-Interviews von Al-Dschasira mit al-Mismari brach plötzlich die<br />
Telefonverbindung ab. Zeugen berichteten Human Rights Watch, dass<br />
Sicherheitskräfte al-Mismari verhaftet haben.<br />
Gegen sieben Uhr morgens wurde Mohamed al-Sahim in seinem Haus von<br />
Sicherheitskräften festgenommen. Al-Sahim, der regelmäßig für unabhängige<br />
libysche Websites wie Al-Manara schreibt, hatte in der vorhergehenden Nacht<br />
an Protesten teilgenommen und Filmmaterial auf seiner Facebook-Seite<br />
veröffentlicht. Der Film wurde im Internet schnell verbreitet. Sicherheitskräfte<br />
gingen auch zum Haus der Brüder Salem und Abu Bakr al-Elwani und<br />
verhafteten sie. Beide gehören auch zu den Angehörigen der Abu-Salim-Opfer,<br />
die in der vorherigen Nacht an den Protesten teilgenommen hatten. Später am<br />
selben Tag haben Sicherheitskräfte in Misrata die Brüder Habib und Mohamed<br />
al-Amin verhaftet, deren Bruder Hassan, von London aus, die oppositionelle<br />
Webseite Libya Al Mostakbal betreibt.<br />
Nach Informationen von Human Rights Watch haben am 16. Februar<br />
Sicherheitskräfte in Tripolis vier ehemalige politische Gefangene festgenommen
– die Brüder Farag, Al-Mahdi, Sadek and Ali Hmeid. Die Regierung hat sie im<br />
Februar 2007 verhaften lassen, nachdem sie mit zehn anderen Personen eine<br />
Online-Petition veröffentlicht hatten, in denen zu friedlichen Protesten am 17.<br />
Februar 2007 aufgerufen worden war. Sicherheitskräfte hatten sie einen Tag vor<br />
dem 17. Februar 2007 festgenommen und sie verschwanden für einige Monate,<br />
bis sie vor das staatliche Sicherheitsgericht in Tripolis gestellt wurden.“ 3<br />
Die ´Frankfurter Rundschau´ übernahm exakt diese Angaben:<br />
„Nach den Volksaufständen in Tunesien und Ägypten regt sich nun auch in<br />
<strong>Libyen</strong> Protest. In der Stadt Bengasi, wo viele Gegner von Staatschef Muammar<br />
al-Gaddafi leben, wurden bei Zusammenstößen zwischen Anti-Regierungs-<br />
Demonstranten, Polizisten und Gaddafi-Anhängern in der Nacht zum Mittwoch<br />
14 Menschen verletzt. Das berichtete die Zeitung „Qurina“, die von Gaddafis<br />
Sohn Seif al-Islam gegründet worden war. Die Demonstranten wurden in dem<br />
Artikel als „Saboteure“ bezeichnet.<br />
Im Internet wurden gleichzeitig Amateurvideos veröffentlicht, auf denen im<br />
Dunkeln Hunderte von Männern und Frauen zu sehen sind, die rufen: „Das Volk<br />
will den Sturz des Regimes und „Gaddafi, raus, raus!“. Aus regierungsnahen<br />
Kreisen hieß es, bei den Demonstranten habe es sich um „15 junge Menschen“<br />
gehandelt.<br />
Die oppositionelle libysche Internet-Zeitung „Libya Al-Youm“, die ihre<br />
Redaktion in London hat, schrieb, die Polizei habe Wasserwerfer eingesetzt, um<br />
die Demonstranten zu vertreiben. Es seien auch Steine geflogen, als sich<br />
Mitglieder der sogenannten Revolutionskomitees den Demonstranten<br />
entgegengestellt hätten.“<br />
FR 16.2.2011<br />
Auch n-tv berichtete fast wortgleich von den Protesten: Auch hier sind auf<br />
Amateurvideos „im Dunkeln hunderte von Männer und Frauen“ zu sehen.<br />
„Mittwoch, 16. Februar 2011<br />
Erste Unruhen in <strong>Libyen</strong> - Libyer rufen "Ghaddafi raus!"<br />
Noch vor einem für Donnerstag angekündigten "Tag des Zorns" in allen<br />
libyschen Städten gibt es erste Proteste und Unruhen auch in diesem arabischen<br />
Land. Die Polizei geht mit Tränengas und Gummigeschossen gegen Hunderte<br />
Demonstranten in der Hafenstadt Bengasi vor.<br />
Nach den Volksaufständen in Tunesien und Ägypten regt sich nun auch in<br />
<strong>Libyen</strong> Protest. In der Stadt Bengasi, wo viele Gegner von Staatschef Muammar<br />
al-Ghaddafi leben, wurden bei Zusammenstößen zwischen Anti-Regierungs-<br />
Demonstranten, Polizisten und Gaddafi-Anhängern 14 Menschen verletzt. Das<br />
berichtete die Zeitung "Qurina", die von Gaddafis Sohn Seif al-Islam gegründet<br />
3 human rights watch: www. hrw.org
worden war. Die Demonstranten wurden in dem Artikel als "Saboteure"<br />
bezeichnet.<br />
Im Internet wurden gleichzeitig Amateurvideos veröffentlicht, auf denen im<br />
Dunkeln Hunderte von Männern und Frauen zu sehen sind, die rufen: "Das Volk<br />
will den Sturz des Regimes und "Gaddafi raus, raus!". Aus regierungsnahen<br />
Kreisen hieß es, bei den Demonstranten habe es sich um "15 junge Menschen"<br />
gehandelt.<br />
Tränengas und Wasserwerfer<br />
Die oppositionelle libysche Internet-Zeitung "Libya al-Youm", die ihre<br />
Redaktion in London hat, schrieb, die Polizei habe Wasserwerfer eingesetzt, um<br />
die Demonstranten zu vertreiben. Es seien auch Steine geflogen, als sich<br />
Mitglieder der sogenannten Revolutionskomitees den Demonstranten<br />
entgegengestellt hätten. Auch der britische Rundfunksender BBC berichtete<br />
unter Berufung auf Augenzeugen von Tränengas, Wasserwerfern und<br />
Gummigeschossen.<br />
Hintergrund des Protests war nach Angaben der Internet-Nachrichtenseite al-<br />
Manara die Festnahme eines Anwalts, dessen Freilassung die Demonstranten<br />
forderten. Der Internetseite Kurina zufolge wurde er auf Druck des Protests auf<br />
freien Fuß gesetzt, die Menge der Demonstranten wuchs aber dennoch immer<br />
weiter an. Die Demonstranten riefen demnach Parolen wie "Das Volk wird die<br />
Korruption beenden" und "Bengasi wach auf, dies ist der Tag, auf den du<br />
gewartet hast".<br />
Nach der Auflösung der Demonstration versammelten sich in Benghasi, Tripolis<br />
und weiteren Städten hunderte Anhänger von Staatschef Gaddafi. Das libysche<br />
Fernsehen übertrug am frühen Morgen live, wie sie Fahnen und Fotos von<br />
Gaddafi schwenkten und den Revolutionsführer priesen.<br />
Internet-Aufruf zum "Tag des Zorns"<br />
Nach dem Vorbild anderer arabischer Staaten ist am Donnerstag in <strong>Libyen</strong> ein<br />
"Tag des Zorns" geplant, zu dem über das Internet-Netzwerk Facebook<br />
aufgerufen wird. Der dort gegründeten Gruppe mit dem Titel "Revolte des 17.<br />
Februar 2011" schlossen sich bis Mittwochnachmittag rund 9.600 Menschen an.<br />
Die Kundgebungen sollen an die Ereignisse des 17. Februar 2006 erinnern.<br />
Damals war eine Demonstration gegen die Mohammed-Karikaturen in Bengasi<br />
in eine Protestaktion gegen die libysche Führung ausgeartet. Es gab Tote und<br />
Verletzte.“ 4<br />
Man kann davon ausgehen, dass keine konkreteren Nachrichten von<br />
Massendemonstrationen verbreitet wurden – weil es halt keine gab!<br />
Die Weltpresse war gierig auf neue Nachrichten vom ´Arabischen Frühling´ und<br />
hatte ihre Leute auch in <strong>Libyen</strong>. Aber vor dem 17. Februar gab es eine Reihe<br />
von Verhaftungen und - höchstens -. „hunderte“ von Demonstranten und<br />
ausschließlich in Bengasi.<br />
4 wwww.n-tv.de
3)<br />
Zu Ghoga:<br />
Der Anwalt Ghoga, der in Ghaddafis Zelt war und diesen ´Tag des Zorns´<br />
ausgerufen hatte, wurde nach dem militärischen Sieg der NATO Vizepräsident<br />
des ´Nationalen Übergangsrates´, dann:<br />
<strong>Libyen</strong>: Vizepräsident des Übergangsrats tritt zurück<br />
22.01.2012 (Die Presse)<br />
Kritiker und Demonstranten warfen Abdel Hafes Ghoga vor, Teil der alten<br />
Führung von Muammar al-Gaddafi gewesen zu sein. Er verzichtet "im<br />
Interesse der Nation" auf sein Amt.<br />
[TRIPOLIS/BENGASI/ROM/AG] Knalleffekt in <strong>Libyen</strong>: Der Vizepräsident des<br />
Nationalen Übergangsrats hat sein Ausscheiden aus dem regierenden Gremium<br />
angekündigt. Er verzichte „im Interesse der Nation“ auf sein Amt, sagte Abdul<br />
Hafez Ghoga am Sonntag dem Fernsehsender „al-Jazeera“. Damit reagiere er<br />
auf „die jüngsten Ereignisse“.<br />
Ghoga war vor Tagen in der Universität von Bengasi im Osten <strong>Libyen</strong>s von<br />
wütenden Studenten angegriffen worden. Sie warfen ihm vor, Teil der alten<br />
Führung um <strong>Libyen</strong>s früheren, mittlerweile getöteten Machthaber Muammar al-<br />
Gaddafi gewesen zu sein, und schalten ihn als „Opportunisten“.“<br />
4)<br />
Der 17. Februar – und die Tage danach<br />
In dem Text: ´Die Libysche Opposition in Bengasi´ von Brigitte Queck und Dr.<br />
Falkenhagen ist folgendes zu lesen:<br />
„In diesem Zusammenhang muss man sich vergegenwärtigen, wie die sog.<br />
Revolution in <strong>Libyen</strong> gelaufen ist. Im Unterschied zu Tunesien und Ägypten<br />
gab es da keine Demonstrationen unzufriedener, oder gar hungernder<br />
Volksmassen. Am Anfang der „Revolution vom 17. Februar“ standen, wie<br />
Berichte auch westlicher Zeitungen bestätigen, die Familien der 1.200 Opfer, die<br />
1996 bei einer Gefängnisrevolte im Gefängnis Abu Salim nahe Tripolis sowie<br />
am 17. Februar 2006 bei einer Demonstration gegen das Gaddafi-Regime ums<br />
Leben kamen. (Das ist aufschlussreich insofern, als bei der Gefängnisrevolte<br />
damals überwiegend gemeine Kriminelle wie Mörder, Diebe und Räuber<br />
beteiligt waren, die ihre durch Gerichte verhängten Strafen verbüßten. Die<br />
genaue Zahl der Todesopfer bei der Niederschlagung dieser Gefängnisrevolte<br />
ebenso wie bei der mysteriösen Demonstration vom 17. Februar 2006 konnte nie<br />
verifiziert werden. Es gab in <strong>Libyen</strong> aber nicht nur „frustrierte Angehörige“ der<br />
oben genannten Gefängnismeuterer und Demonstranten, sondern eben auch
zahlreiche eingeschleuste Agenten und auch Verräter, die jahrelang von den<br />
verschiedensten Geheimdiensten über CIA, Mossad, englischem Geheimdienst<br />
u.a. finanziert wurden Diese konnten sich offensichtlich zu Rebellengruppen<br />
formieren. Eigentliche Rebellen konnten aber nur in Bengasi und wenigen<br />
weiteren ostlibyschen Orten die lokale Macht ergreifen. Hätten die USA und<br />
NATO nicht militärisch eingegriffen, wären sie heute schon völlig entmachtet,<br />
denn sie hatten im Volk keinerlei nennenswerte Basis und Unterstützung. Sie<br />
standen zunächst im selbsternannten Nationalrat unter der Führung des früheren<br />
Justizministers der Sozialistischen Libysch-Arabischen Volks-Dschamahirija,<br />
Mustafa Abdel Jalil.“ 5<br />
Für den 17. Februar 2011 wurde von der „Opposition um Abdul Hakim Ghoga“<br />
ein ´Tag des Zorns´ ausgerufen. Dieser Tag gilt in der Presse allgemein als<br />
Beginn des Aufstands.<br />
Es kam zu Demonstrationen in angeblich allen großen libyschen Städten.<br />
Dutzende Demonstranten sollen in den Tagen danach ums Leben gekommen<br />
sein.<br />
Laut der arabischen, Ghaddafi-feindlichen Nachrichtenagentur Al-Jazeera gab es<br />
genau 13 Tote. Texte:<br />
„Wie verschiedene im Ausland ansässige Internetseiten der Opposition<br />
berichteten, griffen die Unruhen auf weite Teile des Landes über. Lediglich in<br />
der Hauptstadt Tripolis blieb es zunächst ruhig.<br />
Die Angaben über die Zahl der Toten liegen allerdings deutlich auseinander.<br />
Während die Zeitung Kuryna berichtete, in der Stadt Al-Baida, rund 1200<br />
Kilometer östlich der Hauptstadt Tripolis, seien zwei Menschen getötet worden,<br />
sprechen oppositionelle Kreise von mindestens sieben bis 13 Toten. Fünf seien<br />
ums Leben gekommen, als die Polizei in Al-Baida das Feuer auf Demonstranten<br />
eröffnete. Die Menschen steckten daraufhin die örtliche Polizeistation in Brand<br />
und zündeten zahlreiche Autos an. Als erste Reaktion auf die schweren<br />
Zwischenfälle entließ der Innenminister den in der Al-Dschabal Al-Achdar<br />
Provinz zuständigen Sicherheitschef.<br />
In der Stadt Bengasi, wo es bereits am Dienstag (dem 15. Februar) zu schweren<br />
Ausschreitungen gekommen war, sollen mindestens zwei weitere<br />
Demonstranten getötet worden sein. Auch aus anderen libyschen Städten wurde<br />
gemeldet, die Polizei setze scharfe Munition ein. Angeblich sollen die<br />
Sicherheitskräfte aus Hubschraubern auf die Menge schießen. (…) Anders als in<br />
der Provinz blieb es in der Hauptstadt Tripolis bis zum Nachmittag ruhig.<br />
Geschäfte und Banken waren normal geöffnet. Lediglich einige hundert<br />
Regimeanhänger versammelten sich auf dem Grünen Platz im Zentrum und<br />
5 Die Lybische Opposition in Bengasi von Brigitte Queck und Dr.<br />
Falkenhagen, in: http://kritische-massen.over-blog.de/article-libyennicht-revolution-sondern-konterrevolution-71927791.html
skandierten Parolen wie „Die Revolution geht weiter“ und „Wir verteidigen<br />
Gaddafi und die Revolution“.<br />
FR 17.2.11<br />
Annähernd ein Drittel der Bevölkerung <strong>Libyen</strong>s lebt in Tripoli – und die einzige<br />
Kundgebung, die dort stattfindet, ist für Ghaddafi....<br />
(19.2.2011)<br />
“The number of people killed in three days of protests in Libya has risen to 84,<br />
according to the New York-based group Human Rights Watch.<br />
The main focus of the demonstrations against Col Muammar Gaddafi's 42-year<br />
rule has been the second city Benghazi, where security forces are said to have<br />
attacked protesters again on Saturday (19.2.11). On Friday (18.2.11), one<br />
hospital in the city reported 35 deaths. State media have warned of retaliation if<br />
the unrest continues.<br />
Media restrictions make it difficult to verify reports independently but the BBC<br />
has confirmed that websites including Facebook and al-Jazeera Arabic were<br />
blocked.<br />
Security forces opened fire in Benghazi on Friday when protesters approached a<br />
compound used by Col Gaddafi when he visits the city, which is about 1,000 km<br />
(600 miles) from the capital Tripoli, eyewitnesses say.<br />
The city's al-Jala hospital received the bodies of 35 people killed in the shooting,<br />
according to Human Rights Watch (HRW) and media reports.” 6<br />
„(New York, 20. Februar 2011) – In den letzten drei Tagen ist die Zahl der<br />
getöteten Demonstranten, über die von Krankenhauspersonal und anderen<br />
Quellen gegenüber Human Rights Watch berichtet worden waren, auf<br />
mindestens 173 gestiegen.<br />
Berichte über den Einsatz scharfer Munition durch Sicherheitskräfte,<br />
einschließlich Maschinengewehrfeuer, gegen Protestierende am 19. Februar<br />
2011 in der Nähe der Katiba in Bengasi, durch die Dutzende getötet und verletzt<br />
wurden, führten zu der ernsthaften Befürchtung, dass die Behörden<br />
ungerechtfertigt und gesetzeswidrig Gewalt anwenden. (...)<br />
„In <strong>Libyen</strong> entfaltet sich eine mögliche Menschenrechtskatastrophe, während<br />
die Protestierenden nun bereits am dritten Tag tödlichem Gewehrfeuer und dem<br />
Tod trotzen“, so Sarah Leah Whitson, Direktorin der Abteilung Naher Osten und<br />
Nordafrika von Human Rights Watch. „<strong>Libyen</strong> versucht, eine<br />
Informationssperre durchzusetzen, doch ein Massaker kann nicht verborgen<br />
bleiben.“<br />
Augenzeugen berichten gegenüber Human Rights Watch, dass am 20. Februar<br />
mindestens 10.000 Protestierende auf den Straßen von Bengasi waren, nach der<br />
Beerdigung von 84 Demonstranten, die tags zuvor erschossen worden waren.<br />
6 www.bbc.co.uk
Nach Angeben von Augenzeugen kam es am 19. Februar zum Einsatz von<br />
Gewalt, nachdem sich Tausende Protestierende versammelt hatten, um für 14<br />
der Protestierende, die von Sicherheitskräften am Tag zuvor erschossen worden<br />
waren, zu beten. Ihnen folgten Tausende Demonstranten, und der Leichenzug<br />
bewegte sich von einem Platz vor dem Gericht von Bengasi zum Hawari-<br />
Friedhof. Dabei führte der Weg an der Katiba El Fadil Bu Omar vorbei, einem<br />
Gebäudekomplex, in dem sich eine Residenz von Muammar Ghaddafi befindet<br />
und der von Sicherheitskräften stark bewacht ist.<br />
(...)<br />
Ein Rechtsanwalt, der an den Protesten teilnahm, sagte gegen Human Rights<br />
Watch: „Ich konnte die Männer mit den gelben Baretten sehen, wie sie auf uns<br />
mit tödlichem Gewehrfeuer schossen, und Dutzende fielen zu Boden. Dies<br />
dauerte lange, und ich ging mit den Verletzten zu einem Krankenhaus.“ Später<br />
am Nachmittag sprach Human Rights Watch mit einem weiteren<br />
Demonstranten, der berichtete, dass er das Gebiet verlassen habe, da jeder der<br />
nahe der Katiba sei, erschossen werde. Am Abend waren immer noch Tausende<br />
Demonstranten vor dem Bengasi-Gericht.<br />
Human Rights Watch sprach mit einem führenden Vertreter des Al Jalaa-<br />
Krankenhauses in Bengasi, der berichtete, dass ab 15 Uhr Tote gebracht und<br />
dass am Ende des Tages 23 Leichen gezählt worden waren. Am Morgen des 23.<br />
Februar war die Zahl der Toten, die in dem Krankenhaus eingeliefert worden<br />
waren, auf 70 gestiegen. Er sagte, dass die Toten und die meisten Verletzten am<br />
Kopf, Hals und der Schulter Schusswunden von vier mal vier Zentimetern<br />
aufwiesen. Vertreter des Hawari-Krankenhauses in Bengasi berichteten<br />
gegenüber Human Rights Watch von 14 Toten. Zudem wurde der Tod von<br />
mindestens einem Demonstranten am 19. Februar in Misrata bestätigt, so dass<br />
die Zahl der getöteten am 19. Februar insgesamt bei 85 Opfern lag. Human<br />
Rights Watch kommt auf insgesamt 173 Tote während der vier Tage des<br />
Protests.“<br />
BBC beruft sich Vertreter der Human Rights Watch, die – offensichtlich vor<br />
Ort! – mit angeblichen Augenzeugen gesprochen haben.<br />
Merkwürdig ist, warum keiner von Human Rights Watch auch nur in der Nähe<br />
der Kundgebungen war, an denen sich ja angeblich zigtausende beteilitgt haben.<br />
Tatsächlich waren, wie es später in einem Text heißt, nicht Human Rights<br />
Watch und Amnesty International, sondern auch die großen<br />
Nachrichtenagenturen vor Ort – aber nicht dabei.<br />
Zudem werden die stattgefundenen bewaffneten Überfälle der Ghaddafi-Gegner<br />
nicht im geringsten erwähnt. Man kann also davon ausgehen, dass die „Zeugen“<br />
gegenüber Human Rights Watch diese Tatsache verheimlichten, um sich dem<br />
westlichen Publikum als ´Opfer´ darstellen zu können.<br />
5)<br />
Eine andere Version:
Human Rights Watch spricht erst von Verhaftungen und von der Polizei<br />
zusammengeknüppelten Demonstrationen (mit einigen hundert Personen!) –<br />
nach einer anderen Quelle war es eine Demonstration mit 60 Teilnehmern und<br />
dann von 173 bei Demonstrationen mit maximal 10.000 Teilnehmern von der<br />
Polizei umgebrachten Personen in den vier Tagen vom 17. zum 20. Februar. Es<br />
gibt auch eine andere Version der Ereignisse:<br />
„Bereits am 15. Februar 2011 waren in Zintan und Al-Baida Polizeistationen in<br />
Brand gesetzt worden. Auch in den folgenden Tagen wurden vielerorts Revier-<br />
und andere öffentliche Gebäude niedergebrannt. In der Großstadt Al-Baida<br />
wurden am »Tag des Zorns« fünfzig als »Söldner« im Dienste von Staatschef<br />
Muammar Al-Ghaddafi bezeichnete Schwarzafrikaner exekutiert und in Bengasi<br />
zwei Polizisten gelyncht. Bewaffnete Islamisten stürmten schließlich in Derna<br />
ein Armeedepot und den daneben liegenden Hafen, nahmen eine größere Zahl<br />
von Soldaten und Zivilisten als Geiseln und drohten sie zu erschießen, falls die<br />
libysche Armee sich nicht aus der Stadt zurückziehe. Es waren diese Angriffe,<br />
gegen die die libyschen Sicherheitskräfte in der Folge mit Waffengewalt<br />
vorgingen.“ 7<br />
„Schon am 18. Februar, am Tag nach den ersten Zusammenstößen, am<br />
sogenannten „Tag des Zorns“, wendeten auch diverse oppositionelle Kräfte<br />
massive Gewalt an. So wurden in Bengasi zwei Polizisten gelyncht (Xinhua,<br />
19.2.) und in der Großstadt al-Baida fünfzig als Söldner bezeichnete<br />
Schwarzafrikaner exekutiert (Guardian, 18.2.). In mehreren Städten wurden<br />
Polizeistationen und Amtsstuben in Brand gesteckt. Bewaffnete Islamisten<br />
stürmten in Derna ein Armeedepot und den danebenliegenden Hafen, nahmen<br />
eine größere Zahl von Soldaten und Zivilisten als Geiseln und drohten, sie zu<br />
erschießen, falls die libysche Armee sich nicht aus der Stadt zurückziehe (AFP,<br />
21.2.).“ 8<br />
Auch in den beiden Jahren zuvor wurde am 17. Februar vom<br />
Angehörigenkomitee an die Gefängnisrevolte und die Demonstration von 2006<br />
erinnert. Was war in diesem Jahr anders? Die von Anfang an einsetzende<br />
Gewalt von Seiten der „Rebellen“!<br />
8)<br />
Die Gewalt<br />
7 Jungewelt, 18.2.2012<br />
8 zit. bei Joachim Guillard ´Der Krieg gegen <strong>Libyen</strong> und die Rekolonialisierung<br />
Afrikas´, 2. Mai 2011; Hintergrund.de
Über die Kriegslügen der Massenmedien gegenüber Ghaddafi berichten später,<br />
am 23.7.2011, Thomas C. Mountain für Information Clearing House (ICH) und<br />
Patrick Cockburn für The New Zealand Herald:<br />
„Die Kriegslügen über <strong>Libyen</strong> sind schlimmer als die über den Irak 9<br />
Die Lügen, mit denen der NATO-Krieg gegen <strong>Libyen</strong> gerechtfertigt wird,<br />
übertreffen diejenigen, mit denen die Invasion des Irak gerechtfertigt wurde.<br />
Sowohl Amnesty International als auch Human Rights Watch hatten nach dem<br />
Aufstand im Osten <strong>Libyen</strong>s monatelang jeweils einen ehrlichen Beobachter vor<br />
Ort – beide haben sämtliche Anschuldigungen widerlegt, mit denen NATO den<br />
Krieg gegen <strong>Libyen</strong> gerechtfertigt hat.<br />
Laut der fließend Arabisch sprechenden Beobachterin von Amnesty<br />
International gibt es keinen bestätigten Fall von Vergewaltigung durch Kämpfer<br />
aus Gaddafis Lager, und es gibt auch keinen Arzt, dem so ein Fall bekannt war.<br />
Alle Geschichten über Massenvergewaltigungen mit Viagra sind erfunden.<br />
Amnesty konnte keine einzige Geschichte von für Gaddafi kämpfenden<br />
„afrikanischen Söldnern” bestätigen, und die hochbrisanten Berichte von<br />
internationalen Satellitenfernsehsendern über die Vergewaltigung von Frauen<br />
durch afrikanische Söldner, mit denen die Bevölkerung Ostlibyens so in Panik<br />
versetzt wurde, dass sie aus ihren Häusern floh, waren erfunden.<br />
Es gab keine bestätigten Berichte von Kampfhubschraubern, die Zivilisten<br />
angriffen und keine Kampfjets, die Leute bombardierten, was jegliche<br />
Rechtfertigung für die vom UN-un-Sicherheitsrat beschlossene<br />
Flugverbotszone, die als Vorwand für die NATO-Angriffe auf <strong>Libyen</strong> benutzt<br />
wurde, entwertet.<br />
Nachdem die Ermittlerin von Amnesty International drei Monate vor Ort<br />
in einem von Rebellen kontrollierten Gebiet verbracht hatte, konnte sie nur<br />
110 Tote, zu denen Unterstützer von Gaddafi zählten, in Bengasi bestätigen.<br />
Nur 110 Tote in Bengasi? Moment mal, uns hatte man erzählt, es seien dort<br />
Tausende, ja sogar Zehntausend, gestorben. Nein, nur 110 verloren ihr Leben,<br />
darunter Unterstützer der Regierung.<br />
Keine Vergewaltigungen, keine afrikanischen Söldner, keine<br />
Kampfhubschrauber oder Kampfjets, und nur 110 Tote vor dem Beginn der<br />
Bombardierung durch NATO-Truppen – alles gründete auf einer Lüge.<br />
Laut dem libyschen roten Halbmond wurden bisher mehr als 1.100 Zivilisten<br />
9 23.7.11http://www.informationclearinghouse.info/article28666.htm 23.7.11
durch NATO-Bomben getötet, darunter über 400 Frauen und Kinder. Mehr als<br />
6.000 libysche Zivilisten wurden durch die Bombardierung verletzt oder<br />
verwundet, viele sehr schwer.<br />
Verglichen mit dem Krieg gegen den Irak sind diese Zahlen winzig, doch der<br />
<strong>Libyen</strong>-Krieg lässt sich überhaupt nicht begründen.<br />
Saddam Hussein war böse, er überfiel seine Nachbarn in Kriegen, in denen bis<br />
zu einer Million Menschen getötet wurden. Er setzte Massenvernichtungswaffen<br />
in Form von Giftgas gegen seine Nachbarn und sein eigenes Volk ein, und tötete<br />
dabei Zehntausende. Er war brutal und korrupt und als amerikanische Panzer in<br />
den Irak rollten, weigerten sich das irakische Volk, für ihn zu kämpfen, legte<br />
einfach seine Waffen nieder und ging nach Hause.<br />
<strong>Libyen</strong> unter General Gaddafi hat nie seine Nachbarn überfallen, Gaddafi hat nie<br />
Massenvernichtungswaffen gegen andere eingesetzt, geschweige denn sein<br />
eigenes Volk. Was Gaddafis Brutalität angeht: im Nachbarland Algerien führte<br />
das algerische Militär während der 1990-er Jahre einen Krieg gegen<br />
Aufständische, der etwa 200.000 Menschenleben gefordert hat. Das ist brutal<br />
und nichts annähernd vergleichbares ist in <strong>Libyen</strong> geschehen.<br />
Westliche Marionetten wie Mubarak und Ben Ali in Ägypten und Tunesien<br />
hatten fast keine Unterstützung im eigenen Volk und fast niemand war bereit,<br />
für ihre Verteidigung zu kämpfen und zu sterben.<br />
Die Mehrheit des libyschen Volkes steht hinter der libyschen Regierung und<br />
„dem Führer” Muammar Gaddafi. Mehr als eine Million Menschen<br />
demonstrierten am 1. Juli in der libyschen Hauptstadt Tripolis, um ihre<br />
Unterstützung zu zeigen. Tausende libysche Jugendliche kämpfen an der Front<br />
gegen die Rebellen und trotz Tausender NATO-Luftangriffe berichten<br />
authentische Journalisten vor Ort in Westlibyen, dass ihre Kampfmoral stark<br />
sei.“<br />
Kurz gesagt, es gab keine Massaker an friedlichen Demonstranten, sondern es<br />
gab in erster Linie Kämpfe zwischen der Polizei und bewaffneten Gruppen, die<br />
im Zentrum der Auseinandersetzungen, in Bengasi, insgesamt 110 Tote auf<br />
beiden Seiten forderte.<br />
9)<br />
Wer ist die Opposition? – „Islamisten“, Stammesfürsten, Putschisten<br />
Das Komitee der Angehörigen trat nach dem 17. Februar überhaupt nicht mehr<br />
in Erscheinung.<br />
Der bewaffnete Kampf hatte ja schon längst begonnen.
Von wem wurde er geführt?<br />
“Die Kampfgruppen der Opposition bestehen zum größten Teil aus<br />
nichtausgebildeten zivilen Milizen, ehemaligen Angehörigen der libyschen<br />
Streitkräften und der gut ausgebildeten Libyschen Islamischen Kampfgruppe<br />
(LIFG). Die LIFG hat sich mit der Al-Kaida verbündet, welche von den USA in<br />
Afghanistan gegen die Sowjets in den 70iger Jahren aufgebaut und jetzt von den<br />
USA und der NATO als Werkzeug im Kampf gegen Gaddafi ausgenutzt wird.“ 10<br />
„ Nach heutigen Erkenntnissen ist der libysche Zweig von Al-Kaida die<br />
Fortsetzung der Libyschen Islamischen Kampfgruppe, deren Zentrum die Städte<br />
Darnah und Benghasi sind. Die ethnische Basis der LIFG bildet allem<br />
Anschein nach der Gaddafi-feindliche Stamm der Harabi, dem neben der<br />
Mehrheit der Mitglieder des Rebellen-Rats auch die beiden Hauptanführer der<br />
Rebellion, Abdul Fattah Junis und Mustafa Abdul Jalil, angehören. Alles<br />
deutet demnach darauf hin, dass es in der Praxis Überlappungen zwischen der<br />
LIFG, der Elite des Harabi-Stammes und dem von Obama unterstützten<br />
Rebellen-Rat gibt.“ 11<br />
Anzufügen ist, dass es sich bei Mustafa Abdul Jalil um den ehemaligen<br />
libyschen Justizminister handelt. Abdul Fattah Junis ist der ehemalige<br />
Innenminister!<br />
„Interessant ist dabei die Rolle von Gaddafis ehemaligen Innenminister<br />
Abdulfattah Junis, der plötzlich in der Rebellenhochburg Bengasi auftauchte<br />
und nun seine Unterstützung für die zwischenzeitlich auf den Namen<br />
"Bewegung des 17. Februar" getaufte Opposition erklärte. Inzwischen ist er als<br />
Generalsstabchef zuständig für die Kontakte mit den Alliierten westlichen<br />
Armeeführungen. Am 20. und 21. Februar ist der libysche Justizminister<br />
Mustafa Abdul Jalil und der Generalstaatsanwalt Abdul-Rahman al-Abbar dem<br />
Beispiel von Junis gefolgt. Bemerkenswert, dass die drei wichtigsten<br />
Funktionäre der staatlichen Repression im Polizeistaat <strong>Libyen</strong> scheinbar<br />
umstandslos zur bewaffneten Opposition übergelaufen sind und dort noch<br />
dazu höchste Posten eingenommen haben. Man sagt, dass Junis in seiner<br />
Funktion als Innenminister den Ausbruch der Unruhen in einer letzten<br />
Amtshandlung mit befördert haben könnte.<br />
So wäre bereits am 17. Februar der Befehl vom Hauptquartier in Tripolis<br />
gekommen, die Polizeistationen zu verlassen, erklärte ein hochrangiger<br />
Polizist aus Tobruk "Wir wurden aufgefordert, unsere Uniformen<br />
auszuziehen und nach Hause zu gehen."<br />
10 Queck-Falkenhagen<br />
11 Queck-Falkenhagen
In Bengasi hatte dann dieses Triumvirat Ende Februar einen sog. "Nationalrat"<br />
gebildet, der inzwischen als wichtigster Ansprechpartner der westlichen<br />
Alliierten in Erscheinung tritt.“<br />
Danach handelte es sich bei den Ereignissen eindeutig um einen simplen, mit<br />
dem Westen abgesprochenen Putsch von Ex-Vertrauten Ghaddafis. Das<br />
Komitee, das am 17. Februar seine alljährlichen Proteste organisierte, ist bereits<br />
in den folgenden Tagen nicht mehr gesehen worden.<br />
“Am 20. Februar war Bengasi bereits weitgehend unter der Kontrolle<br />
bewaffneter Rebellen, am 24., eine Woche nach Beginn des Aufstands, wehte<br />
auch in den meisten anderen Städten der Cyrenaika die einstige Flagge der<br />
Monarchie.<br />
Drei Tage später trat der sogenannte Nationale Übergangsrat in Erscheinung,<br />
und ein illustrer Kreis aus ehemaligen Regierungsmitgliedern,<br />
Exiloppositionellen und Islamistenführern nahm in enger Abstimmung mit<br />
Frankreich, Großbritannien und den USA das Heft in die Hand.„<br />
Auf der World Socialist website vom 4.4.2011 heißt es unter Verweis auf das<br />
„Wallstreet Journal“ vom 2.4.2011:<br />
“So hätten drei libysche Rebellenführer von Bengasi mit Osama bin Laden in<br />
Afghanistan gekämpft und nähmen nun eine Führungsrolle der Rebellenfront im<br />
Norden <strong>Libyen</strong>s ein.<br />
Zwei dieser drei wären wegen Teilnahme an Al Quaida-Operationen von den<br />
USA in Gewahrsam genommen worden und hätten 6 Jahre in Guantanamo<br />
verbracht bis sie im Jahre 2007 auf das Gaddafi-Regime angesetzt wurden.<br />
Diese drei Rebellenführer sind: Abdel Hakim al-Hasady, der als einflussreicher<br />
Islam-Prediger und Hochschullehrer beschrieben wird, der fünf Jahre in einem<br />
Trainingscamp in Ostafghanistan verbracht habe und nun für die Rekrutierung,<br />
das Training und die Aufstellung von ca. 300 Rebellenkämpfern von Darna,<br />
einer Stadt in Ostlibyen zuständig sei. Salah al-Barrani, würde “als ehemaliger<br />
Kämpfer der Libyschen Islamischen Kampfgruppe (LIFG) Hasady’s<br />
Feldkommandeur sein. Sufyan Ben Qumu hätte “als libyscher Armeeveteran,<br />
der für Osama bin Laden’s agierende Kompanie in Sudan und später für eine mit<br />
Al Quaida verbundene Einheit in Afghanistan gekämpft” und der nunmehr das<br />
„Training für viele Stadtkämpfer übernommen habe.“ 12<br />
Auch in seiner Rede vom 24. Februar 2011 sagte Gaddafi, die Revolte sei von<br />
al-Qaida inspiriert.<br />
12 „Wallstreet Journal“ vom 2.4.2011
„Die extremistische Organisation Libysche Islamische Kampfgruppe führte ab<br />
Juni 1995 einen bewaffneten Aufstand im Osten des Landes durch. Nach<br />
Angaben eines ehemaligen Agenten des britischen Geheimdienstes soll der<br />
britische MI6 die Gruppe bei dem Attentatsversuch auf Gaddafi im Jahr 1996<br />
unterstützt haben.“ 13<br />
Scholl Latour beschreibt in einem Beitrag „Wer sind die Rebellen? “in „Bild“,<br />
am 22. März 2011:<br />
„Das sind Leute einiger weniger Stämme in Ostlibyen nahe der ägyptischen<br />
Grenze, die mit der Regierung in Tripolis unzufrieden waren. Sie haben sehr<br />
unterschiedliche Interessen. Eine wichtige Rolle unter den Rebellen nimmt die<br />
islamische Senussi-Bruderschaft ein, die einst den gestürzten Konig Idris I.<br />
gestellt hat.<br />
Die Senussi-Bruderschaft galt lange Zeit auch im Westen als Terrororganisation,<br />
die von Killerauftragsmorden lebt. Und ausgerechnet diese Rebellen werden von<br />
dem ehemaligen Innenminister Gaddafis, Junis, geführt, der aus dem an der<br />
libysch-ägyptischen Grenze sesshaften Stamm der Obeidat stammt. Die Sanussi-<br />
Bruderschaft ist eine antiwestlichen muslimischen Sekte. In <strong>Libyen</strong> ist die<br />
Senussi-Bruderschaft eng mit der Monarchie verbunden, da König Idris I., der<br />
1951 von den Briten eingesetzte und 1969 von Gaddafi gestürzte Herrscher,<br />
auch Anführer des Senussi-Ordens war.“ 14<br />
Dies würde erklären, warum auf so vielen Photos die „Rebellen“ die Fahne des<br />
libyschen Königreichs tragen!<br />
Zu den „Rebellen“ selbst:<br />
„Viele Staaten fliegen ihre Bürger aus dem Land aus – darunter auch 450<br />
Deutsche, die am späten Abend am Frankfurter Flughafen erwartet wurden.<br />
Flüchtlinge an der libysch-ägyptischen und libysch-tunesischen Grenze<br />
berichten von Gemetzel. Bewaffnete hätten Checkpoints auf den Landstraßen<br />
errichtet und raubten alle Flüchtlinge bis auf die Kleider aus. „Wenn man aus<br />
Bengasi rausfährt, gibt es nur noch bewaffnete Banden und Jugendliche, die<br />
Straße ist extrem gefährlich“, sagte ein Augenzeuge.<br />
(...) Mehr als 1000 chinesische Bauarbeiter mussten sich vor bewaffneten<br />
Plünderern in Sicherheit bringen, die ihre Containersiedlung gestürmt hatten.“<br />
Frankfurter Rundschau 22.2.11<br />
10)<br />
13 wikipedia<br />
14 „Bild“, am 22. März 2011
Die Rolle der imperialistischen Mächte<br />
„Das Tempo der Ereignisse legt nahe, dass ein solcher Aufstand schon seit<br />
längerer Zeit vorbereitet worden war und der »arabische Frühling« nun<br />
eine günstige Gelegenheit bot.“ 15<br />
Der ´Tagesspiegel´ gab folgenden Überblick der Ereignisse:<br />
15. – 19. 2. 2011:<br />
Erste Proteste gegen Gaddafi in Bengasi und El Baida werden gewaltsam<br />
niedergeschlagen, sie dehnen sich aber schnell aus.<br />
22. 2. 2011: Gaddafis Justizminister Mustafa Abdel Dschalil und Innenminister<br />
Abdel Fatah Junes schließen sich den Aufständischen an.<br />
10. März 2011: Frankreich erkennt als erstes Land den Nationalen<br />
Übergangsrat der Rebellen an.<br />
17. März 2011: Der UN-Sicherheitsrat erlaubt den Einsatz von militärischer<br />
Gewalt zum Schutz der Zivilbevölkerung.<br />
19. März 2011: Eine Koalition unter Führung von Frankreich, Großbritannien<br />
und den USA beginnt mit Luftangriffen. 16<br />
Man kann noch hinzufügen:<br />
- Ab dem 15. Februar gab es bewaffnete Angriffe auf Polizeistationen u. ä.<br />
- Am 20. Februar war Bengasi bereits von „Rebellen“ besetzt worden.<br />
- Ebenfalls am 20. Februar 2011 verurteilten die Vereinigten Staaten und die EU<br />
die angebliche staatliche Gewalt gegen die Demonstranten.<br />
- Am 26. Februar verhängte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit der<br />
Resolution 1970 Sanktionen gegen das Regime Gaddafi.<br />
- Am 28. Februar beschloss auch die EU Sanktionen. Diese umfassen unter<br />
anderem ein Waffenembargo sowie das Einfrieren von Vermögen der<br />
Herrscherfamilie und Einreisesperren.<br />
„Bereits Ende Februar (!) hatte Premier David Cameron den Einsatz britischer<br />
Bodentruppen in <strong>Libyen</strong> und die Bewaffnung libyscher Aufständischer nicht<br />
ausgeschlossen. (...) Während am 21. März noch alle westlichen Staaten Wert<br />
darauf legten, dass die UNO-Resolution weder Bodentruppen noch Aktionen<br />
gegen Gaddafi erlaube, hatte der britische Verteidigungsminister Liam Fox<br />
gegenüber der BBC bereits erklärt, ein Angriff auf Gaddafi sei "eventuell eine<br />
Möglichkeit"! Zu diesem Zeitpunkt waren aber bereits britische Bodentruppen<br />
in <strong>Libyen</strong> im Einsatz! Schon am 4. März hätten sie sich in der Nähe von Bengasi<br />
aufgehalten und das Ganze flog nur auf, weil diese Gruppe "schwer bewaffneter<br />
15 jungewelt, ebd.<br />
16 tagesspiegel.de:
Soldaten" ausgerechnet durch Truppen der Aufständischen verhaftet worden<br />
waren. "Berliner Sicherheitskreise" übermittelten dann, dass getarnte Teams<br />
des SAS und des SBS "bereits vor Wochen" den Oppositionellen<br />
militärische Hilfe geleistet hätten. Bei den Briten habe es sich um 250<br />
schwer bewaffnete Soldaten gehandelt, die bereits einen Monat vorher (also<br />
noch im Februar!!) in <strong>Libyen</strong> im Einsatz gewesen seien.“ 17<br />
„Die Schnelligkeit, mit der der Aufstand eskalierte, mit der auch Frankreich,<br />
Großbritannien und die USA an der Seite der Rebellen intervenierten, legt nahe,<br />
dass die Vorbereitungen schon lange vor dem 17. Februar begannen. Auch<br />
andere Hinweise deuten darauf hin. So verabredeten beispielsweise Frankreich<br />
und Großbritannien im November letzten Jahres das gemeinsame Manöver<br />
„Südlicher Mistral“, bei dem die Luftwaffen beider Länder eine Diktatur in<br />
einem imaginären „Südland" bekämpfen sollten. Geplanter Beginn der Übung<br />
war der 21. März 2011. Sie ging jedoch offensichtlich in die „Operation<br />
Morgendämmerung“ über – dem am 19. März von französischen Kampfjets<br />
eingeleiteten Luftkrieg gegen <strong>Libyen</strong>.“ 18<br />
“Wie später auch in Syrien schürten westliche Medien und die arabischen<br />
Regierungssender Al-Dschasira und Al-Arabiya die Stimmung für eine<br />
Intervention, indem die Gewalt der Regierungskräfte massiv übertrieben und die<br />
der Aufständischen ausgeblendet wurde. Vorwürfe aus oppositionellen Kreisen<br />
wurden ungeprüft übernommen. Dies gipfelte in der von Al-Dschasira<br />
verbreiteten Meldung, die libysche Regierung würde aus Kampfflugzeugen und<br />
-hubschraubern auf friedliche Demonstranten feuern lassen. Obwohl es für die<br />
Behauptung – wie sowohl das Pentagon als auch die Bundesregierung<br />
einräumen – keinerlei Beweise gab, war sie Grundlage für die Forderung nach<br />
einer Flugverbotszone über <strong>Libyen</strong> und die Resolution des UN-Sicherheitsrates.<br />
In keiner der bis dahin von Regierungskräften zurückeroberten Städte hatte es<br />
Massaker gegeben.“<br />
“Großzügig war man in den Medien auch mit den Opferzahlen. Bald wurde<br />
schon von bis zu 6.000 Getöteten berichtet. Die FAZ gab am 10. März<br />
Schätzungen wieder, die von 1.000 Todesopfern ausgingen. Offensichtlich eine<br />
sehr grobe Angabe, denn auch noch drei Wochen später gab das britische<br />
Außenministerium exakt dieselbe Zahl an.“ 19<br />
Nur einen Monat nach Beginn der Proteste in <strong>Libyen</strong> begann der von den<br />
NATO-Mächten geführte Krieg.<br />
17 Queck-Falkenhagen<br />
18 zit. bei Joachim Guillard ´Der Krieg gegen <strong>Libyen</strong> und die Rekolonialisierung<br />
Afrikas´, 2. Mai 2011; Hintergrund.de<br />
19 jungewelt, ebd.
Übrigens, bereits am 22.2.11 erschien in der kubanischen Zeitung ´Granma´ ein<br />
Kommentar Fidel Castros: Die USA wollen keinen Frieden in <strong>Libyen</strong>, im<br />
Gegenteil, der Einmarsch der Nato kann eine Frage von Stunden oder Tagen<br />
sein. Al-Jazeera meldete am gleichen Tag, also am 22. Februar (!), eine britische<br />
Fregatte sei bereits vor der libyschen Küste aufgetaucht, um britischen<br />
Staatsbürgern bei der Ausreise zu helfen.<br />
Bis zu seinem vorläufigen (!) Ende im Oktober 2011 war die Zahl der Opfer des<br />
imperialistischen Angriffskrieges gegen <strong>Libyen</strong> auf über 50.000 Menschen<br />
angestiegen – bei nur sechseinhalb Millionen Einwohnern.<br />
Am 11. März waren nach UN-Angaben seit Beginn des Volksaufstands mehr als<br />
250.000 Menschen aus <strong>Libyen</strong> geflüchtet. Am 22. April 2011 waren nach<br />
Angaben von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon mehr als eine halbe Million<br />
Menschen aus <strong>Libyen</strong> geflohen – bei einer Bevölkerung von, wie gesagt,<br />
sechseinhalb Millionen Menschen.<br />
„Nach knapp 7.500 Luftschlägen in den vergangenen fünf Monaten ist Gaddafis<br />
Armee ausgeblutet.„ 20<br />
„Die Angriffe dienten zu keiner Zeit der Erzwingung eines Flugverbots. Kein<br />
Flugzeug der libyschen Luftwaffe war nach Verabschiedung der UN-Resolution<br />
in der Luft gewesen. Neben aller Art von militärischen Zielen wurden auch viele<br />
zivile Infrastruktureinrichtungen, wie z. B. Häfen oder Telefonanlagen<br />
bombardiert. In Tripolis wurde schon in den ersten Tagen eine Klinik getroffen.<br />
Mit Angriffsserien auf Bodentruppen der libyschen Armee versuchen die<br />
Kampfjets der NATO seither, den Aufständischen den Weg nach Westen<br />
freizuschießen.<br />
735 Kampfeinsätze flog die Westallianz allein in den ersten 10 Tagen. In der<br />
Folge häuften sich die Meldungen über Opfer unter der Zivilbevölkerung. Der<br />
Vertreter des Vatikans in Tripolis hatte selbst bis Ende März schon 40 durch<br />
NATO-Bomben getötete Zivilisten gezählt, ein Arzt aus der Hafenstadt Misrata<br />
sprach von 160 Toten. Die Bombardierungen gingen nach dem Wechsel des<br />
Kommandos an die NATO unvermindert weiter. In den ersten beiden Wochen<br />
ordnete sie 2.337 Einsätze an. 950 davon waren Luftangriffe – das sind fast 70<br />
pro Tag.“ 21<br />
Von wem ging die Gewalt also aus? In erster Linie von den imperialistischen<br />
Armeen!<br />
20 SZ 22.8.2011<br />
21 zit. bei Joachim Guillard ´Der Krieg gegen <strong>Libyen</strong> und die Rekolonialisierung<br />
Afrikas´, 2. Mai 2011; Hintergrund.de
„Die Franzosen hätten plötzlich Großbritannien als Wortführer abgelöst und am<br />
18. März zusammen mit den USA und Großbritannien den Luftangriffen auf<br />
<strong>Libyen</strong> begonnen.<br />
Der Hintergrund war folgender: die Außenminister des Nationalrats, Mahmud<br />
Jibril und Ali al-Issawi, beide ehemals wichtige Figuren aus Gaddafis Regime,<br />
wären am 10. März im Elysee-Palast von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy<br />
empfangen worden. Am gleichem Tage hatte dann Frankreich überraschend und<br />
ohne Absprachen innerhalb der EU, den Nationalrat als legitime Vertretung der<br />
libyschen Rebellen anerkannt. Kurz danach hatten sich in Europa die<br />
wichtigsten Handelspartner <strong>Libyen</strong>s für eine Koalition zusammengefunden:<br />
Großbritannien, Frankreich, Spanien, Niederlande und Italien, bzw. British<br />
Petroleum, Total, Repsol YPF, Shell und Eni.“ 22<br />
11)<br />
Die Zwei-Phasen-Theorie überzeugt einfach nicht:<br />
Am 18. März begannen die NATO-Luftangriffe, britische Soldaten waren aber<br />
schon im Februar im Einsatz. Bewaffnete Angriffe von „Rebellen“ hatten am<br />
15. Februar begonnen, wenige Tage später zeigten sich die libyschen Putschisten<br />
auch schon der Öffentlichkeit.<br />
Wann war denn die Phase der Massenproteste, die „erste Phase“? Wenn es<br />
welche gab, dann wohl in den ersten zwei Wochen im Februar. In dieser Zeit<br />
ging es um die Vorbereitung des 17. Februar, an diesen Protesten waren aber<br />
(höchstens) ein paar hundert Personen beteiligt.<br />
Danach - mit den Aktionen vom 17. Februar, von denen man wenig weiß - auch<br />
Human Rights Watch konzentriert sich, wie die meisten anderen Quellen, auf<br />
Berichte, die den 18. und 19. Februar betreffen - haben wir ein Konglomerat von<br />
westlichen Soldaten und Agenten, Ex-Ghadaffi-Ministern, -Diplomaten und<br />
-Militärs, sowie von den imperialistischen Ländern geförderte bewaffnete,<br />
„islamistische“ Gruppen und Stammesfürsten vor uns.<br />
Dies wird auch offensichtlich an den Persönlichkeiten, die nach Ghaddafi an die<br />
Macht kamen. Sie waren von Anfang an dabei und hielten die Fäden in der<br />
Hand.<br />
12)<br />
Was das für Leute sind, die auf Ghaddafi folgten, darüber gibt es keinen<br />
Zweifel:<br />
„Der neue Führer der libyschen Rebellenarmee, Chalifa Hifter, verbrachte die<br />
letzten 20 Jahre in Virginia, wollte aber unbedingt vor dem heiligen Krieg gegen<br />
Gaddafi seiner Heimat <strong>Libyen</strong> zurückkehren.<br />
Auch der neue Finanz- und Ölminister der Rebellen, Ali Tarhouni, ist seit<br />
22 Malte Daniljuk „Der merkwürdige Aufstand“ in: Portal amerika21 vom<br />
26.3.2011
1978 in den USA, wo er sein Studium abschloss, seit 1985 als Professor an der<br />
Universität von Washington in Seattle tätig war und sich ausgerechnet jetzt in<br />
Bengasi einfand. Dort ist er jetzt für Wirtschaft, Finanzen und Öl zuständig.<br />
Auch Mahmoud Jibril, Premierminister der Rebellen, lebte bis vor kurzem in<br />
den USA und hatte dort Ökonomie und Politische Wissenschaften studiert.“<br />
„Seit Ende des Bürgerkrieges wurden mehr als 6000 Menschen verhaftet, bisher<br />
ohne offizielle Anklage oder Aussicht auf einen Prozess. In den<br />
Internierungszentren der Stadt Misrata, die nicht dem Nationalen Übergangsrat,<br />
sondern der dortigen Revolutionsbrigade unterstehen, werden Gefangene<br />
gefoltert. Die Hilfsorganisation ´Ärzte ohne Grenzen´ stellte bei insgesamt 115<br />
Gefangenen Verletzungen durch Folter fest. Die Folterverhöre, von denen einige<br />
tödlich verliefen, wurden vom militärischen Geheimdienst NASS geführt.“ 23<br />
„Gewalt in <strong>Libyen</strong><br />
Schwarzafrikaner leiden unter Rachgier der Rebellen<br />
Wer in <strong>Libyen</strong> dunkelhäutig ist, muss derzeit um sein Leben fürchten:<br />
Schwarzafrikaner stehen bei den Rebellen unter Generalverdacht - als Söldner<br />
Gaddafis. Dabei kamen viele nur als Gastarbeiter, nicht als Krieger. Jetzt werden<br />
sie als Kollaborateure in Gefängnissen zusammengepfercht, gefoltert oder<br />
massakriert. Dem Rassismus der Sieger sind sie hilflos ausgeliefert. (...)... sagte<br />
ein aus dem Kriegsgebiet im Osten <strong>Libyen</strong>s geflohener türkischer Ölarbeiter der<br />
BBC: "Wir haben unsere Freunde aus dem Tschad zurückgelassen. Wir haben<br />
ihre toten Körper zurückgelassen. In unserer Firma arbeiteten 70 oder 80<br />
Männer aus dem Tschad. Sie haben sie mit Baumsägen und Äxten getötet, sie<br />
haben sie angegriffen. Sie haben behauptet, sie würden Truppen für Gaddafi<br />
bereitstellen. Die Sudanesen, die Männer aus dem Tschad, sie wurden<br />
massakriert. Wir haben es selbst gesehen."<br />
(...)<br />
Viele andere Schwarzafrikaner wurden in Bengasi, Adschdabia und anderen<br />
Orten im Osten <strong>Libyen</strong>s in Internierungslager gebracht. Peter Bouckaert, Leiter<br />
der Kriseneinsätze der Hilfsorganisation Human Rights Watch (HRW), hat mit<br />
seinen Mitarbeitern einige dieser Lager besucht. "Wir waren im Osten <strong>Libyen</strong>s<br />
und haben mit den schwarzafrikanischen Gefangenen gesprochen", berichtete er.<br />
"Doch unter all den Menschen, die wir gesprochen haben, war kein einziger<br />
Söldner." Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI)<br />
erklärte, dass die Berichte aus den ersten Kriegstagen falsch waren.“ 24<br />
13)<br />
23 wikipedia!<br />
24 Süddeutsche Zeitung (SZ) 6.9.2011
Anmerkung zur Gewalt!<br />
Dass wir uns nicht falsch verstehen: Wäre die Gewalt gegen das Ghaddafi-<br />
Regime von einer wirklich fortschrittlichen, demokratischen oder gar einer unter<br />
sozialistischer Führung stehenden, revolutionären Massenbewegung gekommen,<br />
hätte ich laut gejubelt.<br />
Aber dies war– leider – nicht der Fall.<br />
Es gibt zu wenig Informationen, um das „Komitee für den 17. Februar“<br />
beurteilen zu können – auf jeden Fall hat es nach diesem 17. Februar 2011<br />
keinerlei Rolle mehr gespielt. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass dieses<br />
Komitee mehr als ein paar hundert Personen mobilisieren konnte.<br />
Der bewaffnete Kampf nach dem 17., nach anderen Quellen bereits ab dem 15.<br />
Februar, wurde von Leuten befehligt, die der Reaktion angehörten und mit<br />
diesem Komitee nichts zu tun hatten. Es gab keine Massenkundgebungen wie in<br />
Ägypten, sondern bewaffnete Aktionen, in erste Linie in Bengasi und<br />
Umgebung. Diese Aktionen wurden keineswegs von demokratischen<br />
Organisationen und Persönlichkeiten durchgeführt, sondern von der Reaktion.<br />
Bei dieser Bewertung geht es nicht darum, ob es sich um sog. Islamisten<br />
handelte oder nicht. Deren Rolle ist immer im konkreten Fall zu betrachten. Hier<br />
handelte es sich– wie damals bei den afghanischen Kämpfern gegen die<br />
Sowjetunion – um Milizen der islamischen Reaktion und des Imperialismus.<br />
Es ist nicht zu sehen, welche „fortschrittliche“ Rolle sie in <strong>Libyen</strong> gespielt<br />
hätten, im Gegenteil.<br />
Dies wird auch ersichtlich an der Menschenrechtssituation unter dem<br />
Kommando dieser Banden:<br />
14.10.2011<br />
„Mit Fäusten, Stöcken, Gewehren, Gürteln und Kabeln geschlagen<br />
Seit Ende August haben bewaffnete Milizen in Tripolis und al-Zawiya ungefähr<br />
2.500 Personen festgenommen und inhaftiert. Fast immer geschah dies ohne<br />
Haftbefehl und meist ohne die Einbindung der Staatsanwaltschaft oder der<br />
Justizbehörden. Amnesty International befragte von August bis September 2011<br />
etwa 300 inhaftierte Personen. Keiner der Personen wurde irgendeine Art von<br />
Haftbefehl vorgezeigt und viele von ihnen wurde gewissermaßen von<br />
Unbekannten von zu Hause entführt. Zwei Wärter aus unterschiedlichen<br />
Hafteinrichtungen gaben vor Amnesty International zu, Gefangene geschlagen<br />
zu haben, um "Geständnisse" zu erzwingen.<br />
Besonders bei Beginn der Haft scheinen die Gefangenen geschlagen und<br />
misshandelt worden zu sein. Ein 17-jähriger aus dem Tschad erzählte Amnesty,<br />
man habe ihn für einen Söldner gehalten und der Vergewaltigung beschuldigt.<br />
Bewaffnete Männer hätten ihn aus seinem Haus geholt, in eine Schule gebracht<br />
und ihn mit Fäusten, Stöcken, Gewehren, Gürteln und Kabeln geschlagen. "Die
Schläge waren so schlimm, dass ich ihnen am Ende alles gesagt habe, was sie<br />
hören wollten. Ich sagte, ich hätte Frauen vergewaltigt und Libyer getötet."<br />
"Öffentlichen Bekundungen müssen Taten folgen"<br />
Ein Drittel bis die Hälfte der Gefangenen stammen aus der Sub-Sahara-Region.<br />
Sie sind, ebenso wie dunkelhäutige Libyer, besonders gefährdet, Opfer von<br />
Willkürakten zu werden, da man sie verdächtigt, als bezahlte Söldner auf Seiten<br />
Gaddafis gekämpft zu haben.“<br />
amnesty internationat<br />
Ein aktueller Bericht ebenfalls auf der Grundlage von Angaben der Amnesty<br />
International:<br />
“(…) die Gefangenen gaben an, gefoltert worden zu sein und zeigten Amnesty<br />
International ihre Wunden. Viele Häftlinge berichteten, dass sie, um der Folter<br />
zu entgehen, Vergewaltigungen, Morde und andere Verbrechen zugeben<br />
mussten, die sie nie begangen hatten. Seit dem 12 September 2011 sind<br />
mindestens 12 Personen, die von den Milizen eingesperrt worden waren, an den<br />
Folgen der Folter gestorben. Ihre Körper zeigten Blutergüsse, Verletzungen und<br />
einschnitte, bei einigen waren die Fingernägel herausgerissen worden. (...)<br />
In einem Gefangenenlager in Misurata sah ein Delegierter von Amnesty<br />
International, wie die Milizen einige Häftlinge, die freigelassen werden sollten,<br />
schlugen und bedrohten. Ein festgehaltener alter Mann aus Tawargha versuchte<br />
sich zu schützen, kauerte sich an die Mauer und schrie, während er von einem<br />
Angehörigen der Milizen geschlagen, getreten und bedroht wurde. Der<br />
Milizionär sagte dann dem Delegierten von Amnesty International, dass „die<br />
Leute aus Tawargha nicht freigelassen werden, ehre bringen wir sie um“.<br />
(Der Text geht so weiter, es geht um 65 Personen, deren Leichen man gefunden<br />
hat, umgebracht von den Milizen, von einem Video, das die Folter zeigt, usw.)<br />
„Die Milizen aus Misurata haben die gesamte Bevölkerung von Tawargha,<br />
ungefähr 30.000 Menschen, vertrieben, deren Häuser geplündert und zerstört.<br />
Dies geschah, weil einige Leute aus Tawargha während des Konfliktes<br />
Verbrechen begangen haben sollen. Tausende von Menschen des Stammes<br />
Mashashya wurden aus Zintan, in den Bergen von Nafus, vertrieben.“<br />
´Repubblica´, 16.2.2012 (eigene Übersetzung)<br />
Noch einmal: Haben diese Banden irgendeinen fortschrittlichen Charakter?<br />
Diese Frage ist zynisch.<br />
Es sind dieselben Banden, die – von den westlichen Imperialisten gesteuert -<br />
gegen Ghaddafi rebellierten und die nur durch den massiven Militärschlag der<br />
NATO-Länder an die Macht kommen konnten.<br />
Welche Opposition es vorher gab – das war nach den Quellen, die zur<br />
Verfügung standen, nur das Komitee der Angehörigen der Opfer der
Gefängnisrevolte und der Demo von 2006 und ein paar Intellektuelle wie<br />
Ghoga, der bald abserviert wurde.<br />
Eine Massenbewegung? Nein. Es ging immer nur um (höchstens) hunderte von<br />
Personen.<br />
Der 17. Februar – eine Massenbewegung? Nein. Die Demonstrationen in<br />
Bengasi brachten bis zum 20. Februar - in diesen vier Tagen, danach gab es<br />
anscheinend sowieso keine Demos mehr - nur einige tausend und am 20.<br />
Februar „mindestens 10.000“ Personen auf die Straße. Bengasi hat zwei<br />
Millionen Einwohner.<br />
14)<br />
Die Zerstörung des libyschen Staates<br />
„Am 23. Januar 2012 wurde die Einnahme weiter Teile der Stadt Bani Walid<br />
durch „Gaddafi-Anhänger“ gemeldet. Als Auslöser des Aufstandes wurden vom<br />
Nationalen Übergangsrat angeblich angeordnete Festnahmen ehemaliger<br />
Gaddafi-Anhänger genannt. Tags drauf wurde dementiert, dass Bani Walid nun<br />
von Anhängern Gaddafis kontrolliert werde. Die Stadt habe lediglich ihre eigene<br />
lokale Regierung haben wollen. Man habe sich gegen Einmischungen aus der<br />
Hauptstadt gewehrt. Nach Konsultationen mit Stammesvertretern in Bani Wald<br />
hat Usama Dschuili, der Verteidigungsminister des Nationalen Übergangsrates,<br />
die lokale Regierung anerkannt 25 .“<br />
Darum ging es: die Zerschlagung des libyschen Nationalstaates!<br />
Ein uraltes Prinzip der imperialen Machtausübung kommt heute wieder verstärkt<br />
zur Anwendung: die Zerstückelung der Staaten zur Verhinderung nennenswerter<br />
Opposition. Dies gilt für Jugoslawien, Serbien, Afghanistan, Irak, Somalia,<br />
Sudan - und <strong>Libyen</strong>.<br />
Inzwischen ist es schon eine lange Reihe geworden.<br />
Die Zersplitterung eines Landes – wie beispielsweise in Afghanistan deutlich zu<br />
sehen ist – dient nicht der Bevölkerung, wenn an die Stelle des Nationalstaates<br />
eine Reihe kleiner „Fürstentümer“ tritt (in Afghanistan z. B. der özbekische Teil<br />
des Landes im Norden unter der absoluten Herrschaft des war-lords Rashid<br />
Dostum), in denen Rechtlosigkeit und Tyrannei von Gnaden der Großmächte<br />
herrschen.<br />
Nichts anderes ist in <strong>Libyen</strong> zu erwarten.<br />
Der Erhalt des Nationalstaats ist für die sozialistische Bewegung also von<br />
Vorteil.<br />
Dazu kommt ein weiteres Argument: War Ghaddafi wirklich nur ein libyscher<br />
Mubarak?<br />
Unter Führung von Gaddafi hat <strong>Libyen</strong> den höchsten Lebensstandard in Afrika<br />
erreicht – dank der Rohstoffresourcen. 1951 zählte <strong>Libyen</strong> zu noch einem der<br />
25 wikipedia, 18.2.12
ärmsten Länder der Welt. Gemäß der Weltbank betrug das<br />
Durchschnittskapitaleinkommen damals weniger als 50$ pro Jahr, also weniger<br />
als in Indien.<br />
Die Fortschritte kann niemand verleugen: der Wohnungsbau, die Bildung, die<br />
Gesundheitsfürsorge., usw - obwohl <strong>Libyen</strong> 9 Jahre unter den<br />
Wirtschaftssanktionen des Westens gelitten hat und auch hier die<br />
Weltwirtschaftskrise Spuren hinterlassen hat.<br />
Vor der Massenflucht im Februar 2011 wurde die Anzahl der im Land<br />
beschäftigten Gastarbeiter auf etwa 1,7 Mio. geschätzt, was einem Viertel der<br />
Gesamtbevölkerung entsprach.<br />
15)<br />
Der Krieg in <strong>Libyen</strong> ist noch nicht zu Ende.<br />
Die verbliebenen Truppen des ermordeten Ghaddafi kämpfen weiterhin für den<br />
Erhalt des libyschen Nationalstaats und gegen die imperialistischen<br />
Kolonisatoren und den ihnen verbündeten Stämmen, Clans und Banden. Wer<br />
von den „Rebellen“ guten Glaubens war und jetzt einsieht, dass er für die<br />
Imperialisten gekämpft hat, sollte sich logischerweise auf die Seite der<br />
Ghaddafi-Truppen stellen.
Zusammenfassung<br />
1. Es gibt keine Hinweise auf eine demokratische Massenbewegung in <strong>Libyen</strong>,<br />
die mit der in Ägypten vergleichbar gewesen wäre.<br />
2. Offensichtlich gab es von Anfang an bewaffnete Gruppen, die von<br />
Putschisten aus der libyschen Staatsführung gelenkt wurden. Die Gruppen hatten<br />
keinerlei fortschrittlichen Charakter, sondern waren Stammesführern,<br />
reaktionären Islamisten und war-lords unterstellt.<br />
3. Von Anfang an hatten die imperialistischen Mächte, besonders<br />
Großbritannien, ihre Finger mit im Spiel - bis zur militärischen Intervention und<br />
dem Angriff auf <strong>Libyen</strong>, rund vier Wochen nach Beginn der angeblichen<br />
´Rebellion´.
Anhang<br />
Wer gegen <strong>Libyen</strong> Krieg führte<br />
Süddeutsche Zeitung vom 19.3.2011<br />
„FRANKREICH verfügt über rund 100 Kampfflugzeuge, vorwiegend vom Typ<br />
Rafale und Mirage 2000, sowie AWACS-Flugzeuge zur Luftraumüberwachung.<br />
Zunächst kamen rund 20 Kampfflugzeuge zum Einsatz. Paris schickte zudem<br />
den Flugzeugträger "Charles de Gaulle" vom südfranzösischen Hafen Toulon<br />
auf den Weg vor <strong>Libyen</strong>s Küste. Die Stützpunkte Solenzara auf Korsika und<br />
N'Djamena im Tschad können als Basis benutzt werden.<br />
GROSSBRITANNIEN hat Kampfflugzeuge vom Typ Tornado und Eurofighter<br />
in die Nähe von <strong>Libyen</strong>, möglicherweise nach Zypern, verlegt. Dort sind auch<br />
AWACS-Maschinen stationiert. Zudem befinden sich die Fregatten<br />
"Westminster" und "Cumberland" im Mittelmeer. In Großbritannien gestartete<br />
Tornados feuerten am Samstag Marschflugkörper des Typs Storm Shadow auf<br />
Ziele in <strong>Libyen</strong> ab.<br />
DIE USA haben auf dem Stützpunkt Sigonella auf Sizilien F-15- und F-16-<br />
Kampfflugzeuge stationiert. Der Helikopterträger "Bataan" und zwei weitere<br />
Kriegsschiffe sollen am Mittwoch von den USA ins Mittelmeer aufbrechen, wo<br />
sie die Helikopterträger "Kearsarge" und "Ponce" ablösen sollen. Außerdem<br />
befinden sich derzeit die Zerstörer "Barry und "Stout" im westlichen Mittelmeer.<br />
Beide haben Marschflugkörper vom Typ Tomahawk an Bord. Außerdem verfügt<br />
die US-Navy im Mittelmeer über drei U-Boote, die bei Operationen gegen<br />
<strong>Libyen</strong> eingesetzt werden sollen.<br />
DIE NATO hat noch keine direkte Beteiligung zugesagt, Frankreich ist gegen<br />
einen Einsatz des Bündnisses. Es hat jedoch eine Reihe von Awacs-Flugzeugen<br />
rund um die Uhr zur Überwachung des Luftraums über <strong>Libyen</strong> im Einsatz.<br />
Außerdem entsandte die Nato kürzlich drei Marineschiffe in die Region und hat<br />
einen Verband von Minenjagdbooten in der Nähe.<br />
ITALIEN hat die Nutzung von sieben Luftwaffenstützpunkten angeboten.<br />
Möglicherweise beteiligt sich das Land auch mit eigenen Einheiten der<br />
Luftwaffe und der Marine.<br />
SPANIEN stellt vier F-18-Kampfjets, ein Flugzeug für die Luftbetankung, ein<br />
Marineüberwachungsflugzeug, eine Fregatte und ein U-Boot ab. Eine<br />
Beteiligung am Einsatz ist laut Verteidigungsministerium ab<br />
Sonntag vorgesehen.<br />
KANADA hat die Beteiligung von sechs Jagdbombern des Typs CF-18<br />
zugesagt. Außerdem befindet sich die Fregatte "Charlottetown" in der Region.<br />
DEUTSCHLAND will sich nicht direkt beteiligen. Kanzlerin Angela Merkel<br />
hat aber vorbehaltlich eines Bundestagsbeschlusses deutsche Awacs-<br />
Aufklärungsflüge über Afghanistan angeboten, um die anderen Staaten dort zu
entlasten. Außerdem dürfen die US-Stützpunkte in Deutschland für den Einsatz<br />
benutzt werden.<br />
DÄNEMARK entsandte vier F-16-Jagdflugzeuge, zwei Reservekampfjets und<br />
ein Transportflugzeug auf einen Stützpunkt auf Sizilien.<br />
NORWEGEN will "binnen weniger Tage" sechs F-16-Maschinen zur<br />
Durchsetzung der Flugverbotszone über <strong>Libyen</strong> bereitstellen.<br />
BELGIEN hat eine Beteiligung von vier seiner sechs bei der Nato eingesetzten<br />
F-16-Jagdflugzeuge und den Einsatz eines Minenjagdboots angeboten.<br />
DIE NIEDERLANDE wollen sich militärisch beteiligen, die Form ist aber<br />
noch offen.<br />
GRIECHENLAND stellt Stützpunkte zur Verfügung.<br />
KATAR hat eine nicht genauer benannte Beteiligung zugesagt.<br />
DIE VEREINIGTEN ARABISCHEN EMIRATE haben über einen UN-<br />
Diplomaten ebenfalls eine Teilnahme versprochen - doch wurde diese bisher<br />
nicht offiziell bestätigt.“<br />
I