neonatale ITP - UKSH Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
neonatale ITP - UKSH Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
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Informationsblatt<br />
Neonatale Autoimmunthrombozytopenie (<strong>neonatale</strong> <strong>ITP</strong>)<br />
Thrombozytopenie des Neugeborenen durch diaplazentar übertragene Autoantikörper der<br />
Schwangeren gegen Thrombozyten des Feten, der Mutter und anderer Individuen. Die<br />
Autoantikörper verursachen so eine autoimmunthrombozytopenische Purpura (<strong>ITP</strong>, M.<br />
Werlhof).<br />
Häufigkeit<br />
Unter allen stationär aufgenommenen Patienten findet man 0,2 % mit einer <strong>ITP</strong>. Bei Frauen<br />
und somit auch Schwangeren ist die <strong>ITP</strong> 3- bis 4-mal so häufig. Die Hälfte der Kinder von<br />
Müttern mit <strong>ITP</strong> haben zum Zeitpunkt der Geburt eine Thrombozytopenie, 10 - 15 % eine<br />
sehr stark ausgeprägte Thrombozytopenie unter 50.000/µl.<br />
Antikörperspezifität<br />
Spezifität für verschiedene monomorphe Bindungsstellen auf Antigenen der<br />
Thrombozytenoberfläche.<br />
Krankheitsbild<br />
Die Verläufe sind weniger schwer als bei der Alloimmunthrombozytopenie und werden mit<br />
der <strong>ITP</strong> bei älteren Kindern verglichen. Weniger als 1 % der Neugeborenen erleiden eine<br />
zerebrale Blutung (Um mehr als eine Zehnerpotenz seltener als bei der fetalen oder<br />
<strong>neonatale</strong>n Alloimmunthrombozytopenie!). Bei 288 Fällen von <strong>neonatale</strong>r <strong>ITP</strong> in kritisch<br />
ausgewählten Publikationen fanden Burrows und Kelton nicht Fälle, in denen Tod noch<br />
Hirnblutung berichtet wurden. Die Thrombozytopenie entwickelt sich häufig nicht unmittelbar<br />
postpartal, sondern erst im Verlauf der ersten 24 Stunden bis zu einigen Tagen nach der<br />
Geburt.<br />
Schwerere Thrombozytopenien der Kinder sind bei Müttern mit <strong>ITP</strong> nach vorangegangener<br />
Splenektomie beobachtet worden. Das Ausmaß der Thrombozytopenie entspricht oft der<br />
eines Geschwisters nach seiner Geburt. Die Plättchenzahl normalisiert sich bei <strong>neonatale</strong>r<br />
<strong>ITP</strong>nach Tagen bis wenigen Wochen.<br />
Diagnose<br />
Klinik: Hinweis durch Thrombozytopenie und ggf. Diagnose der <strong>ITP</strong> bei der Schwangeren.<br />
Da die Risiken für das Kind deutlich kleiner als bei der Alloimmunthrombozytopenie sind,
darf das Risiko der Cordozentese nicht eingegangen werden. Für eine pränatale<br />
Diagnostik kann man sich auf die Sonografie beschränken. Mehrere Kontrollen der<br />
kindlichen Thrombozytenkonzentration sind bis zu 7 Tagen nach der Geburt<br />
durchzuführen.<br />
Labor: Die Mutter ist thrombozytopenisch, hat aber eine normale oder vermehrte Zahl von<br />
Megakaryozyten im Knochenmark, und es gelingt oft der Nachweis von<br />
plättchenassoziierten und/oder freien Autoantikörpern gegen Thrombozyten. Für eine<br />
eventuelle Thrombozytentransfusion ist die Untersuchung auf mütterliche Antikörper<br />
gegen humane Leukozytenantigene (HLA) und die Blutgruppenbestimmung bei Mutter,<br />
Vater und Kind erforderlich. Bei entsprechendem Verdacht muss im Labor eine<br />
gleichzeitig bestehende Alloimmunthrombozytopenie abgeklärt werden (siehe unser<br />
Informationsblatt "<strong>neonatale</strong> Alloimmunthrombozytopenie").<br />
Erforderliches Untersuchungsmaterial<br />
Mutter: 30 ml EDTA-Blut, 10 ml Nativblut, 10 ml Heparinblut;<br />
Vater: 10 ml EDTA-Blut, 10 ml Heparinblut;<br />
Kind: 3 bis 5 ml EDTA-Blut für Kleines Blutbild mit Thrombozytenzahl und 50µl EDTA-Blut für<br />
die Blutgruppenbestimmung.<br />
Therapie<br />
Transfusion beim Kind: Thrombozytentransfusionen nur in Notfällen, dann in hoher Dosis.<br />
Die Spenderauswahl erfolgt nicht hinsichtlich bestimmter thrombozytärer Antigene; wichtig<br />
ist jedoch die Auswahl entsprechend der Majortyp-Verträglichkeit mit mütterlichen ABO-<br />
Antikörpern (am einfachsten Spender der Blutgruppe O. Eine Minortyp-Unverträglichkeit<br />
muss allerdings vermieden werden (z.B. durch Waschen der Thrombozyten).. Auch ggf.<br />
vorhandene HLA-Antikörper der Mutter sind zu beachten, die den Thrombozytenanstieg<br />
nach Transfusion erheblich behindern können.<br />
Dosierung: Vom Thrombozytenkonzentrat werden mindestens 10 ml/kg Körpergewicht im<br />
Verlauf einer Stunde appliziert. Bei mangelhaftem Inkrement (Konzentration nach<br />
Transfusion < 100.000/µl) noch am selben Tag wiederholte Transfusionen.<br />
Therapiekontrolle: Thrombozytenzählung täglich sowie jeweils unmittelbar vor und 1 Stunde<br />
nach Ende einer Transfusion. Sistieren von Blutungen (u.a. keine frischen Petechien), ggf.<br />
Sonografiekontrollen.
Alternative Therapie: Die Wirkung von mütterlich appliziertem hoch dosierten IVIgG (1g/kg/d<br />
an 2 bis 3 aufeinander folgenden Tagen) oder von Kortikoiden auf die fetale<br />
Thrombozyten-konzentration wird kontrovers beurteilt. Eine hoch dosierte<br />
Kortikoidtherapie der Schwangeren geht mit mütterlichen und fetalen Komplikationen<br />
einher. Die Applikation von Kortikoiden bei dem Neugeborenen zeigt häufiger<br />
Wirksamkeit.<br />
Vorzeitige Entbindung: Sie wird nicht empfohlen.<br />
Rechtliche Aspekte<br />
Standardisierte Dokumentation der klinischen und anamnestischen Daten sowie der<br />
Funktions- und Laborbefunde. Dokumentation des Tages und der Uhrzeit, zu der die<br />
Diagnose gestellt wurde. Kontrolluntersuchungen der kindlichen Thrombozytenwerte im<br />
Verlauf von 7 Tagen nach der Geburt. Nur in Ausnahmen, bei schweren Verläufen,<br />
Aufklärung der Mutter über mögliche geistige und körperliche Behinderungen, über die<br />
Wiederholungswahrscheinlichkeit bei erneuter Schwangerschaft. Aufklärung über die<br />
Notwendigkeit der Behandlung mit HLA ausgewählten Thrombozytenkonzentraten bei<br />
dem thrombozytopenischen Kind bis zum Überstehen des Blutplättchenmangels, wenn<br />
mütterliche HLA-Antikörper über die Autoantikörper hinaus nachgewiesen wurden, und<br />
bei der Mutter, wann immer sie wegen einer Thrombozytopenie in Ihrem Leben<br />
transfundiert werden muss. Dokumentation dieser Aufklärung im Arztbrief, den auch die<br />
Mutter erhält, und Notfallausweis für die Mutter mit Eintrag über Plättchenautoantikörper<br />
und ggf. der HLA-Antikörper.<br />
Literatur<br />
Blanchette VS et al.: Platelet transfusion therapy in newborn infants. Medicine Rev 9 (1995):<br />
215 - 230.<br />
Burrows RF and Kelton JG: Pregnancy in patients with idiopathic thrombocytopenic purpura:<br />
assessing the risks for the infant at delivery. Obstetr Gynecol Survey 48 (1993): 781 -<br />
788.<br />
Bussel JB: Immune thrombocytopenia in pregnancy: autoimmune and alloimmune.<br />
J Reprod Immunol 37 /1997): 35 – 61.<br />
Fuyimura K et al.: Nationwide study of idiopathic thrombocytopenic purpura in pregnant<br />
women and the clinical influence on neonates. Int J Hematol 75 (2002): 426 – 433.<br />
Iyori H et al.: Thrombocytopenia in neonates born to women with autoimmune<br />
thrombocytopenic purpura. Pediatr Hematol Oncol 14 (1997): 367 – 373.<br />
Karpatkin S: Autoimmune (idiopathic) thrombcytopenic purpura. Lancet 349 (1997): 1531 -<br />
1536.<br />
Payne SD et al.: Maternal characteristics and risk of severe neonatal thrombocytopenia and<br />
intracranial hemorrhage in pregnancies complicated by autoimmune thrombocytopenia.<br />
Am J Obstet Gynecol 177 (1997): 149 - 155.
Auskunft<br />
Institut für Transfusionsmedizin des UK-<strong>Schleswig</strong>-<strong>Holstein</strong><br />
Michaelisstraße 5, 24105 Kiel<br />
Annahme, Ausgabe, diensthabender Arzt: 0431 597 3233<br />
sekretariat@transfusion.uni-kiel.de<br />
Kiel, III 2007, Prof. J. Neppert, Dr. E. v. Witzleben-Schürholz, Institut für Transfusionsmedizin