6/2011 Born to be alive - AVC Österreich
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In der Ehe von Dolores und<br />
Johann Mertes gab es viele<br />
Events, die sie sich weder<br />
gewünscht noch erträumt<br />
hatten. Mehr als die<br />
meisten Ehepaare durchgestanden<br />
hätten. Ende<br />
Septem<strong>be</strong>r feierten sie ihre<br />
Goldene Hochzeit.<br />
Verpflichten oder nicht?<br />
Für den modernen Menschen<br />
sind 50 Jahre Ehe<br />
astronomisch hoch und<br />
schlicht unvorstellbar.<br />
Das liegt im Trend der Zeit.<br />
Eine Zeitung, die für zwei<br />
Wochen kostenlos <strong>be</strong>stellt<br />
werden kann, bringt dies in<br />
den letzten Wochen in ihrem<br />
Wer<strong>be</strong>slogan treffend<br />
zum Ausdruck: »Sie können<br />
zusammen frühstücken,<br />
Spaß ha<strong>be</strong>n, sich informieren<br />
und nach zwei Wochen<br />
ist alles vor<strong>be</strong>i. Ohne Verpflichtung.«<br />
Was bringts? »Le<strong>be</strong>nsabschnittspartnerschaft«<br />
oder »Bis dass der Tod<br />
euch scheide«? Gegenü<strong>be</strong>r<br />
einem Menschen und Gott<br />
ein Versprechen abge<strong>be</strong>n,<br />
das <strong>be</strong>i gutem Verlauf<br />
gehalten und <strong>be</strong>i Schwierigkeiten<br />
vergessen wird?<br />
Oder sich für gute wie<br />
schlechte Zeiten <strong>be</strong>dingungslos<br />
verpflichten?<br />
Blenden wir zurück:<br />
a S T r o n o M i S c h E a U S d a U E r<br />
»event« ist ein Begriff, dem etwas dynamisches,<br />
jedoch Kurzzeitiges anhaftet. Wie<br />
ein feuerwerk, das den himmel für sekunden<br />
schmückt und dann verglüht. doch was dolores<br />
und johann erle<strong>be</strong>n, dauert schon etwas<br />
länger an.<br />
Im Visier des KGB<br />
Johann hat eine christliche<br />
Mutter. Nach Ende des<br />
Zweiten Weltkriegs wird<br />
seine Familie zunächst<br />
von Ostdeutschland in die<br />
Ukraine umgesiedelt und<br />
zieht später zu Verwandten<br />
in den Ural. Dort nimmt<br />
ihn seine Mutter mit in<br />
den Gottesdienst. Mit 17<br />
Jahren entscheidet sich<br />
Johann für ein Le<strong>be</strong>n mit<br />
Gott. Er hilft in der Jugendar<strong>be</strong>it<br />
mit und <strong>be</strong>ginnt in<br />
einer Gemeinde in Taschkent<br />
zu predigen. Der KGB<br />
<strong>be</strong>droht ihn; doch Johann<br />
bleibt standhaft.<br />
Es fing damit an, dass es<br />
nicht anfing<br />
Im Alter von 22 Jahren<br />
will er Dolores heiraten.<br />
Standesamtlich hat<br />
alles geklappt. Doch jetzt<br />
werden die vier Pas<strong>to</strong>ren<br />
der Gemeinde verhaftet.<br />
Keinem ist zum Feiern zumute.<br />
Eineinhalb Monate<br />
später führen dann Diakone<br />
die Trauung durch;<br />
das gemeinsame Le<strong>be</strong>n<br />
kann <strong>be</strong>ginnen.<br />
Kurz darauf setzt eine<br />
Verfolgungswelle ein.<br />
Die ganze Gemeinde wird<br />
zerstreut. Viele ziehen<br />
in den asiatischen Teile<br />
der UdSSR, weil dort die<br />
Verfolgung noch weniger<br />
heftig ist. Das wird sich<br />
a<strong>be</strong>r bald ändern.<br />
Ins Ar<strong>be</strong>itslager gesteckt<br />
Mit 29 Jahren sind Dolores<br />
und Johann s<strong>to</strong>lze Eltern<br />
von fünf Mädchen und<br />
einem Sohn. Zu Weihnachten<br />
ladet Johann verbotenerweise<br />
ein paar Christen<br />
ein. 24 kommen − und mit<br />
ihnen der KGB, um alle<br />
Personalien aufzunehmen.<br />
Nach zwei Monaten wird<br />
Johann zum Verhör vorgeladen.<br />
Er kehrt nicht zurück.<br />
Nach einem fünftägigen<br />
Schauprozess − seine Zwillinge<br />
sind gerade mal 29<br />
Tage alt − wird Johann für<br />
drei Jahre in ein Ar<strong>be</strong>itslager<br />
abtransportiert. Der<br />
Richter kommt mit einer<br />
verlockenden Offerte zum<br />
Bahnhof: Wenn Johann<br />
seinem Glau<strong>be</strong>n abschwört,<br />
wird er sofort freigelassen.<br />
Johann lehnt ab, e<strong>be</strong>nso wie<br />
ähnliche Angebote während<br />
der folgenden Zeit im<br />
Ar<strong>be</strong>itslager.<br />
Der Sohn ermordet<br />
1972 wird Johann entlassen.<br />
Dolores hat auf ihn<br />
gewartet. Die Familie zieht<br />
zunächst nach Estland und<br />
darf 1987 nach Deutschland<br />
ausreisen. Am 1. Juni<br />
1989 nimmt er seine Ar<strong>be</strong>it<br />
<strong>be</strong>i <strong>AVC</strong> auf und zusammen<br />
reisen sie schon drei Tage<br />
später nach Russland.<br />
Dort <strong>be</strong>ginnt ein weiterer<br />
Le<strong>be</strong>nsabschnitt. Gott<br />
stellt das Ehepaar in eine<br />
verantwortungsvolle Aufga<strong>be</strong><br />
hinein, weil sie sich<br />
<strong>be</strong>währt ha<strong>be</strong>n. Selbst die<br />
Ermordung ihres einzigen<br />
Sohns stellt das einmal<br />
gege<strong>be</strong>ne Versprechen<br />
nicht infrage. Die anstrengende<br />
Ar<strong>be</strong>it in Russland<br />
und Sibirien fordern das<br />
Äußerste und ha<strong>be</strong>n ihren<br />
Preis: Unter anderem<br />
muss Johann erst das eine<br />
Bein, danach das zweite<br />
amputiert werden.<br />
Fazit aus einem<br />
un<strong>be</strong>quemen Le<strong>be</strong>n<br />
Johanns und Dolores‘<br />
Le<strong>be</strong>n steht im Kontrast<br />
zur »Event-Ehe« und einem<br />
kurzzeitigen Dienst für<br />
Gott, solange alles <strong>be</strong>quem<br />
abläuft. Sie ha<strong>be</strong>n Gott und<br />
einander das Versprechen<br />
zur Treue gege<strong>be</strong>n und ha<strong>be</strong>n<br />
es gehalten, auch durch<br />
harte Zeiten hindurch.<br />
Und trotz allem können sie<br />
heute im Rückblick sagen:<br />
»Es hat sich gelohnt. Gott<br />
hat uns immer geholfen<br />
und auch durch die dunkelsten<br />
Zeiten durchgetragen.<br />
Wir würden es immer<br />
wieder so machen.«<br />
Volker Baumann<br />
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