6/2011 Born to be alive - AVC Österreich
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voll krass<br />
razzien, festnahmen, pas<strong>to</strong>ren<br />
auf der Flucht – die<br />
szenen ha<strong>be</strong>n sich tief eingeprägt.<br />
ai schaut zurück.<br />
Mein Name ist Ai, ich bin 22 Jahre<br />
alt und le<strong>be</strong> in Thailand. A<strong>be</strong>r das ist<br />
nicht meine Heimat.<br />
Polizeiü<strong>be</strong>rgriffe in Serie<br />
Ich bin in Vietnam in einer christlichen<br />
Familie aufgewachsen. Schon<br />
als kleines Mädchen <strong>be</strong>suchte ich mit<br />
meinen Eltern die Kirche. Weil diese<br />
a<strong>be</strong>r vom Staat nicht anerkannt war,<br />
sah es die Polizei als ihre Aufga<strong>be</strong> an,<br />
uns zu schikanieren. Die oft wiederholten<br />
Szenen ha<strong>be</strong>n sich in mein<br />
Gedächtnis eingebrannt: Polizisten<br />
stürmen den Raum. Sie <strong>be</strong>schlagnahmen<br />
sämtliche Bi<strong>be</strong>ln. Sie packen<br />
meinen Vater, schleppen ihn zum<br />
Verhör auf die Polizeistation. Kommt<br />
er zurück, ist deutlich zu sehen, dass<br />
er brutal geschlagen wurde.<br />
Von der Polizei gejagt<br />
Bei uns in Vietnam sind es vor allem<br />
die Christen aus Minderheitenstämmen,<br />
die stark verfolgt werden. Meine<br />
Eltern ha<strong>be</strong>n immer wieder Pas<strong>to</strong>ren<br />
aufgenommen, die von der Polizei gejagt<br />
wurden. Wir hatten ein geheimes<br />
Lager mit Bi<strong>be</strong>ln; mein Vater verteilte<br />
diese im ganzen Land. Ich musste äußerst<br />
vorsichtig sein, was ich meinen<br />
Freunden erzählte. Ein falsches Wort,<br />
und die Folgen hätten für uns alle<br />
verheerend sein können.<br />
Nochmals davongekommen<br />
Als ich älter wurde, <strong>be</strong>gann ich in den<br />
Kinderprogrammen mitzuar<strong>be</strong>iten.<br />
Das nicht <strong>be</strong>willigte Sommerlager<br />
für Kinder des H’roi Stammes im<br />
Hochland verlief anfänglich ohne<br />
Zwischenfälle. Doch in der letzten<br />
Nacht – die Kinder hatten den Ort<br />
zum Glück <strong>be</strong>reits verlassen – tauchten<br />
Polizisten auf. Sie umstellten<br />
das Haus, in dem wir als Team<br />
untergebracht waren, und fragten<br />
nach dem Leiter. Irgendwie spürte<br />
ich, dass ich mit ihnen reden sollte.<br />
Es war wohl der Heilige Geist, der<br />
mich dazu drängte. Nachdem sie<br />
viele Fragen gestellt hatten, die ich<br />
alle <strong>be</strong>antworten konnte, verließen<br />
sie das Haus und zogen ab. Auf dem<br />
Heimweg wurden wir mehrmals von<br />
»es sind keine tränen der<br />
Wut oder frustration.<br />
Es sind Tränen der Freude<br />
darü<strong>be</strong>r, dass gott uns durch<br />
diese schwierigen Jahre<br />
hindurch gebracht hat.«<br />
Polizeipatrouillen kontrolliert und<br />
ausgefragt. Mir war sehr unwohl da<strong>be</strong>i,<br />
denn ich wusste ja nicht, was sie<br />
mit uns vorhatten. A<strong>be</strong>r schlussendlich<br />
erreichten wir unser Haus.<br />
Der Vater wird verhaftet<br />
Meine schlimmsten Jahre waren<br />
jene zwischen 14 und 15. Einmal<br />
kam ich von der Schule nach Hause,<br />
und mein Vater war weg. Anfänglich<br />
dachte ich, dass er zum Predigen in<br />
ein anderes Dorf gefahren sei. Meine<br />
Mutter wirkte sehr <strong>be</strong>drückt, sagte<br />
a<strong>be</strong>r zunächst nichts. Bald fand ich<br />
heraus, dass mein Vater verhaftet<br />
worden war. In meinem Kopf war ein<br />
d r a M a T i S c h E K i n d h E i T<br />
Gewirr von Fragen, die ich ihm hätte<br />
stellen wollen. Würde ich ihn ü<strong>be</strong>rhaupt<br />
je wiedersehen? Zwei lange<br />
Jahre war er im Gefängnis, wurde<br />
gefoltert und schwer gedemütigt.<br />
A<strong>be</strong>r er blieb standhaft.<br />
Und jetzt erst recht<br />
Wir hatten unseren Vater sehr vermisst,<br />
a<strong>be</strong>r irgendwie war ich nicht<br />
mutlos. Ich spürte sehr stark, wie Gott<br />
mich tröstete. Trotz der schwierigen<br />
Situation büffelte ich hart und schaffte<br />
sogar den Eintritt in die High School.<br />
Jetzt bin ich in Thailand, lerne und<br />
ar<strong>be</strong>ite <strong>be</strong>i einer christlichen Organisation.<br />
Ich bin Gott so dankbar für<br />
diese Möglichkeit. Mein Ziel ist es,<br />
wieder nach Vietnam zurückzukehren,<br />
um mich dort um arme Leute<br />
zu kümmern, vor allem um ältere<br />
Menschen, die ihr ganzes Le<strong>be</strong>n für<br />
Gott eingesetzt ha<strong>be</strong>n.<br />
Während ich dies schrei<strong>be</strong>, muss ich<br />
einfach weinen ... A<strong>be</strong>r es sind keine<br />
Tränen der Wut oder Frustration.<br />
Es sind Tränen der Freude darü<strong>be</strong>r,<br />
dass Gott uns durch diese schwierigen<br />
Jahre hindurch gebracht hat.<br />
Eine Frau aus unserer Kirche<br />
brachte einmal auf den Punkt, was<br />
mir selbst sehr wichtig geworden ist:<br />
»Schau zurück, um Gott zu danken.<br />
Schaue um dich herum, um Gott zu<br />
dienen. Schaue in die Zukunft und<br />
vertraue Gott.«<br />
Daniel Hofer<br />
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