Bewertung von Leitungsnetzen - Nodig-Bau.de
Bewertung von Leitungsnetzen - Nodig-Bau.de
Bewertung von Leitungsnetzen - Nodig-Bau.de
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
10<br />
DAS THEMA Versorgung<br />
Analyse und Prognose <strong>von</strong> Schä<strong>de</strong>n<br />
<strong>Bewertung</strong><br />
<strong>von</strong> <strong>Leitungsnetzen</strong><br />
Dipl.-Ing. Ingo KROPP; Prof. Dr.-Ing. Raimund K. HERZ<br />
Die Auswertung <strong>von</strong> Scha<strong>de</strong>nsstatistiken<br />
ist eine grundlegen<strong>de</strong><br />
Voraussetzung je<strong>de</strong>r zustandsorientierten<br />
Rehabilitationsplanung.<br />
Nur so können scha<strong>de</strong>nsanfällige Leitungstypen<br />
erkannt und die künftige<br />
Scha<strong>de</strong>nsentwicklung abgeschätzt wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Scha<strong>de</strong>nsdynamik <strong>de</strong>r Leitungen<br />
zwingt zur Entwicklung einer vorausschauen<strong>de</strong>n<br />
Erneuerungsstrategie.<br />
Für die Erneuerungsmaßnahmen ist<br />
mittelfristig ein Finanzierungsrahmen<br />
festzulegen. Zur <strong>Bewertung</strong> <strong>de</strong>r Auswirkungen<br />
<strong>de</strong>r Erneuerungsmaßnahmen<br />
auf <strong>de</strong>n Zustand <strong>de</strong>r Leitungsnetze im<br />
Zuge <strong>de</strong>r laufen<strong>de</strong>n Erfolgskontrolle<br />
(Monitoring) wer<strong>de</strong>n ebenfalls Scha<strong>de</strong>nstatistiken<br />
und Scha<strong>de</strong>nsprognosemo<strong>de</strong>lle<br />
benötigt.<br />
Der vorliegen<strong>de</strong> Beitrag befasst sich mit<br />
einigen grundlegen<strong>de</strong>n Aspekten <strong>de</strong>r Zustandsanalyse<br />
und -prognose und diskutiert<br />
methodische Schwierigkeiten in <strong>de</strong>r<br />
Anwendung statistischer Verfahren zur<br />
Scha<strong>de</strong>nsprognose, die zu Fehlinterpretationen<br />
<strong>von</strong> Ergebnissen führen können.<br />
Zustandsverschlechterung<br />
Der zeitliche Verlauf <strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>nsanfälligkeit<br />
einer Leitung wird allgemein mit<br />
<strong>de</strong>r so genannten „Ba<strong>de</strong>wannenkurve“<br />
(Bild 3) beschrieben. Kurze Zeit nach<br />
<strong>de</strong>r Verlegung einer Rohrleitung können<br />
Schä<strong>de</strong>n auftreten, die durch unsachgemäße<br />
Installation o<strong>de</strong>r Materialfehler<br />
hervorgerufen wer<strong>de</strong>n. Ist diese<br />
Phase <strong>de</strong>r „Kin<strong>de</strong>rkrankheiten“ überstan<strong>de</strong>n,<br />
folgt eine längere Perio<strong>de</strong> ohne<br />
nennenswerte Störungen – die stabile<br />
Phase. Mit zunehmen<strong>de</strong>m Alter wer<strong>de</strong>n<br />
die Rohrwerkstoffe schwächer und können<br />
die auf sie wirken<strong>de</strong>n Lasten nicht<br />
mehr in vollem Maße aufnehmen. Die<br />
Rohrleitung tritt in eine kritische Phase<br />
ihrer Nutzungsdauer. Immer häufiger<br />
Scha<strong>de</strong>nsanalyse und -prognose sollten feste<br />
Bestandteile <strong>de</strong>r Zustandsbewertung <strong>von</strong><br />
Trinkwassernetzen sein.<br />
SCHADENSBILD: Bild 1<br />
Stahlleitung mit Außenkorrosion Foto: Drewag Dres<strong>de</strong>n<br />
treten Rohrbrüche und Leckagen auf,<br />
die hydraulische Leistungsfähigkeit<br />
sinkt, es kommt zu Druckverlusten o<strong>de</strong>r<br />
auch zu Wassereintrübungen und Verschmutzungen<br />
im Netz.<br />
Datengrundlagen<br />
In <strong>de</strong>n meisten Wasserversorgungsunternehmen<br />
wer<strong>de</strong>n daher seit etwa 10<br />
bis 15 Jahren die aufgetretenen Scha<strong>de</strong>nsereignisse<br />
in analoger o<strong>de</strong>r digitaler<br />
Form aufgezeichnet. Innerhalb dieses<br />
begrenzten Beobachtungszeitraums sind<br />
für die „alten“ Rohrtypen wie Graugussund<br />
Stahlleitungen, Scha<strong>de</strong>nsdaten über<br />
ein großes Altersspektrum vorhan<strong>de</strong>n,<br />
das auch die letzte Phase <strong>de</strong>r ansteigen<strong>de</strong>n<br />
Zustandsverschlechterung erfasst.<br />
Scha<strong>de</strong>nsereignisse an „jungen“ Leitungen<br />
aus Duktilguss (2. Generation) o<strong>de</strong>r<br />
PE können dagegen nur <strong>de</strong>n anfänglichen<br />
Kin<strong>de</strong>rkrankheiten o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m niedrigen<br />
Scha<strong>de</strong>nsniveau <strong>de</strong>r stabilen Pha-<br />
se zugeordnet wer<strong>de</strong>n. Von diesen Rohrtypen<br />
lässt sich heute noch nicht sagen,<br />
wann sie in die Alterungsphase eintreten,<br />
geschweige <strong>de</strong>nn, welchen Verlauf<br />
ihre Zustandsverschlechterung nehmen<br />
wird. Im Allgemeinen wer<strong>de</strong>n sich die<br />
scha<strong>de</strong>nsstatistischen Untersuchungen<br />
daher auf die alten Rohrtypen konzentrieren.<br />
Schließlich machen diese ja auch<br />
<strong>de</strong>n überwiegen<strong>de</strong>n Anteil an zu erneuern<strong>de</strong>n<br />
Leitungen aus. Bei <strong>de</strong>n jungen<br />
Rohrtypen kann je<strong>de</strong>nfalls da<strong>von</strong> ausgegangen<br />
wer<strong>de</strong>n, dass in <strong>de</strong>n nächsten 10<br />
bis 20 Jahren keine Scha<strong>de</strong>nsraten in<br />
entsprechen<strong>de</strong>n Größenordnungen auftreten<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Mit <strong>de</strong>m Merkblatt W395 /1/ hat <strong>de</strong>r<br />
DVGW Empfehlungen gegeben, wie<br />
Scha<strong>de</strong>nsdatenbanken in Wasserversorgungsunternehmen<br />
geführt und nach<br />
welchen Merkmalen (Material und<br />
Nennweitengruppen) die Schä<strong>de</strong>n klassifiziert<br />
wer<strong>de</strong>n sollten.<br />
5/2005
Zustandsanalyse<br />
Für die <strong>Bewertung</strong> <strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>nshäufigkeit<br />
wer<strong>de</strong>n meist zwei Kennzahlen verwen<strong>de</strong>t.<br />
Das ist zum einen die absolute<br />
Anzahl <strong>de</strong>r Schä<strong>de</strong>n N(t), die sich aus<br />
<strong>de</strong>n aufgezeichneten Scha<strong>de</strong>nsdaten ergibt,<br />
und zum an<strong>de</strong>ren die Scha<strong>de</strong>nsrate<br />
SR(t), die sich aus <strong>de</strong>r absoluten Anzahl<br />
<strong>de</strong>r Schä<strong>de</strong>n dividiert durch eine Bezugslänge<br />
(z. B. Länge <strong>de</strong>s Leitungsabschnitts,<br />
einer Leitungsgruppe) und einen<br />
Bezugszeitraum t, üblicherweise 1<br />
Scha<strong>de</strong>n<br />
5/2005<br />
„Kin<strong>de</strong>rkrankheiten”<br />
Garantiephase<br />
stabile Phase<br />
Jahr, berechnen und über <strong>de</strong>n Beobachtungszeitraum<br />
darstellen lässt.<br />
Die bei<strong>de</strong>n Kennzahlen können für drei<br />
Bezugsebenen berechnet wer<strong>de</strong>n: Einzelleitung,<br />
Leitungsgruppe – z. B. unterteilt<br />
nach Material, <strong>Bau</strong>perio<strong>de</strong>, Nennweite<br />
– und das Gesamtnetz. Damit wer<strong>de</strong>n<br />
für die jeweiligen Anfor<strong>de</strong>rungen<br />
<strong>de</strong>r Planungs- und Entscheidungsebenen<br />
– Benchmarking, Strategieentwicklung,<br />
laufen<strong>de</strong> Planung und Monitoring<br />
– geeignete Entscheidungshilfen zur<br />
Alterung und<br />
Zustandsverschlechterung<br />
Alter<br />
Phase <strong>de</strong>r stetig zunehmen<strong>de</strong>n<br />
Zustandsverschlechterung<br />
„BADEWANNEN-<br />
KURVE“:<br />
zeitlicher Verlauf<br />
<strong>de</strong>r<br />
Scha<strong>de</strong>nsanfälligkeit<br />
einer<br />
Leitung<br />
Versorgung<br />
ROHRBRUCH: Bild 2<br />
am Berliner Alexan<strong>de</strong>rplatz im Januar 1999 vorgefun<strong>de</strong>n Foto: Kropp<br />
Bild 3<br />
Verfügung gestellt. Es ist anzumerken,<br />
dass die Entwicklung <strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>nsrate<br />
eine aussagekräftigere Kennzahl für <strong>de</strong>n<br />
Zustand ist als die Anzahl <strong>de</strong>r Schä<strong>de</strong>n,<br />
da die jeweilige Leitungslänge eng mit<br />
<strong>de</strong>r Anzahl <strong>de</strong>r Schä<strong>de</strong>n korreliert. Der<br />
Zustand einer Leitungsgruppe, z. B.<br />
Grauguss, verschlechtert sich, wenn die<br />
Anzahl <strong>de</strong>r Schä<strong>de</strong>n gleich bleibt, obwohl<br />
die Leitungslänge im Laufe <strong>de</strong>r<br />
Jahre durch Auswechslung reduziert<br />
wur<strong>de</strong> (Bild 4). Bei gleich bleiben<strong>de</strong>r<br />
Scha<strong>de</strong>nshäufigkeit und zunehmen<strong>de</strong>r<br />
Leitungslänge, z. B. an PE-Leitungen,<br />
verbessert sich <strong>de</strong>r Zustand dieser Leitungsgruppe.<br />
Die zeitliche Entwicklung <strong>de</strong>r jährlichen<br />
Schä<strong>de</strong>n bzw. Scha<strong>de</strong>nsraten wird im<br />
Unternehmen zur Beurteilung <strong>de</strong>r allgemeinen<br />
Zustandsentwicklung verwen<strong>de</strong>t.<br />
In <strong>de</strong>n letzten Jahren haben die<br />
Wasserversorgungsunternehmen auf<br />
freiwilliger Basis diese Daten an <strong>de</strong>n<br />
DVGW übermittelt. In <strong>de</strong>r Wasser Information<br />
Nr. 67 /2/ sind die Ergebnisse<br />
einer <strong>de</strong>utschlandweiten Auswertung<br />
für die Jahre 1997 bis 1999 vorgestellt<br />
www.wwt-online.<strong>de</strong><br />
11
DAS THEMA Versorgung<br />
Anzahl <strong>de</strong>r Schä<strong>de</strong>n/<br />
Leitungslänge<br />
50<br />
km<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
1987<br />
1988<br />
1989<br />
1990<br />
1991<br />
1992<br />
Schä<strong>de</strong>n Leitungslänge<br />
1993<br />
1994<br />
wor<strong>de</strong>n. Die darin veröffentlichten<br />
durchschnittlichen Scha<strong>de</strong>nsraten liefern<br />
<strong>de</strong>n Unternehmen Vergleichswerte<br />
für die Zustandsentwicklung im eigenen<br />
Netz.<br />
Zustandsprognose<br />
Für Scha<strong>de</strong>nsprognosen ist eine Auswertung<br />
<strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>nsfälle über das Alter<br />
<strong>de</strong>r Leitungen <strong>von</strong> beson<strong>de</strong>rem<br />
Interesse. Diese Analysen dienen auch<br />
als Grundlage zur Bestimmung <strong>de</strong>r Nutzungsdauer<br />
<strong>von</strong> Leitungsgruppen zur<br />
weiteren Verwendung in Alterungsmo<strong>de</strong>llen<br />
bei Bedarfsprognosen und bei <strong>de</strong>r<br />
Entwicklung geeigneter Rehabilitationsstrategien.<br />
Außer<strong>de</strong>m kann durch<br />
Trendfunktionen <strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>nsrate über<br />
das Alter überprüft wer<strong>de</strong>n, in welchem<br />
Alter die Scha<strong>de</strong>nsrate eine im Unternehmen<br />
festgelegte Eingriffsgrenze voraussichtlich<br />
überschreiten wird, ob <strong>de</strong>r<br />
geeignete Überwachungs- o<strong>de</strong>r Rehabilitationsmaßnahmen<br />
zu ergreifen sind.<br />
Statistische Scha<strong>de</strong>nsprognosemo<strong>de</strong>lle<br />
können in zwei Hauptgruppen unterschie<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n, in Trendfunktionen<br />
und in so genannte Überlebensmo<strong>de</strong>lle.<br />
Trendfunktionen<br />
Vor <strong>de</strong>r Anwendung <strong>von</strong> Trendfunktionen<br />
zur Scha<strong>de</strong>nsprognose muss <strong>de</strong>r<br />
Netzbestand in Gruppen <strong>von</strong> Rohrleitungen<br />
unterteilt wer<strong>de</strong>n, die sich in ih-<br />
1995<br />
Scha<strong>de</strong>nsrate<br />
1996<br />
1997<br />
1998<br />
1999<br />
Trend<br />
(Schä<strong>de</strong>n)<br />
1,0<br />
S/km·a<br />
0,8<br />
0,7<br />
0,6<br />
0,5<br />
0,4<br />
0,3<br />
0,2<br />
0,1<br />
0<br />
rem Alterungsverhalten unterschei<strong>de</strong>n<br />
und eine spezifische Scha<strong>de</strong>ndynamik<br />
aufweisen. Denn bei <strong>de</strong>r Tren<strong>de</strong>xtrapolation<br />
<strong>von</strong> Scha<strong>de</strong>nsereignissen ist die<br />
Zeit die einzige verbleiben<strong>de</strong> erklären<strong>de</strong><br />
Größe. Die Schichtung in alterungshomogene<br />
Leitungsgruppen kann durch eine<br />
einfache grafische Auswertung vergangener<br />
Scha<strong>de</strong>nsereignisse unterlegt<br />
wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r durch weitere statistische<br />
Analysen, z. B. mittels Clusteranalyse<br />
o<strong>de</strong>r Poisson-Regression.<br />
Gebräuchliche Funktionstypen für<br />
Trendfunktionen sind lineare, polynomische<br />
(z. B. quadratische) und exponentielle<br />
Funktionen (Bild 5), wie sie<br />
beispielsweise <strong>von</strong> Schmidt (2004) /3/ für<br />
die Trinkwasserversorgung Erfurt<br />
untersucht wur<strong>de</strong>n.<br />
Überlebensmo<strong>de</strong>lle<br />
Überlebensmo<strong>de</strong>lle wur<strong>de</strong>n zuerst in<br />
<strong>de</strong>r Demographie entwickelt und im Bereich<br />
<strong>de</strong>r Medizin zu biostatistischen<br />
Verfahren verfeinert, mit <strong>de</strong>nen die Eintrittswahrscheinlichkeit<br />
bestimmter<br />
Krankheitsbil<strong>de</strong>r beim Menschen in Abhängigkeit<br />
<strong>von</strong> einer größeren Anzahl<br />
<strong>von</strong> Risikofaktoren unterschiedlicher<br />
Ausprägung berechnet wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Auf Wasserrohrnetze übertragen wird<br />
die Ausfallwahrscheinlichkeit eines Leitungsabschnitts<br />
bestimmt, und zwar<br />
nicht durch vorangegangene Schichtung<br />
(wie beim <strong>de</strong>mographischen Kohortenüberlebensmo<strong>de</strong>ll<br />
/4/), son<strong>de</strong>rn durch eine<br />
einzige mehrparametrige Überlebensfunktion.<br />
Die Überlebensfunktion<br />
beschreibt <strong>de</strong>n Anteil einer Population,<br />
<strong>de</strong>r zu einem bestimmten Zeitpunkt einen<br />
<strong>de</strong>finierten Zustand (Scha<strong>de</strong>n, En<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r Nutzungsdauer) noch nicht erreicht<br />
hat. Vertreter <strong>de</strong>r Überlebensmo<strong>de</strong>lle<br />
sind das Proportional Hazard Mo<strong>de</strong>ll,<br />
das in Bild 6 näher beschrieben ist sowie<br />
(in)homogene Poisson-Prozesse und<br />
Markov-Mo<strong>de</strong>lle.<br />
Da ein eintreten<strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>n in Wasserrohrnetzen<br />
in <strong>de</strong>r Regel nicht das En<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r Nutzungsdauer be<strong>de</strong>utet, kann die<br />
Anzahl <strong>de</strong>r vorangegangenen, reparierten<br />
Schä<strong>de</strong>n zusätzlich als erklären<strong>de</strong>r<br />
Faktor in das Mo<strong>de</strong>ll eingeführt wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Zuverlässigkeit <strong>de</strong>s Mo<strong>de</strong>lls nimmt<br />
hierbei mit <strong>de</strong>r Anzahl <strong>de</strong>r an <strong>de</strong>r Leitung<br />
bereits eingetretenen Schä<strong>de</strong>n<br />
stark zu. Ein Vorteil dieser Überlebensmo<strong>de</strong>lle<br />
liegt darin, dass auch zeitabhängige<br />
Einflussfaktoren in das Mo<strong>de</strong>ll integriert<br />
wer<strong>de</strong>n können.<br />
Im Rahmen <strong>de</strong>s europäischen Forschungsprojektes<br />
CARE-W (Computer<br />
Ai<strong>de</strong>d Rehabilitation of Water networks)<br />
wur<strong>de</strong>n für die angesprochenen<br />
Überlebensmo<strong>de</strong>lle Software-Anwendungen<br />
entwickelt, bei <strong>de</strong>nen die<br />
Prognosemo<strong>de</strong>lle anhand <strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>nsdaten<br />
kalibriert und die Scha<strong>de</strong>nsentwicklung<br />
einzelner Leitungen, Leitungsgruppen<br />
o<strong>de</strong>r im Gesamtnetz für verschie<strong>de</strong>ne<br />
Wasserversorgungsnetze in<br />
Europa mit hoher Zuverlässigkeit prognostiziert<br />
wur<strong>de</strong>n. Die Scha<strong>de</strong>nsprognosemo<strong>de</strong>lle<br />
können mit hydraulischen<br />
Netzmo<strong>de</strong>llen verknüpft wer<strong>de</strong>n, um die<br />
Auswirkung <strong>von</strong> Scha<strong>de</strong>nsereignissen<br />
auf die Versorgungssicherheit zu bewerten.<br />
Weitere Bestandteile <strong>de</strong>s CARE-W<br />
Rehabilitation-Management-Systems<br />
sind Programme für die laufen<strong>de</strong> und<br />
strategische Rehabilitationsplanung und<br />
zum Monitoring in Wasserversorgungsnetzen<br />
/7/.<br />
Zuverlässigkeit<br />
<strong>de</strong>r Prognose<br />
Prognosen sollten sich nicht auf eine<br />
Darstellung <strong>de</strong>r berechneten Erwartungswerte<br />
beschränken, <strong>de</strong>nn Vorhersagen<br />
<strong>de</strong>r Zukunft sind immer mit Unsicherheiten<br />
behaftet. Auch ein hohes Bestimmtheitsmaß<br />
<strong>de</strong>r Regression ist<br />
keineswegs ein Garant für eine treffsichere<br />
Prognose. Daher sollte für je<strong>de</strong>n<br />
berechneten Wert das zugehörige Vertrauensintervall<br />
angeben wer<strong>de</strong>n. Entsprechend<br />
<strong>de</strong>r gefor<strong>de</strong>rten Prognosegenauigkeit<br />
(= Konfi<strong>de</strong>nzniveau ) und in<br />
Abhängigkeit <strong>de</strong>r Anzahl erklären<strong>de</strong>r<br />
Variablen ist <strong>de</strong>r zugehörige t-Wert aus<br />
12 5/2005<br />
2000<br />
2001<br />
2002<br />
2003<br />
Trend<br />
(Scha<strong>de</strong>nsrate)<br />
SCHÄDEN UND SCHADENSRATE: Bild 4<br />
Beispiel Graugussleitungen<br />
– lineare Funktion: SR(t) = a0 + a1 · t<br />
– polynomische Funktion: z. B. SR(t) = a0 + a1 · t2 nach Michalik /5/<br />
– exponentielle Funktion: SR(t) = SR(t0 ) · e · t nach Shamir-Howard /6/<br />
mit SR(t) Anzahl <strong>de</strong>r Schä<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>nsrate<br />
SR(t0 ) Ausgangswert für die Anzahl <strong>de</strong>r Schä<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />
Ausgangsscha<strong>de</strong>nsrate<br />
t Alter <strong>de</strong>r Leitung<br />
t0 a0 , a1 <br />
Ausgangszeitpunkt<br />
schichtspezifische Regressionsfaktoren<br />
konstanter Regressionskoeffizient für verschie<strong>de</strong>ne<br />
Leitungsgruppen<br />
Scha<strong>de</strong>nsrate<br />
ÜBERSICHT:<br />
Funktionstypen<br />
für<br />
Trendfunktionen<br />
Bild 5
<strong>de</strong>r t-Verteilung zu entnehmen und mit<br />
<strong>de</strong>m berechneten Standardschätzfehler s<br />
zu multiplizieren. Der Konfi<strong>de</strong>nzbereich<br />
ergibt sich symmetrisch zum berechneten<br />
Erwartungswert <strong>von</strong> µ - t·s bis µ + t·s<br />
(Bild 7).<br />
Abschließend sei noch ein wichtiger Aspekt<br />
<strong>de</strong>r Informationsgrundlage erwähnt.<br />
Die Auswertung <strong>von</strong> Scha<strong>de</strong>nsdaten<br />
in einem Wasserversorgungsnetz<br />
mit etwa 20.000 in Betrieb befindlichen<br />
Leitungen ergab, dass über einen Zeitraum<br />
<strong>von</strong> 17 Jahren gera<strong>de</strong> einmal 10 %<br />
dieser Leitungen schadhaft waren. Lediglich<br />
2 % <strong>de</strong>r Leitungen wiesen mehr<br />
als einen Scha<strong>de</strong>n auf und nur 0,75 %<br />
mehr als 2 Schä<strong>de</strong>n. Es kann heute auch<br />
niemand mehr sagen, wie viele Schä<strong>de</strong>n<br />
an diesen Leitungen schon vor Beginn<br />
<strong>de</strong>r Aufzeichnungen aufgetreten waren.<br />
Vor diesem Hintergrund muss man die<br />
Prognose <strong>von</strong> Schä<strong>de</strong>n für Einzelleitungen,<br />
insbeson<strong>de</strong>re mittels Trendfunktionen,<br />
kritisch sehen. Für Leitungsgruppen<br />
und für das Gesamtnetz lassen sich<br />
dagegen zuverlässige und brauchbare<br />
Aussagen ermitteln. Nichts <strong>de</strong>sto trotz<br />
wer<strong>de</strong>n Trendprognosen aufgrund ihrer<br />
einfachen Handhabung häufig auf Ein-<br />
5/2005<br />
Die Scha<strong>de</strong>nsrate wird mit folgen<strong>de</strong>r Funktion berechnet:<br />
SR(t; z) = h 0 (t) · e ß1z1 + ß2z2 + … ßnzn<br />
mit z i erklären<strong>de</strong> Faktoren (z. B. Material, Alter, umgeben<strong>de</strong>r Bo<strong>de</strong>n)<br />
ß i Regressionskoeffizienten<br />
h 0 (t) ist die Funktion <strong>de</strong>r Ausfallrate (hazard function).<br />
Sie ergibt sich bei <strong>de</strong>r Weibull-Verteilung zu<br />
h0 (t) = p(t) p – 1<br />
mit p Formparameter, <strong>de</strong>r bestimmt, ob h 0 (t) konstant bleibt (p = 1),<br />
steigt (p > 1) o<strong>de</strong>r fällt (p < 1)<br />
Verteilungsparameter <strong>de</strong>s Ereignisses, also Scha<strong>de</strong>nseintritt<br />
zum Zeitpunkt t<br />
zelleitungen angewandt, ohne auf die<br />
vorhan<strong>de</strong>nen Schwächen hinzuweisen.<br />
Die Unzulänglichkeiten einer Scha<strong>de</strong>nsprognose<br />
für Einzelleitungen können<br />
vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, in<strong>de</strong>m die Einzelleitung<br />
einer Leitungsgruppe zugeordnet<br />
wird. Die örtlichen Randbedingungen<br />
sollten in so genannte Risikoklassen eingestuft<br />
wer<strong>de</strong>n, um die Dringlichkeit <strong>von</strong><br />
Rehabilitationsmaßnahmen an bestimmten<br />
Leitungsabschnitten besser<br />
begrün<strong>de</strong>n zu können.<br />
Versorgung<br />
ÜBERLEBENS-<br />
MODELLE:<br />
Proportional<br />
Hazard Mo<strong>de</strong>ll<br />
(PHM)<br />
Bild 6<br />
Fazit<br />
Scha<strong>de</strong>nsanalyse und -prognose sollten<br />
feste Bestandteile innerhalb <strong>de</strong>r Zustandsbewertung<br />
<strong>von</strong> <strong>Leitungsnetzen</strong><br />
bil<strong>de</strong>n, da sie wertvolle Indikatoren für<br />
die Rehabilitationsplanung liefern. Die<br />
vorgestellten statistischen Prognosemo<strong>de</strong>lle<br />
eignen sich gleichermaßen gut bei<br />
Scha<strong>de</strong>nsprognosen für Leitungsgruppen<br />
und das Gesamtnetz. Vorsicht ist jedoch<br />
beim Einsatz für Einzelleitungen<br />
geboten, da die Ergebnisse mit hohen<br />
www.wwt-online.<strong>de</strong><br />
13
DAS THEMA Versorgung<br />
Schä<strong>de</strong>n pro km und Jahr<br />
0,6<br />
0,5<br />
0,4<br />
0,3<br />
0,2<br />
0,1<br />
0<br />
beobachtete Scha<strong>de</strong>nsrate<br />
Regressionskurve<br />
50 %- Vertrauensintervall<br />
20 40 60 80 100<br />
Alter in Jahren<br />
statistischen Unsicherheiten behaftet<br />
sind.<br />
Anzumerken ist außer<strong>de</strong>m, dass die bisher<br />
angewandten Mo<strong>de</strong>lle einen statischen<br />
Zustand <strong>de</strong>s Netzes während <strong>de</strong>r<br />
Prognose betrachten, ohne auf die vielfältigen<br />
dynamischen Verän<strong>de</strong>rungen in<br />
<strong>de</strong>r Netzentwicklung einzugehen (z. B.<br />
Netzerweiterung/-schrumpfung; Umfang,<br />
Art und Effizienz <strong>von</strong> Rehabilita-<br />
tionsmaßnahmen), die großen Einfluss<br />
auf die Kennzahlen <strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>nsentwicklung<br />
bei Leitungsgruppen und im<br />
Gesamtnetz haben /8/.<br />
Trendfunktionen zeichnen sich durch ihre<br />
einfache Handhabung und <strong>de</strong>n relativ<br />
geringen Datenbedarf aus. Mit Überlebensmo<strong>de</strong>llen<br />
können komplexere Analysen<br />
durchgeführt wer<strong>de</strong>n. Diese setzen<br />
jedoch weit reichen<strong>de</strong> statistische<br />
Kenntnisse voraus. Die Qualität <strong>de</strong>r Prognosen<br />
hängt in je<strong>de</strong>m Fall stark <strong>von</strong> <strong>de</strong>r<br />
Menge und Güte <strong>de</strong>r vorhan<strong>de</strong>nen Eingangsdaten<br />
ab.<br />
ALTERSSPEZIFISCHE ENTWICK-<br />
LUNG: Bild 7<br />
Scha<strong>de</strong>nsrate mit Vertrauens-<br />
KONTAKT<br />
intervall Prof. Raimund HERZ<br />
TU Dres<strong>de</strong>n · Lehrstuhl Stadtbauwesen<br />
Nürnberger Straße 31a · 01187 Dres<strong>de</strong>n<br />
Tel.: 0351/4633 2383<br />
E-Mail: herz@rcs.urz.tu-dres<strong>de</strong>n.<strong>de</strong><br />
Dipl.-Ing. Ingo KROPP<br />
Ingenieurbüro BAUR + KROPP · Hohe Straße 46b<br />
01187 Dres<strong>de</strong>n<br />
Tel.: 0351/4277295 · Mobil: 0172/7925453<br />
E-Mail: kropp@baur-kropp.<strong>de</strong> · www.baur-kropp.<strong>de</strong><br />
LITERATUR<br />
/1/ DVGW Merkblatt W395: Scha<strong>de</strong>nstatistik für Wasserrohrnetze,<br />
1998<br />
/2/ DVGW Wasser Information Nr. 67 (2002): DVGW<br />
Scha<strong>de</strong>nsstatistik Wasser, Auswertungen für die<br />
Erhebungsjahre 1997-1999<br />
/3/ Schmidt, D.: Trends, Benchmarks für die Rehabilitation<br />
und <strong>Bewertung</strong> <strong>von</strong> Wasserversorgungssystemen<br />
- dargestellt am Beispiel <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>shauptstadt<br />
Erfurt. Dissertation, TU Dres<strong>de</strong>n, 2004<br />
/4/ Herz, R.: Alterung und Erneuerung <strong>von</strong> Infrastrukturbestän<strong>de</strong>n<br />
– ein Kohortenüberlebensmo<strong>de</strong>ll.<br />
Jahrbuch für Regionalwissenschaft, Jg.14/15,<br />
S. 5-29, 1995<br />
/5/ Michalik, P.: Beitrag zur Ermittlung <strong>de</strong>s ökonomisch<br />
günstigen Rekonstruktionszeitpunktes <strong>von</strong> Wasserversorgungsleitungen<br />
unter Nutzung <strong>de</strong>s Datenbankteils<br />
Wasserversorgungsnetze (DBT WVN).<br />
Dissertation. TU Dres<strong>de</strong>n, 1985<br />
/6/ Shamir, U.; Howard, CH. D. D.: An analytic approach<br />
to scheduling pipe replacement. Journal AWWA, 5,<br />
S.248-258, 1979<br />
/7/ Herz, R. (Hrsg.): Computergestützte Erneuerungsplanung<br />
<strong>von</strong> Wasserversorgungsnetzen. Tagungsband<br />
<strong>de</strong>r internationalen CARE-W Konferenz, Dres<strong>de</strong>n,<br />
2002<br />
/8/ Kropp, I.; <strong>Bau</strong>r, R.: Integrated Failure Forecasting<br />
Mo<strong>de</strong>l for the Strategic Rehabilitation Planning Process.<br />
4th IWA World Water Congress. Marrakech,<br />
Marocco, 2004<br />
14 5/2005