Im vorliegenden Fall ist zunächst zu prüfen, ob ... - RheinAhrCampus
Im vorliegenden Fall ist zunächst zu prüfen, ob ... - RheinAhrCampus
Im vorliegenden Fall ist zunächst zu prüfen, ob ... - RheinAhrCampus
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Alma Adrovic<br />
Andrea Becker<br />
Malaley Hessam<br />
Stefanie Sweers<br />
Arbeitsrecht<br />
Gruppenarbeit<br />
3. Semester<br />
Präsentation: 04.12.2001<br />
Studiengang<br />
Gesundheits- und Sozialwirtschaft<br />
Sportmanagement<br />
Technische Betriebswirtschaft<br />
Wintersemester 2001/2002<br />
Prof. Dr. iur. Haarmeyer<br />
1
Einleitung<br />
Unter Arbeitsrecht versteht man die Gesamtheit der gesetzlichen Regelungen der<br />
Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Das Arbeitsrecht wird<br />
unterschieden in Individual-Arbeitsrecht, das die Rechtsbeziehungen zwischen dem<br />
einzelnen Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber regelt, z.B. Arbeitsvertrag,<br />
Kündigungsschutz oder Arbeitszeitordnung und dem Kollektiv-Arbeitsrecht, welches<br />
unter anderem das Tarifvertrags- und Arbeitskampfrecht umfasst. Individuelles und<br />
kollektives Arbeitsrecht schliessen sich nicht gegenseitig aus, sondern sind auf<br />
vielfältige Art miteinander verknüft.<br />
„Das Arbeitsrecht <strong>ist</strong> kein in sich geschlossenes Rechtsgebiet, vielmehr gehören <strong>zu</strong><br />
ihm eine Vielzahl europarechtlicher, verfassungsrechtlicher, privatrechtlicher, öffentlichrechtlicher<br />
und kollektivrechtlicher Normen. Diese Normen dienen primär einem Ziel:<br />
dem Schutz der Arbeitnehmer im bestehenden Arbeitsverhältnis.“ 1<br />
I. Teil<br />
<strong>Im</strong> <strong>vorliegenden</strong> <strong>Fall</strong> <strong>ist</strong> <strong><strong>zu</strong>nächst</strong> <strong>zu</strong> <strong>prüfen</strong>, <strong>ob</strong> Herr und Frau K Arbeitnehmer oder<br />
Selbständige der Seniorenresidenz sind.<br />
1. Arbeitnehmer<br />
Der Begriff „Arbeitnehmer“ <strong>ist</strong> gesetzlich nicht einheitlich definiert.<br />
„Arbeitnehmer <strong>ist</strong>, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines<br />
anderen <strong>zu</strong>r Arbeit verpflichtet <strong>ist</strong> (BAG 24.3.92, DB 92, 2352).“ 2<br />
„Das Bundesarbeitsgericht bestimmt den Status des Arbeitnehmers primär über das<br />
Merkmal der persönlichen Abhängigkeit. Unter Be<strong>zu</strong>g auf § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB, der<br />
1 Preis, Arbeitsrecht, Praxis-Lehrbuch <strong>zu</strong>m Individualarbeitsrecht, Verlag Dr. Otto Schmidt, Köln 1999,<br />
„Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse“<br />
2<br />
Küttner, Personalbuch 2001, 8. Auflage, Verlag C. Beck, München, Seite 24<br />
2
als allgemeine gesetzliche Wertung bei der Abgren<strong>zu</strong>ng von selbständigem<br />
Dienstvertrag <strong>zu</strong>m abhängigen Arbeitsvertrag <strong>zu</strong> beachten <strong>ist</strong>, sieht das Gericht<br />
persönliche Abhängigkeit dann als gegeben, wenn es in der Vertragsbeziehung ein<br />
Weisungsrecht des Auftraggebers bezüglich Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort<br />
der Tätigkeit gibt. Ein weiteres Merkmal <strong>ist</strong> die Eingliederung in die betriebliche<br />
Organisation. Der Bundesgerichtshof und das Bundesarbeitsgericht lassen in ihre<br />
neueste Rechtsprechung eine wirtschaftliche Sicht der Dinge einfließen; „persönliche“<br />
Abhängigkeit kann danach auch auf „wirtschaftlicher“ Abhängigkeit beruhen.“ 3<br />
Nach herrschender Meinung sind Kriterien für eine persönliche Abhängigkeit z.B. die<br />
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Anwendung tariflicher Bestimmungen und die<br />
Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen durch den Arbeitgeber. 4<br />
Beschäftigung <strong>ist</strong> gem. § 7 Abs. 1 SGB IV , die nichtselbständige Arbeit, insbesondere<br />
in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit<br />
nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des<br />
Weisungsgebers.<br />
2. Selbständige<br />
Selbständig <strong>ist</strong>, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit<br />
bestimmen kann. Es <strong>ist</strong> gem. § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB derjenige, der von den<br />
Weisungen seines Vertragspartners unabhängig <strong>ist</strong>. 5<br />
Indizien hierfür sind nach herrschender Meinung z.B., die Übernahme eines<br />
Arbeitsvolumen für mehr als eine Person, die Zahlung von Gewerbe- und<br />
Umsatzsteuer und die Gewerbeanmeldung i.V.m. einer IHK-Mitgliedschaft. 6<br />
I. Zwischenergebnis:<br />
„Das spezielles Merkmal für einen Arbeitnehmer <strong>ist</strong> die persönliche und fachliche<br />
Weisungsgebundenheit, die Unterwerfung unter das Direktionsrecht des Arbeitgebers<br />
und die zeitliche und örtliche Bindung hinsichtlich der Arbeitsle<strong>ist</strong>ung, die ausgeübte<br />
3<br />
Köhler/Kruse, Scheinselbständigkeit erkennen und vermeiden, C.H. Beck Wirtschaftsverlag, München<br />
2000, Seite 31<br />
4<br />
vgl. Dütz, Arbeitsrecht, 4. Auflage, Verlag C.H. Beck, München 1999, Seite 21<br />
5<br />
vgl. Hohme<strong>ist</strong>er, Grundzüge des Arbeitsrechts, Schäffer-Poeschel, Stuttgart 1998, Seite 14<br />
6 vgl. Dütz, Arbeitsrecht, 4. Auflage, Verlag C.H. Beck, München 1999, Seite 22<br />
3
Arbeitskontrolle und ggf. eine erforderliche Zusammenarbeit mit anderen<br />
Arbeitnehmern.“ 7<br />
Laut Auskunft des Rentnerehepaares wird ihnen täglich die konkrete Arbeit vom Leiter<br />
der Haustechnik <strong>zu</strong>geteilt. Sie erhalten damit genaue Anweisungen der<br />
aus<strong>zu</strong>führenden Arbeiten. Dies sind Indizien für eine Unterwerfung unter das<br />
Direktionsrecht des Arbeitgebers (hier: Leiter der Haustechnik). Weiterhin <strong>ist</strong> der<br />
Arbeitsort (hier: Seniorenresidenz) bestimmt, also die örtliche Bindung <strong>ist</strong> gegeben.<br />
Die Arbeitsstundenzahl wird mit wöchentlich 12 Stunden an mindestens 4 Tagen<br />
beziffert. Somit <strong>ist</strong> auch eine zeitliche Bindung hinsichtlich der Arbeitsle<strong>ist</strong>ung gegeben.<br />
Herr und der Frau K unterliegen dem Direktionsrecht des Leiter der Haustechnik. Ihre<br />
Arbeit kann somit als weisungsgebundene Tätigkeit angesehen werden. Die o.a.<br />
Merkmale treffen auf die Auskünfte des Herr und der Frau K <strong>zu</strong>. Sie sind somit als<br />
Arbeitnehmer an<strong>zu</strong>sehen.<br />
II. Teil<br />
Weiterhin muss geprüft werden, in welchem Arbeitsverhältnis Herr und Frau K stehen.<br />
1. Arbeitsverhältnisse<br />
Unter einem Arbeitsverhältnis versteht man das aufgrund eines rechtswirksamen<br />
Arbeitsvertrages entstehende Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und<br />
Arbeitnehmer.<br />
Der Abschluss des Arbeitsvertrages verlangt aufgrund der Formfreiheit keine<br />
schriftliche Fixierung. Er kann mündlich, schriftlich, ausdrücklich oder durch<br />
konkludentes Verhalten wirksam geschlossen werden. Gem. § 2 NachwG hat der<br />
Arbeitgeber spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des<br />
Arbeitsverhältnisses alle wesentlichen Vertragsbedingungen <strong>zu</strong> unterzeichnen und<br />
dem Arbeitnehmer aus<strong>zu</strong>händigen. Der Arbeitsvertrag <strong>ist</strong> ein Sonderfall des<br />
Dienstvertrages. Dieser <strong>ist</strong> in den §§ 611 ff BGB geregeltund wird auch als<br />
Dauerschuldverhältnis bezeichnet. 8<br />
7 Erd/Kraushaar/Kreuder, Arbeitsrecht kompakt: Von der Bewerbung bis <strong>zu</strong>m Kündigungsschutz, 4.<br />
Auflage, Frankfurt 2000, Seite 31<br />
8 vgl. Berscheid/Kunz/Brand, Praxis des Arbeitsrechts, Verlag für die Rechts- und Anwaltspraxis, 2001,<br />
4
Der Arbeitsvertrag stellt nur einen Teil des Arbeitsverhältnisses dar. Weitere<br />
Regelungen können sich unter anderem aus dem Tarifvertrag oder der<br />
Betriebsvereinbarung ergeben.<br />
Gem. § 2 NachwG hat der Arbeitgeber spätestens einen Monat nach dem vereinbarten<br />
Beginn des Arbeitsverhältnisses alle wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich<br />
nieder<strong>zu</strong>legen,<br />
aus<strong>zu</strong>händigen.<br />
die Niederschrift <strong>zu</strong> unterzeichnen und dem Arbeitnehmer<br />
1.1. Befr<strong>ist</strong>ete Arbeitsverhältnisse<br />
„Die Möglichkeit des Abschlusses befr<strong>ist</strong>eter anstelle unbefr<strong>ist</strong>eter Arbeitsverhältnisse<br />
folgt aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit... . Seit dem 1.1.2001 gilt der neu<br />
eingeführte § 620 Abs. 3 BGB, wonach für Arbeitsverträge, die auf bestimmte Zeit<br />
geschlossen werden, das Gesetz über Teilzeitarbeit und befr<strong>ist</strong>ete Arbeitsverträge<br />
gilt.“ 9<br />
Die Beendigung der befr<strong>ist</strong>eten Arbeitsverhältnisse bedarf keiner Kündigung. Sie<br />
enden, gem. § 620 i.V.m. § 163 bzw. 158 Abs. 2 BGB, allein durch Ablauf der Zeit bzw.<br />
der Zweckerreichung oder durch Bedingungseintritt. 10<br />
1.2. Unbefr<strong>ist</strong>ete Arbeitsverhältnisse<br />
Unter einem Normalarbeitsverhältnis versteht man eine unbefr<strong>ist</strong>ete Ganztagsstelle,<br />
die gem. § 611 BGB in einem Arbeitsvertrag vereinbart wird. Das für unbestimmte Zeit<br />
vereinbarte Vollzeitarbeitsverhältnis ohne besondere Zweckbindung <strong>ist</strong> die Regel.<br />
Es gibt neben dem unbefr<strong>ist</strong>eten Arbeitsverhältnis atypische Arbeitsverhältnisse in den<br />
unterschiedlichsten Variationen, wie z.B. das befr<strong>ist</strong>ete Arbeitsverhältnis und das<br />
Teilarbeitsverhältnis. 11<br />
1.2.1. Teilzeitarbeitsverhältnisse<br />
Gem. § 2 Abs. 2 BeschFG sind die Arbeitnehmer als Teilzeitbeschäftigte an<strong>zu</strong>sehen,<br />
deren regelmässige Wochenarbeitszeit kürzer <strong>ist</strong> als die regelmässige<br />
Wochenarbeitszeit vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer des Betriebes.<br />
Teil 2, Seite 424<br />
9 Küttner, Personalbuch 2001, 8. Auflage, Verlag C. Beck, München, Seite 609<br />
10 vgl. Dütz, Arbeitsrecht, 4. Auflage, Verlag C.H. Beck, München 1999, Seite 56<br />
5
Das Teilzeitarbeitsverhältnis bietet unterschiedliche Formen der Beschäftigung an.<br />
Hierunter zählen die Abrufarbeit, Altersteilzeit, J<strong>ob</strong>-Sharing und die geringfügige<br />
Beschäftigung.<br />
1.2.2. Geringfügige Beschäftigung<br />
Die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse werden unterschieden in kurzfr<strong>ist</strong>ige<br />
oder in geringfügige Beschäftigung.<br />
Eine kurzfr<strong>ist</strong>ige Beschäftigung liegt gem. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV vor, wenn die<br />
Beschäftigung innerhalb eines Jahres seit ihrem Beginn auf längstens zwei Monate<br />
oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt <strong>zu</strong> sein pflegt oder im voraus<br />
vertraglich begrenzt <strong>ist</strong>, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmässig ausgeübt<br />
wird und ihr Entgelt 630 DM (ab 1.1.2002: 325 Euro) im Monat übersteigt.<br />
Gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB IV liegt eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn die<br />
Beschäftigung regelmässig weniger als 15 Stunden in der Woche ausgeübt wird und<br />
das Arbeitsentgelt regelmässig im Monat 630 DM (ab. 1.1.2002: 325 Euro) nicht<br />
übersteigt.<br />
„<strong>Im</strong> Arbeitsrecht hat ein geringfügig Beschäftigter einen absolut vollwertigen<br />
Arbeitsplatz inne. Die geringfügige Beschäftigung wird dem arbeitsrechtlichen Begriff<br />
des Teilzeitarbeitsplatzes <strong>zu</strong>geordnet.“ 12<br />
Das geringfügig entlohnte Beschäftigungsverhältnis wird auch als „630-Mark-J<strong>ob</strong>“<br />
bezeichnet.<br />
II. Zwischenergebnis<br />
Die Vorausset<strong>zu</strong>ngen für ein geringfügig entlohntes Beschäftigungsverhältnis sind<br />
gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB IV gegeben, wenn die Beschäftigung weniger als 15<br />
Stunden in der Woche und das Arbeitsentgelt regelmässig im Monat 630 DM nicht<br />
übersteigt.<br />
Herr und Frau K arbeiten mindestens 4 mal pro Woche 3 Stunden täglich, also 12<br />
Stunden wöchentlich. Dafür erhalten sie jeweils 600 DM pro Monat. Dies entspricht den<br />
beiden Vorausset<strong>zu</strong>ngen für eine geringfügige Beschäftigung.<br />
Herr und Frau K sind als geringfügig Beschäftigte gem. § 8 Abs. 1 SGB IV an<strong>zu</strong>sehen.<br />
11 vgl. Preis, Arbeitsrecht, Praxis-Lehrbuch <strong>zu</strong>m Individualrarbeitsrecht, V. Schmidt, Köln 1999, S. 70<br />
12 Leitner, 630-Mark-J<strong>ob</strong>s in der Praxis, Beck-Wirtschaftsverlag 2000, Seite 11<br />
6
III. Teil<br />
Zu <strong>prüfen</strong> <strong>ist</strong>, <strong>ob</strong> es versicherungs- und steuerfreie „Pauschalverträge für Rentner“<br />
gibt.<br />
1. „630-Mark-J<strong>ob</strong>s“<br />
Durch das Gesetz <strong>zu</strong>r Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse vom<br />
24. März 1999 (Bundesgesetzblatt I Seite 388) <strong>ist</strong> die versicherungsrechtliche<br />
Beurteilung von geringfügigen Beschäftigungen grundlegend geändert worden. Die<br />
Neuregelung gilt seit dem 1.4.1999.<br />
<strong>Im</strong> wesentlichen wurde eine einheitliche Festschreibung der Geringfügigkeitsgrenze<br />
für Ost- und Westdeutschland von 630 DM monatlich eingeführt. Weiterhin wurde die<br />
Zusammenrechnung der versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnise des<br />
Arbeitnehmers verändert. Seit der Neuregelung werden alle versicherungspflichtigen<br />
Beschäftigungsverhältnisse (Haupt- und Nebenbeschäftigung) generell addiert. Kommt<br />
es durch die Addition <strong>zu</strong>r Sozialversicherungspflicht der geringfügigen Beschäftigung<br />
tragen Arbeitgeber und Arbeitnehmer je die Hälfte der anteiligen Beträge, die<br />
ab<strong>zu</strong>führen sind.<br />
Bei Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenzen besteht Versicherungspflicht in der<br />
Kranken-, Pflege – und Rentenversicherung. Für die Arbeitslosenversicherung müssen<br />
gem. § 27 Abs. 2 SGB II keine Beiträge abgeführt werden. 13<br />
Eine geringfügig entlohnte Beschäftigung bleibt sozialversicherungsfrei, wenn die<br />
Arbeitsentgeltgrenze von 7.560 DM (3.865,37 Euro) jährlich oder vergleichsweise die<br />
Grenze von 630 DM (322,11 Euro) monatlich nicht überschritten wird.<br />
„Der Arbeitsentgeltbegriff richtet sich nach der allgemeinen Begriffsbestimmung des §<br />
14 SGB IV.“ 14<br />
„Ziel der Neuregelung <strong>ist</strong>, die Finanzgrundlagen der Sozialversicherung durch<br />
Begründung einer arbeitgeberseitigen Beitragspflicht in der Kranken- und<br />
Rentenversicherung <strong>zu</strong> stärken.“ 15<br />
13<br />
vgl. Berscheid/Kurz/Brand, Praxis des Arbeitsrechts, Verlag für die Rechts- und Anwaltspraxis, 2001,<br />
Teil 2A, Seite 323<br />
14<br />
Leitner, 630-Mark-J<strong>ob</strong>s in der Praxis, C.H. Becke Wirtschaftsverlag, Seite 15<br />
15<br />
Preis, Arbeitsrecht, Praxis-Lehrbuch <strong>zu</strong>m Individualarbeitsrecht, Verlag Schmidt, Köln 1999,<br />
„Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse“<br />
7
Alle geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse muss der Arbeitgeber an die jeweils<br />
<strong>zu</strong>ständige Krankenkasse melden.<br />
<strong>Im</strong> Hinblick auf Option <strong>zu</strong>r Aufstockung des pauschalen Arbeitgeberbeitrag in Höhe von<br />
12 % des Arbeitsentgelts <strong>zu</strong>r Rentenversicherung hat der Arbeitgeber eine<br />
Aufklärungspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer.<br />
1.1. Sozialversicherungsrecht<br />
Das Sozialversicherungsrecht lehnt sich <strong>zu</strong>r Abgren<strong>zu</strong>ng zwischen „geringfügig<br />
entlohntem Beschäftigungsverhältnis“ und der „zeitlich befr<strong>ist</strong>eten Beschäftigung“ an §<br />
8 SGB IV.<br />
Für den Arbeitgeber ergibt sich aus der Sozialversicherungsfreiheit für den<br />
Beschäftigten, die Pflicht, den pauschalen Rentenversicherungsbeitrag von 12 % und<br />
den eventuell pauschalen Krankenversicherungsbeitrag von 10 % <strong>zu</strong> le<strong>ist</strong>en. 16<br />
„Der pauschale Krankenversicherungsbeitrag <strong>ist</strong> nur dann <strong>zu</strong> entrichten, wenn der<br />
Arbeitnehmer in einer gesetzlichen Krankenversicherung Mitglied <strong>ist</strong>. Dabei <strong>ist</strong> die Art<br />
der Mitgliedschaft unerheblich (z.B. freiwillig oder versichert über die<br />
Familienversicherung).“ 17<br />
1.2. Steuerrecht<br />
Die sozialversicherungsrechtliche und die steuerrechtliche Beurteilung der geringfügig<br />
entlohnten Beschäftigungen <strong>ist</strong> generell getrennt vor<strong>zu</strong>nehmen.<br />
Seit April 1999 ergeben sich mit Einführung der pauschalen Arbeitgeberbeiträge <strong>zu</strong>r<br />
Kranken- und Rentenversicherung, drei Möglichkeiten der steuerlichen Behandlung.<br />
Die geringfügige entlohnte Beschäftigung kann gem. § 3 Nr. 39 EStG steuerfrei sein<br />
oder gem. § 40a Abs. 2 EStG pauschal versteuert werden bzw. alternativ gem. § 38 ff<br />
EStG individuell, also nach Lohnsteuerkarte vorgenommen werden. 18<br />
Das Arbeitsentgelt aus einer geringfügigen Beschäftigung i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB<br />
IV <strong>ist</strong> nur dann steuerfrei wenn<br />
- der Arbeitgeber den pauschalen Rentenversicherungsbeitrag in Höhe<br />
von 12% des Arbeitsentgelts le<strong>ist</strong>et,<br />
16 vgl. Berscheid/Kurz/Brand, Praxis des Arbeitsrechts, Verlag für die Rechts- und Anwaltspraxis, 2001,<br />
Teil 2A, Seite 327<br />
17<br />
Leitner, 630-Mark-J<strong>ob</strong>s in der Praxis, Beck Wirtschaftsverlag, 2000, Seite 55<br />
18<br />
vgl. AOK-Unternehmermagazin, Praxis Aktuell, „630-Mark-J<strong>ob</strong>s“, Februar 2001<br />
8
- die Summe der anderen Einkünfte des Arbeitnehmers nicht positiv <strong>ist</strong><br />
und<br />
der Arbeitnehmer eine Fre<strong>ist</strong>ellungsbescheinigung gem. § 39b Abs. 7 EStG des<br />
Finanzamtes beim Arbeitgeber vorlegen kann.<br />
1.2.1. Pauschale Besteuerung<br />
Eine geringfügig entlohnte Beschäftigung <strong>ist</strong> dann steuerpflichtig, wenn keine<br />
Fre<strong>ist</strong>ellungsbescheinigung des Finanzamtes vorgelegt werden kann. Auch dann kann<br />
gem. § 40a Abs. 2 EstG die Lohnsteuer mit einem Pauschalsteuersatz von 20% des<br />
Arbeitslohns besteuert werden, wenn der Arbeitslohn bei monatlicher Lohnzahlung 630<br />
DM, bei kürzeren Lohnzahlungszeiträumen wöchentlich 147 DM nicht übersteigt. Der<br />
auf einen Stundenlohn umgerechtnete Arbeitslohn darf nicht höher als 22 DM sein. 19<br />
2. Renten und Hin<strong>zu</strong>verdienst<br />
Ab 1.06.2001 gibt es neue Grenzwerte für Hin<strong>zu</strong>verdienste bei Rentnern. Während ein<br />
Rentenbezieher, der noch eine Beschäftigung gegen Entgelt ausübt, ab Erreichen des<br />
65. Lebensjahres unbegrenzt hin<strong>zu</strong>verdienen darf, hängt die Höhe des <strong>zu</strong>lässigen<br />
Hin<strong>zu</strong>verdienstes vor dem 65. Lebensjahr von einer Reihe verschiedener Faktoren ab.<br />
Keine Auswirkungen auf die Rente haben weiterhin die „630-Mark-J<strong>ob</strong>s“.<br />
Nach der Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse vom 24. März 99<br />
sind Rentner, die eine Vollrente beziehen, versicherungsfrei und haben keine Option<br />
<strong>zu</strong>r Aufstockung ihrer Rentenbezüge. Bei Rentenbe<strong>zu</strong>g wegen Erwerbsminderung<br />
wurde die Aufstockungsoption neu eingeführt. 20<br />
III. Zwischenergebnis:<br />
Herr und Frau K erhalten für ihre Tätigkeit ein Entgelt in Höhe von 600 DM monatlich<br />
bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 12 Stunden. Dies entspricht den gesetzlichen<br />
Regelungen für eine geringfügige Beschäftigung gem. § 8 Abs. 1 S. 1 SGB IV.<br />
Den Ausdruck „Pauschalverträge für Rentner“ gibt es nicht.<br />
19<br />
vgl. Leitner, 630-Mark-J<strong>ob</strong>s in der Praxis, Beck Wirtschaftsverlag, 2000, Seite 41<br />
20<br />
vgl. Bundesanstalt für Angestellte Berlin, Summa Summarium 3, „Renten und Hin<strong>zu</strong>verdienst“,<br />
März 2001<br />
9
Aufgrund der Neuregelung über Grenzwerte für Hin<strong>zu</strong>verdienste bei Rentnern vom<br />
1.6.2001 haben die „630-Mark-J<strong>ob</strong>s“ keine Auswirkung auf die Rente. <strong>Im</strong> <strong>vorliegenden</strong><br />
<strong>Fall</strong> <strong>ist</strong> vom Arbeitgeber der pauschale Beitrag in Höhe von 12 % für die<br />
Rentenversicherung und ggf. der pauschale Beitrag von 10 % für die<br />
Krankenversicherung ab<strong>zu</strong>führen. Die Beitragsentrichtung für die Krankenversicherung<br />
muss nur dann erfolgen, wenn Herr und Frau K in einer gesetzlichen<br />
Krankenversicherung Mitglieder sind. Die pauschale Lohnsteuer in Höhe von 20 % <strong>ist</strong><br />
ebenfalls vom Arbeitgeber <strong>zu</strong> entrichten.<br />
IV. Teil<br />
<strong>Im</strong> <strong>vorliegenden</strong> <strong>Fall</strong> wendet sich das Rentnerehepaar an den Betriebsrat. Sie<br />
berichten dem Betriebsrat, dass sie seit einem Jahr als „Putzkolonne“ tätig sind und<br />
andere Hilfsdienste im Pflegebereich ausübten. Weiterhin müssten sie im<br />
Krankheitsfall oder „wenn sie einmal wegfahren wollen“ eine Vertretung auf eigene<br />
Kosten organisieren müssen. Zu <strong>prüfen</strong> <strong>ist</strong>, <strong>ob</strong> der Betriebsrat in den vorgenannten<br />
Pr<strong>ob</strong>lemfällen tätig werden kann.<br />
1. Tendenzbetriebe<br />
„Tendenzbetriebe sind nach § 118 Abs. 1 BetrVG Unternehmen und Betriebe, die<br />
unmittelbar und überwiegend politischen (Parteien), koalitionspolitischen (Gewerkschaften),<br />
konfessionellen (Bildungsvereinen), karitativen (z. B. Rotes Kreuz),<br />
erzieherischen, (Privatschulen), wissenschaftlichen (hochschulfreie staatliche<br />
Forschung) oder künstlerischen (Theater, Kabarett, Musikverlage, Orchestervereinigungen)<br />
oder Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäusserung (Presse,<br />
Buch- und Zeitschriftenverlage) dienen.“ 21<br />
Die Vorschrift nimmt solche Unternehmen und Betriebe von der Anwendung des<br />
Gesetzes teilweise aus, die nicht nur erwerbswirtschaftliche Zwecke, sondern auch<br />
durch die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, 4, 5 und 9 Abs. 3 GG besonders geschützte<br />
Ziele verfolgen (Tendenzbetriebe). § 118 Abs. 1 BetrVG gewährle<strong>ist</strong>et den insoweit<br />
gebotenen Schutz der Grundrechtsverwirklichung dadurch, dass dem Betriebsrat<br />
21 Erd/Kraushaar/Kreuder, Arbeitsrecht kompakt: Von der Bewerbung bis <strong>zu</strong>m Kündigungsschutz, 4.<br />
Auflage, Frankfurt 2000, Seite 29<br />
10
Beteiligungsrechte nur insoweit eingeräumt werden, als die Eigenart des<br />
Unternehmens oder Betriebs nicht entgegensteht. Die Vorschrift stellt eine im<br />
Allgemeininteresse getroffene Güterabwägung zwischen dem Sozialstaatsprinzip und<br />
den Freiheitsrechten der Tendenzträger dar (vgl. BVerfG 15.12.99 – 1 BvR 729/92,<br />
NZA 2000, 217). 22<br />
1.1. Tendenzträger<br />
Ein Arbeitnehmer wird als sog. Tendenzträger bezeichnet, wenn er auf die<br />
Tendenzverwirklichung massgeblich und verantwortlich Einfluss nehmen kann.<br />
Tendenzträger sind z.B. Schriftleiter, Ressortleiter, Redakteure mit eigenem<br />
Verantwortungsbereich, Musiker eines Theaterorchester, Lehrer an Schulen... (BAG<br />
22.5.79 AP Nr. 12 <strong>zu</strong> § 118 BtrvG 1972). 23<br />
In der Regel wird darauf ab<strong>zu</strong>stellen sein, <strong>ob</strong> die Arbeitsle<strong>ist</strong>ung typisch für die<br />
Tendenz des Betriebes <strong>ist</strong>.<br />
1.2. „Nicht“ Tendenzträger<br />
„Arbeitnehmer, die bestimmte Tätigkeiten verrichten, wie sie unabhängig von der<br />
Eigenart des Tendenzbetriebes in jedem Betrieb anfallen (z.B. Stenotyp<strong>ist</strong>innen,<br />
Buchhalter, Bürogehilfin, Reg<strong>ist</strong>ratoren, Lagerarbeiter usw.), werden von der Eigenart<br />
des Tendenzbetriebes nicht berührt.<br />
Für personelle Massnahmen ihnen gegenüber kommen daher die Vorschriften des<br />
BetrVG in vollem Umfange <strong>zu</strong>r Anwendung.“ 24<br />
2. Allgemeine Aufgaben des Betriebsrates<br />
In § 80 BetrVG sind die allgemeinen Aufgaben des Betriebsrates geregelt.<br />
„Sofern kein spezielles Beteiligungsrecht besteht, <strong>ist</strong> der Betriebsrat gem. § 80 Abs. 2<br />
BetrVG <strong>zu</strong>r Durchführung aller ihm nach dem BetrVG <strong>ob</strong>liegenden Aufgaben vom<br />
22<br />
vgl. Berscheid/Kunz/Brand, Praxis des Arbeitsrechts, Verlag für die Rechts- und Anwaltspraxis, 2001,<br />
Seite 2072<br />
23<br />
vgl. Fitting/Kaiser/Heither/Engels, Betriebsverfassungsgesetz, 20. Auflage, Verlag Vahlen, München<br />
2000, Seite 1589<br />
24<br />
Fitting/Kaiser/Heither/Engels, Betriebsverfassungsgesetz, 20. Auflage, Verlag Vahlen, München 2000,<br />
Seite 1588<br />
11
Arbeitgeber rechtzeitig und umfassend <strong>zu</strong> unterrichten. Dadurch soll der Betriebsrat in<br />
die Lage versetzt werden, selbst <strong>zu</strong> <strong>prüfen</strong>, <strong>ob</strong> sich für ihn weitere Aufgaben ergeben,<br />
die sein Tätigwerden erfordern (BAG DB 1989, 982).“ 25<br />
<strong>Im</strong> Regelfall besteht eine strukturelle Unterlegenheit des Arbeitnehmers gegenüber<br />
dem Arbeitgeber, denn letzterer kann in aller Regel allein die Vertragsbestimmungen<br />
stellen, den Arbeitsablauf organisieren, die Arbeitsumgebung einrichten und die<br />
einzelne Tätigkeit dem Arbeitnehmer <strong>zu</strong>weisen.<br />
Vor diesem Hintergrund versteht es das Arbeitsrecht als seine zentrale Aufgabe, den<br />
Arbeitnehmern vor einem Mißbrauch der Machtstellung des Arbeitgebers <strong>zu</strong><br />
schützen. 26<br />
2.1. Betriebsrat in Tendenzbetrieben<br />
„In Tendenzbetrieben <strong>ist</strong> das Mitbestimmungsrecht gem. § 118 Abs. 1 BetrVG<br />
eingeschränkt. Trotz § 118 Abs. 1 BetrVG steht dem Betriebsrat in einem<br />
Tendenzbetrieb das Anhörungsrecht aus § 102 Abs. 1 BetrVG uneingeschränkt <strong>zu</strong>.“ 27<br />
Keine Anwendung finden die übrigen Vorschriften des BetrVG in Tendenzbetrieben,<br />
soweit die Eigenart des Unternehmens oder Betriebs entgegensteht, also bei allen<br />
Massnahmen die tendenzbedingt erfolgen.<br />
„Die Tendenzschutzschrift des § 118 BetrVG schützt die verfassungsrechtlich<br />
gewährle<strong>ist</strong>ete Freiheit des Arbeitgebers <strong>zu</strong> unbeeinflusster Tendenzbestimmung und<br />
–verwirklichung. Diese Freiheit soll vor einer Beeinträchtigung durch<br />
Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates abgeschirmt werden, (BAG AP § 118 BetrVG<br />
Nr. 49 = DB 1992, 1143).“ 28<br />
3. Direktionsrecht/Weisungsrecht<br />
Der Arbeitnehmer verpflichtet sich gem. § 611 BGB <strong>zu</strong>r Le<strong>ist</strong>ung der versprochenen<br />
Dienste, der Arbeitgeber <strong>zu</strong>r Zahlung der vereinbarten Vergütung.<br />
25<br />
Brox/Rüthers, Arbeitsrecht, 14. Auflage, Verlag Kohlhammer, Stuttgart 1999, Seite 269<br />
26<br />
vgl. Preis, Arbeitsrecht, Praxis-Lehrbuch <strong>zu</strong>m Individualarbeitsrecht, Verlag Schmidt, Köln 1999,<br />
„Begriff und Bedeutung, Schutzfunktion des Arbeitsrechts“<br />
27<br />
Preis, Arbeitsrecht, Praxis-Lehrbuch <strong>zu</strong>m Individualarbeitsrecht, Verlag Schmidt, Köln 1999,<br />
„Besonderheiten in Tendenzbetrieben“<br />
28<br />
Dütz, Arbeitsrecht, 4. Auflage, Verlag C.H. Beck, München 1999, Seite 306<br />
12
Hinweise auf die geschuldete Tätigkeit in Art und Umfang können sich aus dem<br />
Berufsbild und der tariflichen Eingruppierung ergeben. Ebenso können Dienstanweisungen<br />
und Organisationspläne <strong>zu</strong>r Auslegung herangezogen werden.<br />
<strong>Im</strong> wesentlichen beruht die Arbeitspflicht auf dem Weisungs- und Direktionsrechtes des<br />
Arbeitgebers.<br />
Aufgrund des Weisungsrechts kann der Arbeitgeber einseitig die im Arbeitsvertrag nur<br />
rahmenmässig umschriebene Le<strong>ist</strong>ungspflicht des Arbeitnehmers nach Zeit, Ort und<br />
Art der Le<strong>ist</strong>ung näher bestimmen. Die erteilten Weisungen müssen sich im Rahmen<br />
von Recht und Billigkeit § 315 BGB und Treu und Glauben § 242 BGB halten.<br />
Grenzen findet das Weisungsrecht in den Vorschriften der Gesetze, des Kollektiv- und<br />
des Einzelarbeitsvertragsrechts. 29<br />
„ Dem Arbeitnehmer kann auch ein Wechsel in der Art der Beschäftigung auferlegt<br />
werden, insbesondere kann über das Weisungsrecht auch der Arbeitsbereich<br />
verkleinert werden (BAG 27.3.1980 AP Nr. 26 <strong>zu</strong> § 611 BGB Direktionsrecht; BAG<br />
23.6.1993 AP Nr. 42 <strong>zu</strong> § 611 BGB Direktionsrecht)... Desweiteren hat der Arbeitgeber<br />
keine Befugnis, dem Arbeitnehmer eine geringerwertige Tätigkeit <strong>zu</strong><strong>zu</strong>weisen.... Zu<br />
beachten <strong>ist</strong>, dass der Arbeitnehmer allerdings in Notfällen <strong>zu</strong> Arbeiten herangezogen<br />
werden kann, die eigentlich vom allgemeinen Weisungsrecht nicht mehr gedeckt sind<br />
(sog. Notarbeiten)... .“ 30<br />
Die Weisungs- und Direktionsrechte des Arbeitgebers werden dann eingeschränkt,<br />
wenn der Tätigkeitsbereich konkret, d.h. detailliert im Arbeitsvertrag festgeschrieben<br />
worden <strong>ist</strong>.<br />
„Die zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat getroffenen Vereinbarungen führt<br />
grundsätzlich der Arbeitgeber durch (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Dies gilt für alle<br />
Vereinbarungen zwischen Betriebspartnern, gleichgültig, <strong>ob</strong> es sich um<br />
Betriebsvereinbarungen oder um sonstige Vereinbarungen handelt. ...Die betriebliche<br />
Organisations- und Le<strong>ist</strong>ungsmacht liegt allein beim Arbeitgeber. Deshalb trägt auch er<br />
allein die Verantwortung für die <strong>zu</strong> treffenden Maßnahmen. ... Die Beteiligungsrechte<br />
29<br />
Erd/Kraushaar/Kreuder, Arbeitsrecht kompakt: Von der Bewerbung bis <strong>zu</strong>m Kündigungsschutz, 4.<br />
Auflage, Verlag Vahlen, München 2000, Seite 47<br />
30<br />
Preis, Arbeitsrecht, Praxis-Lehrbuch <strong>zu</strong>m Individualarbeitsrecht, Verlag Schmidt, Köln 1999,<br />
„Direktionsrecht“<br />
13
des Betriebsrates begründen nur das Recht an der Willensbildung des Arbeitgebers<br />
teil<strong>zu</strong>nehmen, gewähren jedoch keinerlei Exekutivebefugnisse.“ 31<br />
4. Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz<br />
Gem. § 2 Abs. 1 BeschFG und § 4 Abs. 1 TzBfG besteht das Verbot der<br />
unterschiedlichen Behandlung.<br />
„Der Arbeitgeber darf bei Massnahmen einzelne Arbeitnehmer nicht gegenüber<br />
vergleichbaren Arbeitnehmern ohne sachlichen Grund schlechter behandeln. Dies<br />
ergibt sich aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, <strong>ist</strong> also aus § 242 BGB<br />
abgeleitet.“ 32<br />
Gem. § 75 Abs. 1 BetrVG haben Arbeitgeber und Betriebsrat darüber <strong>zu</strong> wachen, dass<br />
alle im Betrieb tätigen Personen, gem. § 315 BGB nach den Grundsätzen von Recht<br />
und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede unterschiedliche Behandlung<br />
von Personen laut Artikel 3 GG unterbleibt.<br />
5. Verbot der Sittenwidrigkeit<br />
„Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung<br />
oder einer Massnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in <strong>zu</strong>lässiger Weise<br />
seine Rechte ausübt. Sowohl das allgemeine Verbot der Sittenwidrigkeit aus § 138<br />
BGB als auch der in § 612a BGB geregelte Sonderfall der Sittenwidrigkeit (sog.<br />
Massregelungsverbot) setzen den Vertragsparteien Grenzen bei der Gestaltung des<br />
Arbeitsvertrages.“ 33<br />
Kriterien für einen Sittenverstoss können sich z.B. ergeben, wenn ein auffälliges<br />
Missverhältnis zwischen Le<strong>ist</strong>ung und Gegenle<strong>ist</strong>ung oder ein Ausnutzen einer<br />
Zwangslage des Arbeitnehmers aus Unerfahrenheit oder Mangels an Urteilsvermögen<br />
besteht.<br />
31<br />
Fitting/Kaiser/Heither/Engels, Betriebsverfassungsgesetz, 20. Auflage, Verlag Vahlen, München 2000,<br />
Seite 976<br />
32<br />
Then/Haarpaintner, Arbeitsrecht, 2. Auflage, Boorberg Verlag, Stuttgart 2001, Seite 39<br />
33<br />
Preis, Arbeitsrecht, Praxis-Lehrbuch <strong>zu</strong>m Individualarbeitsrecht, Verlag Schmidt, Köln 1999, „Verbot<br />
der Sittenwidrigkeit“<br />
14
IV. Zwischenergebnis<br />
In dem <strong>vorliegenden</strong> <strong>Fall</strong> handelt es sich um einen Wohlfahrtsverband, der als sog.<br />
Tendenzbetrieb eine Seniorenresidenz betreibt. Herr und Frau K sind dort als<br />
Reinigungskräfte beschäftigt. Die ausgeführten Arbeiten von Herr und Frau K können<br />
nicht als tendenzbedingt angesehen werden, da sie unabhängig von der Eigenart eines<br />
Tendenzbetriebes anfallen.<br />
Daraus folgt, dass Herr und Frau K keine Tendenzträger sind. Aus diesem Grunde<br />
entfallen auch die Einschränkungen der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates, da<br />
es sich um einen wertneutralen Arbeitsablauf eines Betriebes handelt (BAG 13.2.90 AP<br />
Nr. 45 <strong>zu</strong> § 118 BetrVG 1972).<br />
Frau und Herr K üben <strong>zu</strong>sätzlich neben ihren eigentlichen Putztätigkeiten „manchmal“<br />
und „auch schon mal“ andere Hilfsdienste, wie Kaffee verteilen, Gartenarbeiten und<br />
Fuhrdienste, aus. Aufgrund des Direktions- und Weisungsrechtes <strong>ist</strong> der Arbeitgeber<br />
da<strong>zu</strong> berechtigt, dem Rentnerehepaar auch andere Hilfsdienste <strong>zu</strong><strong>zu</strong>weisen, da Frau<br />
und Herr K ihren bisherigen Tätigkeitsbereich behalten und diese anderen Hilfsdienste<br />
nur in Ausnahmefällen („manchmal“ und „auch schon mal“) ausführen. Die Grenzen<br />
des Direktions- und Weisungsrechts finden hier Berücksichtigung, da es sich bei dieser<br />
anderen Hilfstätigkeit nicht um eine „geringerwertige“ Tätigkeit handelt. Die Weisung<br />
dieser Tätigkeit verstösst nicht gegen § 315 Abs. 3 BGB, sie <strong>ist</strong> nicht un<strong>zu</strong>mutbar.<br />
Der Betriebsrat hat in diesem <strong>Fall</strong> keine Rechte tätig <strong>zu</strong> werden.<br />
Einen Verstoss gegen das Verbot der Sittenwidrigkeit gem. § 138 Abs. 2 BGB sowie<br />
gegen den „arbeitsrechtlichen Geleichbehandlungsgrundsatz“ gem. § 2 Abs. 1<br />
BeschFG und § 4 TzBfG stellt jedoch die Bedingung „auf eigene Kosten eine Urlaubsbzw.<br />
Krankheitsvertretung“ besorgen <strong>zu</strong> müssen dar. Der Gesetzgeber regelt in § 1<br />
BUrlG, dass jeder Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlten Urlaub hat. Somit kann eine<br />
Regelung, wie im <strong>vorliegenden</strong> <strong>Fall</strong> dargestellt, auf keiner gesetzlichen Grundlage<br />
beruhen. Das gleiche gilt für die Vertretung im Krankheitsfall, da der Gesetzgeber im<br />
Krankheitsfall Lohnfortzahlung gem. § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz vorgibt. Der<br />
Betriebsrat kann aufgrund des Verstosses gegen § 315 BGB, 138 BGB und den<br />
„arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz“ seine Rechte in vollem Umfang<br />
geltend machen.<br />
V. Teil<br />
Zu <strong>prüfen</strong> <strong>ist</strong>, <strong>ob</strong> Herr und Frau K Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub haben.<br />
15
1. Urlaubsanspruch<br />
„Gem. § 1 BUrlG hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr einen gesetzlichen<br />
Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Der Erholungsurlaub bedeutet völlige<br />
Fre<strong>ist</strong>ellung des Arbeitnehmers von allen Pflichten der Arbeitsle<strong>ist</strong>ung unter<br />
Fortzahlung der Vergütung.“ 34<br />
„Geringfügig Beschäftigte haben einen Anspruch auf Zahlung des Tariflohnes (BAG<br />
18.6.1991 AP Nr. 15 <strong>zu</strong> § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung): Sie haben einen Anspruch<br />
auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall (BAG 9.10.1991 AP Nr. 95 <strong>zu</strong> § 1 LohnFG).<br />
...Geringfügig Beschäftigte haben Ansprüche auf Samstags- und Sonntags<strong>zu</strong>schläge,<br />
auf vermögenswirksame Le<strong>ist</strong>ungen und auf Abgeltung von Tarifurlaub (BAG<br />
19.6.1991 5 AZR 310/90 n.v.), auf Zeit<strong>zu</strong>schläge für Feiertags- und Nachtarbeit (ArbG<br />
Marburg 2.9.1994 BB 1995, 1853), auf Gratifikationen wie Weihnachts- oder<br />
Jubiläumsgeld (LAAG Hessen 14.3.1995 LAGE § 611 BGB Gratifikation Nr. 24), auf<br />
eine entsprechende Dauer des Erholungsurlaubs, Arbeitsbefreiung und Schicht<strong>zu</strong>lage<br />
(BAG 28.3.1996 AP Nr. 49 <strong>zu</strong> § 2 BeschFG 1985).“ 35<br />
Nach herrschender Meinung <strong>ist</strong> es unerheblich für den Arbeitnehmerbegriff im<br />
Urlaubsrecht, <strong>ob</strong> die Tätigkeit haupt- oder nebenberuflich ausgeübt wird und welche<br />
Dauer die Beschäftigung hat. Auch Personen können einen Urlaubsanspruch<br />
erwerben, die nur kurzfr<strong>ist</strong>ig oder nur nebenher oder nur Bruchteile von Tagen eine<br />
Tätigkeit ausüben. Insbesondere können auch Arbeitnehmer, die nur stunden- oder<br />
tageweise beschäftigt sind, hierunter fallen (BAG 25.1.1989 AP Nr. 2 <strong>zu</strong> § 3 BeschFG<br />
1985). 36<br />
Dieser Rechtsanspruch auf Urlaub wurde in zweifacher Hinsicht begründet.<br />
1.1. Anspruch aus Fürsorgepflicht<br />
Der Anspruch auf Urlaub lässt sich einmal aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers<br />
ableiten. Nach § 618 BGB hat der Arbeitgeber dafür <strong>zu</strong> sorgen, dass der Arbeitnehmer<br />
gegen Gefahr für Leib und Gesundheit geschützt <strong>ist</strong>. Da<strong>zu</strong> gehört auch, dass er jeden<br />
34<br />
Dersch, Neumann, Bundesurlaubsgesetz, 8. Auflage, C.H. Beck Verlag, München 1997, §1, Rd.Nr. 34<br />
35<br />
Preis, Arbeitsrecht, Praxis-Lehrbuch <strong>zu</strong>m Individualrecht, Verlag Schmidt, Köln 1999, „Geringfügige<br />
Beschäftigungsverhältnisse“<br />
36<br />
vgl. Dersch/ Neumann, Bundesurlaubsgesetz, 8. Auflage, C.H. Beck Verlag, München 1997, § 2, Seite<br />
94, Rd.-Nr. 44<br />
16
Arbeitnehmer einmal im Jahr unter Fortzahlung der Vergütung eine bestimmte Zeit<br />
ausspannen lassen muss. 37<br />
1.2. Anspruch aus Gewohnheitsrecht<br />
Aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers hat sich inzwischen ein Gewohnheitsrecht<br />
auf Urlaub herausgebildet.<br />
2. Berechnung des Urlaubs<br />
Gem. § 3 Abs 1 BurlG beträgt der Urlaub jährlich mindestens 24 Werktage.<br />
Als Werktage gelten gem. § 3 Abs. 2 BUrlG alle Kalendertage, die nicht Sonn- oder<br />
gesetzliche Feiertage sind.<br />
Für Teilzeitbeschäftigte, die nicht an allen Wochentagen arbeiten, <strong>ist</strong> die Be<strong>zu</strong>gsgröße<br />
des Urlaubsanspruchs der Arbeitstag und nicht die tatsächlich gele<strong>ist</strong>ete Arbeitszeit in<br />
Stunden. 38<br />
V. Zwischenergebnis:<br />
Gem. § 2 Abs 1 BeschFG handelt es sich bei Herr und Frau K um teilzeitbeschäftigte<br />
Arbeitnehmer, die wegen der Teilzeitarbeit gegenüber vollzeitbeschäftigten<br />
Arbeitnehmern aufgrund des „arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes“ nicht<br />
anders behandelt werden dürfen, es sei denn, dass sachliche Gründe eine<br />
unterschiedliche Behandlung rechtfertigen.<br />
Herr und Frau K haben Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub gem. § 1 BurlG sowie<br />
dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gem. § 3 Abs. 1 BeschFG.<br />
Subsumtion:<br />
Herr und Frau K sind als Arbeitnehmer an<strong>zu</strong>sehen, da ihre Tätigkeit als Unterwerfung<br />
unter das Direktionsrecht angesehen werden muss. Ihr Arbeitsverhältnis entspricht<br />
37<br />
vgl. Dersch,/Neumann, Bundesurlaubsgesetz, 8. Auflage, C.H. Beck Verlag, München 1997, § 1, Seite<br />
44, Rd.-Nr. 2<br />
38<br />
Erd/Kraushaar/Kreuder, Arbeitsrecht kompakt: Von der Bewerbung bis <strong>zu</strong>m Kündigungsschutz, 4.<br />
Auflage, Frankfurt 2000, Seite 61<br />
17
gem. § 8 Abs, 1 Satz 1 SGB IV den geringfügig Beschäftigten; den sogenannten „630-<br />
Mark-J<strong>ob</strong>s“. Aufgrund der neuen Regelung über „Renten und Hin<strong>zu</strong>verdienste“ sind für<br />
Herr und Frau K pauschale Beiträge für die Renten- und ggf. (sofern Mitglieder in einer<br />
gesetzlichen Krankenversicherung) für die Krankenversicherung vom Arbeitgeber<br />
ab<strong>zu</strong>führen. Die Lohnsteuer <strong>ist</strong> somit auch vom Arbeitgeber pauschal mit 20 % <strong>zu</strong><br />
le<strong>ist</strong>en .<br />
Herr und Frau K sind nicht als Tendenzträger an<strong>zu</strong>sehen, da ihre Tätigkeit unabhängig<br />
von der Tendenz des Betriebes gele<strong>ist</strong>et wird, also wertneutral <strong>ist</strong>. Somit kann der<br />
Betriebsrat seine Rechte in vollem Umfange wahrnehmen.<br />
Aufgrund des Direktionsrechtes des Arbeitgebers können die „anderen“ Hilfstätigkeiten<br />
ausgeführt werden, weil diese nach § 315 BGB der „Billigkeit“ entsprechen.<br />
Der Betriebsrat hat hier keine Möglichkeit ein<strong>zu</strong>greifen.<br />
Als Arbeitnehmer „auf eigene Kosten eine Urlaubs- und Krankheitsvertretung <strong>zu</strong><br />
besorgen“ verstösst gegen das Verbot der Sittenwidrigkeit gem. § 138 Abs. 2 BGB,<br />
gegen § 315 BGB sowie gegen den „arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz“<br />
gem. § 2 Abs. 1 BeschFG und § 4 TzBfG. Eine Vereinbarung, die gegen § 138 BGB<br />
verstösst, <strong>ist</strong> als nichtig <strong>zu</strong> erklären. Weiterhin kann auch § 1 BUrlG im Umkehrschluss<br />
Anwendung finden. So wäre es paradox, wenn der Gesetzgeber „bezahlten“ Urlaub<br />
vorgibt und der Arbeitnehmer dann auf eigene Kosten für eine Vertretung <strong>zu</strong> sorgen<br />
hat. Das gleiche gilt für die Vertretung im Krankheitsfall. Auch hier gibt der<br />
Gesetzgeber gem. § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz vor, im Krankheitsfall die Zahlung des<br />
Lohnes fort<strong>zu</strong>führen. Somit können Herr und Frau K nicht verpflichtet werden, im <strong>Fall</strong>e<br />
von Krankheit oder Urlaub, für Vertretung „auf eigene Kosten“ <strong>zu</strong> sorgen. Der<br />
Betriebsrat wird in diesem <strong>Fall</strong>e gem. § 75 Abs. 1 BetrVG seine Rechte nach § 80<br />
BetrVG wahrnehmen.<br />
Herr und Frau K haben gem. § 1 BUrlG, wie alle anderen Arbeitnehmer auch,<br />
Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub.<br />
18