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Evolutionäre Genetik (8) Die Evolution geschlechtlicher

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<strong><strong>Evolution</strong>äre</strong> <strong>Genetik</strong> (8)<br />

<strong>Die</strong> <strong>Evolution</strong> <strong>geschlechtlicher</strong><br />

Fortpflanzung (und ihre Konsequenzen)<br />

SS 2009<br />

Gerhard Schöfl<br />

Max‐Planck Institut für chemische Ökologie, Abt. Entomologie<br />

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<strong>Die</strong> <strong>Evolution</strong> <strong>geschlechtlicher</strong> Fortpflanzung und<br />

ihre Konsequenzen<br />

Themen:<br />

1) <strong>Die</strong> <strong>Evolution</strong> <strong>geschlechtlicher</strong><br />

Vermehrung<br />

2) <strong>Die</strong> <strong>Evolution</strong> von Anisogamie<br />

3) ‘Sex allocation theory’ – Theorie des<br />

Geschlechtsverhältnisses<br />

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6/22/2009<br />

1


Geschlechtliche Fortpflanzung<br />

Was bedeutet geschlechtliche Fortpflanzung?<br />

1) ) Produktion haploider p Gameten durch Meiose<br />

(Reduktionsteilung)<br />

2) Fusion dieser Gameten um den ursprünglichen<br />

diploiden Zustand herzustellen (Syngamie)<br />

Graham Bell (1982). “Sex is the queen of<br />

problems in evolutionary biology biology. Perhaps no<br />

other natural phenomenon has aroused so<br />

much interest; certainly none has sowed as<br />

much confusion”<br />

<strong>Die</strong> Konsequenzen von Sex: unabhängige<br />

Segregation der Allele<br />

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Diploid, ungeschlechtlich Diploid, geschlechtlich<br />

aa<br />

Mutation<br />

aa<br />

aA<br />

aA<br />

aA<br />

aA<br />

AA<br />

viel Zeit<br />

Mutation<br />

aa<br />

×<br />

aa<br />

aa<br />

×<br />

aA<br />

×<br />

aA<br />

aa<br />

aa<br />

Mutation<br />

Segregation erzeugt und zerstört günstige Allelkombinationen innerhalb von Genorten:<br />

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aa<br />

AAa<br />

Aa<br />

AA<br />

• In einer diploiden sexuellen Population kann eine günstige Mutation leicht homozygot werden;<br />

in einem diploiden asexuellen Organismus müssen beide Kopien das Allels in derselben Linie<br />

mutieren.<br />

• Asexuelle Fortpflanzung bewahrt einen gnstigen heterozygoten Genotyp während in einer<br />

sexuellen Population 50% der Nachkommen homozygot sein werden.<br />

6/22/2009<br />

2


<strong>Die</strong> Konsequenzen von Sex: Rekombination<br />

Rekombination ermöglicht die (teilweise) unabhängige Vererbung von<br />

Allelen an unterschiedlichen Genorten<br />

AB<br />

× AaBb<br />

ab<br />

AB<br />

Ab<br />

aB<br />

aa<br />

<strong>Die</strong> Kosten von Sex<br />

Rekombination erzeugt und zerstört<br />

günstige Allelkombinationen<br />

zwischen Genorten<br />

Lewis (1987). The cost of sex. In: S.C. Stearns (ed.)<br />

The <strong>Evolution</strong> of Sex and its Consequences<br />

1) Rekombination: zerstört vorteilhafte<br />

Genkombinationen.<br />

2) Zellulär‐mechanische Kosten: Meiose und<br />

Syngamie dauern länger als Mitose.<br />

3) Befruchtungskosten:a) Risiko der Verpaarung<br />

(Räuber, Krankheiten, Veschwendung von Gameten); b)<br />

Minimale Populationsdichte für Reproduktion<br />

(Kosten durch Partnersuche).<br />

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6/22/2009<br />

3


<strong>Die</strong> Kosten von Sex<br />

Lewis (1987). The cost of sex. In: S.C. Stearns (ed.)<br />

The <strong>Evolution</strong> of Sex and its Consequences<br />

Kosten durch Anisogamie<br />

4) “Genomverdünnung”: das anisogame sexuelle<br />

Weibchen stellt alle Reserven für die Zygote (in Form der<br />

Eizelle) zur Verfügung, der durch das Männchen<br />

beigesteuerte genetische Beitrag ‘verdünnt’ ihre Gene in<br />

Relation zu dem von ihr bereitgestellten Zytoplasma. Im<br />

Vergleich dazu verbreiten asexuelle Weibchen doppelt so viel<br />

ihresGenomspro Eizelle.<br />

5) Sexuelle Selektion: a) Kosten durch Konkurrenz; b)<br />

Kosten der zweifachen phänotypischen<br />

Spezialisierung<br />

‘The paradox of Sex’<br />

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Annahmen (Maynard‐Smith 1978):<br />

1. Der Reproduktionsmodus hat keinen Einfluß auf die Zahl der Nach‐<br />

kommen die ein Weibchen produzieren kann<br />

2. Der Reproduktionsmodus hat keinen Einfluß auf die Überlebenswahr‐<br />

scheinlichkeit h i li hk it dder NNachkommen hk<br />

‘The cost of males’ – Der Luxus sich Männchen zu leisten<br />

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4


‘The paradox of Sex’<br />

Parthenogenetische Formen sollten sexuelle Formen aus<br />

dem Feld schlagen.<br />

ABER<br />

Sexuelle Vermehrung ist wesentlich häufiger als asexuelle.<br />

ALSO<br />

Eine oder beide von Maynard Maynard‐Smiths Smiths Annahmen ist<br />

wahrscheinlich falsch! (vermutlich die Zweite)<br />

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<strong>Die</strong> Vorteile von Sex: Vermeiden von Müller’s<br />

ratchet<br />

A) Bei einem Mutations‐Selektions‐<br />

gleichgewicht mit U/s = 0.1/0.02 = 5<br />

schädlichen Mutationen pro Genom sind in<br />

einer i PPopulation l ti von 1000 asexuellen ll Kl Klonen<br />

1000 e ‐U/s = 6.7 Individuen mutationsfrei.<br />

B) <strong>Die</strong>se Klone gehen irgendwann durch Drift<br />

verloren. Ohne Rekombination oder<br />

Rückmutation können sie nicht wieder‐<br />

gewonnen werden.<br />

C) <strong>Die</strong> gesamte Verteilung wandert eine Zacke<br />

auf der Müller‐Ratsche nach rechts und der<br />

Prozeß beginnt von Neuem.<br />

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5


<strong>Die</strong> Vorteile von Sex: Selektion gegen schädliche<br />

Mutationen<br />

Mutation Selektion<br />

Asexuelle Linien akkumulieren schädliche Mutationen auch durch<br />

Hintergrundsselektion: In asexuellen Linien ziehen günstige Mutationen den<br />

gesamten genetischen Hintergrund, auf dem sie zuerst aufgetreten sind, mit<br />

sich.<br />

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<strong>Die</strong> Vorteile von Sex: Selektion gegen schädliche<br />

Mutationen<br />

Rekombination<br />

Selektion<br />

In sexuellen Populationen kann Rekombination die günstigen Mutationen<br />

von ihrem genetischen Hintergrund befreien.<br />

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6/22/2009<br />

6


<strong>Die</strong> Vorteile von Sex: Beschleunigte <strong>Evolution</strong>; die<br />

Fisher‐Müller Hypothese<br />

Zeit<br />

A) In asexuellen Linen müssen<br />

günstige Mutationen<br />

sequentiell auftreten.<br />

B) In sexuellen Linen bringt<br />

Rekombination günstige<br />

Mutationen zusammen, auch<br />

wenn sie in verschiedenen<br />

Individuen auftreten.<br />

Sex kann es Populationen ermöglichen sich an eine dynamische Umwelt<br />

anzpassen, indem er ständig neue Genkombinationen erzeugt<br />

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<strong>Die</strong> Vorteile von Sex: Anpassung an heterogene<br />

Umwelt; die ‘Tangled‐Bank‐Hypothese’<br />

It is interesting to contemplate a tangled bank,<br />

clothed with many [plants and animals], and to<br />

reflect that these elaborately constructed<br />

forms, so different from each other, and<br />

dependent upon each other in so complex a<br />

manner [...] [ ]Darwin Darwin “Origin Origin of Species” Species<br />

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<strong>Die</strong> Vorteile von Sex: Anpassung an heterogene<br />

Umwelt; die ‘Tangled‐Bank‐Hypothese’<br />

o Räumliche Heterogenität der Umwelt<br />

fördert die Aufrechterhaltung von Sex.<br />

o Ein Genotyp hat günstige Eigenschaften für<br />

ein Habitat aber schlechte für ein anderes<br />

o Dann kann es vorteilhaft sein die Genotypen<br />

der dispergierenden Nachkommen<br />

aufzubrechen<br />

o Sexuelle Populationen könnten eine größere<br />

Anzahl von Mikrohabitaten nutzen als<br />

parthenogenetische Klone<br />

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<strong>Die</strong> Vorteile von Sex: Beschleunigte Koevolution;<br />

die ‘Red‐Queen‐Hypothese’<br />

Red‐Queen‐Hypothese: jede Popula‐<br />

tion muß sich ständig weiterentwickeln<br />

weil ihre Ressourcen, Konkurrenten,<br />

Raubfeinde und Parasiten es auch tun.<br />

Leigh Van Valen (1973): "A New <strong>Evolution</strong>ary<br />

Law", <strong>Evolution</strong>ary Theory, p. 1‐30.<br />

o Zeitliche Heterogenität der Umwelt (Unterschiede der Selektionsbedingungen von<br />

Generation zu Generation) fördert die Aufrechterhaltung von Sex Sex.<br />

o Im evolutionären Wettlauf Parasit‐Wirt sind die Parasiten schneller (größere Populationen,<br />

kürzere Generationszeit)<br />

o Resistenz gegenüber Parasiten hängt oft von bestimmten Genkombinationen ab<br />

o Sexuelle Populationen sind im Vorteil weil Rekombination neue und diverse Gen‐<br />

kombinationen schafft die Parasiten gegenüber resistent sein können<br />

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6/22/2009<br />

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<strong>Die</strong> Vorteile von Sex: Empirische Evidenz für die<br />

‘Red‐Queen‐Hypothese’<br />

Studie an der Teichschnecke Potamopyrgus antipodarum in 66<br />

Seen in Neuseeland<br />

<strong>Die</strong> Schnecke ist Wirt für ein Dutzend parasitischer Egel<br />

(Trematoda)<br />

<strong>Die</strong> Egel zerstören die Gonaden der Schnecke und führen<br />

dadurch zu Kastration<br />

Starker Selektionsdruck für Resistenz<br />

<strong>Die</strong> meisten Populationen beherbergen zwei Typen an<br />

Weibchen – Parthenogenetische und Sexuelle.<br />

Test ob sexuelle Weibchen in stärker parasitierten<br />

Populationen häufiger sind als parthenogentische Weibchen<br />

Quelle: Lively 1992, <strong>Evolution</strong> 46:907‐913<br />

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<strong>Die</strong> Vorteile von Sex: Empirische Evidenz für die<br />

‘Red‐Queen‐Hypothese’<br />

Nur die sexuellen Weibchen produzieren männliche Nachkommen. Der Anteil der<br />

Männchen in einer Population ist daher ein Maß für die Häufigkeit sexueller gegenüber<br />

asexueller Formen. In Seen mit höherem Durchseuchungsgrad sind Männchen, d.h.<br />

sexuelle Weibchen, häufiger.<br />

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<strong>Die</strong> phylogenetische Verteilung von Sex<br />

Phylogenie sexueller (S1‐S14;<br />

schwarz) und asexueller (A1‐A14;<br />

orange) Daphnia pulex Linien; <strong>Die</strong><br />

sexuellen Linien sind phylogenetisch<br />

älter!<br />

<strong>Die</strong> meisten (multizellulären) partheno‐<br />

genetischen Organismen sind evolutionär jung<br />

Alte Asexuelle (‘ancient asexual scandals’):<br />

Ostracoden der Gattung<br />

Darwinulidae (> 200 Mill.<br />

Jahre)<br />

Quelle: S. Paland et al., Science 311, 990‐992 (2006)<br />

<strong>Die</strong> ökologische Verteilung von Sex:<br />

Geographische Parthenogenese<br />

Geographische Parthenogenese (La parthénogénèse géographique,<br />

Vandel 1928): Parthenogenetische Formen tendieren dazu andere<br />

Habitate zu besiedeln als nahe sexuell reproduzierende Verwandte.<br />

Asexuelle Formen tendieren zu<br />

marginaleren Habitaten in<br />

extremeren Umwelten (kälter,<br />

trockener, höher, isoliert, gestört)<br />

– Habitate mit niedrigeren Populationsdichten, niedrigerer<br />

Parasitenprävalenz, geringerer ökologischer Diversität<br />

(‘reduced incidence and diversity of biotic interactions’)<br />

– Scheint kompatibel mit ‘Tangled‐bank’ und/oder ‘Red‐Queen’<br />

–Alternativ: Schwierig Sexualpartner zu finden (Populations‐<br />

dichte); besser angepaßt (bewahren lokal adaptierte Gen‐<br />

kombinationen).<br />

Rädertierchen der Klasse<br />

Bdelloidea (> 35 Mill. Mill Jahre)<br />

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6/22/2009<br />

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Zusammenfassung 1. Teil (<strong>Evolution</strong> von Sex)<br />

Das Vorherrschen <strong>geschlechtlicher</strong> Fortpflanzung bedarf aufgrund der damit<br />

verbundenen Kosten einer evolutionären Erklärung<br />

Es gibt wahrscheinlich keine simple Antwort: sowohl Müller’s ratchet, die<br />

‘Tangled‐Bank’ und die ‘Red‐Queen’‐Hypothese sind theoretisch gut fundiert und<br />

genießen eine gewisse Unterstützung durch empirische Befunde und Indizien<br />

Kurzfristige und langfristige Vorteile von Sex:<br />

Nur ‘Red‐Queen’ und ‘Tangled‐Bank’ Effekte dürften unmittelbare<br />

evolutionäre Vorteile nach sich ziehen.<br />

Mutationsbasierte Prozesse wirken erst nach einiger Zeit<br />

(M (Mutationsakkumulation i kk l i bbrauchtseine h i Zi) Zeit).<br />

Asexuelle Linien könnten anfänglich durchaus erfolgreich sein. Das spätere<br />

Versagen ist ihnen allerdings schon vorherbestimmt (siehe phylogenetische<br />

Evidenz).<br />

Tatsächlich gelöst ist das Paradoxon der Sexualität nicht!<br />

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<strong>Die</strong> <strong>Evolution</strong> von Anisogamie<br />

Oder: Warum gibt’s Manderln und Weiberln<br />

Isogamie: Beide Gameten sind von gleicher Größe.<br />

Sehr wahrscheinlich die anzestrale Situation Situation. Findet<br />

man bei einigen Ziliaten, Algen und Pilzen. Oft gibt<br />

es zwei (oder mehr) Paarungstypen (+/‐; A/a) die<br />

sich physiologisch unterscheiden, und nur<br />

unterschiedliche Typen können eine Zygote bilden.<br />

Anisogamie: Es gibt kleinen, mobilen Gameten und<br />

große immobilen Gameten. Wir nennen Individuen<br />

die große, unbewegliche Gameten bilden<br />

“Weibchen” und Individuen die kleine, bewegliche<br />

Gameten ausbilden “Männchen”<br />

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6/22/2009<br />

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<strong>Die</strong> <strong>Evolution</strong> von Anisogamie<br />

Ei Eizelle ll<br />

Spermienzelle<br />

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<strong>Die</strong> <strong>Evolution</strong> von Anisogamie<br />

Durch Arbeitsteilung von Gameten unterschiedlicher Größe<br />

Kleine Gameten: in großer<br />

Zahl billig zu produzieren.<br />

Mittelgroße Gamete: Zu groß<br />

um viele zu produzieren, zu<br />

klein um Embryogenese ohne<br />

zusätzliches Zytoplasma zu<br />

gestatten. g<br />

Große Gameten: teuer zu<br />

produzieren aber genügend<br />

Zytoplama für Embryogenese.<br />

Größenverteilung<br />

vor Selektion<br />

Größe der Gameten<br />

Größenverteilung<br />

Trade‐off zw.<br />

g<br />

zwei Selektionsdrücken:<br />

nach Selektion a) ) GGametengröße öß (Üb (Überlebensfähigkeit)<br />

l b fähi k i )<br />

b) Gametenzahl (Fruchtbarkeit)<br />

Proto‐<br />

männchen<br />

Proto‐<br />

weibchen<br />

Bei sexueller Vermehrung kommt es zu disruptiver<br />

Selektion<br />

Größe der Gameten<br />

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<strong>Die</strong> <strong>Evolution</strong> von Anisogamie<br />

Durch Arbeitsteilung von Gameten unterschiedlicher Größe<br />

<strong>Die</strong> genaue Relation zw. Größenverteilung<br />

vor Selektion<br />

GGametengrößeund öß d Über‐ Üb<br />

lebensfähigkeit hat großen<br />

Einfluß auf die Dynamik<br />

des Selektionsprozesses<br />

Letztendlich ist aber<br />

Anisogamie die einzige<br />

evolutionär stabile<br />

Strategie<br />

Größenverteilung g<br />

nach Selektion<br />

Größe der Gameten<br />

Proto‐<br />

männchen<br />

Proto‐<br />

weibchen<br />

Größe der Gameten<br />

Sex allocation theory<br />

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Oder: Warum gibt’s meist gleich viele Manderln und Weiberln<br />

‘Sex allocation’ – geschlechtsbezogene Ressourcenaufteilung; Verteilung<br />

parentaler Ressourcen auf weibliche und männliche Nachkommen<br />

‘Sex ratio’ – Geschlechtsverhältnis; Anzahl weiblicher und männlicher<br />

Nachkommen<br />

Das Geschlechtsverhältnis ist in der Natur oft – aber nicht immer –<br />

ausbalanciert.<br />

Aufgrund des Geschlechtsbestimmungsmechanismus’?<br />

―die di unabhängige bhä i SSegregation ti von GGeschlechtschromosomen hl ht h solltezu llt<br />

einem ausgewogenen Geschlechtsverhältnis führen.<br />

aber<br />

―Geschlechtsbestimmungsmechanismen sind divers. Arten mit<br />

nichtchromosomalem GBM können ein ausgewogenes GV haben; Arten mit<br />

chromosomalem GBM können ein stark verschobenes GV haben<br />

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6/22/2009<br />

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Sex allocation theory<br />

Oder: Warum gibt’s meist gleich viele Manderln und Weiberln<br />

‘Sex allocation’ – geschlechtsbezogene Ressourcenaufteilung; Verteilung<br />

parentaler Ressourcen auf weibliche und männliche Nachkommen<br />

‘Sex ratio’ – Geschlechtsverhältnis; Anzahl weiblicher und männlicher<br />

Nachkommen<br />

Das Geschlechtsverhältnis ist in der Natur oft – aber nicht immer –<br />

ausbalanciert.<br />

Aufgrund natürlicher Selektion?<br />

R. A. Fisher: ‘…the sex ratio will so adjust<br />

itself, under the influence of natural<br />

selection, that the total parental<br />

expenditure incurred in respect f<br />

children of each sex, shall be equal…’<br />

The Genetical Theory of Natural Selection (1930)<br />

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Fisher‐Prinzip des Geschlechtsverhältnisses<br />

(einfacher Fall)<br />

Der einfache Fall gilt wenn 5 Annahmen<br />

zutreffen<br />

1. Männliche und weibliche<br />

Nachkommen sind gleich ‚teuer‘<br />

2. <strong>Die</strong> relative Fitneß männlicher zu<br />

weiblicher Nachkommen variiert nicht<br />

zwischen Familien<br />

3. <strong>Die</strong> Population ist groß und<br />

panmiktisch<br />

4. <strong>Die</strong> Eltern bestimmen das<br />

Geschlechtsverhältnis ihrer<br />

Nachkommen<br />

5. Autosomale elterliche Gene<br />

bestimmen das Geschlechtsverhältnis<br />

ihrer Nachkommen<br />

Population im Ungleichgewicht<br />

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Eltern<br />

Kinder<br />

Enkel<br />

6/22/2009<br />

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Fisher‐Prinzip des Geschlechtsverhältnisses<br />

(einfacher Fall)<br />

Eltern<br />

Kinder<br />

Enkel<br />

Population im Ungleichgewicht Population im Gleichgewicht<br />

o Jedes Individuum hat einen Vater und einen Mutter.<br />

o Daher trägt jedes Geschlecht die Hälfte der Gene zur nächsten Generation bei.<br />

o Ein Sohn hat im Schnitt eine höhere Fitneß als eine Tochter, weil er seltener ist.<br />

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Fisher‐Prinzip des Geschlechtsverhältnisses<br />

(bei unterschiedlichen Produktionskosten für die beiden Geschlechter)<br />

‘…the sex ratio will so adjust itself,<br />

under the influence of natural<br />

selection, that the total parental<br />

expenditure incurred in respect f<br />

children of each sex, shall be equal…’<br />

R.A. Fisher: The Genetical Theory of Natural<br />

Selection (1930)<br />

Bei unterschiedlichen Kosten für<br />

Männchen und Weibchen sollte<br />

die Gesamt‐Elterninvestition in die<br />

beiden Geschlechter ausgeglichen<br />

sein (nicht das Geschlechts‐<br />

verhältnis)<br />

Investition in alle<br />

Weibchen der<br />

Population<br />

Population im Gleichgewicht<br />

Enkel<br />

Eltern<br />

Kinder<br />

Investition in alle<br />

Männchen der<br />

Population<br />

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6/22/2009<br />

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Fisher‐Prinzip des Geschlechtsverhältnisses<br />

<strong>Die</strong> Produktionskosten eines Weibchens seien c‐mal die Produktionskosten eines<br />

Männchens.<br />

F sei der Anteil der populationsweit in Weibchen investierten Ressourcen<br />

(1–F) sei der Anteil der populationsweit in Männchen investierten Ressourcen<br />

Dann ist F/c = Anteil der Weibchen; (1–F) = Anteil der Männchen<br />

Im Schnitt ist die Fitneß jedes Geschlechts invers proportional zu seiner Häufigkeit in<br />

der Population (c/F für Weibchen, 1/(1–F) für Männchen)<br />

W i sei die Fitneß eines Phänotyps i, der einen Anteil f i seiner Ressourcen in Töchter,<br />

und einen Anteil (1–f i) seiner Ressourcen in Söhne investiert.<br />

Der Phänotyp i produziert einen Anteil von f i/c Töchter mit der Fitness c/F, und (1–f i)<br />

Söhne mit der Fitness 1/(1–F).<br />

<strong>Die</strong> Shaw‐Mohler Gleichung<br />

↔<br />

6<br />

2 3 4 5<br />

Fitness [Wi]<br />

0 1<br />

F = 0.8<br />

F = 0.6<br />

F = 0.5<br />

F = 0.4<br />

F = 0.2<br />

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0<br />

fi<br />

Shaw und Mohler 1953<br />

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Fitneß eines Phänotypen i, der einen<br />

Anteil fi seiner Ressourcen in Töchter<br />

investiert als eine Funktion von F, der<br />

durchschnittlichen populationsweiten<br />

Investition in Töchter<br />

o Wenn die populationsweite<br />

Ressourcenallokation zu einem<br />

Geschlecht verschoben ist (F ≠<br />

0.5), sind individuelle Strategien<br />

die dem selteneren Geschlecht<br />

mehr Ressourcen zukommen<br />

lassen im Vorteil<br />

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6/22/2009<br />

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<strong>Die</strong> Shaw‐Mohler Gleichung<br />

↔<br />

6<br />

2 3 4 5<br />

Fitness [Wi]<br />

0 1<br />

F = 0.8<br />

F = 0.6<br />

F = 0.5<br />

F = 0.4<br />

F = 0.2<br />

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0<br />

fi<br />

Fitneß eines Phänotypen i, der einen<br />

Anteil fi seiner Ressourcen in Töchter<br />

investiert als eine Funktion von F, der<br />

durchschnittlichen populationsweiten<br />

Investition in Töchter<br />

o Eine ausgeglichene<br />

populationsweite Ressourcen‐<br />

allokation (F = 0.5) ist eine<br />

evolutionär stabile Strategie<br />

(ESS)<br />

Vorhersagen von Fishers Theorie des<br />

Geschlechterverhältnisses<br />

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1. Geschlechtsallokation ist nicht durch geschlechtsverzerrte<br />

Sterblichkeit nach Ende der Elterninvestitionen beeinflußt<br />

• Für die Eltern werden die durch die höhere Sterblichkeit eines<br />

Geschlechts verursachten Kosten durch die höhere Fitness des dann<br />

selteneren Geschlechts aufgewogen.<br />

2. Geschlechtsallokation ist unempfindlich gegenüber Unterschieden<br />

im Paarungssystem (zB Mono‐, Polygamie, Polyandrie, Promiskuität)<br />

• zB auch wenn in einer polygamen Art Männchen 5 Weibchen in einem<br />

Harem monopolisieren sollte das Geschlechtsverhältnis bei der Geburt<br />

1:1 sein. Nur 1 von 5 Männchen hat zwar eine Chance sich<br />

fortzupflanzen, aber die die es schaffen haben einen 5 mal höheren<br />

Fortpfalnzungserfolg als die Töchter<br />

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6/22/2009<br />

17


Allgemeine Theorie der Geschlechterverteilung<br />

Fishers Prinzip baut auf der Annahme linearer Fitnessgewinne auf<br />

―wenn ein Elter seine Investition in ein Geschlecht erhöht, wird die Zahl der<br />

durch dieses Geschlecht weitergegebenen Genkopien proportional steigen<br />

Fitnessgewinne sind nicht immer linear.<br />

Und<br />

Geschlechtsabhängige Beziehung zw. Elterninvestition und Elternfitness<br />

―die Fitnessgewinnfunktion kann für Söhne und Töchter unterschiedlich<br />

geformt sein<br />

Fitnessgewinn<br />

Söhne<br />

Elterninvestition<br />

Töchter<br />

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Allgemeine Theorie der Geschlechterverteilung<br />

Verallgemeinerung ― die Geschlechtsallokation einer Population ist im<br />

Equilibrium bei gleichen Fitnessgrenzwerte (‘equal marginal values’)<br />

für Männchen und Weibchen<br />

Der Fitnessgrenzwert eines Männchens oder Weibchens ist der<br />

Fitnessgewinn der durch eine kleine zusätzlich Investition in das<br />

jeweilige Geschlecht lukriert wird.<br />

― Wenn Geschechtsallokation im Gleichgewicht ist, wird der<br />

Fitnessgewinn der durch die Investition einer Ressourceneinheit in<br />

ein Geschlecht lukriert wird, durch den Fitnessverlust kompensiert,<br />

der dadurch entsteht, daß diese Ressourceneinheit nicht in das<br />

andere Geschlecht investiert wurde.<br />

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6/22/2009<br />

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Bedingungsabhängige Geschlechtsallokation<br />

Eltern i<br />

Familie 1<br />

Produktionskosten<br />

Weibchen<br />

Kinder i<br />

Familie 2<br />

Familie i<br />

Familie n<br />

Produktionskosten<br />

Männchen<br />

Fitness der Töchter i Fitness der Söhne i<br />

Enkel i<br />

E N D E<br />

Fitnessgewinn für ein<br />

Weibchen in Familie i<br />

Fitnessgewinn für ein<br />

Männchen in Familie i<br />

<strong>Die</strong> Geschlechtsallokation wird zw.<br />

Familien variieren, wenn die<br />

erwarteten Fitnessgewinne für die<br />

Produktion von Töchtern oder Söhnen<br />

zw. den Familien variieren<br />

Jede Familie sollte in Nachkommen<br />

des Geschlechts mit dem höchsten<br />

relativen Fitnessgewinn investieren<br />

(abhängig von Produktionskosten und<br />

der populationsweiten Geschlechts‐<br />

allokation)<br />

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6/22/2009<br />

19

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