Neues Arrestrecht im Nicht-LugÜ-Bereich
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Jürg Roth<br />
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cie" geprüft. Eine solche Lesart stünde zwar in einem kritischen Verhältnis<br />
zu Art. 271 Abs. 3SchKG, der gemäss seinem Wortlaut einen selbständigen<br />
Entscheid über die Vollstreckbarkeit verlangt ("entscheidet";<br />
etwas weniger deutlich: "statue" und "pronuncia") –und dies gemäss<br />
Botschaft sogar dann, wenn kein entsprechendes Rechtsbegehren gestellt<br />
wird. 37 Weil dadurch jedoch von der (sonst auch das Vollstreckungsrecht<br />
beherrschenden) Dispositionsmax<strong>im</strong>e abgewichen 38 wird und weil Ausnahmen<br />
einem allgemeinen Auslegungsgrundsatz folgend restriktiv zu<br />
handhaben sind, lässt es sich m.E. vertreten, Art.271 Abs. 3SchKG <strong>im</strong><br />
Sinne einer teleologischen Reduktion nur auf Arrestgesuche gemäss<br />
Art. 47 Abs.2 <strong>LugÜ</strong> anzuwenden. Dies wäre konsequent, weil nur<br />
Art. 47 Abs. 2 <strong>LugÜ</strong> ebenfalls von einer selbständigen Vollstreckbarerklärung<br />
ausgeht, und stünde <strong>im</strong>Übrigen <strong>im</strong>Einklang mit der Botschaft,<br />
welche die neue Ziffer 6nur auf den zweiten Absatz von Art. 47<strong>LugÜ</strong><br />
zurückführt:<br />
"Daher wird ineiner neuen Ziffer 6von Artikel 271 Absatz 1SchKG<br />
das Vorliegen eines definitiven Rechtsöffnungstitels als Arrestgrund<br />
aufgenommen. Mit dieser Anpassung wird einerseits Artikel 47 Absatz<br />
2 rev<strong>LugÜ</strong> Rechnung getragen und andererseits Klarheit geschaffen<br />
bezüglich des Sicherungsmittels des schweizerischen Rechts<br />
und der dafürnötigen Voraussetzungen." 39<br />
Für einstweilige Massnahmen gemäss Art. 47 Abs. 1 <strong>LugÜ</strong> enthält das<br />
<strong>LugÜ</strong> dagegen keine Vorschriften, sondern behält sogar ausdrücklich das<br />
jeweilige Landesrecht desVollstreckungsstaats vor.<br />
Bei dieser Lesart würde Art.47Abs. 1<strong>LugÜ</strong> dem Arrestgläubiger eines<br />
<strong>LugÜ</strong>-Entscheids die Möglichkeit eröffnen, ein Arrestbegehren zu stellen<br />
und dieses <strong>im</strong> Falle einer Ablehnung verbessert neu einzureichen,<br />
ohne dass der Schuldner vom abgewiesenen Gesuch Kenntnis erlangt.<br />
Dies <strong>im</strong> Unterschied zur Situation, wie sie sich präsentiert, wenn ein auf<br />
Art. 47Abs.2<strong>LugÜ</strong> gestütztes Arrestgesuch abgewiesen wird: Hier erfährt<br />
der Schuldner in jedemFall bereits vomersten Versuch. Dies istdie<br />
unausweichliche Konsequenz des von Art. 271 Abs. 3SchKG vorgeschriebenen<br />
selbständigen und materielle Rechtskraft erzeugenden Exequaturentscheids,<br />
der gemäss dieser Best<strong>im</strong>mung mit einem Arrestentscheid<br />
einherzugehen hat. Für die vorgeschlagene Lesart spricht weiter,<br />
dass damit mit Bezug auf <strong>LugÜ</strong>-Urteile gegen Schuldner ohne Wohnsitz<br />
in der Schweiz nur das ermöglicht wird, was unter Berufung auf Art.271<br />
37 Vgl. Fn.21und diedortigen Ausführungen.<br />
38 Gemäss MEIER-DIETERLE, Arrestgrund, N. 17, handelt es sich nicht um eine Verletzung,<br />
sondern um eine vom <strong>LugÜ</strong> als (Vorrang beanspruchendes) Staatsvertragsrecht erzwungene<br />
Durchbrechung derDispositionsmax<strong>im</strong>e.<br />
39 Botschaftrev<strong>LugÜ</strong>,1821. Hervorhebung hinzugefügt.<br />
©Stämpfli Verlag AG Bern