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Rathenau erzählen Betrachtungen zum 90. Todestag

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erstehen wird“. 34 Und noch bevor dieser alles verheerende Brand erst ausgetreten<br />

war, sah <strong>Rathenau</strong> schon die apokalyptische Vision eines neuerlichen,<br />

schrecklicheren Waffenganges heraufziehen: „Ich sage euch aber: Der kommende<br />

Friede wird ein kurzer Waffenstillstand sein, und die Zahl der kommenden Kriege<br />

unabsehbar, die besten Nationen werden hinsinken, und die Welt wird verelenden,<br />

sofern nicht schon dieser Friedensschluß den Willen besiegelt zur Verwirklichung<br />

dieser Gedanken.“ 35 Wie ein Vorgriff auf die heutige Vernetzung der<br />

Volkswirtschaften im Zeichen der Globalisierung nach dem Ende der ost-westlichen<br />

Bipolarität mutet an, was <strong>Rathenau</strong> in denselben Monaten, als der deutsche<br />

Generalstab durch eine letzte Verzweiflungsoffensive den Sieg des deutschen<br />

Heeres doch noch zu erzwingen suchte, auf die Agenda einer künftigen globalen<br />

Politik im Zeichen der postnationalen Verständigung setzte. In ihr nahm er die vielen<br />

bitteren Lehren schon souverän vorweg, die seiner Nachwelt in den folgenden<br />

dreißig Jahren erst noch bevorstehen sollten: „Ein Völkerbund ist recht und gut,<br />

Abrüstung und Schiedsgerichte sind möglich und verständig: doch alles bleibt<br />

wirkungslos, sofern nicht als erstes ein Wirtschaftsbund, eine Gemeinwirtschaft der<br />

Erde geschaffen wird.“ 36<br />

Marie von Bunsen überlieferte zehn Jahre nach <strong>Rathenau</strong>s Tod eine weitere seiner<br />

Kassandrarufe, die er im Dezember 1918 nach dem Zusammenbruch des<br />

geschlagenen Reiches gemacht hatte. Sie tat es skeptisch und mit dem Bemerken,<br />

dass „<strong>Rathenau</strong>s fürchterliche Prophezeiungen nach dem Umsturz ihm (...)<br />

geschadet hätten. (...) Er interessierte stets und hinterließ tiefen Eindruck. Doch hat<br />

er keineswegs immer überzeugt.“ Doch wie hätte sie <strong>Rathenau</strong>s historische Rolle als<br />

sträflich verlachter Mahner anerkennen müssen, wenn sie ein weiteres Jahrzehnt<br />

später durch die zerstörte Reichshauptstadt gewandert wäre und sich <strong>Rathenau</strong>s<br />

düsterer Vorahnung aus dem Herbst 1918 entsonnen hätte: „‘Verkennen Sie das<br />

Kommende nicht, mit Berlin nimmt es ein baldiges Ende. In nicht allzu langer Zeit<br />

wird Gras in den verödeten Straßen wachsen.‘ [...] ‚Machen Sie sich auf<br />

Deutschlands vollständigen Ruin gefaßt, auf einen Untergang, wie in zweitausend<br />

34<br />

Walther <strong>Rathenau</strong>, An Deutschlands Jugend, in: Ders., Schriften aus Kriegs- und Nachkriegszeit,<br />

Berlin 1929, S. 95-214, hier S. 164 und S. 100.<br />

35 Ebd., S. 174.<br />

36 Ebd., S. 174 f.<br />

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