24.06.2013 Aufrufe

Rathenau erzählen Betrachtungen zum 90. Todestag

Rathenau erzählen Betrachtungen zum 90. Todestag

Rathenau erzählen Betrachtungen zum 90. Todestag

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

eindrucksvolle Missdeutungen an die Seite stellen kann 41 , konzipiert ihren<br />

Untersuchungsgegenstand Walther <strong>Rathenau</strong> heute bevorzugt als exemplarischen<br />

Lernort, als historischen Spiegel und Schlüssel <strong>zum</strong> Verständnis eines<br />

Epochenumbruchs, der mit der Hochmoderne auch die Gewaltgeschichte des 20.<br />

Jahrhunderts freisetzte: „Zugleich aber ist er nicht minder typisch und exemplarisch<br />

für die deutsche Gesellschaft auf dem Sprung in die Moderne“, heißt es etwa in der<br />

schon zitierten Arbeit über <strong>Rathenau</strong> als Phänotyp der Moderne. 42<br />

Aber damit, meine Damen und Herren, sind wir bereits in der Mitte unseres<br />

Symposiums angelangt, dessen Ergebnisse ich nicht vorwegnehmen kann und will.<br />

Meines Amtes war bloß, Sie auf einzelne Erzählstränge und Denkrahmen<br />

aufmerksam zu machen, in denen die Mitwelt wie die Nachwelt die Jahrhundertfigur<br />

Walther <strong>Rathenau</strong> zu verstehen versucht haben, der als tragisch Zerrissener, als<br />

heroischer Märtyrer und als historischer Lernort im doppelten Sinne Geschichte<br />

geschrieben hat.<br />

41<br />

So genau <strong>Rathenau</strong> die Katastrophe der Kriegsniederlage vorwegnahm, so abwegig wirken seine<br />

<strong>Betrachtungen</strong> zur Zukunft des, wie er es nannte, Mechanisierungszeitalters, wie ein Beispiel<br />

demonstrieren möge: „Durch die Mechanisierung des Lebens hat der Mann die Gefährtin aus der<br />

schützenden Hausstatt gerissen, in Welt und Wirtschaft getrieben, ihr den Schlüssel entwunden und<br />

den Geldbeutel in die Hand gedrückt; er hat ihr die Wahl gelassen zwischen Rechnerei, Koketterie,<br />

äußerer Arbeit und vereinsamtem Leben. Nicht der Haustyrann, der Egoist und Fronherr hat die<br />

schlimmste Sünde begangen, sondern der Müßiggänger und Verweibte, der sie <strong>zum</strong> flachen Spiel,<br />

<strong>zum</strong> Sachenglück, zur Vergnügungsgier verführte, den haltlosen Mädchensinn, der in jedem Weibe<br />

schlummert, erweckte und <strong>zum</strong> Dirnensinn verkehrte, um die Seele zu töten. Er trägt die Schuld, daß<br />

negerhafte Urgelüste, durch Jahrtausende gebändigt, im Frauenleben unserer Zeit emporgestiegen<br />

sind, deren Schande und Not die Enkel entsetzen wird.“ Walther <strong>Rathenau</strong>, Von kommenden Dingen,<br />

Berlin 1917, S. 186.<br />

42<br />

Delabar/Heimböckel, Der Phänotyp der Moderne, S. 8.<br />

16

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!