Seid fruchtbar und mehret euch ...
Seid Fruchtbar und mehret euch... .
Seid Fruchtbar und mehret euch... .
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Manchmal wurden Formulierungen des Konsenses<br />
gewählt, die von beiden Seiten unterschiedlich verstanden<br />
werden können, also keine echte Übereinstimmung<br />
darstellen. Die Gr<strong>und</strong>differenz betrifft vor allem<br />
die Frage, inwieweit die Menschen am Prozess der<br />
Rechtfertigung mit beteiligt sind. Bleiben sie völlig<br />
passiv oder werden sie durch Gottes Gnade befähigt<br />
<strong>und</strong> herausgefordert, auch bei Gottes Handeln mitzuwirken?<br />
Hier sind deutliche Unterschiede geblieben, wobei<br />
die methodistische Position in dieser Frage interessanterweise<br />
oft eigene Wege geht <strong>und</strong> eine gewisse Mittelstellung<br />
einnimmt. Gr<strong>und</strong>legende Einigkeit aber besteht<br />
darin, dass Rechtfertigung allein durch Gottes<br />
Gnade möglich wird <strong>und</strong> Menschen nur im Glauben<br />
erfassen <strong>und</strong> erfahren können, dass Gott in Christus Ja<br />
zu ihnen sagt <strong>und</strong> sie in seine Gemeinschaft aufnimmt.<br />
Damit ist gleichwohl ein klarer Konsens erreicht.<br />
irritierende Furcht<br />
Doch eine Befürchtung der Kritiker irritiert nun auch<br />
viele der Befürworter. Es ist die merkwürdige »Folgenlosigkeit«<br />
der GER. Wenigstens eine gegenseitige Einladung<br />
zum Tisch des Herrn sollte doch möglich sein,<br />
wenn man sich in der Rechtfertigung einig ist! Aber<br />
hier hat sich nichts bewegt. Allerdings sollten gerade<br />
lutherische Kritiker mit allzu harten Vorwürfen vorsichtig<br />
sein. Man war sich mit den Reformierten immer<br />
in der Rechtfertigungslehre einig, <strong>und</strong> doch kam<br />
es erst 1973 (!) durch die Leuenberger Konkordie zur<br />
offiziellen Abendmahlsgemeinschaft zwischen beiden<br />
reformatorischen Lagern! Dennoch bleibt die Situation<br />
unbefriedigend.<br />
Dass mit der GER noch nicht alle Aufgaben erledigt<br />
waren, wurde schon in der »Gemeinsamen Offiziellen<br />
Feststellung« ausgesprochen. Die Partner verpflichteten<br />
sich, »das Studium der biblischen Gr<strong>und</strong>lagen der<br />
Lehre von der Rechtfertigung fortzuführen <strong>und</strong> zu vertiefen«<br />
<strong>und</strong> gemeinsam daran zu arbeiten, »die Rechtfertigungslehre<br />
in einer für den Menschen unserer Zeit<br />
relevanten Sprache auszulegen«.<br />
Die mangelhafte gesamtbiblische F<strong>und</strong>ierung der<br />
GER war schon von ihren Kritikern bemängelt worden.<br />
Zunächst blieb diese Selbstverpflichtung unerledigt.<br />
Erst neun Jahre später trat eine ökumenische, international<br />
besetzte Expertenkommission zusammen,<br />
die 2011 eine Studie zu den biblischen Gr<strong>und</strong>lagen der<br />
Rechtfertigungslehre vorlegte.<br />
BuchtiPP<br />
walter klaiber (hg): Biblische gr<strong>und</strong>lagen der Rechtfertigungslehre.<br />
Eine ökumenische Studie zur gemeinsamen Erklärung zur<br />
Rechtfertigungslehre, Evangelische Verlagsanstalt, leipzig 2012,<br />
19,90 Euro. ISBN 978-3-374-03083-5<br />
unterwegs 11/2013 ::: 2. Juni 2013<br />
theologie :::<br />
Eine Bibel – unterschiedliche traditionen<br />
Hier wird nicht nachträglich das fehlende biblische<br />
F<strong>und</strong>ament für die GER gelegt. Es wird zunächst gezeigt,<br />
wie <strong>und</strong> warum sich die verschiedenen Traditionen<br />
so unterschiedlich auf die Heilige Schrift berufen<br />
konnten. Dann aber wird gemeinsam entfaltet, was die<br />
ganze Bibel über Gerechtigkeit <strong>und</strong> Rechtfertigung<br />
sagt.<br />
Dabei zeigt sich, dass schon im Alten Testament die<br />
entscheidenden Weichen für die neutestamentliche<br />
Rechtfertigungsbotschaft gestellt sind. Das alttestamentliche<br />
Zeugnis hat aber ein eigenes Profil im Blick<br />
auf die Bedeutung von Rechtfertigung <strong>und</strong> Gerechtigkeit<br />
für das soziale <strong>und</strong> gesellschaftliche Leben.<br />
Im Neuen Testament wird nicht nur die heutige<br />
Sicht der Rechtfertigungslehre des Paulus diskutiert,<br />
sondern auch die Botschaft Jesu <strong>und</strong> die Theologie des<br />
Matthäus <strong>und</strong> Jakobus in eine <strong>fruchtbar</strong>e Beziehung<br />
zur paulinischen Auffassung gesetzt. Hier werden alte<br />
Klischees überw<strong>und</strong>en. Am Schluss wird ein Fazit im<br />
Blick auf die GER gezogen. Gr<strong>und</strong>sätzlich ist der dort<br />
gef<strong>und</strong>ene Konsens biblisch begründet. Wird das aber<br />
ernst genommen, dann ist ein noch sehr viel intensiveres<br />
Miteinander der Kirchen im Blick auf den missionarischen<br />
Auftrag, die gelebte Gemeinschaft <strong>und</strong> die<br />
Begegnung mit heutigen Menschen gefordert.<br />
»rechtfertigung ohne religion wird rechthaberei«<br />
Leider gibt es für die Übersetzung der Rechtfertigungsbotschaft<br />
in eine für Menschen unserer Zeit relevante<br />
Sprache noch keine wegweisende Studie. Hilfestellung<br />
haben die Kirchen durch den Schriftsteller Martin<br />
Walser bekommen, der in einem Vortrag vor der Harvard<br />
Universität das Thema Rechtfertigung aufgegriffen<br />
hat. Er beginnt den Vortrag mit der Feststellung:<br />
»Gerechtfertigt zu sein, war einmal das Wichtigste.«<br />
Er macht deutlich, dass das nicht mehr so ist, zeigt<br />
aber auch, dass sich zu rechtfertigen immer noch ein<br />
f<strong>und</strong>amentales Bedürfnis der Menschen ist. Aber – so<br />
stellt er fest: »Rechtfertigung ohne Religion wird zur<br />
Rechthaberei.«<br />
Darum bleibt es die unverzichtbare Aufgabe christlicher<br />
Verkündigung, den Menschen zu sagen: Weil<br />
dich Gott durch Jesus Christus rechtfertigt, weil er<br />
dein Leben bejaht – trotz allem, was gegen dich spricht<br />
–, darum musst du nicht mehr selbst um Recht <strong>und</strong><br />
Wert deines Lebens kämpfen. Du kannst es dankbar<br />
als Geschenk Gottes leben.<br />
dR. WalTER KlaIBER<br />
war bis 2005 Bischof der EmK in deutschland. Er hat zahlreiche<br />
Werke über Rechtfertigung <strong>und</strong> gnade veröffentlicht, zuletzt<br />
»Biblische gr<strong>und</strong>lagen der Rechtfertigungslehre« (s. Info).<br />
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