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Seid fruchtbar und mehret euch ...

Seid Fruchtbar und mehret euch... .

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FoTo: BIldERBoX.CoM<br />

Heute Abend bin ich dran. Wieder einmal. Vielleicht<br />

klappt es dieses Mal? Seit zwei Jahren<br />

versuchen wir vergeblich, ein Kind zu bekommen.<br />

Aber heute will ich nicht mehr. Ich bin doch kein<br />

Zuchtbulle: So zögere ich den Gang ins Schlafzimmer<br />

solange wie möglich hinaus. Als ich endlich doch hineingehe,<br />

empfangen mich leise Musik <strong>und</strong> Kerzenlicht.<br />

»Ich kann nicht mehr«, sage ich. Wir streiten,<br />

<strong>und</strong> am Ende sitzt meine Frau weinend auf der Bettkante.<br />

»Du willst keine Kinder!«<br />

Der Vorwurf schmerzt. Doch, ich will. Aber nicht<br />

so. Sex nach dem Kalender ist kein Vergnügen. Das<br />

dauernde Auf <strong>und</strong> Ab der Gefühle zwischen Hoffen,<br />

Bangen <strong>und</strong> Enttäuschung – furchtbar. Dann lieber<br />

keine Kinder! Ich bin aufgebracht, trotzig, wütend.<br />

Kindisch eben, nur ohne Kinder. Wir gehen uns aus<br />

dem Weg <strong>und</strong> ich spüre, dass ich meine Frau vielleicht<br />

verlieren werde an diesen unbedingten Kinderwunsch.<br />

Ein Zustand zum Wahnsinnigwerden. Ich habe nur<br />

noch Angst.<br />

um wen es geht<br />

Ein paar Tage später wird mir schlagartig klar: Es<br />

geht hier nicht nur um mich! Ich fange an, mich zurückzunehmen.<br />

Das muss die göttliche Liebe sein, die<br />

mich durchströmt. Wir sind glücklich, für diesen Moment.<br />

Denn ein Kind will trotzdem nicht zu uns kommen.<br />

Zwar wird meine Frau schwanger, doch nach<br />

kurzer Zeit stirbt die befruchtete Eizelle ab. Dreimal,<br />

viermal – oder war es fünfmal? Die Prozedur – »Ausschabung«<br />

ist wirklich ein schauriger Begriff – ist<br />

entwürdigend. Wieder Tränen, aber dieses Mal sind<br />

es gemeinsame. Die Trauer schweißt uns zusammen.<br />

Wir schreiben einen Brief an unser ungeborenes Kind<br />

<strong>und</strong> lassen ihn mit einem Ballon in den Himmel steigen.<br />

Noch heute bekomme ich f<strong>euch</strong>te Augen, wenn<br />

ich daran denke.<br />

Es ist ein schrittweiser Abschied vom Wunsch nach<br />

eigenen Kindern. Doch es tut gut, loszulassen. Klar, sa-<br />

unterwegs 11/2013 ::: 2. Juni 2013<br />

Titelthema: wenn die wiege leer bleibt ::: 5<br />

Wenn der Kinderwunsch<br />

unerfüllt bleibt, gibt es<br />

viele Methoden, der Natur<br />

nachzuhelfen. letztlich<br />

müssen paare aber<br />

entscheiden, was sie für<br />

ihren Wunsch einsetzen<br />

wollen.<br />

gen Fre<strong>und</strong>e, wenn man unbedingt will, ist man doch<br />

blockiert <strong>und</strong> dann geht schon gar nichts im Bett. Aber<br />

es ist nicht nur das: Wenn sich der ganze Alltag nur<br />

noch ums Kinderzeugen dreht, geht der Blick für anderes<br />

verloren. Wir beschließen, wieder zu leben. Natürlich<br />

geht das nicht von heute auf morgen. Aber es geht.<br />

Wir suchen nach Alternativen. Reproduktionsmedizin<br />

kommt für uns nicht infrage. Zu groß ist die Angst<br />

vor dem Scheitern, zu abschreckend sind die Erlebnisse<br />

befre<strong>und</strong>eter Paare: Hormonbehandlung, Sex nach<br />

St<strong>und</strong>enplan, ernüchternde Erfolgsquoten. Wir wollen<br />

unser Kind doch nicht auf die Welt zwingen!<br />

Wir befassen uns mit dem Thema Adoption <strong>und</strong><br />

Langzeitpflege von Kindern. Wir lassen uns registrieren,<br />

besuchen Vorträge <strong>und</strong> Informationsabende. Tauschen<br />

uns mit anderen Eltern aus, die uns verstehen.<br />

Wir geben dem Jugendamt alles preis <strong>und</strong> werden nach<br />

dem Hausbesuch von Mitarbeiterinnen für würdig bef<strong>und</strong>en,<br />

ein Kind adoptieren zu dürfen. Wenn nur<br />

»normale« Eltern auch so geprüft <strong>und</strong> vorbereitet<br />

würden! Und wir nehmen die Möglichkeit in den<br />

Blick, dass wir auch ohne Kinder ein glückliches Leben<br />

führen können.<br />

Der traum<br />

Ein Jahr geht vorbei. Inzwischen hat ein Spezialist die<br />

Schilddrüse meiner Frau genauer untersucht <strong>und</strong> eine<br />

Störung festgestellt. Bei etwa zehn Prozent der Frauen,<br />

deren Kinderwunsch unerfüllt bleibt, liegt die Ursache<br />

in der Schilddrüse! Warum sagt uns das niemand?<br />

Eines Tages erzählt mir meine Frau von einem Traum.<br />

Ein Kindergesicht ist kurz aufgetaucht. Kurz darauf ist<br />

sie schwanger. Und dieses Mal bleibt das Kind bei uns!<br />

Und nicht nur das eine: Heute beleben drei muntere,<br />

lärmende Kinder unser Haus. Sie machen uns Kummer,<br />

Freude, schlaflose Nächte, erfüllte Tage. Wir sind eine<br />

ganz normale Familie. Aber wir wissen: Es hätte ganz<br />

anders kommen können. Alles ist Gnade.<br />

Aufgezeichnet von Volker Kiemle

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