Orte des Bildes im Kirchenraum Johannes Rauchenberger 1 ...
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man mit ihnen einen Raum der Stille oder einen höchst erdenklicher Musikalität sieht, ob man als<br />
Nutzer unbelastet wirkende Jugendliche, betagte Gesichter oder schlicht Touristengruppen zählt –<br />
Kirchen haben ein dermaßen breites Nutzungs-, Rezeptions- und Repräsentationsspektrum, dass es<br />
schwer ist, einen Idealtypus von dem nachzuzeichnen, was höchstens Kinderzeichnungen und<br />
Verkehrsschilder mit dem verbundenen Piktogrammen „Haus und Turm“ gemeinsam haben.<br />
Jedenfalls bildet jenes breite Assoziationsspektrum die Folien, auf denen Gutmenschen, Ätzer,<br />
„liturgisch Enttäuschte“ 4 (P. Strasser), Fromme, Kranke, Beglückte Hochzeiten, Beerdigungen,<br />
Taufen, Weihnachtsmetten, Ostermessen, einfache „Sonntagsgottesdienste“ oder auch bloß<br />
touristische Einblicke oder Konzertbesuche wahrnehmen. Der Blick auf die Geschichte gibt ein<br />
differenziertes und ein sehr verästeltes Bild, wie eine Kirche aussehen könnte, welche<br />
Einrichtungsgegenstände sie aufweisen sollte, mit welcher Art von Bildern sie bestückt sein kann,<br />
und wo sich diese in einer rechten Weise befinden (sollen). Konfessionsspezifisch ist er längst nicht<br />
mehr idealtypisch abzugrenzen, wenngleich das Eigenleben der Bilder, ihrer Bildorte und -träger <strong>im</strong><br />
katholischen Kultraum traditionell ein viel größeres Spektrum aufweist.<br />
Aber gehören zu einer Kirche überhaupt notwendig Bilder dazu? Dazu sind Einstellungen zu klären,<br />
was ins bildliche Visier gerät. Denn dieses ist vielfältig, mitunter wirr, meist unsystematisch, ja<br />
wuchernd, erregend, aber mitunter auch erdrückend: Pausbäckige Heilige, wangenrote Jungfrauen<br />
in Goldgewändern, Machtrepräsentationen mit allen erdenklichen Insignien, masochistische<br />
Gewaltszenen, die einen zeitgenössischen Horrorfilm kaum unterbieten, kostbar bekleidete Skelette<br />
unter den entzückenden Blicken jener Hauptdarsteller, die einen propagandistischen Link in ihr<br />
Leben vor der fleischlichen Verwesung bieten, fügen sich keineswegs nur zur ästhetischen<br />
Erquickung, sondern können auch eine große Belastung darstellen. Nicht zuletzt <strong>des</strong>halb haben<br />
Kultreformen stets auf die wesentlichen Best<strong>im</strong>mungsmerkmale einer Kirche verwiesen. Und diese<br />
scheinen ohne Bilder auszukommen, mehr noch: Sie fassen die Nutzer selbst als das eigentliche<br />
Bild auf.<br />
Im Folgenden werden einige wenige Einstellungen von Kirchenräumen in Bezug auf ihre Bilder<br />
bedacht. Sie sind getragen von einem dialektischen Unterlaufen einer von den Grunddokumenten<br />
der christlichen Religion her rührende Versuchung zur Profanität, die mit einer kritischen Haltung<br />
gegenüber herkömmlichen Formen der Kultpraxis zusammenhängt.<br />
2. lapi<strong>des</strong> vivi<br />
Denn die ersten Christen verabscheuten die damaligen Kultstätten. Ihre Inszenierung verweigerten<br />
sie gerade. Sie trafen sich erst in Häusern, um das Herrenmahl zu feiern.<br />
4 Vgl. PETER STRASSER: Die einfachen Dinge <strong>des</strong> Lebens, München 2009, 89-99.