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Kinder, beraubt um ihre Kindheit - Unicef

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Magazin der UNICEF Schweiz 1/2003<br />

<strong>Kinder</strong>, <strong>beraubt</strong> <strong>um</strong><br />

<strong>ihre</strong> <strong>Kindheit</strong>:<br />

Wenn <strong>Kinder</strong> als Soldaten<br />

missbraucht werden.<br />

XXX<br />

2/2002<br />

Für die <strong>Kinder</strong> der Welt.


SCHERER KLEIBER CD / FOTO UNICEF<br />

40 Millionen <strong>Kinder</strong> beginnen jährlich ihr LEBEN ALS SCHATTENEXISTENZ.<br />

Denn sie werden bei <strong>ihre</strong>r Geburt nicht registriert. Sie haben also keinen Namen, keine<br />

Nationalität und kein rechtmässiges Alter. KINDER OHNE GEBURTSSCHEIN<br />

werden von der Schule nicht aufgenommen. Sie können, erwachsen geworden, nicht<br />

wählen und nicht heiraten, keinen Boden besitzen und keine Verträge abschliessen.<br />

Nichtregistrierte <strong>Kinder</strong> sind eine Einladung für MISSBRAUCH JEDER ART.<br />

Deshalb setzt sich UNICEF dafür ein, dass weltweit jedes Kind einen Geburtsschein<br />

bekommt. Und zwar kostenlos. Wie viele <strong>Kinder</strong> dürfen wir mit Ihrer Unterstützung<br />

registrieren lassen?<br />

www.unicef.ch, Postkonto Spenden: 80-7211-9<br />

Für die <strong>Kinder</strong> der Welt.<br />

Inhalt<br />

Thema<br />

4 <strong>Kinder</strong>, <strong>beraubt</strong> <strong>um</strong> <strong>ihre</strong><br />

<strong>Kindheit</strong>: Trotz der Ächtung des<br />

Einsatzes von <strong>Kinder</strong>n in<br />

bewaffneten Konflikten zwingen<br />

rund 70 Konfliktparteien in 25<br />

Ländern Buben und Mädchen z<strong>um</strong><br />

Militärdienst. Betroffen sind<br />

300000 <strong>Kinder</strong> weltweit.<br />

Ausbeutung,<br />

Missbrauch,<br />

Gewalt.<br />

12 Und plötzlich war ich Ehefrau<br />

Daisy, ehemalige <strong>Kinder</strong>soldatin,<br />

erzählt.<br />

14 Die irakischen <strong>Kinder</strong><br />

brauchen Frieden, Sicherheit<br />

und Schulbildung UNICEF<br />

bringt Hilfe für die Betroffenen.<br />

16 Wawa Uta – ein Haus für<br />

<strong>Kinder</strong> Wenn eine <strong>Kinder</strong>tagesstätte<br />

ein Dorf verändert.<br />

18 <strong>Kinder</strong> reden mit Die Ergebnisse<br />

der UNICEF-Studie über Partizipation<br />

21 <strong>Kinder</strong> reisen <strong>um</strong> die Welt<br />

Eine Ausstellung im Alpinen<br />

Muse<strong>um</strong> in Bern.<br />

22 Cecilia Bartoli für UNICEF<br />

Die Sopranistin hob <strong>ihre</strong> Stimme im<br />

Kampf gegen Mädchenbeschneidung.<br />

Titelfoto: UNICEF<br />

Editorial/Inhalt<br />

Liebe UNICEF-Freunde «Sie haben mich verschleppt und<br />

z<strong>um</strong> <strong>Kinder</strong>soldaten gemacht. In dieser Nacht töteten sie meine Mutter<br />

und meinen Vater.» Der 12-jährige Richard aus Ruanda ist einer von<br />

300 000 <strong>Kinder</strong>soldaten weltweit. Ein Kind mit verbrannter Seele und der<br />

Erfahrung, dass die Grausamkeit der Erwachsenen jegliche Vorstellungskraft<br />

sprengt.<br />

Trotz völkerrechtlicher Rahmenbedingungen für den Schutz der <strong>Kinder</strong> in<br />

bewaffneten Konflikten haben Regierungstruppen, Rebellengruppen und<br />

paramilitärische Organisationen keine Skrupel, <strong>Kinder</strong><br />

auszubeuten. <strong>Kinder</strong> werden entführt, verschleppt,<br />

zwangsrekrutiert und als <strong>Kinder</strong>soldaten missbraucht.<br />

Sie verbringen <strong>ihre</strong>n Alltag in einer Umgebung des<br />

Tötens, Verstümmelns und Plünderns unter Zwang z<strong>um</strong><br />

Mitmachen. Wer nicht gehorcht, wird erschossen – und<br />

Soldaten machen keinen Halt vor <strong>Kinder</strong>n.<br />

Die Sprache der Gewalt ist allgegenwärtig. Sie st<strong>um</strong>pft<br />

ab; sie bringt in der Nacht die Albträ<strong>um</strong>e in den kindlichen Schlaf; sie<br />

ängstigt; sie macht blind vor Gefahren; sie nimmt ihnen ihr wichtigstes<br />

Recht: das Recht auf eine unversehrte <strong>Kindheit</strong>.<br />

Verlorene <strong>Kinder</strong> nannte sie Gracia Machel, eingesetzt von Boutros<br />

Boutros Ghali, die Auswirkungen des Krieges auf die <strong>Kinder</strong> zu untersuchen.<br />

Ihr damaliger Bericht, mitfinanziert von UNICEF Schweiz, brach<br />

das Schweigen und brachte den Stein ins Rollen für einen verbesserten<br />

Schutz. Heute, nach langen zähen Verhandlungen, ist das Zusatzprotokoll<br />

zur UN-<strong>Kinder</strong>rechtskonvention über die Beteiligung von <strong>Kinder</strong>n an<br />

bewaffneten Konflikten ratifiziert. Und eine erste Liste der Kriegsherren,<br />

die <strong>Kinder</strong> als Soldaten ausbeuten, vom<br />

Sicherheitsrat veröffentlicht. Ein erster wichtiger<br />

Erfolg.<br />

Weitere müssen folgen. Ein langer Weg liegt<br />

noch vor uns: für die <strong>Kinder</strong> und vor allem für<br />

die Erwachsenen.<br />

Elsbeth Müller, Geschäftsleiterin<br />

UNICEF Schweiz<br />

3


<strong>Kinder</strong>, <strong>beraubt</strong> <strong>um</strong><br />

<strong>ihre</strong> <strong>Kindheit</strong><br />

Rund 70 Konfliktparteien in 25 Ländern zwingen Buben und Mädchen z<strong>um</strong> Militärdienst. Viele von ihnen sind keine 10 Jahre alt.<br />

Weltweit werden 300000 <strong>Kinder</strong> als Soldaten missbraucht<br />

und ausgebeutet. Trotz der Ächtung des Einsatzes von <strong>Kinder</strong>n in bewaffneten<br />

Konflikten zwingen rund 70 Konfliktparteien in 25 Ländern Buben und Mädchen z<strong>um</strong><br />

Militärdienst. Der Missbrauch von <strong>Kinder</strong>n ist bis heute «attraktiv». Denn <strong>Kinder</strong>soldaten<br />

sind billig und leicht zu manipulieren.<br />

4 Magazin 1 ⁄2003<br />

FOTO UNICEF<br />

«Wenn ich tötete, war es mir, als wäre ich nicht ich selbst,<br />

als hätte nicht ich eben einen Menschen getötet. Ich habe es<br />

jeweils getan, weil die Rebellen drohten, mich <strong>um</strong>zubringen.»<br />

Joseph, 12-jährig und ehemaliger <strong>Kinder</strong>soldat<br />

erzählt mit ausdrucksloser Stimme. Sein Blick ist leer. Joseph<br />

hat vier Jahre gedient, lebte in Lagern, streifte mit den<br />

Rebellen durch die Nacht, wurde angeleitet, Waffen zu<br />

bedienen, tötete. Wie viele Menschen er <strong>um</strong>brachte, weiss<br />

er nicht. Wie viele Male er davon trä<strong>um</strong>te auszureissen,<br />

darüber mag er nicht reden. Als er befreit wurde, spürte er<br />

keine Freude, keine Hoffnung. Vielmehr beunruhigte ihn<br />

die Zukunft. Das Leben im Lager kannte er. Gewalt war<br />

sein Alltag. Im Reintegrationsprogramm hatten diese Erfahrungen<br />

keinen Wert. Joseph meint: «Ich bin wie ein<br />

Beinst<strong>um</strong>pf, ich h<strong>um</strong>ple der Welt nach und kann sie doch<br />

nicht einholen.»<br />

300000 <strong>Kinder</strong>soldaten weltweit<br />

Der verbreitete Missbrauch von <strong>Kinder</strong>n als Soldaten ist<br />

eines der schlimmsten Verbrechen in bewaffneten Konflikten.<br />

In den letzten zehn Jahren wurden Tausende von<br />

<strong>Kinder</strong>n unter 18 Jahren von Regierungstruppen, Rebellengruppen<br />

und paramilitärischen Einheiten verschleppt und<br />

ausgebeutet. UNICEF schätzt, dass 300000 ihr Dasein als<br />

<strong>Kinder</strong>soldaten fristen. Trotz weltweiter Ächtung des Einsatzes<br />

von <strong>Kinder</strong>soldaten zwingen rund 70 Konfliktparteien<br />

in 25 Ländern Buben und Mädchen z<strong>um</strong> Militärdienst. Dabei<br />

haben die Truppenverbände keine Skrupel, schon achtjährige<br />

Buben einzuziehen und auszubilden. Viele werden<br />

als Spione, Boten oder Minendetektoren eingesetzt. Sie<br />

sind gezwungen zu töten und zu foltern. Doch nicht nur<br />

Buben, auch Mädchen werden rekrutiert. Sie finden <strong>ihre</strong>n<br />

Einsatz vor allem in den Lagern: als Köchinnen, Wasserschlepperinnen,<br />

Dienerinnen. Und sie haben den Soldaten<br />

jederzeit gefällig zu sein. Getötete und verwundete <strong>Kinder</strong>soldaten<br />

werden ersetzt durch neue <strong>Kinder</strong>. Wachsen sie<br />

heran, treten jüngere an <strong>ihre</strong> Stelle. Und die Zerstörung<br />

nimmt <strong>ihre</strong>n Lauf von einer Generation zur andern.<br />

Zwangsverpflichtung, Verschleppung,<br />

Entführung<br />

Die Rekrutierung von <strong>Kinder</strong>soldaten erfolgt auf viele<br />

Arten. Zwangsverpflichtung, Entführung und Verschleppung<br />

sind typische Muster. In einigen Ländern können <strong>Kinder</strong><br />

unter 18 Jahren legal z<strong>um</strong> Armeedienst verpflichtet werden.<br />

Doch auch in Staaten, wo das Mindestalter 18 beträgt,<br />

stellt dieses Gesetz nicht unbedingt einen wirksamen<br />

Schutz dar. In manchen Ländern existiert beispielsweise<br />

kein oder nur ein mangelhaftes System zur Geburtenregistrierung.<br />

Viele <strong>Kinder</strong> wissen so ihr wirkliches Alter nicht<br />

und ein wirksamer Schutz vor der Rekrutierung kann ka<strong>um</strong><br />

etabliert werden. Es passiert immer wieder, dass rekrutierende<br />

Stellen das Alter aufgrund der körperlichen Entwicklung<br />

schätzen oder routinemässig 18 Jahre als Alter<br />

eintragen. Damit erweckt man den Eindruck, die Landesgesetze<br />

einzuhalten. 1997 rekrutierte die UNITA etwa 200<br />

ruandische Flüchtlingskinder, die im Grenzgebiet zwischen<br />

Angola und der Demokratischen Republik Kongo lebten.<br />

Thema<br />

5


Truppenverbände werden zur Ersatzfamilie für <strong>Kinder</strong>soldaten, Gewalt und Aggression <strong>ihre</strong> täglichen Begleiter.<br />

1999 verschleppte die FAA, die Forças Armadas Angolanas,<br />

gegen 250 Jugendliche. In Myanmar wurden Waisenkinder<br />

und Strassenkinder als Minendetektoren von beiden Seiten,<br />

den Regierungstruppen und von paramilitärischen Gruppen,<br />

eingezogen. Viele von ihnen waren noch keine zehn Jahre alt.<br />

Doch auch unzureichende administrative Systeme verhindern<br />

eine regelmässige Einberufung nach dem Register.<br />

Rekruten werden beispielsweise willkürlich aufgegriffen<br />

oder aus Schulen und Waisenhäuser geholt. Diese Art von<br />

Zwangsrekrutierung ist in Äthiopien unter dem Namen<br />

«afesa» bekannt und in den 80er Jahren praktiziert worden.<br />

Bewaffnete Truppen, ja auch die Polizei, griffen jeden auf,<br />

der ihnen auf der Strasse begegnete. Besonders gefährdet<br />

waren Buben, die im informellen Sektor arbeiteten – Zigaretten,<br />

Kaug<strong>um</strong>mi oder Lotterielose verkauften. <strong>Kinder</strong> aus<br />

armen Familien waren stärker betroffen als <strong>Kinder</strong> aus<br />

wohlhabenderen und gebildeten Familien. Meist geschieht<br />

diesen <strong>Kinder</strong>n gar nichts, <strong>ihre</strong> Eltern kaufen sie frei oder<br />

sie werden ausser Landes geschickt, <strong>um</strong> so der Gefahr einer<br />

Zwangsrekrutierung zu entgehen.<br />

Zwar aus eigenem Willen – aber nicht<br />

freiwillig<br />

<strong>Kinder</strong> treten aber auch aus eigenem Willen in die Armee<br />

ein oder schliessen sich einer Rebellengruppe an. Es ist<br />

allerdings irreführend dies als freiwillig zu bezeichnen,<br />

denn diese Entscheidung wird nicht frei und unbeeinflusst<br />

getroffen. Solche <strong>Kinder</strong> sind starkem wirtschaftlichem,<br />

sozialem, kulturellem und politischem Druck ausgesetzt.<br />

Hunger und Armut können zudem Eltern dazu bringen, <strong>ihre</strong><br />

<strong>Kinder</strong> bewaffneten Truppen anzubieten. Überdies gehen<br />

immer wieder ganze Familien mit. Manchmal ist dies die<br />

einzige Möglichkeit, regelmässige Mahlzeiten, Kleidung<br />

und medizinische Betreuung zu erhalten. Ehemalige <strong>Kinder</strong>soldatinnen<br />

berichten, dass <strong>ihre</strong> Eltern sie z<strong>um</strong> Dienst ermutigt<br />

hätten, weil man <strong>ihre</strong> Heiratschancen als gering einstufte.<br />

China Keitetsi berichtet eindrücklich in <strong>ihre</strong>m Buch<br />

«Sie nahmen mir die Mutter und gaben mir ein Gewehr».<br />

Gewalt, Chaos und fehlende Perspektiven<br />

begünstigen die Mobilisierung von <strong>Kinder</strong>soldaten<br />

<strong>Kinder</strong> fühlen sich aber auch zu <strong>ihre</strong>m eigenen Schutz<br />

genötigt, Soldaten zu werden. Ausschliesslich mit Gewalt<br />

und Chaos konfrontiert, wähnen sie sich mit einer Waffe in<br />

der Hand sicher. Einmal einer Truppe angeschlossen,<br />

wechseln viele die Seite – oftmals nach schrecklichen Erlebnissen.<br />

So schlossen sich beispielsweise viele junge<br />

Menschen den kurdischen Rebellengruppen an als Reaktion<br />

auf die Politik der verbrannten Erde und auf <strong>um</strong>fassende<br />

Menschenrechtsverletzungen. In El Salvador schlossen<br />

sich <strong>Kinder</strong> zu <strong>ihre</strong>m eigenen Schutz Oppositionsgruppen<br />

an, nachdem <strong>ihre</strong> Eltern von Regierungssoldaten <strong>um</strong>gebracht<br />

worden waren.<br />

In einem bestimmten Alter fühlen sich <strong>Kinder</strong> zudem<br />

stark von Ideologien angezogen. In der Adoleszenz suchen<br />

sie Sinn und Ziel im Leben. Ideologische Indoktrinierung<br />

aber kann schreckliche Konsequenzen haben. In Ruanda<br />

wurden nach dem Genozid Tausende <strong>Kinder</strong> der Beihilfe<br />

z<strong>um</strong> Völkermord angezeigt. In Sri Lanka und im Libanon<br />

benützen die Erwachsenen die speziellen Wesensmerkmale<br />

von jungen Menschen für <strong>ihre</strong> eigenen Zwecke. Jugendliche<br />

wurden rekrutiert und für Selbstmordkommandos ausge-<br />

UNICEF<br />

bildet. In Palästina sterben <strong>Kinder</strong> den Märtyrertod. <strong>Kinder</strong> FOTOS<br />

<strong>Kinder</strong> sind ka<strong>um</strong> in der Lage, die wahren Gefahren richtig einzuschätzen.<br />

kämpfen für religiöse und soziale Gründe, für die nationale<br />

Befreiung oder für Selbstbestimmung und sie identifizieren<br />

sich damit. Sie schliessen sich in der Hoffnung auf politische<br />

Freiheit den Kämpfen an, so geschehen in Südafrika und in<br />

den besetzten Territorien.<br />

«Ich wollte, dass sich etwas ändert»<br />

«Mit 13 schloss ich mich der Schülerbewegung an. Ich<br />

trä<strong>um</strong>te davon, etwas dazu beizutragen, dass sich die Dinge<br />

Alkohol und Drogen machen <strong>Kinder</strong> zu Manipulationsobjekten.<br />

ändern würden, so dass <strong>Kinder</strong> nicht mehr hungern müssten.<br />

Später dann ging ich zu den bewaffneten Gruppen. Ich<br />

war unerfahren und hatte Angst. Ich fand heraus, dass Mädchen<br />

dazu verpflichtet waren, sexuelle Beziehungen zu<br />

haben, «<strong>um</strong> die Traurigkeit der Kämpfer zu lindern». Und<br />

wer linderte unsere Traurigkeit, nachdem wir mit jemanden<br />

gegangen waren, den wir ka<strong>um</strong> kannten? Ich hatte damals<br />

eine Abtreibung. Es war nicht meine Entscheidung. Ich<br />

empfinde grossen Schmerz, wenn ich an diese Dinge denke.<br />

Trotz meines Engagements für die<br />

Sache missbrauchten sie mich, sie<br />

traten die Menschenwürde mit<br />

Füssen. Und vor allem verstanden<br />

sie nicht, dass ich ein Kind war und<br />

Rechte hatte.» Maria aus Honduras<br />

begann <strong>ihre</strong>n Dienst mit knapp<br />

vierzehn Jahren. Mädchen und Buben beginnen <strong>ihre</strong> militärische<br />

Laufbahn meistens mit Hilfsdiensten, die Risiken<br />

und Mühsal mit sich bringen. Als Träger schleppen sie bis<br />

zu 60 Kilogramm: Esswaren, Material, Waffen, Munition,<br />

verletzte Soldaten. Schaffen es <strong>Kinder</strong> nicht, werden sie<br />

grausam verprügelt oder sogar erschossen. Andere werden<br />

eingesetzt als Wachposten. In Uganda mussten die <strong>Kinder</strong>soldaten<br />

in Gärten arbeiten, wilde Früchte sammeln und<br />

Kornspeicher plündern. Als Boten und Spione sind die<br />

<strong>Kinder</strong> einem besonderen Risiko ausgesetzt. Wenn auch<br />

diese Arbeit weniger lebensbedrohend zu sein scheint, gibt<br />

sie Anlass, ganze <strong>Kinder</strong>gruppen zu verdächtigen. So wurden<br />

in Lateinamerika <strong>Kinder</strong> in den Dörfern vorsätzlich getötet<br />

mit der Begründung, dass sie gefährlich seien.<br />

«Wir verbrachten die Nächte wach und warteten auf unsere<br />

Feinde. Meine Rolle war es, junge Rebellen ausz<strong>um</strong>achen.<br />

Ich war<br />

doch noch<br />

ein Kind.<br />

6 Magazin 1 ⁄2003 7


Thema<br />

Armut und Hoffnungslosigkeit begünstigen die Rekrutierung<br />

von <strong>Kinder</strong>soldaten.<br />

Später lernte ich Handgranaten zu bedienen. Nach einem<br />

guten Monat erhielt ich ein AK-47 Gewehr», erzählt ein<br />

sechzehnjähriger Knabe aus Burundi. «Wenn du gut warst,<br />

kriegtest du eine Extraportion Essen oder eine bessere Stellung<br />

in der Truppe.»<br />

<strong>Kinder</strong>soldatinnen sind zudem zu sexuellen Beziehungen<br />

gezwungen. In Uganda beispielsweise wurden Mädchen<br />

von der Lord’s Resistance Army entführt und mit Rebellen<br />

«verheiratet». Wenn der Mann stirbt, wird an dem Mädchen<br />

eine rituelle Säuberung vollzogen, dann wird sie mit einem<br />

anderen «verheiratet». Viele von ihnen wurden so HIV/Aids<br />

ausgesetzt, mit fatalen Folgen.<br />

Unerfahren und leicht zu manipulieren<br />

Wohl eines der grössten Risiken im Kampf zu fallen,<br />

liegt für die <strong>Kinder</strong> in <strong>ihre</strong>r Unerfahrenheit und <strong>ihre</strong>r mangelhaften<br />

Ausbildung. <strong>Kinder</strong> sind ka<strong>um</strong> in der Lage, die wahren<br />

Gefahren richtig einzuschätzen. Es zeigt sich denn<br />

auch, dass die <strong>Kinder</strong> bei Beschuss übermässig aufgeregt<br />

sind und vergessen, sich zu schützen. Diese Furchtlosigkeit<br />

nützen Kommandanten aus. Sie nötigen die <strong>Kinder</strong>, Alkohol<br />

und Drogen zu nehmen. So berichtete ein Soldat aus<br />

Myanmar, dass «viele Buben ins Feld hinein rannten und<br />

wie todbringende Dämone schrien. Sie schienen sich für<br />

unsterblich und unverwundbar zu halten, obwohl auf sie<br />

geschossen wurde. Aber sie liefen immer weiter.»<br />

Glöckchen und Bienchen<br />

In Kol<strong>um</strong>bien missbrauchten die Fuerzas Armadas<br />

Revolucionarias de Colombia, FARC, und die<br />

Ejercito de Liberacion Nacional, ELN, <strong>Kinder</strong> unter<br />

12 Jahren als <strong>Kinder</strong>soldaten. Man geht davon<br />

aus, dass rund 6000 <strong>Kinder</strong> kämpften. 30 Prozent<br />

davon waren Mädchen.<br />

Die Kommandanten nannten die <strong>Kinder</strong> «Glöckchen»<br />

oder «Bienchen», weil sie als eine Art Frühwarnsystem<br />

eingesetzt wurden und sich regten,<br />

bevor die feindliche Truppe sie angreifen konnte.<br />

Auch paramilitärische Gruppen, eingesetzt durch<br />

das Militär, oder Landeigentümer bedienten sich<br />

<strong>Kinder</strong>soldaten. Man setzte sie insbesondere ein<br />

als Spione, Boten und menschliche Schutzschilder,<br />

aber auch als Kämpfer.<br />

Im Juni 1999 verhandelte die UNO mit der<br />

Regierung und der FARC mit dem Ziel, keine <strong>Kinder</strong><br />

unter 15 Jahren mehr zu rekrutieren. Doch die<br />

FARC hielt sich, trotz öffentlichem Bekenntnis, nicht<br />

an ihr Versprechen. <strong>Kinder</strong> wurden weiterhin als<br />

Soldaten ausgebeutet, ungeachtet <strong>ihre</strong>s Alters. Im<br />

Frühling 2000 erneuerte die FARC ihr Versprechen,<br />

löste es aber bis heute nicht ein. Im Gegenteil, Berichten<br />

zufolge, werden nach wie vor <strong>Kinder</strong> unter<br />

15 Jahren z<strong>um</strong> Militärdienst eingezogen – verschleppt,<br />

entführt und missbraucht.<br />

Ein besonderes Problem ist dabei die Tatsache,<br />

dass ehemalige <strong>Kinder</strong>soldaten kriminalisiert werden.<br />

Die kol<strong>um</strong>bianischen Gesetze lassen ihnen<br />

keinen Schutz angedeihen – eine Situation, die die<br />

<strong>Kinder</strong> zu Ausgestossenen macht und sie doppelt<br />

bestraft. Ihnen wurde die <strong>Kindheit</strong> geraubt und eine<br />

Reintegration in die Gesellschaft ist nur schwer<br />

möglich. Um diesen <strong>Kinder</strong>n dennoch eine Chance<br />

zu geben, richtete das Familienministeri<strong>um</strong> ein<br />

Heim für ehemalige <strong>Kinder</strong>soldaten ein. Der Ort<br />

blieb geheim.<br />

<strong>Kinder</strong>soldaten mussten die schrecklichsten Szenen mit<br />

anschauen. Sie töteten, folterten, ja waren gezwungen,<br />

selbst <strong>ihre</strong> eigene Familie zu verraten. Sie haben an Massakern<br />

teilgenommen, Menschen geprügelt und verstümmelt.<br />

Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass Gefühlskälte und<br />

Abst<strong>um</strong>pfung die <strong>Kinder</strong> prägen. Die meisten leiden denn<br />

auch nach <strong>ihre</strong>r Demobilisierung an Albträ<strong>um</strong>en, Halluzi-<br />

8 Magazin 1 ⁄2003<br />

9<br />

FOTOS UNICEF / JOHN ISAAC<br />

Im Sudan wurden 2001 3000 <strong>Kinder</strong>soldaten freigegeben.<br />

nationen, Angstzuständen und sind grossen psychischen<br />

Schwankungen ausgesetzt. Es sind <strong>Kinder</strong>, <strong>beraubt</strong> <strong>um</strong> <strong>ihre</strong><br />

<strong>Kindheit</strong>.<br />

Zusatzprotokoll über die Beteiligung von<br />

<strong>Kinder</strong>n an bewaffneten Konflikten<br />

Am 12. Februar 2002 verabschiedete die UNO das Zusatzprotokoll<br />

zur UN-<strong>Kinder</strong>rechtskonvention über die<br />

Rechte des Kindes, das den Kriegseinsatz von <strong>Kinder</strong>n unter<br />

18 Jahren verbietet. Nach seinem Inkrafttreten hat der<br />

Sicherheitsrat im Dezember 2002 z<strong>um</strong> ersten Mal in seiner<br />

Geschichte eine Liste von Regierungsarmeen und Rebellengruppen<br />

veröffentlicht, die <strong>Kinder</strong> als Soldaten missbrauchen.<br />

Die Liste <strong>um</strong>fasst allerdings nur die Länder, die zu<br />

diesem Zeitpunkt auf der Tagesordnung des Sicherheitsrats<br />

standen. Sie nennt deshalb zunächst nur 23 Konfliktparteien<br />

in fünf Ländern: Afghanistan, Burundi, die Demokratische<br />

Republik Kongo, Liberia und Somalia. Die internationale<br />

Koalition zur Beendigung des Einsatzes von <strong>Kinder</strong>soldaten,<br />

ein von UNICEF unterstützter Zusammenschluss<br />

von Nichtregierungsorganisationen, hat den Einsatz von<br />

<strong>Kinder</strong>soldaten in zahlreichen weiteren Ländern dok<strong>um</strong>entiert.<br />

Dazu gehören beispielsweise Angola, Kol<strong>um</strong>bien,<br />

Eritrea, Guinea-Bissau, Indonesien, Irak, Myanmar, Nepal,<br />

Tschetschenien, Sierra Leone, Sri Lanka, Sudan und<br />

Uganda. Die schwarze Liste des UN-Sicherheitsrats ist ein<br />

wichtiger Schritt, <strong>um</strong> den politischen Druck auf Konfliktparteien<br />

zu erhöhen. Es gilt insbesondere, dass <strong>Kinder</strong> unter<br />

18 Jahren von den bewaffneten Truppen abgezogen werden.<br />

Doch kein Friedensvertrag hat bis jetzt formal die Existenz<br />

von <strong>Kinder</strong>soldaten anerkannt. Die speziellen Bedürfnisse<br />

der <strong>Kinder</strong>soldaten bei Demobilisierungs-Programmen finden<br />

deshalb ka<strong>um</strong> Eingang in die Verhandlungsrunden.<br />

In Friedensverhandlungen vernachlässigt<br />

In Mosambik, wo Tausende von <strong>Kinder</strong>n in bewaffneten<br />

Konflikten eingesetzt wurden und dieser Tatbestand auch<br />

weit her<strong>um</strong> bekannt war, wurden <strong>Kinder</strong>soldaten im Rahmen<br />

der Demobilisierung von der RENAMO, Resistencia Natio-


Ausgebildete <strong>Kinder</strong> haben die Chance, den Teufelskreis Armut zu durchbrechen.<br />

nal de Mocambique, der Regierung und der internationalen<br />

Gemeinschaft nicht anerkannt. Gerade aber die offizielle<br />

Anerkennung der Beteiligung von <strong>Kinder</strong>n an einem Krieg<br />

ist einer der wichtigsten Schritte, denn ohne sie kann es<br />

keine wirksamen Pläne und Programme zur Wiedereingliederung<br />

der <strong>Kinder</strong>soldaten in die Gesellschaft geben.<br />

<strong>Kinder</strong>soldaten müssen berücksichtigt werden, wenn es <strong>um</strong><br />

die Entwaffnung, die Demobilisierung und die Reintegration<br />

geht. Das Lomé Peace Agreement in Sierra Leone war<br />

die erste Vereinbarung, das einen Plan dafür beinhaltete.<br />

Wohl ein Meilenstein in den Bemühungen <strong>um</strong> die Bedürfnisse<br />

der <strong>Kinder</strong>soldaten war der Bericht zuhanden des<br />

UN-Generalsekretärs, Kofi Annan, im Februar 2000, in<br />

dem es <strong>um</strong> die Rolle des UN Peacekeeping in Sachen Demobilisierung<br />

von <strong>Kinder</strong>n ging. Der Bericht empfahl Programme<br />

zur Reintegration für eine minimale Zeitperiode<br />

von drei Jahren aufrecht zu erhalten. Nur so könne den<br />

Bedürfnissen der <strong>Kinder</strong>soldaten nach psycho-sozialer Rehabilitation,<br />

Beratung und Schulunterricht Nachachtung<br />

verschafft werden.<br />

10 Magazin 1 ⁄2003<br />

Vordringliches Ziel muss jedoch sein, die <strong>Kinder</strong> z<strong>um</strong><br />

frühest möglichen Zeitpunkt von den Truppenverbänden<br />

freizulassen, auch wenn noch kein Friedensabkommen<br />

unterschrieben ist. Dafür gibt es gute Gründe: Zwischen<br />

1996 und 1997 demobilisierten die FAA und die UNITA<br />

Rebellen über 5000 <strong>Kinder</strong>. Doch sie liessen sich nicht<br />

davon abbringen, neue <strong>Kinder</strong> zu mobilisieren, unabhängig<br />

von <strong>ihre</strong>n Bekenntnissen z<strong>um</strong> Friedensprozess. Verpflichtungen<br />

für die Entwaffnung und Entlassung der <strong>Kinder</strong>soldaten<br />

aus Truppenverbänden gingen die Regierungen<br />

und nichtstaatlichen Akteure in Kol<strong>um</strong>bien, der Demokratischen<br />

Republik Kongo, Sierra Leone und Sri Lanka ein.<br />

Im Februar 2002 übergab die Sudanese People’s Liberation<br />

Army UNICEF 2500 <strong>Kinder</strong>soldaten.<br />

Druck auf die Politik erhöhen<br />

Dass <strong>Kinder</strong>soldaten freigelassen werden, hängt auch<br />

vom Druck in den entsprechenden Ländern ab. In El Salvador,<br />

Guatemala und Paraguay schlossen sich ethnische<br />

Gruppen und Mütter von betroffenen <strong>Kinder</strong>n zu Organisa-<br />

FOTO UNICEF<br />

tionen zusammen. In Peru gingen die Zwangsrekrutierungen<br />

zurück, wo die Kirche diese Aktionen anprangerte. In<br />

Myanmar führten Proteste von Hilfsorganisationen zur<br />

Rückkehr von Männern und Buben, die in einem Flüchtlingslager<br />

zwangsrekrutiert wurden.<br />

Schwierige Heimkehr<br />

Nach Hause zu kehren ist selten einfach, auch wenn sich<br />

die <strong>Kinder</strong> nichts mehr wünschen, als <strong>ihre</strong> Eltern und <strong>ihre</strong><br />

Geschwister zu sehen. Viele <strong>Kinder</strong> finden bei <strong>ihre</strong>r Ankunft<br />

verwüstete Dörfer vor, oftmals haben sie keine Ahnung,<br />

wohin <strong>ihre</strong> Eltern geflohen sind. Und auch wenn die Familien<br />

noch da sind, sind die Menschen geprägt von den<br />

schwierigen Jahren des Krieges: Armut, Gewalt und Hoffnungslosigkeit<br />

sind die ständigen Begleiter. Kommt hinzu,<br />

dass insbesondere ehemalige <strong>Kinder</strong>soldatinnen von <strong>ihre</strong>n<br />

Familien verstossen werden. Traditionen und kulturelles<br />

Denken machen eine Familienzusammenführung für sie<br />

z<strong>um</strong> Spiessrutenlauf. Missbrauchte und sexuell ausgebeutete<br />

Mädchen haben wenig Alternativen. Die Familien wollen<br />

sie nicht mehr, finanzielle Unterstützung fehlt, der Gang<br />

auf die Strasse ist oftmals der einzige Ausweg.<br />

Aber auch für <strong>Kinder</strong>, die von <strong>ihre</strong>n Familien aufgenommen<br />

werden, ist es nicht leicht. Sie haben viele Jahre in<br />

den Truppenverbänden verbracht. Ihre Alltagssprache war<br />

Gewalt. Gegangen als kleine, liebenswürdige 10-jährige<br />

<strong>Kinder</strong> kommen sie zurück als aggressive, abgest<strong>um</strong>pfte<br />

und mürrische junge Frauen und Männer.<br />

Bildung schafft Perspektiven<br />

Wirkungsvolle soziale Reintegration hängt von der<br />

Unterstützung der Familien, <strong>ihre</strong>m ökonomischen Status<br />

und der Offenheit der Dorfgemeinschaften ab. Schulbildung<br />

und Berufsmöglichkeiten für ehemalige <strong>Kinder</strong>soldaten<br />

sind zudem entscheidende Faktoren für das Gelingen. Sie<br />

sind aber auch wichtige Voraussetzungen zur Verhinderung<br />

erneuter Rekrutierung.<br />

Keine Soldaten unter 18 Jahren<br />

Am 12. Februar 2002 trat nach langjährigen Verhandlungen<br />

das Zusatzprotokoll zur UN-<strong>Kinder</strong>rechtskonvention<br />

über die Beteiligung von <strong>Kinder</strong>n<br />

an bewaffneten Konflikten in Kraft. Es verbietet den<br />

Kriegseinsatz von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen unter<br />

18 Jahren. Allerdings erlaubt es Streitkräften weiter,<br />

Jugendliche für den freiwilligen Militärdienst ausserhalb<br />

bewaffneter Kämpfe aufzunehmen, wenn sie<br />

älter als 15 Jahre sind. Bis heute haben 111 Staaten<br />

es unterzeichnet; allerdings wurde es erst von 45<br />

Ländern ratifiziert (Stand April 2003).<br />

UNICEF-Hilfe für ehemalige <strong>Kinder</strong>soldaten<br />

UNICEF unterstützt in verschiedenen Ländern Afrikas,<br />

Asiens und Lateinamerikas Programme zur Demobilisierung<br />

von <strong>Kinder</strong>soldaten. Keine leichte Aufgabe, denn die<br />

meisten dieser <strong>Kinder</strong> sind nie zur Schule gegangen und<br />

haben keine Ausbildung. Wenn der Druck des Soldatenlebens<br />

von ihnen abfällt, kommen die seelischen Wunden<br />

z<strong>um</strong> Vorschein. Ein wichtiger Bestandteil der Programme<br />

ist deshalb die Ausbildung von Menschen, die mit den<br />

Problemen <strong>um</strong>gehen können. Darüber hinaus versucht<br />

UNICEF, ehemaligen <strong>Kinder</strong>soldaten durch Schulunterricht<br />

und spezielle Ausbildungsangebote den Weg zurück in ein<br />

normales Leben zu ebnen.<br />

Thema<br />

11


Thema<br />

Und plötzlich war ich Ehefrau<br />

Daisy, ehemalige <strong>Kinder</strong>soldatin, erzählt.<br />

Joseph Kony, selbsternannter Prophet und Führer der ugandischen Lord’s<br />

Resistance Army, LRA, erhielt kürzlich vom Heiligen Geist den Auftrag, Frauen mit<br />

kleinen <strong>Kinder</strong>n aus der LRA-Gefangenschaft freizulassen. Eine Woche später erreichten<br />

Daisy und ihr fünfjähriger Sohn, Calvin, unterernährt und erschöpft vom langen Marsch,<br />

das Büro von GUSCO, der Gulu Support the Children Organization in Gulu.<br />

12 Magazin 1 ⁄2003<br />

Seit 1986 ist die LRA, eine ugandische Rebellengruppe<br />

mit Basen im Sudan, berüchtigt für<br />

die Verschleppung von <strong>Kinder</strong>n, hauptsächlich<br />

aus dem Norden Ugandas. Gegen Ende des<br />

Jahres 2001 galten über 11000 <strong>Kinder</strong> als<br />

verschwunden. Als <strong>Kinder</strong>soldaten werden sie<br />

gezwungen, sich an den Kämpfen zu beteiligen;<br />

sie werden als Spione und Boten eingesetzt.<br />

Die Mädchen dienen den Offizieren als<br />

«Ehefrauen». GUSCO, ein von UNICEF unterstütztes<br />

Auffangzentr<strong>um</strong>, nimmt sich der ehemaligen<br />

<strong>Kinder</strong>soldaten an und bemüht sich<br />

<strong>um</strong> <strong>ihre</strong> Reintegration in die Gesellschaft.<br />

Mit 13 verschleppt<br />

Daisy erzählt <strong>ihre</strong> Geschichte in einem der<br />

kargen aber sauberen Rä<strong>um</strong>e des GUSCO,<br />

während hinter den Vorhängen aus Papiermatten<br />

eine Rechenstunde stattfindet. 13 Jahre<br />

war sie alt, als sie vor acht Jahren verschleppt<br />

wurde. «Ich ging zur Schule, hier ganz in der<br />

Nähe, am Ende der Strasse. Es war gerade Unabhängigkeitstag<br />

und dar<strong>um</strong> ging ich in mein<br />

Heimatdorf z<strong>um</strong> Fest. Es war zwei Uhr nachmittags,<br />

als die Rebellen uns überfielen und<br />

mitnahmen. Zwei Tage und Nächte gingen wir<br />

zu Fuss, ohne Pause. Irgendwann wurden wir<br />

für eine Flussüberquerung zusammengebunden,<br />

denn die meisten von uns konnten<br />

nicht schwimmen. Ich erinnere mich noch an<br />

den wolkenbruchartigen Regen. Als wir den<br />

Sudan erreichten, waren meine Füsse geschwollen.»<br />

Daisy schweigt einen Moment. Ihr besorgter<br />

Gesichtsausdruck weicht einem zögerlichen<br />

Lächeln, als sie den Stimmen aus der benachbarten<br />

Klasse zuhört. «Und die nächste Primärzahl<br />

ist drei», sagt der Lehrer. «Welche Primärzahlen<br />

folgen auf drei?» In der Klasse sitzen<br />

<strong>Kinder</strong>soldaten. Unter ihnen zehnjährige Buben,<br />

die ihr Leben riskierten, <strong>um</strong> der LRA zu<br />

entkommen. Und heranwachsende Mädchen,<br />

ehemalige «Ehefrauen» mit <strong>ihre</strong>n Babys, geschwängert<br />

von Gruppenführern. Nach einer<br />

kurzen Pause antwortet die Klasse wie mit<br />

einer Stimme «fünf». Es folgt verhaltenes<br />

Kichern.<br />

Ausgebildet z<strong>um</strong> Töten<br />

Gut einen Monat nach Ankunft im Lager<br />

wurden 200 <strong>Kinder</strong> in zwei Gruppen aufgeteilt,<br />

<strong>um</strong> die Kampftaktiken unter allen Wetterbedingungen<br />

zu erlernen. Daisy wurde<br />

trainiert, das Lager zu verteidigen und Essen<br />

vorzubereiten. «Man lehrte uns, bei einem Angriff<br />

Kugeln auszuweichen. Wenn ein Schuss<br />

von da kommt, dann gehst du hier hin». Und<br />

sie zeigt mit <strong>ihre</strong>m schmalen Arm von links<br />

nach rechts.<br />

<strong>Kinder</strong>soldaten werden als Kämpfer ausgebildet<br />

und zu Gräueltaten gegenüber <strong>ihre</strong>n<br />

Nachbarn, Familien und Bekannten gezwungen.<br />

Dabei wird vor nichts Halt gemacht.<br />

<strong>Kinder</strong> töten <strong>Kinder</strong> – weil es die Rebellen so<br />

befehlen. <strong>Kinder</strong>soldaten werden gezielt brutalisiert,<br />

missbraucht und wie Sklaven gehalten.<br />

Sie müssen sich meistens einem grausamen<br />

Initiationsritus unterziehen; bereits wenige<br />

Tage nach <strong>ihre</strong>r Ankunft werden sie gezwungen,<br />

mit einem Stock oder einer Axt zu töten. «Wer<br />

einmal getötet hat, kann nicht mehr nach Hause<br />

zurück», erklärt ein GUSCO-Mitarbeiter die<br />

Absicht dahinter.<br />

Einige Jahre lebte Daisy im Truppenverband<br />

in Aru, in der Nähe von Juba im Süden<br />

des Sudan. Sie war für Gemüseanbau zuständig<br />

und musste die ganze Truppe bekochen. Wenn<br />

das Essen knapp wurde, schickte Kony einen<br />

Teil der Kämpfer ins Basislager im Sudan zurück,<br />

während die Verbleibenden die Lager<br />

der Dinka, einer Viehzucht betreibenden Volksgruppe,<br />

überfielen.<br />

Als Kind zur «Ehefrau» erkoren<br />

Daisy wurde nun auch zur «Frau» und<br />

musste mit verschiedenen Gruppenführern<br />

schlafen. Als sie schwanger war, wurde ihr<br />

Lager von der SPLA, der Sudanese Peoples<br />

Liberation Army, angegriffen. Es handelt sich<br />

dabei <strong>um</strong> sudanesische, von der ugandischen<br />

Armee unterstützte Rebellen. Sie zwangen<br />

Daisy und andere Mädchen zur Flucht nach<br />

Jabulen. Daisy erinnert sich, dass sie eine von<br />

rund 1000 jungen Frauen war. Jede von ihnen<br />

eine verschleppte – aus der Schule, von der<br />

Strasse, aus dem Hause der Eltern.<br />

In jüngster Zeit versuchte die ugandische<br />

Armee mit <strong>ihre</strong>r Aktion «Eiserne Faust» die<br />

LRA weiter in den Sudan zurückzudrängen.<br />

Es gelang ihr, die Kämpfer aus dem ugandischen<br />

Norden zu vertreiben. Chaos und Gewalt<br />

aber hatte eine neue Welle von LRA-<br />

Attacken zur Folge und wöchentlich 50 bis<br />

100 neue Verschleppungen von <strong>Kinder</strong>n aus<br />

den nordugandischen Distrikten Kitg<strong>um</strong>, Pader<br />

und Gulu. Viele dieser <strong>Kinder</strong> flüchteten, versteckten<br />

sich und versuchten, so den Rebellengruppen<br />

zu entkommen. Eines Tages liess<br />

Kony überraschend Frauen und <strong>Kinder</strong> frei.<br />

Daisy gehörte zu einer Gruppe von 150<br />

<strong>Kinder</strong>soldatinnen. Auf dem eine Woche<br />

dauernden Heimweg nach Uganda machte<br />

sie beim Plündern von Dörfern mit, <strong>um</strong> sich<br />

Essen zu verschaffen.<br />

Ein langer Weg zurück<br />

Daisy hat vielen <strong>Kinder</strong>soldaten etwas voraus:<br />

Ihre Familie nimmt sie wieder auf. Nach<br />

Hause kommen ist für verschleppte <strong>Kinder</strong> oft<br />

eine bittere Enttäuschung. Sie sind tra<strong>um</strong>atisiert<br />

und von den eigenen Angehörigen und<br />

Nachbarn gefürchtet. «Die Verschleppten», so<br />

ein GUSCO-Mitarbeiter, «glauben, dass der<br />

Heilige Geist aus Kony sprach. Wenn er sagte,<br />

es sei Zeit z<strong>um</strong> Töten, dann war das so. Sie<br />

waren im Glauben, das Richtige zu tun. Diese<br />

Haltung sitzt tief und es bedeutet viel Arbeit,<br />

das Muster zu durchbrechen.»<br />

UNICEF richtete eine Datenbank für die<br />

Registrierung von verschleppten <strong>Kinder</strong> ein.<br />

Zudem tat die Organisation alles, <strong>um</strong> den Einsatz<br />

von <strong>Kinder</strong>soldaten zu stoppen. Im letzten<br />

Jahr führte UNICEF Workshops für ugandische<br />

Armeeangehörige z<strong>um</strong> Thema <strong>Kinder</strong>rechte<br />

durch. Sie schärfte damit das Bewusstsein,<br />

dass jedes Kind das Recht auf den grösstmöglichen<br />

Schutz hat. Erste Erfolge sind sichtbar:<br />

Früher wurden geflüchtete LRA-<strong>Kinder</strong>soldaten<br />

Monate lang inhaftiert, bevor sie Auffangzentren<br />

übergeben wurden. Heute werden<br />

sie wenige Tage nach <strong>ihre</strong>m Aufgreifen freigelassen<br />

und an die Auffangheime für ehemalige<br />

<strong>Kinder</strong>soldaten abgegeben.<br />

Daisy und Calvin wurden nach <strong>ihre</strong>r Ankunft<br />

im GUSCO medizinisch betreut, sie erhielten<br />

Kleider, Unterkunft und Verpflegung.<br />

Das von UNICEF erhaltene Geschirr und die<br />

Decken werden sie mitnehmen, sobald sie<br />

nach Hause fahren können. Daisy wird von<br />

freiwilligen Beratern individuell und in Gruppen<br />

psychologisch betreut. Die Ausbildung der<br />

Leute geschah durch UNICEF. Sie kümmern<br />

sich auch <strong>um</strong> das soziale Netz, <strong>um</strong> die Rückkehr<br />

zur Familie und die Begleitung der Reintegration.<br />

Daisy freut sich am meisten<br />

darüber, dass sie nach Jahren wieder in die<br />

Schule aufgenommen wurde.<br />

(Daisys Name wurde z<strong>um</strong> Schutz <strong>ihre</strong>r Identität geändert.)<br />

Thema<br />

13


Thema<br />

Die irakischen <strong>Kinder</strong><br />

brauchen Frieden, Sicherheit<br />

und Schulbildung<br />

Irak braucht den Frieden, <strong>um</strong> die Zukunft zu sichern. Für die<br />

über 12 Millionen <strong>Kinder</strong> ist das vordringlichste Ziel, Schutz und Entwicklung zu<br />

fördern, indem ihnen der Zugang zu einer ausgewogenen Ernährung, zur Gesund-<br />

heitsversorgung und Schulbildung sichergestellt wird.<br />

Im Irak sind über 12 Millionen <strong>Kinder</strong> einer ungewissen<br />

Zukunft ausgesetzt. Unsicherheit, Leid und Not, Bombenhagel<br />

und Ideologien prägten <strong>ihre</strong>n Alltag. Doch <strong>Kinder</strong><br />

haben keine politische Agenda. Sie sind keine Feinde und<br />

sie tragen keine Verantwortung für die Handlungen der Erwachsenen.<br />

Gleichwohl leiden sie am meisten. Ihnen mangelt<br />

es an sauberem Wasser, sie sind betroffen von einer ungenügenden<br />

Gesundheitsversorgung, sie sterben an einfachen<br />

Krankheiten wie Durchfall und Masern, sie haben<br />

14 Magazin 1⁄2003<br />

Hunger – ihr normaler Alltag ist ausgesetzt. Dafür sind sie<br />

konfrontiert mit dem Verlust von Familienangehörigen und<br />

der Angst, das Gewohnte zu verlieren.<br />

UNICEF unternimmt alles, <strong>um</strong> möglichst vielen <strong>Kinder</strong>n<br />

Schutz und Entwicklung zu sichern. In den vergangenen<br />

Wochen hat UNICEF grosse Mengen Medikamente, Zusatznahrung,<br />

Materialien zur Wasseraufbereitung und andere<br />

Hilfsgüter zur Versorgung von <strong>Kinder</strong>n und schwangeren<br />

Frauen an Familien und Heime verteilt. Zudem wurden an<br />

FOTO UNICEF<br />

Helfen Sie UNICEF helfen<br />

und unterstützen Sie die Aktion<br />

«Lifeline Irak»<br />

Mit Fr.1.50 pro Tag (bzw. 45 Franken monatlich)<br />

während vier Monaten ermöglichen Sie<br />

UNICEF die Lieferung von überlebenswichtigen<br />

Hilfsgütern und Medikamenten. Zudem sichern<br />

Sie den Schulunterricht, die Aufklärung über<br />

Minen und die Betreuung von kriegstra<strong>um</strong>atisierten<br />

<strong>Kinder</strong>n. Sie erhalten im Herbst 2003 einen<br />

Bericht über die Verwendung Ihrer Gelder.<br />

Helfen Sie als Orange Kunde mit einer<br />

SMS Spende und unterstützen Sie die Aktion<br />

«Kleiner Beitrag grosse Wirkung» für die <strong>Kinder</strong><br />

im Irak. Schicken Sie ein SMS mit dem Keyword<br />

IRAK an die N<strong>um</strong>mer 86 42 33 (entspricht dem<br />

Wort «UNICEF» auf Ihrer Handy-Tastatur). Jedes<br />

SMS löst eine Spende von 2 Franken aus<br />

und wird Ihrer nächsten Telefonrechnung belastet<br />

oder Ihrem Prepay Guthaben abgezogen. Der<br />

Betrag fliesst ohne Abzug an UNICEF, denn<br />

Orange stellt UNICEF die Plattform kostenlos zur<br />

Verfügung und übernimmt die normale SMS<br />

Gebühr von 15 bzw. 25 Rappen.<br />

Herzlichen Dank.<br />

über 400000 mangelernährte <strong>Kinder</strong> hochproteinhaltige<br />

Kekse und therapeutische Zusatznahrung abgegeben. Ferner<br />

konnten 4,2 Millionen <strong>Kinder</strong> gegen Polio und 500000 gegen<br />

Masern geimpft werden.<br />

Mehr als 200 UNICEF Mitarbeitende stehen im Einsatz<br />

vor Ort. Unter schwierigsten Bedingungen brachten sie 1,5<br />

Millionen Liter Wasser von Kuwait in den Süden Iraks. Bestimmt<br />

für verschiedene Krankenhäuser und <strong>Kinder</strong>heime<br />

brachten sie so Linderung in der Not. Von der türkischen<br />

Grenze transportierten sie wichtige Hilfsgüter in den abgelegenen<br />

Norden: Decken, Seifen, Medikamente und hochproteinhaltige<br />

Zusatznahrung.<br />

UNICEF ist seit 1952 im Irak aktiv. Die Organisation<br />

kennt die schwierigen politischen Verhältnisse, ist erfahren<br />

und verfügt über eine lange Beziehung zur Bevölkerung.<br />

Das <strong>Kinder</strong>hilfswerk der Vereinten Nationen hat bewiesen,<br />

dass es auch unter erschwerten Bedingungen Fortschritte<br />

erzielen kann: Während des Irak/Iran-Konflikts und des<br />

Golfkrieges schützte es die <strong>Kinder</strong> und half unermüdlich in<br />

der Nachkriegszeit. Es war auch UNICEF, die auf die fatalen<br />

Auswirkungen der internationalen Sanktionen aufmerksam<br />

machte und auf die Einführung des Programms Oil for<br />

Food drängte.<br />

Über 50 Prozent der 24,5 Millionen Irakis sind jünger<br />

als 18 Jahre; sie werden das Land aufbauen und den Weg in<br />

eine gewaltfreie Gesellschaft finden müssen ohne Hass<br />

schürende Ideologien. Damit es gelingen kann, müssen sie<br />

die schrecklichen Kriegserlebnisse verarbeiten können und<br />

einen guten Schulunterricht erhalten.<br />

Helfen Sie den <strong>Kinder</strong>n und unterstützen<br />

Sie die Anstrengungen von UNICEF im Irak.<br />

Postkonto Spenden: 80-7211-9<br />

Vermerk «Lifeline Irak»<br />

Was tut UNICEF<br />

UNICEF fördert die Gesundheit, indem sie<br />

die <strong>Kinder</strong> gegen Masern und Polio impft. Damit<br />

werden sie weniger anfällig für Epidemien.<br />

UNICEF sichert die Ernährung, indem sie<br />

den von Hunger betroffenen <strong>Kinder</strong>n hochproteinhaltige<br />

Kekse verabreicht und schwangeren<br />

Frauen, <strong>Kinder</strong>heimen und Familien Nahrungsmittel<br />

zur Verfügung stellt.<br />

UNICEF hilft bei der Wasserversorgung,<br />

indem sie sauberes Trinkwasser für 600 000<br />

Menschen sicherstellt.<br />

UNICEF sichert den Schulunterricht, indem<br />

das <strong>Kinder</strong>hilfswerk Schul- und Lernmaterialien<br />

für die Notbeschulung von 100 000 Mädchen<br />

und Buben organisiert. Hinzu kommen 225<br />

Grosszelte, die in Dörfern und Städten schnell<br />

für den Unterricht einsatzbereit sind. Damit kehrt<br />

der Alltag für die <strong>Kinder</strong> ein: die wichtigste<br />

Voraussetzung für die Heilung der seelischen<br />

Wunden und den Aufbau von Vertrauen und<br />

Hoffnung.<br />

Thema<br />

15


FOTO UNICEF / GIACOMO PIROZZI<br />

UNICEF- <strong>Kinder</strong> in Bolivien<br />

Wawa Uta –<br />

ein Haus<br />

für <strong>Kinder</strong><br />

In den östlichen Kordilleren,<br />

oberhalb Cochabamba, liegt<br />

der Verwaltungsbezirk von Tapacari. Das<br />

Gebiet war früher überwachsen von weiten<br />

grünen Wäldern. Doch diese wurden vor<br />

vielen Jahren abgeholzt; zurück blieb ein<br />

unwirtliches Land.<br />

In dünner Luft, beissender Kälte, abgelegen und schwer<br />

zugänglich leben die Nachfahren der mächtigen Inkas, die<br />

Quechua und Aimari. Ihre Dörfer liegen verstreut an den<br />

Hängen, weit ab von einem Zentr<strong>um</strong>. Armut und Entbehrungen<br />

prägen den immer gleichen Alltag. Leben hinein<br />

bringt Sonja Machiando Gonzales. Sonja ist für 18 Wawa<br />

Utas – die von UNICEF unterstützten <strong>Kinder</strong>häuser – zu-<br />

Ein kleiner Garten für jedes Wawa Uta.<br />

ständig. Täglich verbringen über 400 <strong>Kinder</strong> zwischen<br />

zwei und sechs Jahren gemeinsam <strong>ihre</strong>n Tag. Sie werden<br />

betreut, verpflegt und gefördert: Spielen und Lernen sind<br />

die Schlüsselwörter der Wawa Utas. Eine ausgewogene,<br />

warme Mahlzeit, Impfungen und Hygiene sind weitere<br />

Aspekte des erfolgreichen Projekts.<br />

16 Magazin 1 ⁄2003<br />

Hilfe zur Selbsthilfe<br />

Sonja Machiando Gonzales besucht <strong>ihre</strong> Schützlinge<br />

regelmässig. Dafür nimmt sie Wegzeiten von mehreren<br />

Stunden in Kauf. Ihr Arbeitstag beginnt in der Nacht, nur<br />

so kann sie die Dörfer bei Sonnenaufgang erreichen. Denn<br />

vor Ort leitet sie die Aus- und Weiterbildung der Erzieher,<br />

kontrolliert die Fortschritte der <strong>Kinder</strong>, hilft aus, bringt<br />

Schulmaterial, diskutiert mit den Dorfbewohnern und<br />

scheut sich nicht, auf dem lokalen Markt neue Zahnbürsten<br />

für die Buben und Mädchen einzukaufen.<br />

Die Wawa Utas sind nicht mehr aus den Dörfern von<br />

Tapacari wegzudenken. Die gesamte Bevölkerung nimmt<br />

daran Anteil. So wechseln sich die Familien jeden Tag mit<br />

der Zubereitung der Mahlzeiten für die <strong>Kinder</strong> ab, die<br />

Männer halten Dorfrat im Wawa Uta und die Mütter gehen<br />

in die Alphabetisierungskurse. Vor dem <strong>Kinder</strong>haus ist ein<br />

Dorfplatz entstanden. Er ist heute Treffpunkt für alle.<br />

FOTOS UNICEF<br />

Ein kleines Gewächshaus für jedes<br />

Wawa Uta<br />

2003 möchte UNICEF Bolivien den Wawa Utas von<br />

Tapacari kleine Gewächshäuser zur Verfügung stellen.<br />

Salat- und Gemüseanbau ist das Ziel. Denn gesunde <strong>Kinder</strong><br />

brauchen Vitamine und Mineralstoffe. Heute liegt die<br />

Lebenserwartung der Neugeborenen bei 40 Jahren. UNICEF<br />

Schweiz hat sich verpflichtet, die Kosten dafür zu übernehmen<br />

und für die Finanzierung von weiteren Wawa Utas<br />

in anderen Verwaltungsbezirken zu sorgen.<br />

Einem Projekt die Treue halten<br />

UNICEF Schweiz sucht Patinnen und Paten, die bereit<br />

sind, sich in den nächsten vier Jahren mit 1 Franken pro Tag<br />

bzw. 360 Franken im Jahr zu engagieren. Damit ermöglichen<br />

Sie ein Programm mit Aussicht auf Erfolg.<br />

<strong>Kinder</strong> in Bolivien<br />

Wawa Uta – das Leben wird anders<br />

<strong>Kinder</strong>betreuung gekoppelt mit Entwicklung ist<br />

das Ziel der Wawa Utas. Die Förderung, Entwicklung<br />

und der Schutz der Klein- und Vorschulkinder<br />

stehen dabei im Zentr<strong>um</strong> aller Bemühungen.<br />

Darüber hinaus beinhaltet das Programm<br />

die folgenden Projektteile:<br />

– Zugang zu Wasser und sanitären<br />

Installationen<br />

– Zugang zu Basisgesundheitsdiensten<br />

– Impfungen<br />

– Alphabetisierung der Erwachsenen<br />

– Bilingualer Unterricht für die <strong>Kinder</strong><br />

17


<strong>Kinder</strong>n eine Stimme geben<br />

<strong>Kinder</strong> wollen mitreden<br />

Bei Schweizer <strong>Kinder</strong>n bestehen grosse Unterschiede, wenn es <strong>um</strong>s Teilnehmen<br />

und Teilhaben, kurz: <strong>um</strong> Partizipation zu Hause, in der Schule und in der eigenen<br />

Gemeinde geht. <strong>Kinder</strong> wollen, können aber nicht überall partizipieren. Das ist das<br />

Ergebnis einer von UNICEF Schweiz in Auftrag gegebenen repräsentativen Befragung<br />

von 12872 Schülerinnen und Schülern im Alter von 9 bis 16 Jahren in allen<br />

Sprachregionen über <strong>ihre</strong> Partizipationsmöglichkeiten in Familie, Schule und Gemeinde.<br />

Für eine schweizerische <strong>Kinder</strong>politik sind vor allem Kantone und Gemeinden gefordert.<br />

Schweizer <strong>Kinder</strong> und Jugendliche sind in <strong>ihre</strong>r Freizeit sehr aktiv:<br />

60 Prozent der befragten <strong>Kinder</strong> und Jugendlichen sind beispielsweise<br />

in einem Sportverein.<br />

Die UNICEF-Studie unter der wissenschaftlichen Leitung<br />

des Pädagogischen Instituts der Universität Zürich zeigt,<br />

dass Schweizer <strong>Kinder</strong> und Jugendliche ein Interesse daran<br />

haben, <strong>ihre</strong> Meinung in allen Angelegenheiten, die sie betreffen,<br />

zu äussern. Die 12872 <strong>Kinder</strong> und Jugendliche, die<br />

befragt worden sind, haben Ideen z<strong>um</strong> Mitdenken, Mitreden<br />

und Mitbestimmen. Sie engagieren sich für die Rechte der<br />

18 Magazin 1 ⁄2003<br />

<strong>Kinder</strong> in der Schweiz und sie interessieren sich für die<br />

Entwicklung des Gemeinwesens. Allerdings zeigt sich<br />

auch, dass die Partizipationsmöglichkeiten – aus Sicht der<br />

<strong>Kinder</strong> und Jugendlichen – nur in der Familie gross sind<br />

(48 Prozent), in der Schule (39 Prozent) aber bereits geringer<br />

ausfallen und in der Gemeinde (7 Prozent) praktisch inexistent<br />

sind.<br />

<strong>Kinder</strong> ab zwölf Jahren werden zu Hause<br />

stärker einbezogen<br />

Die Partizipationsmöglichkeiten nehmen in der Familie<br />

parallel z<strong>um</strong> Alter zu: Erst ab zwölf Jahren fühlen sich die<br />

<strong>Kinder</strong> zu Hause stärker einbezogen. Aber auch in diesem<br />

Alter sind die Mitsprachemöglichkeiten aus Sicht der <strong>Kinder</strong><br />

sehr unterschiedlich. In Bereichen, die schwergewichtig<br />

nur sie selber betreffen, wird ihnen ein hohes Mass an Mitspracherechten<br />

(zwischen 50 und 80 Prozent) gewährt: Wie<br />

sie ihr Zimmer gestalten, wann sie Freunde einladen, wie<br />

sie sich kleiden oder wofür sie ihr Taschengeld ausgeben.<br />

Sobald aber Interessensphären der Erwachsenen tangiert<br />

sind, fühlen sich die <strong>Kinder</strong> in <strong>ihre</strong>n Partizipationsmöglichkeiten<br />

eingeschränkt, etwa bei der Festlegung der Ferienziele<br />

(33 Prozent), den Essenszeiten (31 Prozent) oder der<br />

Frage nach Haustieren (34 Prozent).<br />

Mitentscheiden – aber nicht überall<br />

Das Ausmass der Partizipation im Schul<strong>um</strong>feld liegt<br />

unabhängig von Alter und Schultypus bei rund 39 Prozent.<br />

Bei der Gestaltung <strong>ihre</strong>s Klassenzimmers sehen die <strong>Kinder</strong><br />

und Jugendlichen noch am ehesten Partizipationsmöglichkeiten.<br />

Erstaunlicherweise können jedoch nur 30 Prozent<br />

FOTOS UNICEF / PIA ZANETTI<br />

12 872 <strong>Kinder</strong> und Jugendliche haben im Rahmen der UNICEF-<strong>Kinder</strong>befragung gesagt, wo sie mehr mitbestimmen möchten.<br />

<strong>ihre</strong>n Schulhof mitgestalten. Auf die Notengebung – so die<br />

<strong>Kinder</strong> und Jugendlichen – haben nur 16 Prozent Einfluss,<br />

auf die Unterrichtsgestaltung 38 Prozent. Hier bestätigt<br />

sich, dass die Partizipationsmöglichkeiten in Bereichen<br />

abnehmen, wenn sie die Interessen von Erwachsenen tangieren<br />

oder die Entscheidungsprozesse komplexer sind.<br />

In der Wohngemeinde und allgemein in der Öffentlichkeit<br />

konnten trotz grossem Interesse nur 7 Prozent der Befragten<br />

Partizipationserfahrungen sammeln. Jüngere <strong>Kinder</strong><br />

sagen von sich, dass sie eher Gelegenheit dazu haben, sich<br />

in der Öffentlichkeit zu engagieren (10 Prozent). Mit zunehmendem<br />

Alter sinken <strong>ihre</strong> Möglichkeiten jedoch auf<br />

6 Prozent. <strong>Kinder</strong> und Jugendliche fühlen sich bei Planungsund<br />

Entscheidungsfragen im öffentlichen Ra<strong>um</strong> auch dann<br />

nicht einbezogen, wenn es <strong>um</strong> Themen geht, die sie selber<br />

betreffen. Diese Diskrepanz zwischen dem Gestaltungswillen<br />

und den tatsächlichen Möglichkeiten birgt ein hohes<br />

Mass an Enttäuschung – und tut der Nachwuchsförderung<br />

in der Kommunalpolitik keinen Gefallen.<br />

Unterschiedliche Möglichkeiten nach Region,<br />

Geschlecht und Kultur<br />

Im schulischen Umfeld zeigen sich regionale Unterschiede<br />

bei den Möglichkeiten zu partizipieren. 34 Prozent<br />

der <strong>Kinder</strong> und Jugendlichen aus dem Tessin und 30 Prozent<br />

aus der Région lémanique (GE, VD, VS) können aus <strong>ihre</strong>r<br />

Sicht mitbestimmen. In der Deutschschweiz liegt dieser<br />

Wert über 40 Prozent. In der Familie und in der Gemeinde<br />

hingegen sind ka<strong>um</strong> regionale Unterschiede festzustellen.<br />

Im öffentlichen Ra<strong>um</strong> sind die Mitwirkungsmöglichkeiten<br />

je nach Geschlecht unterschiedlich: Die Jungen<br />

weisen mit durchschnittlich 8 Prozent höhere Werte auf als<br />

die Mädchen mit 6 Prozent. Obwohl der Unterschied klein<br />

ist, stimmen die Werte mit dem traditionellen Rollenbild<br />

überein, nach dem sich Mädchen und Frauen eher im häuslichen<br />

Umfeld betätigen, Jungen und Männer dagegen eher<br />

in der Öffentlichkeit.<br />

Überraschend war das Ergebnis jedoch bei den kulturellen<br />

Unterschieden: <strong>Kinder</strong> und Jugendliche, die nicht in<br />

19


<strong>Kinder</strong>n eine Stimme geben<br />

der Schweiz geboren sind, sehen im öffentlichen Leben<br />

deutlich mehr Partizipationsmöglichkeiten (9 Prozent) als<br />

<strong>ihre</strong> in der Schweiz geborenen Kolleginnen und Kollegen<br />

(6 Prozent). In den Bereichen Schule und Familie hingegen<br />

konnten keine Unterschiede festgestellt werden.<br />

Ungenügende Umsetzung der <strong>Kinder</strong>rechtskonvention<br />

Die Ergebnisse geben erstmals ein Bild über die Partizipationsmöglichkeiten<br />

aus Sicht der <strong>Kinder</strong> und Jugendlichen.<br />

Insbesondere die äusserst geringen Partizipationsmöglichkeiten<br />

im öffentlichen Leben geben zu denken. Sie<br />

auf das oft genannte Desinteresse der <strong>Kinder</strong> und Jugendlichen<br />

zurückzuführen, wäre eine Fehldeutung: <strong>Kinder</strong> und<br />

Jugendliche haben sehr wohl ein Interesse, ihr Lebens<strong>um</strong>feld<br />

ausserhalb von Familie und Schule mitzugestalten. Die<br />

Antworten der <strong>Kinder</strong> und Jugendlichen widerspiegeln indes<br />

die noch allzu geringe Bedeutung, die <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />

im öffentlichen Leben gegeben wird.<br />

Aus Sicht von UNICEF Schweiz ist dies nicht zuletzt<br />

auf eine ungenügende Umsetzung von Artikel 12 der<br />

<strong>Kinder</strong>rechtskonvention auf Gemeinde- und Kantonsebene<br />

zurückzuführen. Obschon der Bund die UN-Konvention<br />

über die Rechte des Kindes unterzeichnet hat, muss die<br />

Umsetzung von den Kantonen und Gemeinden vermehrt<br />

wahrgenommen werden, indem <strong>Kinder</strong> und Jugendliche<br />

besser in Entscheidungsprozesse mit einbezogen werden<br />

und Strukturen für <strong>Kinder</strong> und Jugendliche geschaffen<br />

werden, die Partizipation ermöglichen. Dabei kommt auch<br />

den Schulen eine hohe Bedeutung zu, z<strong>um</strong>al gerade in<br />

diesem Umfeld Partizipation konkret eingeübt werden<br />

kann. Ebenso wichtig ist schliesslich auch eine gezielte<br />

Beobachtung der Umsetzung. Eine Beobachtung der <strong>Kinder</strong>rechtssituation<br />

hat sich bis heute politisch noch nicht<br />

etabliert, ist jedoch die Voraussetzung für erfolgreiche Partizipationsprojekte<br />

für <strong>Kinder</strong> und Jugendliche.<br />

Impress<strong>um</strong><br />

Zeitschrift des<br />

Schweizerischen Komitees für<br />

UNICEF<br />

Nr. 1/2003<br />

Auflage: 16 000 Ex.<br />

Herausgeber:<br />

Schweizerisches Komitee<br />

für UNICEF<br />

Ba<strong>um</strong>ackerstrasse 24<br />

8050 Zürich<br />

20 Magazin 1 ⁄2003<br />

Leitende Redaktion:<br />

Elsbeth Müller (mue)<br />

Adelbrecht van der Zanden (zaa)<br />

Reaktionelle Mitarbeit:<br />

Alexander Rödiger (roa)<br />

Stefan Gisler (gis)<br />

Erste systematische Bestandesaufnahme<br />

Teilnehmen und Teilhaben – kurz: Partizipation – ist wesentlicher<br />

Bestandteil der UN-Konvention über die Rechte<br />

des Kindes (Artikel 12), welche die Schweiz 1997 ratifiziert<br />

hat. Im Rahmen der UNICEF-Studie über Partizipation<br />

haben nun 12872 <strong>Kinder</strong> und Jugendliche zwischen<br />

9 und 16 Jahren aus der ganzen Schweiz Stellung genommen:<br />

Was wünschen sich die <strong>Kinder</strong> und Jugendlichen<br />

der Schweiz? Wo möchten sie gerne mehr mitbestimmen?<br />

Mit der UNICEF-Studie liegen erstmals repräsentative<br />

Ergebnisse über die Partizipationsmöglichkeiten von <strong>Kinder</strong>n<br />

und Jugendlichen auf gesamtschweizerischer Ebene<br />

vor. Damit kommt ihr grosse Bedeutung zu, fehlten in der<br />

Schweiz doch systematische Bestandesaufnahmen bezüglich<br />

der Bedürfnisse und Wünsche von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />

bis anhin gänzlich.<br />

Die UNICEF-Studie über die Partizipationsmöglichkeiten<br />

von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen wurde mitgetragen<br />

von ATD Vierte Welt, <strong>Kinder</strong>schutz Schweiz, Pro Familia<br />

Schweiz und der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der<br />

Jugendverbände und stand unter der wissenschaftlichen<br />

Leitung von Prof. Dr. Reinhard Fatke sowie lic. phil.<br />

Matthias Niklowitz vom Pädagogischen Institut der Universität<br />

Zürich.<br />

Weitere Informationen bei:<br />

Alexander Rödiger, Leiter Kommunikation,<br />

UNICEF Schweiz,<br />

Tel. 01 317 22 66, Mobile: 076 566 58 93<br />

E-Mail: a.roediger@unicef.ch<br />

Der vollständige Bericht ist erhältlich bei:<br />

UNICEF Schweiz,<br />

Tel. 01 317 22 66<br />

E-Mail: info@unicef.ch<br />

oder unter www.unicef.ch<br />

Gestaltung, Layout, Satz:<br />

Scherer Kleiber Creative Direction<br />

AG, Zürich<br />

Druck: Photolitho AG, Gossau-Zürich<br />

Redaktionsschluss 2/2003:<br />

25. 6. 2003<br />

Bezugsadresse:<br />

Schweizerisches Komitee<br />

für UNICEF<br />

Ba<strong>um</strong>ackerstrasse 24<br />

8050 Zürich<br />

Telefon +41 (0)1 317 22 66<br />

Telefax +41 (0)1 317 22 77<br />

E-Mail: info@unicef.ch<br />

www.unicef.ch<br />

FOTOS: DÖLF REIST<br />

Mutter und <strong>Kinder</strong> hüten Schafe. Eine befreundete Familie von Dölf Reist in Theben, Ägypten.<br />

<strong>Kinder</strong> reisen <strong>um</strong> die Welt<br />

Dölf Reist im Schweizerischen<br />

Alpinen Muse<strong>um</strong><br />

Einblicke in die Lebensbereiche von <strong>Kinder</strong>n ver-<br />

schiedener Kontinente, verbunden mit spielerischen Elementen – das<br />

bot die Ausstellung unter dem Titel «<strong>Kinder</strong> reisen <strong>um</strong> die Welt» mit<br />

einer Auswahl von Dölf Reists Fotografien.<br />

Wie leben die <strong>Kinder</strong> in Nepal? Wie sieht der<br />

Alltag von <strong>Kinder</strong>n in Ecuador aus? Vor den<br />

Fotografien von Dölf Reist erlebten die kleinen<br />

und grossen Muse<strong>um</strong>sbesucher schauend und<br />

spielend eine Reise <strong>um</strong> die Welt. Die Fotoausstellung<br />

«<strong>Kinder</strong> reisen <strong>um</strong> die Welt», dauerte<br />

vom 6. März bis z<strong>um</strong> 9. Juni und war im<br />

Schweizerischen Alpinen Muse<strong>um</strong> in Bern zu<br />

sehen. Mehr als Zehntausend Besucher verzeichnete<br />

das Muse<strong>um</strong> in dieser Zeit. Ein Erfolg,<br />

der die grosse Bekanntheit von Dölf Reist<br />

über seinen Tod hinaus unterstreicht und die<br />

Anerkennung für sein <strong>um</strong>fassendes Werk ist.<br />

Dölf Reist – begnadeter Bergsteiger<br />

und Fotograf<br />

Dölf Reist gilt als einer der wichtigsten und<br />

markantesten fotografierenden Bergsteiger<br />

oder bergsteigenden Fotografen, der die Entwicklung<br />

vom Expeditionsalpinismus der<br />

50er Jahre bis z<strong>um</strong> modernen Alpinismus der<br />

Gegenwart dok<strong>um</strong>entierte. Ab Mitte der<br />

1970er Jahre bereiste er rastlos und intensiv<br />

über 30 Länder, einige davon insgesamt über<br />

zwanzig Mal.<br />

Dölf Reist, der die Berggebiete von sechs<br />

Kontinenten besucht hat, dok<strong>um</strong>entierte mit<br />

seinen Fotografien ein vielseitiges Bild der<br />

Landschaft und der darin lebenden Menschen.<br />

Vor allem seine Aufnahmen von <strong>Kinder</strong>n in <strong>ihre</strong>m<br />

Lebens<strong>um</strong>feld bezeugen seine Fähigkeit,<br />

mit ihnen eine Vertrautheit aufzubauen. Nicht<br />

nur die Gesichter der Berge faszinierten ihn,<br />

sondern auch die ungleich fragileren Gesichter<br />

der Menschen, vor allem diejenigen der<br />

<strong>Kinder</strong>, denen er unterwegs begegnete. Nach<br />

seinem Tod im Jahr 2000 hat Dölf Reist einen<br />

Nachlass von rund 70000 Bildern hinterlassen,<br />

der heute im Besitz des Schweizerischen<br />

Alpinen Muse<strong>um</strong> in Bern ist. roa<br />

Schaukelnde <strong>Kinder</strong> in<br />

Bhaktapur, Nepal<br />

Events<br />

21


Live for UNICEF<br />

Cecilia Bartoli<br />

«live» für UNICEF<br />

22 Magazin 1 ⁄2003<br />

Cecilia Bartoli begeisterte am Benefizkonzert<br />

zu Gunsten von UNICEF mit Arien von Mozart, Bellini und Rossini.<br />

Der Reinerlös von über 150 000 Franken fliesst in die UNICEF-<br />

Programme im Kampf gegen Mädchenbeschneidung.<br />

Wo immer Cecilia Bartoli auftritt, füllt sie die Säle. So auch am 19. Februar 2003 im Luzerner<br />

Kultur- und Kongresszentr<strong>um</strong>. Aus der ganzen Schweiz, aus Italien, Österreich und Deutschland<br />

reisten die Gäste an, <strong>um</strong> einem Abend der Superlative beizuwohnen. Der Konzertsaal war bis auf<br />

den letzten Platz besetzt, als Cecilia Bartoli auf die Bühne trat. Mit der Mozart Arie «Chi sà, chi sà,<br />

qual sia» erhob sie <strong>ihre</strong> herrliche Stimme und mit <strong>ihre</strong>r selbstbewussten, unverkrampften und<br />

herzlichen Art gewann sie die Sympathien der Konzertbesucher im Nu. Begleitet von der Österreich-Ungarischen<br />

Haydn-Philharmonie unter der Leitung von Adam Fischer wurde der Abend zu<br />

einer Sternstunde der Musik.<br />

Eine spontane Zusage machte einen Abend z<strong>um</strong> unvergesslichen Ereignis<br />

Cecilia Bartoli und Adam Fischer sagten spontan für den Benefizabend zu Gunsten der UNICEF-<br />

Programme gegen Mädchenbeschneidung zu. Der Dirigent Daniel Barenboim hatte die Sopranistin<br />

auf die Problematik aufmerksam gemacht. Und Adam Fischer als Präsidi<strong>um</strong>smitglied des<br />

Ungarischen Helsinki Komitees, welches sich u. a. für die Flüchtlingskinder aus Osteuropa einsetzt,<br />

tat alles, <strong>um</strong> den Abend unvergesslich zu machen.<br />

Über 150 000 Franken für den Kampf gegen Mädchenbeschneidung<br />

Der Reinerlös von über 150 000 Franken fliesst in die Projekte gegen Mädchenbeschneidung<br />

in Burkina Faso. UNICEF Schweiz finanziert seit über vier Jahren die dortigen Programme. In<br />

den ersten Jahren ging es vor allem <strong>um</strong> die Sensibilisierung der Bevölkerung. Zusammen mit<br />

lokalen Radio- und Fernsehstationen, mit Broschüren und Marionettentheatern wurden Frauen<br />

und Männer über die Folgen der Mädchenbeschneidung informiert. UNICEF setzte dabei auf die<br />

lokale Bevölkerung: Dorfälteste, Religionsführer, lokale Frauenkomitees. In diesem Jahr soll eine<br />

Informationsbroschüre für leseungewohnte Frauen entstehen, übersetzt in die verschiedenen<br />

Nationalsprachen. Zudem wird die Weiterbildung von Autoritätspersonen und Trägern des gesellschaftlichen<br />

Wandels intensiviert. Weiter wird die Umschulung von ehemaligen Beschneiderinnen<br />

vorangetrieben.<br />

Alle 15 Sekunden wird ein Mädchen beschnitten<br />

UNICEF hat sich z<strong>um</strong> Ziel gesetzt, Mädchenbeschneidung innerhalb von drei Generationen<br />

abzuschaffen. Ein langer Weg, denn weltweit sind 130 Millionen Frauen beschnitten und erleidet<br />

alle 15 Sekunden ein kleines Mädchen das gleiche Schicksal. Ohne jegliche Betäubung und<br />

vielfach unter unhygienischen Bedingungen ausgeführt, zieht die Beschneidung Infektionen nach<br />

sich, die für viele Mädchen tödlich enden. Doch selbst wenn die Mädchen die Beschneidung<br />

FOTOS: RDB / CASH / STUDHALTER ESTHER U. THOMAS<br />

lebend überstehen, sind sie gezeichnet fürs Leben. Schmerzen beim Harnlassen und bei der<br />

Menstruation, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr und wiederkehrende Infektionen sind übliche<br />

Komplikationen. Besonders gefährlich jedoch sind auf Grund des erlittenen Blutverlustes die<br />

Risiken bei Geburten. UNICEF schätzt, dass die Hälfte aller geburtsbedingten Todesfälle bei<br />

Frauen in den betroffenen afrikanischen Ländern darauf zurückzuführen ist.<br />

Mädchenbeschneidung ist eine Menschenrechtsverletzung<br />

Sie wird von keiner Religion verlangt. Und sie wird an wehrlosen Opfern vorgenommen, die<br />

keinen Einfluss auf die folgenschwere Entscheidung haben. Der Kampf gegen Mädchenbeschneidung<br />

ist delikat und verlangt neben Einfühlungsvermögen und Wissen über Kultur und<br />

Tradition eines: Geduld. Deshalb setzt UNICEF neben Programmen für die betroffenen Mädchen<br />

auf Aufklärung und Information.<br />

Eine Botschafterin für die Mädchen<br />

Mit «Giusto ciel, in tal periglio» aus Maometo II, Annas Gebet, 1. Akt, lieh Cecilia Bartoli den<br />

Mädchen in besonderer Weise <strong>ihre</strong> Stimme. Zwischen ihr, dem Orchester und dem Publik<strong>um</strong> entwickelte<br />

sich eine herzliche und liebenswürdige Stimmung. Das Publik<strong>um</strong> dankte ihr mit warmherziger<br />

Begeisterung und einer lang anhaltenden Standing Ovation.<br />

Doch mit dem Konzert war der Abend noch lange nicht vorbei. Fröhlich erschien Cecilia<br />

Bartoli z<strong>um</strong> Aprés Concert mit Konzertbesuchern, Freunden und Bekannten. Eine Diva z<strong>um</strong><br />

Anfassen und im Einsatz für die Mädchen meinte sie zu den Anwesenden: «Jeder Beitrag ist<br />

UNICEF willkommen.»<br />

Live for UNICEF<br />

Helfen hilft<br />

Ich unterstütze die UNICEF-Programme im Kampf gegen Mädchenbeschneidung und übernehme<br />

für einen Franken pro Tag bzw. 360 Franken pro Jahr die Projektpatenschaft «Wüstenbl<strong>um</strong>e».<br />

Senden Sie mir Unterlagen.<br />

Dat<strong>um</strong>: Unterschrift:<br />

Frau Herr Familie<br />

Name Vorname<br />

Strasse/Nr.<br />

PLZ/Ort<br />

Telefon-Nr. E-Mail<br />

Bitte senden oder faxen an: UNICEF Schweiz, Ba<strong>um</strong>ackerstrasse 24, 8050 Zürich, Fax: +41 (0)1 317 22 77<br />


XXX<br />

Manche <strong>Kinder</strong> erblicken nie das Licht der Welt. Weil sie Mädchen sind. Manche<br />

<strong>Kinder</strong> bekommen vom wenigen ka<strong>um</strong> etwas zu essen. Weil sie Mädchen sind. Manche<br />

<strong>Kinder</strong> dürfen nie zur Schule. Weil sie Mädchen sind. Und manche <strong>Kinder</strong> werden<br />

grausam verstümmelt. Auch das, weil sie Mädchen sind. UNICEF UNTERSTÜTZT<br />

<strong>Kinder</strong>, insbesondere MÄDCHEN. Denn ohne die Frauen von morgen ist eine<br />

bessere Zukunft nicht zu schaffen.<br />

www.unicef.ch, Postkonto Spenden: 80-7211-9<br />

Für die <strong>Kinder</strong> der Welt.

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