Das Faustpfand
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konnten. Wir mussten arbeiten. Neujahr und Jom Kippur,<br />
notiert der Bub am 1. Oktober 1944. Seine Gedanken<br />
kreisen vor allem um das Essen, besser gesagt<br />
um die mangelhafte Ernährung, um den Hunger<br />
und um die besonders für ein Kind mehr als beschwerliche<br />
Zwangsarbeit. Unter dem 30. August<br />
1944 notiert er: Ich habe an der Dreschmaschine gearbeitet.<br />
Der Wind wehte und es gab furchtbaren Staub. Am<br />
7. Oktober 1944 schreibt das versklavte Schulkind in<br />
sein Heft: Heute ist mein 14. Geburtstag. Ziemlich traurig.<br />
Die Kinder haben aus Wiesenblumen einen kleinen<br />
Strauß gebunden und mir damit gratuliert. Es hat mir<br />
sehr wohl getan, dass sie nicht auf mich vergessen haben.<br />
Die monatliche Zucker- und Marmeladeration ist schon<br />
aus. Am 26. Oktober 1944 wird der kleinen, ungarisch-jüdischen<br />
Zwangsarbeitergruppe etwas befohlen,<br />
das György Stroch so trifft, dass er dies erst 5<br />
Tage später niederschreiben kann und von Deutsch<br />
auf Ungarisch wechselt: Über Anordnung des Herrn<br />
Ingenieurs müssen wir sofort in den Kuhstall übersiedeln.<br />
An unserer Stelle kommen ungarische Flüchtlinge. Wir<br />
sind in den Stall hinuntergegangen. <strong>Das</strong> war wirklich ein<br />
schlechter Platz. Voll von Mist. Die Kühe haben gemuht<br />
und die Jauche floss unter uns. Um uns herum liefen einen<br />
halben Meter lange Ratten. Es war wirklich furchtbar.<br />
Der Schock sitzt so tief, dass der 14-Jährige nie<br />
wieder eine Zeile auf Deutsch schreiben wird. Über<br />
die Bevorzugung der ungarischen Neuankömmlinge<br />
verliert er in seinem Schulheft kein Wort, der<br />
Judenhass in der Ostmark scheint ihm wohl zu all-<br />
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