Das Faustpfand
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Unter dem Datum 26. Juni 1944 notiert der sechzigjährige<br />
Handelsvertreter József Bihari aus der ungarischen<br />
Stadt Szolnok in einen Taschenkalender: Wir<br />
sind zu Fuß mit unserem Gepäck in fürchterlicher Hitze<br />
15 Kilometer weit nach Debrecen marschiert, wo alle entkleidet<br />
wurden, das heißt, es wurde uns alles weggenommen.<br />
Noch am selben Abend wurden wir einwaggoniert.<br />
Es war furchtbar. 88 in einem 15-Tonnen-Waggon, nur<br />
mit Handgepäck. Unendlich viel haben wir an Hitze und<br />
Wassermangel gelitten. Ich habe von einer Fischkonserve<br />
eine Vergiftung bekommen. Auf dem Weg haben wir gehört,<br />
dass Szolnok schon weggekommen ist. Wir sind in<br />
der größten Verzweiflung, ob wir uns jemals treffen werden.<br />
Es war furchtbar, es war furchtbar. Endlich (29. Juni)<br />
heute Mittag um ein Uhr sind wir angekommen. Man hat<br />
uns in Strasshof bei Wien auswaggoniert. Die Hälfte von<br />
Szolnok war hier, die andere Hälfte ist noch nicht angekommen.<br />
Meine Rózsi ist nicht da. József Bihari hatte<br />
sich gerade auf einer Reise befunden, als er in die<br />
Mühlen von Eichmanns Vernichtungsmaschinerie<br />
geraten ist. Die Trennung von seiner Frau Rózsi, die<br />
offenbar von beider Wohnort Szolnok deportiert<br />
worden ist, wird ihm noch schwer zu schaffen machen.<br />
Auch die neuen Lebensumstände in der Sklaverei<br />
sind für einen älteren Menschen wohl nicht<br />
leicht zu verkraften: Heute, am 30. Juni, hat man uns<br />
desinfiziert. Die Nacht haben wir unter freiem Himmel<br />
verbracht. Ein furchtbarer Platz. <strong>Das</strong> Essen ist ungenießbar.<br />
Heute Nacht (1. Juli) habe ich unter einem Dach geschlafen.<br />
Nachmittag um fünf Uhr wurden wir einwaggo-<br />
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