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Das Faustpfand

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2 Monate später berichtet der Junge in seinen Aufzeichnungen<br />

von einer weiteren dramatischen Verschlechterung<br />

der Lage: Während eines Fliegeralarmes<br />

schreibe ich mein Tagebuch im Tunnel von Döbling und<br />

denke über unser trauriges Schicksal nach. Vor 5 Tagen<br />

traf eine Bombe unser Lager und alles verbrannte. Ohne<br />

Decke, ohne ein Kleid und ohne Wäsche zum Wechseln<br />

stehen wir da. Die überlebenden Zwangsarbeiter werden<br />

auf die Lager Leopold-Ferstl-Gasse und Mengergasse,<br />

beide im 21. Bezirk, aufgeteilt. Unter dem<br />

6. April 1945 ist im Tagebuch zu lesen: Die Russen<br />

beschießen Wien. Innerhalb von Sekunden wurde das Lager<br />

geräumt, und jetzt gehen wir alle mit kleinen Binkeln<br />

auf dem Rücken gegen Stockerau. Die nächste Eintragung<br />

vom 10. April ist noch kürzer, gehetzter: Wir<br />

gehen seit vier Tagen zu Fuß in Richtung Tulln. Wir wissen<br />

nicht wie weit. Die Tagebucheintragung vom 20.<br />

April 1945 fasst die Qualen des Todesmarsches mit<br />

dem Ziel KZ Mauthausen in wenigen, kurzen Sätzen<br />

zusammen: Drei Wochen sind seit unserer Vertreibung<br />

vergangen. Unser Ziel ist Linz. Ohne Essen, frierend,<br />

hungernd – wer weiß wie lange. Am 30. April schreibt<br />

György Stroch noch 2 Zeilen, dann brechen seine<br />

Aufzeichnungen für immer ab: Wir sind stehen geblieben<br />

zwischen Krems und Linz in Persenbeug. Hier wurde<br />

ein Lager errichtet. Nur Essen wäre genug. Wenig mehr<br />

als 2 Tage später wird man ihn mit Benzin überschütten<br />

und anzünden.<br />

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