S3_LL Bipolar Hauptartikel_2012
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Leitthema<br />
Therapie-Depression8. In den ersten<br />
4 Wochen der pharmakologischen Behandlung<br />
einer akuten bipolaren Depression<br />
sind Untersuchung und Gespräch<br />
mit dem Patienten mindestens wöchentlich<br />
angeraten, um Risiken und Nebenwirkungen<br />
der Pharmakotherapie zu erkennen,<br />
den Erfolg der eingeleiteten Maßnahmen<br />
beurteilen zu können und die<br />
Zusammenarbeit zwischen Patient und<br />
Arzt zu verbessern. Danach sind Intervalle<br />
von 2 bis 4 Wochen, nach 3 Monaten<br />
bei ausreichender Stabilität eventuell längere<br />
Intervalle möglich. Je nach klinischer<br />
Situation können häufigere Frequenzen<br />
notwendig sein (KKP).<br />
Therapie-Depression9. Nach 3 bis 4<br />
Wochen sollte eine genaue Wirkungsprüfung<br />
das Ausmaß des noch bestehenden<br />
depressiven Syndroms mit der Ausgangsschwere<br />
zu Beginn der Pharmakotherapie<br />
vergleichen. Hiervon sollte abhängig gemacht<br />
werden ob ein Wechsel oder eine<br />
Ergänzung der Behandlungsstrategie indiziert<br />
ist oder nicht (s. Therapiealgorithmus;<br />
KKP).<br />
In der Leitlinie werden Patientencharakteristika<br />
genannt, die für oder gegen<br />
eine mehrmonatige unveränderte Fortführung<br />
der zur Remission führenden<br />
Medikation sprechen.<br />
Zur pharmakologischen Behandlung<br />
bipolarer Depressionen wurden Pharmaka<br />
aus den Substanzklassen Antidepressiva, Stimmungsstabilisierer, atypische <br />
Neuroleptika und Phytotherapeutika systematisch<br />
untersucht. Die Evidenzsichtung<br />
ergab keine endgültige Klarheit bezüglich<br />
der Höhe des tatsächlichen Risikos<br />
für einen Switch in die Manie unter Antidepressiva.<br />
Am ehesten war davon auszugehen,<br />
dass dieses Risiko unter Fluoxetin,<br />
Paroxetin und Bupropion gering ist,<br />
unter trizyklischen Antidepressiva hingegen<br />
größer zu sein scheint. Aus den anderen<br />
Wirkstoffgruppen konnten für Carbamazepin,<br />
Lamotrigin, Olanzapin und<br />
Quetiapin Empfehlungen formuliert werden<br />
(für letzteren Wirkstoff mit den besten<br />
Belegen der Wirksamkeit). Abgeraten<br />
wurde vom Einsatz von Valproinsäure<br />
und Aripiprazol und auch von Lithium<br />
als alleinige Medikation.<br />
580 | Der Nervenarzt 5 · <strong>2012</strong><br />
Viele Patienten (insbesondere mit einer<br />
<strong>Bipolar</strong>IIStörung) suchen vor allem im<br />
Rahmen einer akuten depressiven Phase<br />
psychotherapeutische Hilfe. Psychotherapie<br />
zielt hierbei auf die Überwindung der<br />
Depression und die Besserung der depressiven<br />
Symptomatik. In der Leitlinie wurde<br />
eine Empfehlung für eine Psychotherapie<br />
formuliert und angemerkt, dass es empirische<br />
Belege für die Wirksamkeit von KVT,<br />
FFT und IPSRT gibt.<br />
Nichtmedikamentöse somatische Therapieoptionen:<br />
Vor allem in Fällen von<br />
Therapieresistenz und in schweren Fällen<br />
kommt eine EKT infrage und sollte<br />
in akut lebensbedrohlichen Situationen<br />
mitbedacht werden. Obwohl die Datenlage<br />
zur rTMS bei bipolarer Depression unzureichend<br />
ist, wurde aufgrund der Evidenz<br />
zur Wirksamkeit bei unipolar depressiven<br />
Episoden eine Empfehlung formuliert<br />
(für Details zu Applikationsform<br />
und ort s. Leitlinie). Auch für die zusätzlich<br />
zur Standardbehandlung eingesetzte<br />
Lichttherapie wurde eine Empfehlung<br />
formuliert. Wenn eine kurzfristige<br />
antidepressive Wirkung angestrebt wird,<br />
kann Wachtherapie allein oder zusätzlich<br />
zur Standardtherapie eingesetzt werden.<br />
Ein Algorithmus zur Behandlung der<br />
bipolaren Depression ist in . Abb. 4 dargestellt.<br />
Therapie zur Phasenprophylaxe<br />
Die akuten Krankheitsepisoden bipolar<br />
affektiver Erkrankungen (insbesondere<br />
Manie und Depression) werden aufgrund<br />
der mit ihnen verbundenen Leiden<br />
und Beeinträchtigungen vorrangig wahrgenommen.<br />
Dennoch sind es der Langzeitverlauf<br />
und die Langzeitbehandlung,<br />
die für die Erkrankten entscheidend für<br />
die Frage sind, in welchem Ausmaß die<br />
Krankheit die Biographie und die Partizipation<br />
am Leben beeinträchtigt.<br />
Wie auch bei der Therapie der akuten<br />
Krankheitsphasen der bipolaren Störung<br />
und generell bei den meisten psychiatrischen<br />
Behandlungen ist in der Regel eine<br />
Kombination pharmako und psychotherapeutischer<br />
und ggf. weiterer Strategien<br />
für eine effektive Phasenprophylaxe am<br />
erfolgversprechendsten.<br />
Eine ideale Phasenprophylaxe führt<br />
zu einer völligen Freiheit von depressiven,<br />
manischen und gemischten Episoden, zu<br />
allenfalls minimaler interepisodischer<br />
Symptomatik und zum Erhalt einer unbeeinträchtigten<br />
Teilhabe am Leben (übergeordnetes<br />
Therapieziel). Es gelingt häufig<br />
nicht unmittelbar, dieses Ziel in vollem<br />
Umfang zu erreichen, sodass zum Teil vorübergehend<br />
nur das Erreichen von nachgeordneten<br />
Therapiezielen (z. B. seltenere,<br />
kürzere und/oder schwächer ausgeprägte<br />
Krankheitsepisoden und/oder eine verringerte<br />
interepisodische Symptomatik)<br />
akzeptiert werden muss. Während das Erreichen<br />
des übergeordneten Therapieziels<br />
in der Regel von Patient und Behandler<br />
leicht erkannt werden, können Teilerfolge<br />
(das Erreichen nachgeordneter Therapieziele)<br />
aufgrund der langen Behandlungs<br />
und Beobachtungsdauer einer phasenprophylaktischen<br />
Behandlung leicht übersehen<br />
werden. Hier besteht die Gefahr, aus<br />
einer solchen Fehleinschätzung heraus<br />
eine phasenprophylaktische Strategie zu<br />
beenden und damit den Teilerfolg wieder<br />
aufzugeben. Auch wenn zu diesen behandlungsstrategischen<br />
Fragen kaum Erkenntnis<br />
aus systematischen Studien besteht,<br />
wird bei vollkommener Wirkungslosigkeit<br />
einer Phasenprophylaxe eher die<br />
Entscheidung zur Beendigung der Behandlung<br />
und dem Beginn einer neuen<br />
Therapie (Umstellen) fallen, während bei<br />
Teilerfolgen eher eine Kombinationsbehandlung<br />
unter Beibehaltung der bisherigen<br />
Therapie vorgezogen werden dürfte.<br />
» In der langen<br />
Behandlungsdauer können<br />
Teilerfolge oft übersehen werden<br />
Therapie-Prophylaxe1. Trotz weitgehend<br />
fehlender Evidenz bietet sich in der<br />
Verlaufskontrolle bei vollkommener Wirkungslosigkeit<br />
der phasenprophylaktischen<br />
Strategie eher eine Umstellung auf<br />
eine neue Therapie, bei Teilerfolgen eher<br />
eine zusätzliche Maßnahme zur bereits<br />
laufenden Strategie an (Statement).<br />
Um auch phasenprophylaktische Teilerfolge<br />
sicher zu erkennen, ist es unumgänglich,<br />
dass jede Form der Phasenprophylaxe<br />
grundsätzlich von einer systematischen<br />
Verlaufsdokumentation begleitet<br />
wird (s. Diagnostik).