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Depression bei Kinder und Jugendlichen von Prof. Holtmann

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Depressive Störungen<br />

Engadiner Sommerakademie 2013<br />

Martin <strong>Holtmann</strong><br />

LWL-Universitätsklinik Martin Hamm <strong>Holtmann</strong><br />

der Ruhr-Universität Klinik für Psychiatrie Bochum <strong>und</strong> Psychotherapie<br />

<strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendpsychiatrie,<br />

des Kindes- <strong>und</strong> Jugendalters<br />

Psychotherapie & Psychosomatik<br />

ZI Mannheim<br />

Klinische Stadien<br />

in der Entwicklung affektiver Störungen<br />

nach Duffy et al. JAD (2009).<br />

Potentielle Interessenkonflikte<br />

• Mitglied in Advisory Boards<br />

<strong>von</strong> Lilly, Bristol-Myers Squibb, Novartis<br />

• Honorare / Kongressreisen<br />

<strong>von</strong> AstraZeneca, Lilly, Merz, neuroConn, BMS, Shire,<br />

Janssen-Cilag, Novartis<br />

• Forschungsförderung<br />

<strong>von</strong> Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG & BMBF<br />

Affektive Störungen nach ICD-10<br />

1


Affektive Störungen nach DSM Depressive Episoden - Subgruppen<br />

• Leichte depressive Episode:<br />

Alltagsbewältigung möglich<br />

• Mittelgradige depressive Episode:<br />

breites Symptomspektrum,<br />

erhebliche Alltagsschwierigkeiten<br />

• Schwere depressive Episode:<br />

somatisches Syndrom immer vorhanden<br />

Alltagsaktivitäten allenfalls partiell<br />

Depressive Episode <strong>Depression</strong>: Epidemiologie<br />

Depressive Episoden<br />

- Epidemiologie <strong>und</strong> Verlauf<br />

• Punktprävalenz depressiver Störungen<br />

– <strong>Kinder</strong> 2-3 %<br />

– Jugendliche 5-6 %<br />

– Stimmungslabilität, Traurigkeit, Sinnsuche als Normvarianten<br />

• ab dem Jugendalter: Mädchen häufiger betroffen<br />

• erhöhtes Suizidrisiko<br />

• häufig Suizidgedanken<br />

• viele Rezidive, Chronifizierung <strong>bei</strong> 33 %<br />

• bipolarer switch <strong>bei</strong> ~ 10 %<br />

• Deutschland: Punktprävalenz 3 - 7%:<br />

• 4 Millionen Menschen betroffen<br />

• Lebenszeitrisiko 15 - 18%<br />

• zwei Häufigkeitsgipfel<br />

– zwischen dem 20. <strong>und</strong> 29. Lebensjahr<br />

– zwischen dem 50. <strong>und</strong> 59. Lebensjahr<br />

• Frauen erkranken doppelt so häufig wie Männer<br />

Alles <strong>Depression</strong>, oder was?<br />

• kein Anhalt für steigende Prävalenz in den letzten 30<br />

Jahren<br />

2


Alterskohorteneffekte<br />

Cross-National Collaborative Group (1992)<br />

Relatives Risiko einer 10 Jahres Geburtskohorte<br />

beträgt 1.7 im Vergleich mit der jeweils<br />

vorangegangenen (<strong>bei</strong> sinkendem<br />

Ersterkrankungsalter)<br />

Veränderung stationärer Aufnahmen 2000 - 2007<br />

250<br />

%<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

-50<br />

F00-99<br />

Bipolar<br />

Psychosen<br />

<strong>Depression</strong><br />

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007<br />

<strong>Holtmann</strong> et al. Arch Gen Psychiatry (2008), Bipolar Disorders (in press)<br />

Die Familienperspektive<br />

Ätiologie<br />

Lewinsohn et al.<br />

J Abnorm Psychol<br />

1993<br />

• genetische Disposition: Familien-, Zwillings- <strong>und</strong><br />

Adoptionsstudien<br />

• Angehörige 1. Grades: Lebenszeitrisiko auf 20% erhöht<br />

• <strong>bei</strong> eineiigen Zwillingen Konkordanz 50-65%<br />

• Monoamin-Mangelhypothese: verminderte Konzentration<br />

<strong>von</strong> Serotonin <strong>und</strong> Noradrenalin<br />

• unterstützt durch Wirkmechanismus der Antidepressiva<br />

• Psychosoziale Faktoren: Verlust- <strong>und</strong> Trauererlebnisse,<br />

chronische Unzufriedenheit mit der eigenen<br />

Lebenssituation, Stress; bisher: “bereavement exclusion”<br />

Affektive Störungen<br />

• ~ 60 % der <strong>Kinder</strong> <strong>von</strong> Eltern mit einer <strong>Depression</strong><br />

entwickeln im Verlaufe der Kindheit & Jugend eine<br />

psychische Störung<br />

• ~ 10 % der <strong>Kinder</strong> <strong>von</strong> bipolaren Eltern entwickeln im<br />

Verlaufe selbst eine bipolare Störung<br />

• Jedes 2. Kind mit ADHS hat einen betroffenen Elternteil<br />

Beardslee, 2002; Beardslee et al., 2003<br />

3


<strong>Depression</strong>:<br />

Familienanamnese – Familienbehandlung<br />

• Elterliche <strong>Depression</strong>: Risikofaktor für<br />

Probleme <strong>bei</strong> den <strong>Kinder</strong>n<br />

• Gehemmte, weniger verspielte Interaktion<br />

• weniger empfänglich <strong>und</strong> bestätigend<br />

• Elternrolle: Selbstzweifel, Scham, Ängste,<br />

Überforderung<br />

• Kind: Beobachten depressiven Verhaltens <strong>und</strong><br />

Affektes<br />

• Miteinander in der Familie: Expressed<br />

Emotions, Feinfühligkeit<br />

Depressive Episoden<br />

- Kernsymptomatik<br />

Gr<strong>und</strong>symptome depressive Stimmung<br />

reduzierte Aktivität<br />

erhöhte Ermüdbarkeit<br />

Zusatzsymptome verminderte Konzentration<br />

reduziertes Selbstvertrauen<br />

Schuldgefühle, Gefühl der Wertlosigkeit<br />

pessimistische Zukunftsperspektiven<br />

Selbstverletzung oder Suizidhandlungen<br />

Schlafstörungen<br />

kommentierende Stimmen<br />

Altersabhängigkeit depressiver Symptome<br />

Schweregrad depressiver Episoden<br />

schwer<br />

mittel<br />

leicht<br />

???<br />

14,1<br />

16,6<br />

17,2<br />

Alter 10 12 14 16 18<br />

Schweregrad nimmt mit Alter<br />

zu<br />

<strong>bei</strong> Jüngeren deutlich weniger<br />

Symptome<br />

<strong>Kinder</strong>: beeinträchtigt, aber<br />

Kriterien wegen leichter<br />

Ausprägung nicht erfüllt?<br />

Wie sag ich´s dem Kind?<br />

<strong>Depression</strong> <strong>bei</strong> jüngeren <strong>Kinder</strong>n<br />

Depressive Symptome im Vorschulalter<br />

Wichtig: Beobachtung <strong>von</strong><br />

• Spielverhalten (Spielunlust, schnelle Entmutigung, mangelnde<br />

Phantasie)<br />

• Essverhalten (Mäkeligkeit, verminderter / gesteigerter Appetit)<br />

• Schlafverhalten (Ein- <strong>und</strong> Durchschlafstörungen,<br />

Früherwachen, Alpträume)<br />

• ausdrucksarmes Gesicht<br />

• auch aggressives Verhalten & Reizbarkeit<br />

• Bauch- <strong>und</strong> Kopfschmerzen<br />

• selbststimulierendes Verhalten<br />

• Symptome nicht kontinuierlich !!<br />

• oft reaktiv<br />

4


Konstruktvalidität depressiver Symptome<br />

• <strong>bei</strong> Präpubertären kein differenzierter <strong>Depression</strong>sfaktor<br />

• eher Mischbild aus <strong>Depression</strong>, Angst, Gereiztheit<br />

• Kategorie Depressive Störung kaum zu rechtfertigen<br />

Nurcombe (1992)<br />

• Jugendliche: Symptomcluster, das Erwachsenendepression<br />

ähnelt<br />

• Diagnose einer Depressiven Störung gerechtfertigt<br />

Affektive Störungen <strong>und</strong> ADHS<br />

40-50% zeigen klinisch<br />

relevante affektive Probleme<br />

Komorbidität <strong>bei</strong> ADHS<br />

Odds-<br />

Ratios<br />

komorbider<br />

Störungen<br />

<strong>bei</strong> ADHS<br />

ADHS<br />

• Aufmerksamkeitsprobleme<br />

• Hyperaktivität<br />

• Impulsivität<br />

Metaanalyse <strong>von</strong> 21 bevölkerungsbasierten Studien<br />

nach: Angold et al. (1999) J Child Psychol Psychiatry 40: 57-87<br />

Angst<br />

<strong>Depression</strong><br />

3.0<br />

5.5<br />

SSV<br />

ADHS<br />

10.7<br />

<strong>Depression</strong> <strong>bei</strong> ausagierenden Störungen<br />

(ADHS, Aggression, ...)<br />

Affektive Störungen <strong>und</strong> Störungen des<br />

Sozialverhaltens<br />

• Störungen des Sozialverhaltens<br />

• Aggression<br />

• Regelverstösse<br />

• Delinquenz<br />

• 30-50% begleitende affektive Störungen<br />

• 7x häufiger als Ges<strong>und</strong>e<br />

(Angold et al. 1999)<br />

• Störung des Sozialverhaltens <strong>und</strong><br />

der Emotionen (ICD-10 F92)<br />

Komorbidität <strong>bei</strong> ADHS - korrigiert<br />

Korrigierte<br />

Odds-<br />

Ratios für<br />

komorbide<br />

Störungen<br />

Angst<br />

<strong>Depression</strong><br />

nach: Ford et al. (2003) J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 42:1203-11<br />

oppositionelle<br />

Störung<br />

0.8<br />

1.3<br />

SSV<br />

26.1<br />

ADHS<br />

26.8<br />

5


Komorbidität als Epiphänomen<br />

Korrigierte<br />

Odds-<br />

Ratios für<br />

komorbide<br />

Störungen<br />

17.0<br />

Sitz still!<br />

Warum kannst<br />

Du nicht<br />

einmal...??<br />

Du musst<br />

die Klasse<br />

wiederholen!<br />

5.4<br />

Angst<br />

<strong>Depression</strong><br />

15.4<br />

oppositionelle<br />

Störung<br />

0.8<br />

1.3<br />

SSV<br />

26.1<br />

ADHS<br />

26.8<br />

nach: Ford et al. (2003) J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 42:1203-11<br />

ADHS <strong>und</strong> Selbstwert<br />

Du nervst!<br />

ADHS <strong>und</strong> <strong>Depression</strong><br />

Therapeutisches Vorgehen<br />

Pass<br />

doch<br />

auf!<br />

Zappelphilip<br />

Mit Dir will<br />

keiner spielen!<br />

Schreib<br />

ordentlich!<br />

Diagnostikphase: ADHS / <strong>Depression</strong><br />

erst Behandlung der ADHS, da Therapie-Effekte<br />

schnell sichtbar<br />

Ausnahme: akute Suizidalität, schwere depressive<br />

Episode<br />

Verlaufsbeurteilung <strong>von</strong> ADHS <strong>und</strong> <strong>Depression</strong><br />

dann ggf. störungsspezifische Therapie der<br />

<strong>Depression</strong><br />

Texas Children´s Medication Algorithm Project (Pliszka et al. 2000)<br />

Komorbidität als Epiphänomen<br />

Komorbide <strong>Depression</strong><br />

als Epiphänomen<br />

Vermittelt über hohe Rate<br />

<strong>von</strong> <strong>Depression</strong> <strong>bei</strong> SSV<br />

ADHS<br />

<strong>Depression</strong> <strong>bei</strong> ADHS<br />

SSV<br />

<strong>Depression</strong><br />

• <strong>Depression</strong> <strong>bei</strong> ADHS:<br />

Folge <strong>von</strong> Selbstwertproblemen oder „echte“ Störung?<br />

einerseits<br />

• weitgehend unabhängiger Verlauf <strong>von</strong> ADHS <strong>und</strong> ausgeprägter<br />

<strong>Depression</strong><br />

Biederman et al. 1998<br />

andererseits:<br />

• positive Wirkung <strong>von</strong> Stimulanzien auf Selbstwert <strong>von</strong> <strong>Kinder</strong>n mit<br />

ADHS<br />

Frankel et al. 1999<br />

• <strong>Depression</strong> <strong>bei</strong> Müttern <strong>von</strong> ADHS-<strong>Kinder</strong>n: nicht vorschnell dem<br />

erhöhten familiären Stress zugeschreiben<br />

Faraone & Biederman (1997) J Nerv Ment Dis 185:533-41<br />

Atomoxetin in der Behandlung <strong>von</strong><br />

ADHS mit komorbider <strong>Depression</strong><br />

CDRS-R Total Score<br />

Least Squares Means<br />

45<br />

40<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

Kratochvil et al ( 2005) JAACAP<br />

Atomoxetin<br />

Placebo + Atomoxetin<br />

Fluoxetin + Atomoxetin<br />

15<br />

BL 2 3 4 5 6 7 8<br />

Wochen<br />

Children <strong>Depression</strong> Rating Scale<br />

6


Depressive Störungen <strong>bei</strong><br />

Intelligenzminderung<br />

Depressive Störungen <strong>bei</strong> Autismus<br />

• Auffälligkeiten der sozialen Interaktion<br />

• Auffälligkeit der Kommunikation <strong>und</strong> Sprache<br />

• Repetitive <strong>und</strong> stereotype Verhaltensmuster<br />

• 10 %: <strong>Depression</strong> nach DSM-IV<br />

• 25 %: „subsyndromale“ <strong>Depression</strong>, aber beeinträchtigt<br />

Leyfer et al. 2006<br />

Einfluß auf klinisches Bild<br />

• geht einher mit mehr Rückzug, Aggression,<br />

Selbstverletzungen<br />

• aber auch: weniger Stereotypien<br />

Epilepsien im Kindes- / Jugendalter:<br />

Risikofaktor für emotionale Störungen<br />

• Emotionale Störungen weitaus häufiger als in der<br />

Allgemeinbevölkerung<br />

• häufiger, als durch den Umstand einer chronischen<br />

Erkrankung zu erwarten wäre<br />

• Lebenszeitprävalenz für <strong>Depression</strong> <strong>bei</strong> <strong>Kinder</strong>n <strong>und</strong><br />

<strong>Jugendlichen</strong> mit Epilepsie 12-30%<br />

• teils mit körperfixierten / therapiebezogenen Ängsten<br />

• besonders hohe Rate <strong>bei</strong> Epilepsiepatienten mit<br />

zusätzlicher geistiger Behinderung<br />

Glauninger et al. 2001; Rothenhäusler 2006<br />

Schwierigkeiten<br />

Depressive Störungen <strong>bei</strong> Intelligenzminderung<br />

„diagnostic overshadowing“<br />

• psychopathologische Auffälligkeiten werden als Ausdruck der<br />

geistigen Behinderung angesehen<br />

• eingeschränkte Anwendbarkeit üblicher diagnostischer<br />

Kriterien<br />

„<strong>und</strong>erreporting“<br />

• verminderte Introspektionsfähigkeit, Sprachverständnis <strong>und</strong><br />

Ausdrucksvermögen bedingen eine verminderte Mitteilung<br />

psychopathologischer Erlebnisweisen<br />

• Reiss et al. 1982; Reiss & Szysko 1983<br />

<strong>Depression</strong> <strong>bei</strong> <strong>Kinder</strong>n mit Epilepsie<br />

Ätiologie<br />

• Ursachen nicht abschließend verstanden.<br />

• neurometabolische Dysfunktion als Mechanismus?<br />

• mesiale Temporallappenepilepsie:<br />

Veränderungen im Serotoninstoffwechsel auch in<br />

Hirnregionen, die weit vom Anfallsursprung entfernt<br />

liegen (PET; Savic et al. 2004)<br />

7


Suizidrisiko <strong>von</strong> Epilepsiepatienten<br />

• Verstörend hoch (4- bis 5fach erhöht)<br />

• Epilepsieassoziierte Suizide: mehr als 10% aller<br />

Suizide<br />

• im Kindes- <strong>und</strong> Jugendalter sogar über 20%<br />

• Suizide verantwortlich für etwa ein Drittel der<br />

Todesfälle <strong>bei</strong> Menschen mit Epilepsie.<br />

• besonders erhöhtes Suizidrisiko: Jugendliche mit<br />

neudiagnostizierter Epilepsie, die bereits in der<br />

Vorgeschichte psychiatrisch auffällig waren.<br />

• Suizidriskio nach epilepsiechirurgischen Eingriffen<br />

erhöht?<br />

Pompili et al. 2006; Rothenhäusler 2006<br />

SSRI<br />

Antidepressive Pharmakotherapie<br />

Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)<br />

– geringeres Vergiftungsrisko<br />

– kaum Nebenwirkungen auf Herz-Kreislauf-System<br />

Epilepsie: positive Erfahrungen für Sertralin <strong>und</strong><br />

Fluoxetin<br />

Die Ausgangslage<br />

Thome-Souza et al. 2007; Strain et al. 2002<br />

• Depressive Phasen sind die häufigste Erstmanifestation<br />

bipolarer Störungen im Jugendalter.<br />

• Hauptursache für Beeinträchtigung <strong>und</strong> Mortalität<br />

bipolarer Störungen.<br />

• Pharmakotherapie der bipolaren <strong>Depression</strong> bislang<br />

wenig untersucht.<br />

• Gilt umso mehr für das Kindes- <strong>und</strong> Jugendalter.<br />

• Bis vor kurzem: Patienten mit bipolarer Störung <strong>von</strong><br />

Studien zur <strong>Depression</strong>sbehandlung ausgeschlossen.<br />

Beziehung depressiver Störungen zur<br />

Anfallsaktivität<br />

• Prä-/postiktale <strong>und</strong> iktale depressive Verstimmungen:<br />

– Optimierung der antiepileptischen Therapie<br />

• Interiktal: ohne erkennbare Beziehung zur Anfallsdynamik<br />

– Antidepressive Behandlung „wie sonst auch“<br />

– Pharmakotherapie: SSRI wegen geringer epileptogener Potenz<br />

Mittel der ersten Wahl<br />

– positive Erfahrungen für Sertralin <strong>und</strong> Fluoxetin<br />

– Hinweise, dass einige Antiepileptika auch <strong>bei</strong> Epilepsie-<br />

Patienten antidepressive Eigenschaften haben, etwa Lamotrigin<br />

Bipolare <strong>Depression</strong><br />

Thome-Souza et al. 2007; Strain et al. 2002<br />

Konversionsraten <strong>von</strong> depressiver zu<br />

bipolarer Störung (Angst et al. 2005)<br />

Konversionsrate steigt mit der Dauer einer<br />

rezidivierenden <strong>Depression</strong>: “switching” 1.25 % / Jahr<br />

8


Das klinische Problem<br />

• Ca. 10% der Adoleszenten mit <strong>Depression</strong> entwickeln<br />

innerhalb <strong>von</strong> 10 Jahren (hypo)mane Episoden (Beesdo et al.,<br />

2009).<br />

• Diagnose einer <strong>Depression</strong> immer vorläufig: „Switch“?<br />

• „Hidden bipolar“?<br />

• Risikofaktoren für Konversion:<br />

– Früher & plötzlicher Beginn der <strong>Depression</strong><br />

– Anzahl depressiver Episoden<br />

– Psychotische Symptome<br />

– Vorangegangene hypomane Auslenkungen<br />

– Positive Familienanamnese (?)<br />

Hypomanie-Checkliste (HCL-32)<br />

Subskala<br />

active-elated<br />

disinhibited /<br />

stimulation-seeking<br />

irritable-erratic<br />

Items<br />

gehobene Stimmung<br />

Substanzmißbrauch,<br />

sexuelle<br />

Enthemmtheit<br />

Ablenkbarkeit,<br />

Reizbarkeit,<br />

Sprunghaftigkeit<br />

Psychopathologie<br />

(SDQ)<br />

weniger Probleme<br />

mit peers<br />

Störungen des<br />

Sozialverhaltens<br />

SSV, ADHS,<br />

peer problems<br />

“sunny” and “dark” expression of bipolarity (Akiskal)<br />

Prodromal-Symptomatik<br />

• Zunehmende Evidenz:<br />

bipolares Prodrom mit<br />

großer Ähnlichkeit zum<br />

schizophrenen Prodrom<br />

• Initial häufig depressive<br />

Verstimmung<br />

• Störungen <strong>von</strong> Stimmung<br />

<strong>und</strong> Antrieb<br />

• Kontakt- &<br />

Konzentrationsstörungen<br />

Correll et al. Schizophren Bull 2007<br />

aus: Klosterkötter Dtsch. Ärzteblatt 2008<br />

Haben Sie „Hochs“?<br />

• mehr Selbstvertrauen<br />

• geselliger<br />

• fahre schneller<br />

• gebe mehr Geld aus<br />

• risikofreudiger<br />

• weniger schüchtern<br />

• treffe mehr Leute<br />

• stärkeres sex. Verlangen<br />

• flirte mehr/sex. aktiver<br />

• gesprächiger<br />

• denke schneller<br />

• ablenkbarer<br />

• beginne ständig neues<br />

• Gedanken springen<br />

• alles fällt leichter<br />

• bin ungeduldig / gereizt<br />

• Auseinandersetzungen<br />

• mehr Kaffee<br />

• rauche mehr<br />

• mehr Alkohol<br />

• mehr Drogen<br />

Hypomanie-Checkliste HCL-32 (nach Jules Angst, 2005)<br />

Frühe Stadien<br />

in der Entwicklung bipolarer Störungen<br />

nach Duffy et al. JAD (2009).<br />

„Mitunter ist die Entscheidung im Querschnitt so<br />

schwierig, dass erst die Beobachtung des<br />

Verlaufs mehr Gewissheit gibt.“<br />

(F. Poustka 1998)<br />

9


DD Schizophrenie<br />

Von unspezifischen Frühsymptomen zum<br />

Vollbild schizophrener Psychosen<br />

psychosenahe Hochrisikosymptome<br />

psychoseferne Hochrisikosymptome<br />

uncharakteristische, affektive Symptome<br />

Normabweichungen in Motorik, Kognition, Verhalten<br />

Normabweichungen der Hirnentwicklung<br />

Geburt Adoleszenz<br />

schizophrene Störung<br />

schizophreniforme Störung<br />

Modifiziert nach Klosterkötter J. Dtsch. Ärzteblatt 2008.<br />

Jugendliche mit Psychose<br />

Prävalenz vorangehender Diagnosen<br />

Angststörung<br />

E. Marchió, Inauguraldissertation, Goethe-Universität Frankfurt / Main, 2006.<br />

Frühe Stadien<br />

in der Entwicklung bipolarer Störungen<br />

nach Duffy et al. JAD (2009).<br />

Psychopathologie vor der Manifestation<br />

einer schizophrenen Erkrankung<br />

• 47 <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> Jugendliche<br />

(32% weiblich)<br />

• 16,7 Jahre (12,8 bis 18,8)<br />

• 38,5% im <strong>Kinder</strong>garten<br />

auffällig:<br />

Kontaktstörung, Aggression,<br />

Hypermotorik, Trennungsangst<br />

• 76% in der Schulzeit auffällig:<br />

Leistungsstörung,<br />

Konzentrationsstörung,<br />

Aggression, Kontaktstörung<br />

E. Marchió, Inauguraldissertation, Goethe-Universität Frankfurt / Main, 2006.<br />

Studien an <strong>Jugendlichen</strong> mit Psychosen<br />

Zeitliches Muster vorangehender Störungen<br />

• Erstmanifestation schizophrener Störungen um das 16.<br />

Lebensjahr<br />

• 9 Monate bis zum Beginn einer Behandlung<br />

• Vorausgehende Störungen manifestieren sich um das 12.<br />

Lebensjahr (12,3 ± 3,2 Jahre)<br />

in unterschiedlichem zeitlichen Abstand zur Schizophrenie:<br />

- Angststörungen 8,8 ± 0,0 Jahre<br />

- PTSD 6,5 ± 3,3 Jahre<br />

- Störung des Sozialverhaltens 2,9 ± 2,5 Jahre<br />

- Substanzmissbrauch 2,6 ± 1,4 Jahre<br />

- Affektive Störungen 2,1 ± 0,6 Jahre<br />

E. Marchió, Inauguraldissertation, Goethe-Universität Frankfurt / Main, 2006.<br />

10


Herausforderungen<br />

Was tun <strong>bei</strong> unspezifischen Prodromalsymptomen?<br />

Welches Medikament als 1. Wahl?<br />

Wie lange zuwarten?<br />

Wie lange behandeln?<br />

Kategoriale Diagnostik<br />

• psychische Auffälligkeiten werden in klar<br />

gegeneinander abgrenzbare Störungsbilder<br />

unterteilt<br />

• „Entscheidungsklassifikation“:<br />

hat das Kind <strong>Depression</strong> oder nicht?<br />

• Vorhandensein oder Nichtvorhandensein<br />

– ICD-10<br />

–DSM-5<br />

• altersunabhängig festgesetzt<br />

Diagnostische Intrumente<br />

Depressive Kernsymptomatik<br />

Strukturierte klinische Interviews: KIDDIE-SADS<br />

Fragebögen<br />

• <strong>Depression</strong>sinventar für <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> Jugendliche DIKJ (8-17 J.)<br />

• <strong>Depression</strong>stest für <strong>Kinder</strong> DTK (9-14 J.)<br />

• Beck <strong>Depression</strong>s-Inventar, 2. Rev., BDI-II (ab 16 J.)<br />

• Hamilton <strong>Depression</strong>sskala HAM-D (Fremdbeurteilung) (ab 18 J.)<br />

Diagnostische Annäherungen<br />

Fragebogen & Checklisten<br />

„Breitband“<br />

• erfassen breites Spektrum an Psychopathologie<br />

• Deutsche Child Behavior Checklist (CBCL)<br />

• Strength and Difficulties Questionnaire (SDQ)<br />

• Fragebogen zu Stärken <strong>und</strong> Schwächen<br />

• 50% depressiver Jugendlicher weisen eine, 30% mindestens<br />

zwei weitere Störungen auf Birmaher et al, 1996<br />

Stimmungs- <strong>und</strong> Aktivitätenprotokoll<br />

Datum: __________<br />

Tageszeit<br />

4.00<br />

5.00<br />

6.00<br />

7.00<br />

8.00<br />

9.00<br />

10.00<br />

11.00<br />

12.00<br />

13.00<br />

14.00<br />

15.00<br />

16.00<br />

17.00<br />

18.00<br />

19.00<br />

20.00<br />

21.00<br />

22.00<br />

23.00<br />

Stimmungslage<br />

depressiv manisch<br />

-10 -------------- 0 -------------- +10<br />

Aktivität<br />

11


Depressive Episoden - Behandlung<br />

• Tagesstruktur / sozialer Rhythmus / Schlaf<br />

• Stimmungsmonitoring, Verhaltensanalyse, Auslöser<br />

• Selbstregulation Aufbau angenehmer Tätigkeiten<br />

• Körperliche Aktivierung<br />

• Kontaktpflege<br />

• Genusstraining<br />

• Stressmanagement <strong>und</strong> Entspannung<br />

• „Frühwarnzeichen“ <strong>und</strong> Krisenplan<br />

• Umgang mit nicht hilfreichen Gedanken<br />

„Runterzieher“<br />

Erkennen <strong>und</strong> Hinterfragen ungünstiger Kognitionen<br />

aus: Pössel et al. 2004<br />

Behandlung<br />

Depressiver Teufelskreis<br />

Zusammenhang <strong>von</strong> Stimmung, Denken & Verhalten<br />

Interpersonelle<br />

Psychotherapie<br />

der <strong>Depression</strong><br />

12


Geschichte der interpersonellen<br />

Psychotherapie<br />

• Klerman and Weissman<br />

• Yale Universität 1970<br />

• Analytischer Hintergr<strong>und</strong><br />

• Überprüfung eines<br />

medikamentösen Regimes<br />

(Imipramin für 4 Monate)<br />

• Kombinationsbehandlung<br />

oder Monotherapie<br />

• IPT Manual 1984<br />

" (IPT) ...is a focused, short-term, time-limited therapy<br />

that emphazises the current interpersonel relations of<br />

the depressed patient while recognizing the role of<br />

genetic, biochemical, developmental, and personality<br />

factors in causation of and the vulnaribility to<br />

depression.<br />

Clinical depression occurs in an interpersonal context<br />

and the psychotherapeutic interventions directed at this<br />

interpersonel context will facilitate the patients recovery<br />

from the acute episode”<br />

Weissman 1984<br />

Weissman <strong>und</strong> Klerman betonen ..<br />

• dass die IPT im Gr<strong>und</strong>e die etablierte Praxis erfahrener<br />

Psychiater <strong>bei</strong> der Behandlung depressiver Störungen<br />

widerspiegelt<br />

<strong>und</strong><br />

• dass diese Psychotherapieform ein eklektisches<br />

Verfahren ist, die eine Reihe <strong>von</strong> bekannten<br />

psychotherapeutischen Strategien <strong>und</strong> Techniken in ihr<br />

Behandlungskonzept aufgenommen hat<br />

Eckpunkte der IPT<br />

• Kurzzeitpsychotherapie, d.h. ca. 16-20 Sitzungen zu 50'<br />

• Fokus auf ein oder max. zwei Problembereiche<br />

• Fokus auf interpersonelle Beziehungen<br />

• Ar<strong>bei</strong>t im Hier <strong>und</strong> Jetzt<br />

• Festgelegte duale Behandlungsziele<br />

– Symptomremission, Besserung im Problembereich/der<br />

interpersonellen Fertigkeiten<br />

• Drei überschaubare Phasen der Therapie<br />

• Therapiemanual<br />

• Biopsychosoziale Ursache der <strong>Depression</strong><br />

Ätiologische Verbindung Lebensereignis-<br />

Forschung<br />

Interpersonelle<br />

Belastungen<br />

Auslöser<br />

Folge<br />

Aufrechterhaltende<br />

Bedingung<br />

<strong>Depression</strong><br />

“expressed<br />

emotion”<br />

Forschung<br />

tierexperimentelle<br />

Ar<strong>bei</strong>ten<br />

Emirische<br />

Basis<br />

Studien zur<br />

Entwicklung<br />

<strong>von</strong> <strong>Kinder</strong>n<br />

Soziale<br />

Unterstützungs-<br />

Forschung<br />

epidemiologische<br />

Studien<br />

13


Adolf Meyer (1866-1950)<br />

• Schriften zur Psychobiologie<br />

• durch Darwins Evolutionstheorie<br />

beeinflusst<br />

• psychische Störung:<br />

– Ausdruck einer misslungenen<br />

Anpassung an veränderte<br />

Umweltbedingungen<br />

(psychosoziale Stressoren)<br />

– fehlende Gestaltungskraft in<br />

diesem Umwälzungsprozess<br />

(Verdrängung aus einer<br />

individuellen psychosozialen<br />

Nische)<br />

John Bowlby: Bindungstheorie<br />

• Bindung als „primärer biologischer Trieb“<br />

• Sichere Basis<br />

• Exploration, Neugier<br />

• Feinfühligkeit<br />

• Inneres Ar<strong>bei</strong>tsmodell<br />

• Bowlby (1969): Signifikanter Zusammenhang zwischen Verlust enger<br />

Beziehungen <strong>und</strong> dem Auftreten depressiven Verhaltens<br />

• Spitz (1946): anaklitische <strong>Depression</strong> nach abrupter Trennung <strong>von</strong><br />

der Mutter<br />

Life-event Forschung<br />

Post (1992) life-events spielen <strong>bei</strong> der Entwicklung hin<br />

zur ersten depressiven Episode eine maßgebliche<br />

Rolle<br />

Paykel (1969): 6 Monate nach einem belastenden<br />

Ereignis steigt das <strong>Depression</strong>srisiko um das 6x an<br />

Harry Stack Sullivan (1892-1949)<br />

„Der Mensch, der im<br />

zwischenmenschlichen Kontext<br />

oft konflikthaft nach Sicherheit<br />

<strong>und</strong> Bedürfnisbefriedigung<br />

strebt, wird erst in der<br />

Beziehung zu anderen<br />

Menschen er selbst, weshalb<br />

Motivation, Auffassung <strong>und</strong><br />

Störungen nur im<br />

interpersonellen Kontext<br />

verstanden <strong>und</strong> behandelt<br />

werden können.“<br />

Soziale Unterstützungsforschung<br />

• Costello (1982): fehlende soziale Unterstützung nicht<br />

depressions-verursachend aber<br />

vulnerabilitätserhöhend<br />

• Paykel (1992) Soziale Unterstützung als<br />

<strong>Depression</strong>spuffer<br />

• Brown/Harris (1978): vertrauensvolle Beziehung <strong>und</strong><br />

soziale Unterstützung Schutzfaktor<br />

Die Hauptproblembereiche<br />

• Trauer & Verlust<br />

• Interpersonelle Rollenkonflikte<br />

• Rollenwechsel<br />

• Interpersonelle Defizite<br />

• IPT-A: Familie mit einem alleinerziehenden<br />

Elternteil<br />

14


Der Focus = der Hauptproblembereich<br />

Identifizierung <strong>und</strong> Festlegung des<br />

Hauptproblembereichs<br />

Behandlungsplan <strong>und</strong> Therapieziele formulieren<br />

(präsens, positiv, erreichbar, ich-form)<br />

Behandlungsvertrag<br />

Was die Trauer komplizieren kann ...<br />

• Scham über die Hilflosigkeit, das Ereignis nicht verzögert<br />

oder verhindert haben zu können.<br />

• Schuld oder Scham über aggressive Impulse oder<br />

zerstörerische Impulse oder Phantasien.<br />

• Schuldgefühle des Überlebenden: die geliebte Person ist<br />

verstorben, aber man selbst lebt noch.<br />

• Die Angst davor, das Ereignis könnte sich wiederholen,<br />

auch die Angst, dieses könnte sich nur in den Gedanken<br />

wiederholen.<br />

Abschied<br />

• Depressive Symptomgeschichte nochmals darstellen<br />

• Beziehung zwischen Beginn der <strong>Depression</strong> <strong>und</strong> dem<br />

initialen Trauma herausar<strong>bei</strong>ten<br />

• Die Beziehung des Patienten mit dem Verstorbenen<br />

rekonstruieren<br />

• Beschreibung des Sterbeprozesses, der Ereignisse um<br />

das Sterben, den Tod <strong>und</strong> die Zeit danach<br />

• Konsequenzen daraus<br />

• Exploration assoziierter pos. <strong>und</strong> neg. Gefühle<br />

Trauer <strong>und</strong> Verlust<br />

Phasenmodell nach Elisabeth Kübler- Ross<br />

• Nicht Wahrhaben<br />

wollen, Isolierung<br />

• Zorn<br />

• Verhandeln<br />

• <strong>Depression</strong><br />

• Zustimmung<br />

Ziele im Fokus ´Trauer <strong>und</strong> Verlust`<br />

• Den verzögerten<br />

Trauerprozess fördern<br />

• Destruktive oder<br />

hemmende Aspekte<br />

bear<strong>bei</strong>ten<br />

• Dem Patienten helfen,<br />

den Verlust durch<br />

Belebung alter <strong>und</strong><br />

neuer Interessen <strong>und</strong><br />

Beziehungen<br />

auszugleichen<br />

Neuorientierung<br />

• Hilfen, alte/neue Interessen zu entwickeln, andere<br />

Menschen kennenzulernen<br />

• Art der Beziehung, Ausmaß des Verlusts mit<br />

Persönlichkeit <strong>und</strong> prophylaktischen Überlegungen in<br />

Verbindung bringen<br />

15


Ziele im Fokus: Rollenwechsel<br />

• Trauer <strong>und</strong> Akzeptanz<br />

des Verlusts der alten<br />

Rolle<br />

• die neue Rolle positiver<br />

zu sehen, das Positive an<br />

der neuen Rolle zu sehen<br />

• Selbstvertrauen wiederzugewinnen,<br />

Ansprüchen<br />

der neuen Rolle auch<br />

genügen zu können<br />

• Exploration der Gefühle über die Veränderung<br />

• Exploration der Möglichkeiten in der neuen Rolle<br />

• Realistische Evaluation, was verloren ist<br />

• Ermutigung, der wahren Gefühle gegenüber der<br />

Veränderung freien Lauf zu lassen<br />

• Hilfen im Finden sozialer Unterstützung <strong>und</strong> im<br />

Entwickeln neuer Fähigkeiten für die neue Rolle<br />

Ziel im Fokus: Rollenkonflikt<br />

• Den Konflikt benennen<br />

• Vorgehensweise zur Konfliktlösung<br />

festlegen<br />

• Veränderung falscher<br />

Erwartungen, Wahrnehmungen,<br />

destruktiver Kommunikation zur<br />

besseren Lösung<br />

Fokus Rollenwechsel: Strategien<br />

• Depressive Symptomgeschichte nochmals darstellen<br />

• Ziehen der Verbindung zwischen der vorliegenden<br />

<strong>Depression</strong> <strong>und</strong> den Schwierigkeiten mit kürzlich durchgemachten<br />

Veränderungen im Leben<br />

• Überblick verschaffen über positive <strong>und</strong> negative<br />

Aspekte der alten <strong>und</strong> neuen Rolle<br />

• Exploration der Verlustgefühle, was fehlt?<br />

Herausforderungen <strong>bei</strong>m Rollenwechsel<br />

• Die familiäre Unterstützungen <strong>und</strong> Bindungen werden<br />

bedroht, sofern das Umfeld die Schwierigkeiten <strong>bei</strong>m<br />

Rollenwechsel nicht (so) sieht<br />

• Begleitende Emotionen wie Ärger, Trauer oder Angst<br />

müssen bewältigt werden.<br />

• Neue soziale Fertigkeiten werden plötzlich benötigt.<br />

• Das Selbstwertgefühl ist herabgesetzt.<br />

Der Konflikt kann in folgende Stadien<br />

eingeordnet werden<br />

• Verhandlungsstadium:<br />

Hier wird in der Beziehung aktiv der Versuch<br />

unternommen, den Konflikt zu lösen.<br />

• Sackgasse:<br />

Gespräche werden eingestellt, der kalte Krieg beginnt<br />

• Auflösungsstadium:<br />

• Die Beziehung ist zerrüttet, man trennt sich .<br />

16


Strategien im Fokus:<br />

Rollendisput / Konflikt<br />

• Depressive Symptomgeschichte nochmals darstellen<br />

• Verbindung zwischen offenem oder verdeckten<br />

• Konflikt <strong>und</strong> dem Beginn der <strong>Depression</strong> ziehen<br />

• Das Stadium des Disputs festlegen<br />

• Verständnis dafür entwickeln, in wieweit non-reziproke<br />

Rollenerwartungen in Beziehung zum Disput stehen<br />

Eingangssitzungen ( ~ 1. - 3. Sitzung):<br />

Initiale Phase<br />

• Exploration der Symptome <strong>und</strong> Vorgeschichte<br />

• Bedarf einer parallel laufenden Medikation klären<br />

• Depressive Syndrome <strong>und</strong> deren Behandlung erklären (<br />

Der depressiven Erkrankung einen Namen geben)<br />

• Dem Patienten die "Krankenrolle(n)" zuordnen<br />

• Vorgehensweise <strong>und</strong> Ziele des IPT- Konzepts darstellen<br />

• Beziehungsanalyse:<br />

– Inventar wichtiger zwischenmenschlicher Beziehungen<br />

– Qualität, Erwartungen, (un)befriedigende Aspekte<br />

Mittlere Sitzungen (~ 4. - 14. Sitzung):<br />

Hauptphase<br />

• Exploration der (interpersonellen) Probleme<br />

• Fortwährende Verbindung zwischen Fokus <strong>und</strong><br />

<strong>Depression</strong><br />

• Erwartungen, Gefühle, Wahrnehmungen ... des Patienten<br />

• Analyse möglicher Alternativen<br />

• Aufbau befriedigenderen Verhaltens / Erlebens<br />

• Worum geht es im Streit?<br />

• Was sind die Unterschiede in den Erwartungen <strong>und</strong> Werten?<br />

• Worin liegen die Optionen?<br />

• Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, Alternativen zu finden?<br />

• Worin liegen die möglichen Quellen der Veränderung der<br />

Beziehung?<br />

• Worin liegen die Parallelitäten zu anderen Beziehungen?<br />

• Was gewinnt der Patient?<br />

• Welche unausgesprochene Annahme steht hinter dem Verhalten des<br />

Patienten?<br />

• Wie wird der Konflikt fortgesetzt/unterhalten?<br />

Krankenrolle nach Parsons 1954<br />

• Die kranke Person wird <strong>von</strong> gewissen üblichen<br />

Verpflichtungen befreit. Diese Freistellung muss sozial<br />

definiert <strong>und</strong> akzeptiert sein.<br />

• Der Betroffene ist ebenfalls <strong>von</strong> bestimmten<br />

Verantwortlichkeiten freigestellt.<br />

• Der Betroffene wird als jemand betrachte, der sich in<br />

einem sozial unerwünschten Zustand befindet, der so<br />

schnell wie möglich beendet werden sollte.<br />

• Der Betroffene wird als hilfsbedürftig betrachtet. Er<br />

übernimmt die Rolle des Patienten, die ihre eigene<br />

Verpflichtung (Wunsch, Willen) <strong>bei</strong>nhaltet, insbesondere<br />

hier die Krankheit zu akzeptieren <strong>und</strong> <strong>bei</strong> der Genesung<br />

mitzuhelfen.<br />

Schlußphase (~ 15. - 16. Sitzung)<br />

• Besprechung der Beendigung<br />

• Abschiedsgefühle vom Therapeuten / vom Setting<br />

• Autonome Kompetenz des Patienten betonen<br />

• Zusammenfassung des Therapieerfolgs<br />

• Prophylaktisches (interpersonelles) Verhalten<br />

besprechen<br />

• Warnzeichen eines Relaps/Recurrence <strong>und</strong> daraus<br />

resultierende Handlungen besprechen<br />

• Ggfs. Aufrechterhaltunsphase besprechen<br />

17


Spezifisch angewandte<br />

Behandlungstechniken<br />

• Explorative Techniken<br />

• Ermutigung zum Gefühlsausdruck<br />

• Klärung<br />

• Kommunikationsanalyse<br />

• Die therapeutische Beziehung als Beispiel benutzen<br />

• Techniken zur Verhaltensänderung<br />

• Andere angewandte Techniken<br />

Aufgaben des Therapeuten<br />

• Advokat des Patienten, nicht neutral<br />

• Aktiv<br />

• Therapeutische Beziehung nicht als<br />

Übertragungsbeziehung gewertet<br />

• Unterstützung des Patienten <strong>bei</strong> der Erörterung des<br />

Problembereichs<br />

• Selbsteröffnung bahnen<br />

• Dauernde Rückführung auf den interpersonellen Fokus<br />

• Hilfen <strong>bei</strong> neuen Verhaltens- <strong>und</strong><br />

Problembewältigungsstrategien<br />

Pharmakotherapie<br />

Interpersonelle Interventionen<br />

• Zielen auf die Analyse zwischenmenschlicher Beziehungen<br />

• Fokus auf aktuelle Beziehungen oder Ereignisse <strong>von</strong> früheren<br />

Beziehungen, die die Gegenwart unmittelbar beeinflussen<br />

• Verbindung <strong>von</strong> Symptomatik <strong>und</strong> interpersonellem Kontext<br />

• Exploration sozialer Unterstützung<br />

• Versuchen durch eine Kommunikationsanalyse eine bessere<br />

Gesprächsführung im sozialen Umfeld zu ermöglichen<br />

• Untersuchung der Art <strong>und</strong> Weise, wie der Patient<br />

befriedigende Beziehungen aufbaut oder abwehrt<br />

Formen der Interpersonellen<br />

Psychotherapie<br />

• IPT-D für Dysthymie (Markowitz)<br />

• IPT-A für depressive Adoleszente (Mufson)<br />

• IPSRT für bipolare Störungen (Frank)<br />

• IPT-G für Gruppen (Wifley, Levkowitz)<br />

• IPT-LL für Altersdepressionen<br />

• IPT für depressive HIV+Pateinten (Grüttert)<br />

18


Indikation zur Pharmakotherapie<br />

Medikamentöse Unterstützung <strong>bei</strong><br />

• nicht ausreichendem Effekt vier- bis sechswöchiger<br />

Psychotherapie<br />

• schweren depressiven Störungen, deren Ausprägung<br />

psychotherapeutische Maßnahmen erschweren<br />

• Suizidalität <strong>und</strong> Wahnsymptomen<br />

• Stationäre Aufnahme <strong>bei</strong> Suizidalität <strong>und</strong><br />

Nichtbewältigung der Alltagsfunktionen!<br />

Trizyklische Antidepressiva<br />

• Kein Wirksamkeitsnachweis in zahlreichen kontrollierten<br />

Studien <strong>bei</strong> depressiven <strong>Kinder</strong>n <strong>und</strong> präpubertären<br />

<strong>Jugendlichen</strong><br />

• aufgr<strong>und</strong> UAWs 3.Wahl<br />

• Clomipramin (Anafranil®) <strong>bei</strong> Antriebshemmung<br />

• Doxepin <strong>bei</strong> ausgeprägten Schlafstörungen<br />

Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer<br />

(SSRI)<br />

• Geringeres Intoxikationsrisiko als TZA<br />

• Kaum kardiale Nebenwirkungen<br />

• Leichte Handhabbarkeit <strong>und</strong> relativ gute Verträglichkeit<br />

• Geringe Beeinträchtigung der psychomotorischen <strong>und</strong><br />

kognitiven Funktionen<br />

• Wirksamkeit <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> belegt für Fluoxetin <strong>und</strong><br />

Sertralin, mit Einschränkungen für Citalopram<br />

Erhöhen SSRI das Risiko<br />

<strong>von</strong> Selbstverletzungen <strong>und</strong> Suizidalität?<br />

Wirkstoffgruppen<br />

• Monoamin-Wiederaufnahme-Hemmer:<br />

– Trizyklische AD<br />

– Selektive Serotoninin-Wiederaufnahme-Hemmer<br />

– (Selektive) Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer<br />

– Serotonin- <strong>und</strong> Noradrenalin-<br />

Wiederaufnahmehemmer<br />

• Nicht bzw. Selektive MAO-A-Hemmer (Moclobemid)<br />

• α2-Adrenozeptor-Antagonisten (Mirtazapin, Mianserin)<br />

• Sonstige Antidepressiva (Johanniskraut u.a.)<br />

Johanniskraut-Präparate<br />

• 50% der Verschreibungen antidepressiver<br />

Medikamente für <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> Jugendliche<br />

• Für <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> Jugendliche keine kontrollierten Studien<br />

• Ab dem Alter <strong>von</strong> 12 Jahren zugelassen,<br />

• Dosis: 1-3x300mg/Tag<br />

• Unerwünschte Wirkungen<br />

– CYP-Induktion mit Beeinflussung anderer Serumspiegel<br />

(Wirkung orale Kontrazeptiva)<br />

– Photosensibilisierend: keine Höhensonne, Solarien,<br />

längere Sonnenbäder!<br />

19


SSRI <strong>und</strong> Suizidalität ?<br />

• FDA Warnhinweis in Packungs<strong>bei</strong>lagen<br />

Antidepressants increase the risk of suicidal thinking and<br />

behavior (suicidality) in children and adolescents with depression.<br />

• erhebliche Verunsicherung <strong>bei</strong> Eltern, <strong>Jugendlichen</strong> <strong>und</strong><br />

Ärzten<br />

• Sorge, dass <strong>Depression</strong>en <strong>und</strong> ihr Folgen, wie Suizidalität,<br />

nicht adäquat behandelt werden<br />

• Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft verzichtet<br />

darauf, Kontraindikationen für SSRI auszuweiten<br />

Dosierungsempfehlungen SSRI<br />

Langsame Aufdosierung (alle 4-7 Tage)<br />

Einmalige Gabe morgens ausreichend (außer Fluvoxamin)<br />

Antidepressive Wirkung nach 1-4 Wochen<br />

Weiterbehandlung nach Remission für weitere 6-9 Monate<br />

Langsame Absetzung <strong>und</strong> Umstellung (≤25% der Dosis<br />

wöchentlich)<br />

Dosis: <strong>Depression</strong>


Mirtazapin (z.B. Remergil®)<br />

Anwendungsgebiete:<br />

• Depressive Erkrankungen, ängstlich-agitierte <strong>Depression</strong> mit<br />

Schlafstörung<br />

• Keine Zulassung <strong>bei</strong> <strong>Kinder</strong>n <strong>und</strong> <strong>Jugendlichen</strong><br />

Dosierung:<br />

• Initialdosis 15mg/Tag, Standarddosis<br />

15-45mg/Tag, Maximaldosis 45 mg/Tag<br />

• Als Einmalgabe bevorzugt am Abend<br />

Patientenaufklärung?<br />

Was ist häufig?<br />

Was ist selten, aber schwerwiegend?<br />

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen SSRIs<br />

Serotonin-Syndrom:<br />

Selten, aber lebensbedrohlich durch zentrale serotonerge<br />

Überaktivität<br />

Herzrhythmusstörungen, Krampfanfälle, Koma, hohes Fieber<br />

Therapie:<br />

• Sofortiges Beenden der Medikation<br />

• Kühlung des Patienten (Fieber!)<br />

• Ausreichende Flüssigkeitszufuhr, ggf. Infusion<br />

• Ggf. intensivmedizinische Maßnahmen<br />

Duloxetin (Cymbalta®)<br />

Anwendungsgebiete:<br />

• Episoden einer major depression<br />

• Schmerzen <strong>bei</strong> diabetischer Polyneuropathie<br />

• Hinweis auf Wirkung <strong>bei</strong> Fibromyalgie<br />

• Keine Zulassung für <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> Jugendliche<br />

Dosierung:<br />

• Startdosis 30mg/Tag, Erhaltungsdosis<br />

60(-120mg)/Tag<br />

• Als Einmalgabe am Morgen<br />

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen SSRIs<br />

Gastrointestinal: Übelkeit, Erbrechen, Appetitminderung<br />

ZNS: Müdigkeit, innere Unruhe, Schlafstörungen, Kopfschmerzen<br />

Kardiovaskulär: Hypotension, Tachykardie<br />

Weitere: Sexuelle Funktionsstörungen, M<strong>und</strong>trockenheit,<br />

Schwitzen, Gewichtszunahme, Tremor<br />

Notwendige Kontrolluntersuchungen <strong>bei</strong> SSRIs<br />

Nach Benkert <strong>und</strong> Hippius, 2012; Gerlach et al. 2009<br />

21


Fall<strong>bei</strong>spiel 1<br />

16-jährige Patientin mit elektiver Cholezystektomie 3/2009 <strong>bei</strong><br />

Gallensteinen<br />

Nachfolgend Entzündung <strong>und</strong> Fistelbildung<br />

Insgesamt 27 OPs in Folge<br />

Rezidivierende Schmerzsymptomatik mit Oberbauchschmerzen,<br />

Engegefühl im Thorax, Schwindel <strong>und</strong> rezidivierenden<br />

psychogenen Anfällen<br />

Was ist zu tun?<br />

Fall<strong>bei</strong>spiel 2<br />

17-jährige Patientin mit depressiver Episode<br />

seit 3 Tagen Therapie mit SSRI Fluoxetin<br />

Nach anfänglich guter Verträglichkeit innerhalb <strong>von</strong> 24 h<br />

Entwicklung gastroenteritischer Symptome (Übelkeit, Erbrechen,<br />

Diarrhoe), Fieber bis 38,5°C, Tremor, leichter Rigor,<br />

Erregungszustand, zeitliche Desorientiertheit<br />

Was ist zu tun?<br />

Medikation<br />

Zeitlich begrenzt, aber ausreichend lange<br />

• Fortsetzung der Behandlung nach Abklingen der<br />

depressiven Symptomatik über ca. 6 Monate oder auch<br />

länger<br />

• Danach schrittweises, langsames Ausschleichen über<br />

Wochen<br />

• Bei drei deutlich depressiven Episoden langfristige<br />

Rückfallprophylaxe<br />

Zunächst sedierend wirkendes Antidepressivum<br />

Mirtazapin (Remergil®)<br />

Umstellung auf Duloxetin (Cymbalta®)<br />

Darunter kaum noch Schmerzäußerungen<br />

Stationäre Aufnahme<br />

Absetzen der Medikation<br />

Symptomatische Gabe <strong>von</strong> Benzodiazepinen<br />

Im Verlauf komplette Rückbildung des akuten Krankheitsbildes<br />

Weiterbehandlung mit SNRI Reboxetin (Edronax®)<br />

Medikamentöse<br />

Behandlung<br />

der<br />

therapieresistenten<br />

<strong>Depression</strong><br />

22


Strategien zur Behandlung<br />

der therapieresistenten <strong>Depression</strong><br />

• „Augmentation“: Verstärkung der antidepressiven<br />

Wirkung eines gegebenen Antidepressivums durch die<br />

zusätzliche Gabe einer weiteren Substanz, die selbst<br />

kein Antidepressivum ist<br />

• „Switching“: Umsetzen <strong>von</strong> einem Antidepressivum auf<br />

ein anderes Antidepressivum<br />

• „Kombination“: zusätzliche Gabe eines weiteren<br />

Antidepressivums zu einer nicht ausreichenden<br />

Medikation<br />

• Kombination mit Psychotherapie<br />

Strategien <strong>bei</strong> Nichtansprechen:<br />

Augmentation<br />

NVL Unipolare <strong>Depression</strong> 2012<br />

Augmentation<br />

NVL Unipolare <strong>Depression</strong> 2012<br />

Switching<br />

23


Kombination<br />

NVL Unipolare <strong>Depression</strong> 2012<br />

Erhöhte Rate <strong>von</strong> metabolischem Syndrom <strong>und</strong> Typ II<br />

Diabetes <strong>bei</strong> Erwachsenen mit bipolarer Störung<br />

www.diabetesverhindern.de/pages/abc/img/metabolisches.jpg<br />

Exkurs:<br />

Affektive Störungen<br />

& Gewichtsregulation<br />

Metabolisches Syndrom<br />

Syndrom X oder tödliches Quartett<br />

• Veränderungen im Kohlehydratstoffwechsel<br />

• Übergewicht<br />

• Bluthochdruck<br />

• erhöhte Blutfettwerte<br />

• Entzündliche Prozesse spielen eine Rolle.<br />

Wichtigste Vorstufe für Diabetes mellitus Typ 2 <strong>und</strong><br />

kardiovaskuläre Erkrankungen.<br />

• Psychisch Kranke deutlich erhöhtes Risiko<br />

• Gemeinsame Veranlagung oder sek<strong>und</strong>är aus Bewegungsmangel,<br />

Rauchen <strong>und</strong> Übergewicht?<br />

<strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> metabolisches Syndrom<br />

• In Deutschland: Zunahme der Adipositas im Kindes- <strong>und</strong><br />

Jugendalter in den letzten 10 Jahren<br />

• ca. 6% der <strong>Kinder</strong> adipös <strong>und</strong> 13% übergewichtig, mehr als<br />

doppelt so viel wie vor 10 Jahren.<br />

• Diabetes Typ 2 im Kindes- <strong>und</strong> Jugendalter weltweit parallel<br />

zur Zunahme der Adipositas dramatisch angestiegen<br />

• USA: in einigen Regionen häufiger als der Diabetes Typ 1<br />

• Definition des IDF-Verbandes für <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> Jugendliche<br />

(International Diabetes Federation)<br />

• Für <strong>Kinder</strong> über 16 Jahren können die IDF-Kriterien für<br />

Erwachsene eingesetzt werden.<br />

Reinehr 2007<br />

Alberti et al. Lancet 2007<br />

24


Prävalenz metabolischer Veränderungen<br />

unter atypischen Neuroleptika<br />

N=505; nach im Mittel 11 Wochen<br />

Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer<br />

• Gewichtszunahme auch unter Langzeittherapie mit SSRI<br />

• Kriterium: mehr als 7 % des Ausgangsgewichtes<br />

• Paroxetin: 25,5 % der Patienten<br />

• Fluoxetin: 6,8 % der Patienten<br />

• Sertralin: 4,2 % der Patienten<br />

• Maina et al. J Clin Psychiatry. 2004 Oct;65(10):1365-71.<br />

Nichtmedikamentöse biologische<br />

Behandlungsverfahren<br />

• Lichttherapie<br />

• EKT<br />

• tDCS<br />

Metabolische Veränderungen unter<br />

atypischen Neuroleptika<br />

Zunahme unter<br />

• Olanzapin: 8.5 kg<br />

• Quetiapin: 6.1 kg<br />

• Risperidon: 5.3 kg<br />

• Aripiprazol: 4.4 kg<br />

• Unbehandelt: 0.2 kg<br />

• Olanzapin <strong>und</strong> Quetiapine:<br />

Gesamt-Cholesterin, LDL-<br />

Cholesterin & Triglyzeride<br />

sign. erhöht<br />

• Risperidon:<br />

Triglyzeride sign. erhöht<br />

• Aripiprazol:<br />

keine Veränderungen.<br />

Correll et al. JAMA 2009<br />

Risiko <strong>bei</strong> affektiver Dysregulation:<br />

Ansatzpunkte für die Prävention <strong>und</strong> Therapie<br />

www.neuro24.de/metabolischessyn.jpg<br />

Chronotherapie<br />

25


Sind Sie eine Eule oder eine Lerche?<br />

Wann schickt Ihre<br />

innere Uhr Sie ins<br />

Bett?<br />

Antidepressiva: Effektivität <strong>und</strong> Sicherheit<br />

• Meta-Analyse (Michael & Crowley, 2002): Wirksamkeit<br />

der meisten pharmakologischen Interventionen nicht<br />

zufriedenstellend.<br />

• Neueste verfügbare Cochrane-Analyse (Hetrick et al.<br />

2007): zurückhaltende Bewertungen der verfügbaren<br />

Antidepressiva.<br />

• Offene Fragen bzgl. der Sicherheit.<br />

• Großer Bedarf an der Evaluation weiterer therapeutischer<br />

Interventionen.<br />

Lichttherapie <strong>bei</strong> <strong>Depression</strong><br />

Doppelblinde Studie:<br />

• Wirksamkeit <strong>von</strong><br />

Lichttherapie<br />

vergleichbar<br />

derjenigen <strong>von</strong><br />

Fluoxetin<br />

• schnellerer<br />

Wirkeintritt <strong>und</strong><br />

weniger<br />

unerwünschter<br />

Wirkungen<br />

Lam et al. AJP 2006<br />

Störungen des zirkadianen Rhythmus als<br />

Ansatzpunkt?<br />

Chronotherapie<br />

• Antidepressive Behandlung mit dem schnellsten Wirkeintritt<br />

• Wachtherapie<br />

– Partieller (teilweiser) Schlafentzug<br />

– Vollständiger Schlafentzug.<br />

– In der Hälfte der Fälle Verbesserung der Stimmung am<br />

Folgetag.<br />

• Schlafphasenvorverlagerung<br />

– stabilisiert Schlafentzugseffekt<br />

• Lichttherapie<br />

– 500 bis 1.000 x heller als Raumlicht (~10.000 Lux)<br />

• Etabliert zunächst <strong>bei</strong> der saisonal bedingten <strong>Depression</strong><br />

„Sonne für das Nervensystem“<br />

Affektive Dysregulation<br />

• Verschiebung zirkadianer Rhythmik<br />

• mehr Schlafprobleme<br />

• Wirksamkeit <strong>von</strong> Lichttherapie?<br />

• 2 Wochen 10.000 Lux vs. 100 Lux<br />

26


Lichttherapie: Erste Ergebnisse<br />

• Depressivität <strong>und</strong> Funktionsniveau in<br />

<strong>bei</strong>den Gruppen besser<br />

Spezifische Effekte der Lichttherapie:<br />

• Verringerung <strong>von</strong><br />

Einschlafschwierigkeiten<br />

• Verringerung <strong>von</strong><br />

Durchschlafschwierigkeiten<br />

• Verbesserung des Erholtseins nach dem<br />

Schlaf<br />

<strong>Holtmann</strong> et al. Unveröffentlichte Daten<br />

Nichtmedikamentöse biologische<br />

Behandlungsverfahren: tDCS<br />

• Nebenwirkungen (nach Poreisz et al.)<br />

– leichtes Kribbeln unter den Elektroden (71%)<br />

– leichte Müdigkeit (35%)<br />

– leichtes Jucken (30%)<br />

– Brennen (22%) <strong>und</strong> Schmerz (16%) unter den Elektroden<br />

– Lichtblitze <strong>bei</strong>m An- <strong>und</strong> Ausschalten des Stimulators<br />

(11%)<br />

Helfen Antidepressiva <strong>bei</strong> bipolarer<br />

<strong>Depression</strong>?<br />

• Systematic Treatment Enhancement Program for Bipolar<br />

Disorder (STEP-BD) des NIMH<br />

• Behandlung mit einem Mood-Stabilizer plus<br />

Antidepressivum (Bupropion / Paroxetin) hat keinen<br />

Vorteil hat gegenüber einem Mood-Stabilizer allein.<br />

Sachs NEJM 2007<br />

• Schlechterer Verlauf, wenn in depressiver Episode auch<br />

(subsyndromale) manische Symptome vorkommen<br />

Goldberg AJP 2007<br />

Nichtmedikamentöse biologische<br />

Behandlungsverfahren: tDCS<br />

• nicht-invasiv<br />

• schwacher Gleichstrom über zwei<br />

Elektroden<br />

• Anodale Stimulation: Anode als<br />

Aktivelektrode<br />

(Erregbarkeitserhöhung)<br />

• vier Stimulationsparameter <strong>von</strong><br />

Bedeutung: Ort, Polarität, Dauer <strong>und</strong><br />

Intensität der Stimulation<br />

• Möglichkeit zur effektiven<br />

Plazebokontrolle<br />

Behandlung der bipolaren<br />

<strong>Depression</strong><br />

Helfen Antidepressiva <strong>bei</strong> bipolarer<br />

<strong>Depression</strong>?<br />

Aktuelle Meta-Analyse:<br />

• 15 Studien mit 2.373 Patienten<br />

Sidor & Macqueen J Clin Psychiatry 2010<br />

• Antidepressiva waren in der Behandlung der bipolaren <strong>Depression</strong><br />

dem Plazebo nicht überlegen.<br />

• Kein erhöhtes Switch-Risiko durch Antidepressiva.<br />

• Bei sensitiveren Kriterien für Switch: erhöhte Switch-Raten durch<br />

Antidepressiva.<br />

• Stellenwert der Atypika?<br />

27


Quetiapin: ein Antidepressivum?<br />

BOLDER-Studien (BipOLar DEpRession)<br />

Veränderungen der depressiven Symptomatik (MADRS)<br />

Abb. aus Thase 2008<br />

Therapie der bipolaren <strong>Depression</strong><br />

S3-Leitlinie zur Diagnostik <strong>und</strong> Therapie Bipolarer Störungen<br />

Langversion 1.0 (2012)<br />

Depressive Episoden <strong>bei</strong> Bipolarer Störung<br />

Hoher Stellenwert <strong>von</strong><br />

intensiver Psychotherapie<br />

<strong>und</strong> Psychoedukation!<br />

STEP-BD:<br />

bis zu 30 Sitzungen in 9<br />

Monaten<br />

vs. 3 in 6 Wochen<br />

Miklowitz et al. AGP 2007 (STEP-BD)<br />

Leitlinien für klinisches Handeln?<br />

„New treatment guidelines for acute bipolar depression:<br />

A systematic review.“<br />

Nivoli J Affect Disord 2011<br />

• Trend zu Quetiapin-Monotherapie als empfohlenes Mittel<br />

der 1. Wahl <strong>bei</strong> bipolarer <strong>Depression</strong>.<br />

• Ggf. Quetiapin zu bereits bestehender Phasenprophylaxe<br />

hinzufügen.<br />

• Lamotrigin wird kontrovers diskutiert.<br />

Depressive Episoden <strong>bei</strong> Bipolarer<br />

Störung<br />

1. Schritt:<br />

bestehende Phasenprophylaxe optimieren;<br />

ggf. Plasmaspiegel überprüfen.<br />

2. Schritt:<br />

Kombinationsbehandlung mit Quetiapin<br />

Quetiapin-Dosierung <strong>bei</strong> <strong>Depression</strong>:<br />

Tag 1: 50 mg<br />

Tag 2: 100 mg<br />

Tag 3: 200 mg<br />

Tag 4: 300 mg (bis 600 mg)<br />

Depressive Episoden <strong>bei</strong> Bipolarer<br />

Störung<br />

An Erwachsenen gewonnene Erkenntnisse können nicht<br />

ohne weiteres auf das Jugendalter übertragen werden.<br />

Zusätzliche Unsicherheiten angesichts des oft<br />

<strong>und</strong>ifferenzierten klinischen Bildes <strong>bei</strong> juvenilen bipolaren<br />

Störungen.<br />

Auf hypomane Symptome achten!<br />

28


Suizidalität & Selbstverletzungen<br />

Selbstverletzungen<br />

Indirekte Formen<br />

• Nahrungsverweigerung<br />

• Alkohol-, Drogenkonsum<br />

• Verweigerung wichtiger<br />

medizinischer Behandlung<br />

• Riskantes Verhalten im<br />

Straßenverkehr<br />

• Ungeschützter<br />

Geschlechtsverkehr<br />

Direkte Formen<br />

• Ritzen<br />

• Schneiden<br />

• Schlagen<br />

• Verbrennen<br />

• Vereisen<br />

• Einnahme schädigender<br />

Substanzen<br />

Suizidales Verhalten -<br />

Entwicklungspsychopathologie<br />

• Suizidversuche erst <strong>bei</strong> endgültiger Todesvorstellung möglich (~7 Jahre)<br />

• Suizide < 14 Jahre 1,3 auf 1.000.000<br />

• Suizidgedanken in der Pubertät ca. 25%<br />

• Suizidpläne <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> ca. 14%<br />

• Suizidversuche < 18 Jahre 500 pro 100.000<br />

Jungen/Mädchen 1:3<br />

• Suizide < 18 Jahre: 120 pro 100.000<br />

Jungen/Mädchen 2:1<br />

Mäßige oberflächliche Selbstverletzung<br />

Mäßige oberflächliche Selbstverletzung Phasen der Selbstverletzung<br />

Auslöser<br />

• Angst-, Hassgefühle; Überforderung; oft kein<br />

Situationszusammenhang<br />

Gefühle unmittelbar vor der Selbstverletzung<br />

• Spannungszustand mit Rauschcharakter;<br />

Depersonalisationserleben.<br />

Selbstverletzende Handlung<br />

• Ritual mit bereit gestelltem Instrument; oft feste Abläufe;<br />

häufig partielle oder totale Schmerzunempfindlichkeit<br />

Gefühle im Anschluss an die Selbstverletzung<br />

• Entlastung <strong>und</strong> Spannungsminderung;<br />

Hebung der Stimmungslage <strong>und</strong> des Selbstwertgefühls<br />

Neppert, 1998<br />

29


Selbstverletzungen:<br />

Umgang in der akuten Situation<br />

• Entfernung aus der Gruppensituation<br />

• Betroffene auffordern, Verletzungsgegenstand abzugeben<br />

• ggf. Inspektion der Verletzung<br />

• Informieren der Sorgeberechtigten<br />

• ggf. ärztliche Behandlung (Hausarzt, Allgemeinarzt,<br />

Chirurg, nach Rücksprache mit Sorgeberechtigten)<br />

• ggf. Vorstellung in kinderpsychiatrischer Klinik<br />

• mögliche Suizidalität auszuschließen<br />

Reduktion <strong>von</strong> Selbstbeschädigungen<br />

Gefährlichkeit<br />

Schneiden<br />

Schneiden an<br />

weniger<br />

gefährlichen<br />

Stellen<br />

Ritzen mit<br />

Schlüssel<br />

Entwicklung über die Zeit<br />

Suizidalität <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong><br />

Wunsch nach Ruhe <strong>und</strong> Pause<br />

(mit bewusstem Risiko <strong>und</strong> Inkaufnahme<br />

<strong>von</strong> Versterben)<br />

Todeswunsch<br />

(jetzt oder in einer unveränderten Zukunft<br />

lieber tot sein zu wollen)<br />

Suizidideen<br />

(Erwägungsmöglichkeit; spontan<br />

einschießender Gedanke)<br />

Suizidabsicht<br />

(mit/ohne konkrete Planung &<br />

Ankündigung)<br />

Suizidhandlung<br />

Wolfersdorf, 2000<br />

Entspannungsball<br />

Passive Suizidalität<br />

Zunehmender<br />

Handlungsdruck<br />

Zunehmendes<br />

Handlungsrisiko<br />

Akute Suizidalität<br />

Therapieziele <strong>bei</strong> Selbstverletzungen<br />

• Verringern parasuizidaler Verhaltensmuster<br />

• Verringern <strong>von</strong> Verhaltensmustern, die die Lebensqualität<br />

einschränken, wie depressive Symptome<br />

• Förderung eigenverantwortlichen Handelns<br />

• Aufbau <strong>von</strong> Verhaltensfertigkeiten<br />

• Achtsamkeit<br />

• Stresstoleranz<br />

• Emotionsregulation<br />

• Interpersonelle Effektivität<br />

Entwicklungspsychopathologie des Suizids<br />

Suizide <strong>bei</strong> <strong>Kinder</strong>n unter 10 Jahren sind sehr selten<br />

• Keine Vorstellung <strong>von</strong> Endlichkeit des Lebens<br />

• Keine Fähigkeit sichere <strong>und</strong> unsichere suizidale Methoden zu<br />

unterscheiden<br />

• Keine kognitiven Kompetenzen <strong>von</strong> Selbstreflexion <strong>und</strong><br />

Selbstentwertung<br />

Drastischer Anstieg der Suizidrate im Jugendalter<br />

• Weniger „Bilanz“-Suizide<br />

• Hohe Suggestibilität (Lerntheorie): „Werther-Effekt“<br />

Definition einer suizidalen Handlung<br />

• Definition einer Handlung als „suizidal“ liegt <strong>bei</strong>m Patienten<br />

• Der Betroffene selbst schätzt sein Verhalten <strong>und</strong> seine Gedanken als<br />

suizidal oder nicht-suizidal ein<br />

• Suizidalität wird nicht durch Letalität der Methode oder die Umstände<br />

der Handlung bestimmt<br />

• Gefahr <strong>von</strong> Bagatellisierungstendenzen<br />

• Deshalb: Atmosphäre <strong>von</strong> Offenheit <strong>und</strong> Akzeptanz als Gr<strong>und</strong>lage für<br />

gemeinsame Einschätzung momentaner Suizidalität<br />

Wolfersdorf, 2000<br />

30


Suizidales Verhalten<br />

– Hinweise auf Todesabsicht<br />

• Gewähltes Mittel nicht ausschlaggebend!<br />

• Definition einer Handlung als „suizidal“ liegt <strong>bei</strong>m Patienten<br />

• Handlung u. Isolation<br />

• Zeitpunkt mit geringer Entdeckungswahrscheinlichkeit<br />

• Vorbereitungen in Todeserwartung<br />

• Keine Alarmierung Dritter nach der Handlung<br />

Krisenintervention <strong>bei</strong> suizidgefährdeten<br />

<strong>Jugendlichen</strong><br />

Suizidgefährdete direkt auf Suizidgedanken ansprechen<br />

Erziehungsberechtigte informieren<br />

Im Verlauf evtl. Anti-Suizid-Verträge<br />

Im Gespräch mit dem Suizidgefährdeten dringend vermeiden:<br />

• Sich geschockt zeigen<br />

• Schuldgefühle einflößen<br />

• Mit Gewalt „Waffen“ wegnehmen<br />

• Absolute Vertraulichkeit zusichern, wenn man diese nicht<br />

einhalten kann<br />

• Rationale Argumente gegen den Suizid vorbringen<br />

• Den Gefährdeten alleine lassen<br />

aus: Cipriani et al (2005) Am J Psychiatry 162:1805-17<br />

Suizidalität: Risikogruppen<br />

• Schwere <strong>Depression</strong>, insbesondere mit Schuldwahn<br />

• Teilremittierte Schizophrenie; insbesondere männl.<br />

Jugendliche<br />

• ADHS + Aggression + <strong>Depression</strong><br />

• Impulsivität als Risikofaktor<br />

• Akute Suizidalität ist absolute Indikation zur stationären<br />

Krisenintervention!<br />

Suizidprophylaxe<br />

• suizidprophylaktische Wirkung langfristiger<br />

antidepressiver Therapie nicht belegt<br />

• <strong>bei</strong> depressiven <strong>und</strong> manisch-depressiven Erwachsenen:<br />

langfristige Behandlung mit Lithium reduziert dramatisch<br />

das Suizidrisiko (Goodwin et al, 2003)<br />

• entsprechende Untersuchungen im Jugendalter dringend<br />

notwendig<br />

Lithium gegen Suizidalität?<br />

• Benzodiazepine vorübergehend hilfreich<br />

• ALLE anderen Psychopharmaka werden nicht empfohlen!<br />

S3-Leitlinie zur Diagnostik <strong>und</strong> Therapie Bipolarer Störungen<br />

Langversion 1.0 (2012)<br />

31


Der sprunghafte Stil:<br />

„Achterbahn, Feuer <strong>und</strong> Eis, Leben auf dem Vulkan“<br />

• Für sprunghafte Menschen ist das Leben eine<br />

Achterbahnfahrt.<br />

• Sie brauchen immer eine tiefe romantische Beziehung zu<br />

anderen <strong>und</strong> treten voller Leidenschaft mit anderen in<br />

Kontakt.<br />

• Sie finden in allem, was andere sagen, eine emotionale<br />

Bedeutung.<br />

• Sie sind leicht geschmeichelt <strong>und</strong> erfreut, genauso<br />

schnell aber am Boden zerstört oder enttäuscht.<br />

• Sie zeigen, was sie fühlen, sind hemmungslos, spontan<br />

<strong>und</strong> haben keine Angst vor Risiken.<br />

Symptome<br />

• Selbstverletzung<br />

• Suizidales Verhalten<br />

• Essanfälle, Substanzmissbrauch<br />

• Promiskuität<br />

• dissoziales Verhalten<br />

• Schwierigkeiten, Wut zu kontrollieren<br />

• frühe Erfahrung <strong>von</strong> Vernachlässigung durch primäre<br />

Bezugspersonen<br />

• (sexuelle) Gewalterfahrungen<br />

Therapeutische Gr<strong>und</strong>annahmen<br />

Wertschätzung<br />

• Das Verhalten der Patientin macht in ihrem Kontext Sinn.<br />

• Selbstverletzung als derzeit „beste verfügbare Lösung“.<br />

• Sie muss in fast allen Bereichen neues Verhalten lernen.<br />

• Der Therapeut balanciert zwischen Akzeptanz <strong>und</strong><br />

Drängen auf Veränderung.<br />

• Dialektisch-behaviorale Therapie (DBT; nach Marsha<br />

Linehan)<br />

• Station mit DBT-Schwerpunkt für Mädchen in LWL-<br />

Uniklinik (Station A3)<br />

Borderline-Persönlichkeitsstörung<br />

• Instabilität in Beziehungen, Selbstbild <strong>und</strong> Gefühlen;<br />

• ausgeprägte Impulsivität<br />

• verzweifeltes Bemühen, Alleinsein zu verhindern<br />

• Wechsel zwischen Überidealisierung <strong>und</strong> Entwertung<br />

• chronisches Gefühl der Leere<br />

• wiederholte Suiziddrohungen oder -versuche,<br />

Selbstverletzungen<br />

• Stimmungsschwankungen<br />

• Unfähigkeit, Wut zu kontrollieren<br />

• dissoziative Symptome<br />

1. Therapiephase:<br />

Schwere Probleme auf der Verhaltensebene<br />

• Trennung <strong>von</strong> Verhalten <strong>und</strong> Person, d.h. Korrigieren <strong>von</strong><br />

Verhalten ohne Bezug auf Person (zur Vermeidung <strong>von</strong><br />

Abwertungen)<br />

• Umgang mit<br />

– suizidalen Krisen<br />

– Verhalten, das die Therapie beeinträchtigt<br />

– Verhalten, das die emotionale Balance schwer stört<br />

(Drogen, Essstörung, ...)<br />

• Verbesserung <strong>von</strong> Fertigkeiten („Skills“)<br />

32


Stressreduktion / Umgang mit<br />

Gefühlsstürmen<br />

• Versuche Deine Gefühle nicht zu unterdrücken<br />

• aber: lass die Gefühle nicht unkontrolliert heraus!<br />

• Versuche, der Stressreaktion ein Ventil zu geben<br />

• Skills:<br />

• Eiswürfel, heiße/kalte Dusche, Rennen, Igelball,<br />

Massage, Bad, laute / aufmunternde Musik, scharfe<br />

Gewürze (Meerrettich, Chili), Muskulatur an- u.<br />

entspannen, ...<br />

Was können Sie tun?<br />

• Weder in Mitleid ertrinken noch verurteilen.<br />

– Nicht zu viel Aufmerksamkeit<br />

– Nicht vorsätzlich aversiv („soll ihr ruhig wehtun“)<br />

• Eher „technisch“ / nüchtern behandeln<br />

DSM-5<br />

Therapie der Borderline-Störung<br />

2. Therapiephase:<br />

Umgang mit Folgen <strong>von</strong> traumatischen Erfahrungen<br />

3. Therapiephase:<br />

Befähigung zur ambulanten Therapie<br />

Ausblick<br />

Disruptive Mood Dysregulation Disorder<br />

(DMDD)<br />

33


„Tief im Westen …<br />

… ist es besser als man denkt…“<br />

Martin <strong>Holtmann</strong><br />

LWL-Universitätsklinik Hamm der Ruhr-Universität Bochum<br />

<strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendpsychiatrie,<br />

Klinik für Psychiatrie <strong>und</strong> Psychotherapie<br />

des Kindes- <strong>und</strong> Jugendalters<br />

Psychotherapie & Psychosomatik<br />

ZI Mannheim<br />

34

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