18.07.2013 Aufrufe

Was Kindern nach der Trennung bleibt, sind Vater und Mutter als ...

Was Kindern nach der Trennung bleibt, sind Vater und Mutter als ...

Was Kindern nach der Trennung bleibt, sind Vater und Mutter als ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Kin<strong>der</strong> können durch den Glauben geschwächt werden,<br />

einen wichtigen <strong>und</strong> einen verzichtbaren Elternteil zu haben<br />

Mehr noch <strong>als</strong> von <strong>der</strong> <strong>Trennung</strong> selbst, <strong>sind</strong> die langfristigen<br />

Folgen für Kin<strong>der</strong> von den Bedingungen da<strong>nach</strong> abhängig.<br />

Aufgr<strong>und</strong> von Schuldgefühlen versuchen Eltern manchmal, die<br />

Kin<strong>der</strong> an an<strong>der</strong>er Stelle für Entbehrtes zu entschädigen. Möglicherweise<br />

versuchen sie, ihnen Schwierigkeiten aus dem Weg<br />

zu räumen, die sie ihnen ohne die <strong>Trennung</strong> zugemutet hätten.<br />

Wie<strong>der</strong>holt sich dieses Verhalten, können die Kin<strong>der</strong> dadurch<br />

hohe Erwartungen entwickeln, da sie gelernt haben, dass ihre<br />

Eltern für die Bewältigung von ihren Schwierigkeiten zuständig<br />

<strong>sind</strong>. Eltern, denen es schwerfällt, klare For<strong>der</strong>ungen zu stellen,<br />

werden zum Spielball <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>. 24<br />

Oft versuchen Kin<strong>der</strong> aber auch zum Helfer ihrer Eltern zu<br />

werden, da sie <strong>der</strong>en Probleme spüren. Zu früh für ihr Alter<br />

<strong>und</strong> ihre Kräfte übernehmen sie zu viel <strong>und</strong> teilen die Sorgen<br />

<strong>und</strong> Pflichten von <strong>Mutter</strong> <strong>und</strong> <strong>Vater</strong>. Häufig fühlen sie sich für<br />

die Atmosphäre zu Hause verantwortlich <strong>und</strong> gehen manchmal<br />

sogar davon aus, dass sie <strong>und</strong> ihr Fehlverhalten die Ursache <strong>der</strong><br />

Streitigkeiten <strong>der</strong> Eltern <strong>sind</strong>. Der Verlust ihres Selbstwertgefühls<br />

<strong>und</strong> die Entstehung von Schuldgefühlen <strong>und</strong> kindlicher Depression<br />

können die Folgen dessen sein. Oftm<strong>als</strong> verhalten sie sich<br />

aggressiv o<strong>der</strong> aber sehr destruktiv. 25 Ȁltere Kin<strong>der</strong> glauben, <strong>der</strong><br />

Streit findet statt, weil es sie überhaupt gibt,« was im Extremfall<br />

auch zur Entstehung von Suizidgedanken führen kann. 26<br />

Da das Beziehungsdreieck zwischen <strong>Mutter</strong>, <strong>Vater</strong> <strong>und</strong> Kind in<br />

den Gedanken <strong>und</strong> Gefühlen <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> weiterhin wirksam ist,<br />

beschäftigen sie sich außerdem damit, was sie von dem Elternteil<br />

›geerbt‹ haben, bei dem sie nicht dauerhaft leben. Laut Heinz<br />

Offe spielt <strong>der</strong> nichtbetreuende Elternteil in den Vorstellungen<br />

<strong>und</strong> Phantasien <strong>der</strong> Restfamilie weiterhin eine wichtige Rolle,<br />

beson<strong>der</strong>s wenn <strong>der</strong> Kontakt abgebrochen ist. 27 Dabei können<br />

Kin<strong>der</strong> teilweise stark idealisierte, aber auch völlig negative<br />

Phantasiebil<strong>der</strong> entwickeln, die Auswirkungen auf ihre Identitätsbildung<br />

haben, was problematisch ist, da Kin<strong>der</strong> dazu neigen,<br />

Merkmale ihrer Eltern in ihr eigenes Selbstbild aufzunehmen.<br />

»Für die eigene Identitätsentwicklung ist es daher wichtig<br />

<strong>und</strong> hilfreich, den an<strong>der</strong>en Elternteil zu kennen <strong>und</strong> konkrete<br />

Erfahrungen mit ihm zu machen, um sich nicht mit Phantasien<br />

auseinan<strong>der</strong> setzen zu müssen. Dies gilt auch dann, wenn die<br />

konkreten Erfahrungen möglicherweise enttäuschend <strong>sind</strong>, weil<br />

<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Elternteil sich nicht kümmert.« 28<br />

Für Kin<strong>der</strong> kann die Folge dieser fehlenden Identifikationsmöglichkeit<br />

eine Min<strong>der</strong>ung im Selbstwertgefühl <strong>und</strong> ihrer Selbstsicherheit<br />

sein. Mangelndes Selbstvertrauen in die eigenen<br />

Fähigkeiten kann das Ergebnis davon sein, dass sie glauben,<br />

dass nur ein Teil von ihnen in Ordnung ist. Nach außen wirken<br />

sie stark <strong>und</strong> positiv, doch innerlich haben diese Kin<strong>der</strong> häufig<br />

Probleme mit eigenem Versagen, mit normaler Zerrissenheit.<br />

So kommt es im frühen Erwachsenenalter bei normalen Erfahrungen<br />

mit eigenem Versagen möglicherweise zu Schuldzuschreibungen<br />

an die Eltern <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e, da es immer ein zuverlässiges<br />

Feindbild in ihrem Leben gegeben hat, dem man die<br />

Schuld geben konnte. Auf diese Weise haben die Kin<strong>der</strong> nicht<br />

gelernt, ihr eigenes Verhalten zu hinterfragen o<strong>der</strong> anzupassen.<br />

Außerdem fällt es ihnen schwer, »Gefühle <strong>und</strong> Einstellungen<br />

ihrer Mitmenschen zu akzeptieren, wenn sie von den eigenen<br />

abweichen«. In späteren Fre<strong>und</strong>schaften kann dies Schwierigkeiten<br />

bereiten, »denn es gibt nur die polarisierte Sicht auf die<br />

Welt <strong>und</strong> die Menschen. Entwe<strong>der</strong> sie <strong>sind</strong> ihrer Meinung, dann<br />

<strong>sind</strong> sie <strong>als</strong> Verbündete akzeptiert o<strong>der</strong> sie <strong>sind</strong> es nicht <strong>und</strong> die<br />

Beziehungen werden abrupt abgebrochen«. Weitere Folgen von<br />

fehlenden Identifikationsmöglichkeiten können das Auftreten<br />

von Leistungs- <strong>und</strong> Beziehungsängsten, Depressionen o<strong>der</strong><br />

aggressives Ausagieren <strong>und</strong> selbstschädigendes Verhalten im<br />

jungen Erwachsenenalter sein. 29<br />

Der bereits beschriebene Mangel an Identifikationsmöglichkeiten<br />

kann sich auch für die Ausbildung <strong>der</strong> Geschlechtsrollenidentität<br />

bei Jugendlichen <strong>als</strong> schwierig gestalten. Jungen, die ihren <strong>Vater</strong><br />

ablehnen müssen, fühlen sich gezwungen, die eigene männliche<br />

Seite abzulehnen. 30 Der Versuch, sich aus <strong>der</strong> »femininen Identifikation<br />

mit <strong>der</strong> <strong>Mutter</strong> zu befreien«, 31 äußert sich oftm<strong>als</strong><br />

durch antisoziales Verhalten. Dieses erklärt sich damit, dass<br />

ihnen das männliche Vorbild zur Ausbildung ihrer Moral <strong>und</strong><br />

Selbstkontrolle fehlt. 32 Für Mädchen, die ihren <strong>Vater</strong> ablehnen<br />

müssen, kann es sich <strong>als</strong> schwierig herausstellen, »Vertrauen<br />

in ihre Weiblichkeit zu entwickeln« 33 . Ihnen fehlt <strong>der</strong> liebevolle<br />

Blick ihrer Väter <strong>und</strong> dessen positive männliche Bestätigung<br />

ihrer Attraktivität. Auch die spätere Anerkennung durch an<strong>der</strong>e<br />

Männer kann die Selbstzweifel nicht ausräumen. Diese Frauen<br />

verlangen oft <strong>nach</strong> mehr Aufmerksamkeit <strong>und</strong> mehr Nähe,<br />

<strong>sind</strong> sehr liebebedürftig <strong>und</strong> anhänglich. Doch häufig können<br />

sie die emotionale Leere trotzdem nicht füllen <strong>und</strong> für sich<br />

kein angenehmes Maß an Zufriedenheit erreichen. Zusätzlich<br />

dazu leiden sie aufgr<strong>und</strong> ihres schwach ausgeprägten Selbstbewusstseins<br />

häufiger an Essstörungen <strong>und</strong> Zwangskrankheiten<br />

<strong>und</strong> werden im jungen Erwachsenenalter häufiger Opfer von<br />

Gewalt <strong>und</strong> sexuellem Missbrauch. 34 Mädchen, <strong>der</strong>en <strong>Mutter</strong><br />

<strong>als</strong> ihre ›Fre<strong>und</strong>in‹ gelten will, wird die Loslösung von ihr noch<br />

mehr erschwert, da die Tochter für die notwendige Distanzierung<br />

zu wenig Möglichkeiten hat.<br />

»Eine <strong>der</strong> gravierendsten Auswirkungen lang anhalten<strong>der</strong>, ungelöster<br />

Elternkonflikte ist das fehlende elterliche Modell, auch mit<br />

scheinbar schwierigen Beziehungen umgehen zu lernen.« 35 Ihnen<br />

fehlen die direkten Vorbil<strong>der</strong> für soziale Verhaltensweisen <strong>und</strong><br />

Rollenverteilungen, weshalb Kin<strong>der</strong> häufig nur vermin<strong>der</strong>t<br />

konfliktfähig <strong>sind</strong>. Sie vermeiden Auseinan<strong>der</strong>setzungen, da<br />

sie nicht gelernt haben, wie man Probleme miteinan<strong>der</strong> löst.<br />

»Diesen <strong>Kin<strong>der</strong>n</strong>« fehlt »die Übung mit Dreier-Beziehungen. Ihre<br />

Ur-Erfahrung <strong>bleibt</strong> auf Zweierkonstellationen beschränkt.« 36<br />

Deshalb for<strong>der</strong>n sie nicht selten Exklusivität in ihren Beziehungen<br />

zu an<strong>der</strong>en Menschen, »was in <strong>der</strong> Regel zu sozialer Isolation<br />

führt« 37 <strong>und</strong> beson<strong>der</strong>s problematisch wird, wenn diese Kin<strong>der</strong><br />

im Erwachsenenalter selbst ein Kind bekommen <strong>und</strong> dann im<br />

Beziehungsdreieck <strong>Mutter</strong>-<strong>Vater</strong>-Kind agieren müssen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!