Tagungsdokumentation: Interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen ...
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Thüringer Ministerium für<br />
Soziales, Familie und Gesundheit<br />
<strong>Tagungsdokumentation</strong><br />
zur Fachtagung<br />
„<strong>Interdisziplinäre</strong> <strong>Zusammenarbeit</strong> <strong>zwischen</strong> den<br />
Familiengerichten, Jugendämtern und Erziehungs-, Ehe-,<br />
Familien- und Lebensberatungsstellen für die Sicherung des<br />
Kindeswohls bei Trennung und Scheidung –<br />
ein Rahmenkonzept für Thüringen?“<br />
am 23./24. November 2005
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 2 von 65<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Deckblatt<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
1. Einleitung<br />
2. Programmablauf 23./24.November 2005<br />
3. Begrüßung durch Staatssekretär Manfred Scherer, TJM<br />
4. Redebeiträge<br />
4.1 Ursula Kodjoe „Umgang, der Trennungs- und Scheidungskindern gut tut“<br />
4.2 Armin Bandorf „Gerichte im Trennungs- und Scheidungsverfahren“<br />
4.3 Kerstin Dellemann „Zum Wohl des Kindes? – Erfahrungen eines Jugend-<br />
amtes mit der Umsetzung der Kindschaftsreform“<br />
4.4 Mario Hommel „Rechtsanwälte im Trennungs- und Scheidungs-<br />
verfahren“<br />
4.5 Regina Hübner „Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatungs-<br />
stellen im Trennungs- und Scheidungsverfahren“<br />
4.6 Manfred Lengowski „Cochemer Praxis“<br />
4.7 Matthias Weber „Umgang mit hochstrittigen Fällen“<br />
5. Protokolle der Arbeitsgruppen<br />
AG 1 „Cochemer Praxis“ (Manfred Lengowski)<br />
AG 2 „Regeln für die <strong>Zusammenarbeit</strong>“ (Matthias Weber)<br />
AG 3 „Wie gehe ich mit Kindern in der Beratung um?“ (Ursula Kodjoe)<br />
AG 4 „Erste Schritte für ein Rahmenkonzept in Thüringen“ (Iris Sydow)<br />
AG 5 „Mediation in der familiengerichtlichen Praxis“<br />
(Ortrud Bade/Sebastian Prüfer)<br />
Anhang<br />
• Referenten, Referentinnen, Moderatoren<br />
Seite<br />
3<br />
4<br />
6<br />
7<br />
8<br />
10<br />
16<br />
24<br />
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56<br />
62
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- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 3 von 65<br />
1. Einleitung<br />
Die 3. Fachtagung zum Thema „<strong>Interdisziplinäre</strong> <strong>Zusammenarbeit</strong> <strong>zwischen</strong> den<br />
Familiengerichten, Jugendämtern und Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen<br />
für die Sicherung des Kindeswohls bei Trennung und Scheidung“ fand am 23. und 24.<br />
November 2005 in Erfurt statt. Veranstaltungsort war der Multifunktionsraum im<br />
Regierungsviertel des Thüringer Ministeriums für Familie, Soziales und Gesundheit (TMSFG).<br />
Zur 1. Fachtagung im November 2003 konnten sich verschiedene am Trennungs- und<br />
Scheidungsverfahren beteiligte Professionen erstmals über Wege der Konfliktbewältigung und<br />
zur Sicherung des Kindeswohls bei Trennung und Scheidung, sowie über Mediation und das<br />
„Regensburger Modell“ verständigen. Die Vielfältigkeit der Thematik und im Rahmen der<br />
Tagung angesprochenen Schwierigkeiten bei der Umsetzung interdisziplinärer<br />
<strong>Zusammenarbeit</strong>/Kooperation ließen die Entscheidung reifen, weitergehende gemeinsame<br />
Fachtagungen für die betreffenden Professionen durchzuführen.<br />
Bei der 2. Fachtagung im Januar 2005 stand schließlich einer der ersten interdisziplinären<br />
Arbeitskreise in Deutschland zu dieser Thematik, die „Cochemer Praxis“, im Mittelpunkt.<br />
Auf der Suche nach Chancen, Konflikte nicht nur durch gerichtliche Entscheidungen zu regeln,<br />
sondern auch im Interesse des Kindeswohls zu lösen, hatte sich das Jugendamt Cochem zu einer<br />
<strong>Zusammenarbeit</strong> mit dem Familiengericht sowie anderen beteiligten Professionen entschlossen.<br />
Die Erkenntnis, dass durch gerichtliche Entscheidungen Konflikte zwar geregelt, aber seltener<br />
gelöst werden können macht im Interesse des Kindeswohls eine stärkere interdisziplinäre<br />
Vernetzung notwendig. Grundlage einer solchen Verzahnung ist die gleichberechtigte<br />
<strong>Zusammenarbeit</strong> der beteiligten Institutionen.<br />
In Weiterführung der bisherigen<br />
Fachtagungen zum o. g. Thema und der<br />
in Thüringen zum Teil bereits mit Erfolg<br />
praktizierten Modelle der<br />
Konfliktbewältigung im Wege der<br />
interdisziplinären <strong>Zusammenarbeit</strong> zur<br />
Sicherung des Kindeswohls bei<br />
Trennung und Scheidung sollte diese<br />
Tagung u. a. dazu dienen, zu prüfen, ob<br />
ein Rahmenkonzept zur <strong>Zusammenarbeit</strong><br />
in Thüringen notwendig ist und wenn ja,<br />
wie ein solches aussehen könnte.<br />
Referenten aus den verschiedenen Praxisfeldern in Thüringen (Familienrichter, Rechtsanwälte,<br />
Jugendamt und Erziehungs-, Ehe-, Lebens- und Familienberatung) gaben in ihren<br />
Impulsreferaten dem Teilnehmerkreis nicht nur einen fachspezifischen Überblick ihrer Arbeit,<br />
sondern auch eine wichtige Diskussionsgrundlage. Die einzelnen Redebeiträge sind auf den<br />
Seiten 4 bis 49 veröffentlicht.<br />
In den Arbeitsgruppen konnten sich die Teilnehmer schließlich konkret mit den<br />
debattierwürdigen Inhalten zur komplexen Thematik „Trennung und Scheidung“<br />
auseinandersetzen sowie Lösungsansätze intensiver reflektieren. Die zugehörigen Protokolle sind<br />
auf den Seiten 52 bis 65 zu finden.<br />
Der exakte Ablauf der Veranstaltung wird nachfolgend aufgeführt.
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * 3. Fachtagung *<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Programmablauf Seite 4 von 65<br />
2. Programmablauf für die Fachtagung am 23./24. November 2005<br />
TAG 1<br />
Moderation: René Langenberger<br />
9.00 Uhr Eröffnung Organisationsbüro<br />
9.30 Uhr bis 9.40 Uhr Begrüßung/Eröffnung durch<br />
Staatssekretär Manfred Scherer<br />
9.40 Uhr bis 12.00 Uhr „Kindgerechter Umgang als Weg zum Beziehungserhalt<br />
<strong>zwischen</strong> Eltern und Kindern“<br />
Referentin: Ursula Kodjoe<br />
Diplompsychologin, Familientherapeutin, Mediatorin<br />
12.00 Uhr bis 12.05 Uhr Möglichkeit für Nachfragen<br />
12.05 Uhr bis 12.35 Uhr „Familiengerichte im Trennungs- und Scheidungs-<br />
verfahren“<br />
Referent: Armin Bandorf<br />
Richter Thüringer OLG Jena<br />
12.35 Uhr bis 13.30 Uhr Mittagspause<br />
13.30 Uhr bis 14.00 Uhr „Zum Wohl des Kindes?“ – Erfahrungen eines Jugendamtes<br />
mit der Umsetzung der Kindschaftsrechtsreform“<br />
Referentin: Dr. Kerstin Dellemann<br />
FB-Leiterin Jugend, Soziales und Familie Saalfeld-Rudolstadt<br />
14.00 Uhr bis 14.30 Uhr „Rechtsanwälte im Trennungs- und Scheidungsverfahren“<br />
Referent: Mario Hommel<br />
Rechtsanwalt Mühlhausen<br />
14.30 Uhr bis 15.00 Uhr „Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen<br />
im Trennungs- und Scheidungsverfahren“<br />
Referentin: Regina Hübner<br />
Ärztin, EEFLB<br />
15.00 Uhr bis 15.20 Uhr Pause<br />
15.20 Uhr bis 16.40 Uhr „Cochemer Praxis“<br />
Referent: Manfred Lengowski<br />
Sozialarbeiter, Jugendamt Cochem<br />
16.40 Uhr bis 17.00 Uhr Möglichkeit für Nachfragen und Ende des 1. Tages
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * 3. Fachtagung *<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Programmablauf Seite 5 von 65<br />
TAG 2<br />
Moderation: René Langenberger<br />
9.15 Uhr bis 9.30 Uhr Zusammenfassung des 1. Tages und Einführung in den 2. Tag,<br />
insbesondere die Arbeit in den Arbeitsgruppen<br />
9.30 Uhr bis 10.15 Uhr Praxisbeispiele über <strong>Zusammenarbeit</strong> in Thüringen<br />
Statement EEFLB: Heidrun Horstmeier<br />
Statement Jugendamt Jena: Gabriele Widuwilt<br />
Statement Gerichte: Sabine Kuhnert<br />
Statement Rechtsanwälte: Mario Hommel<br />
10.15 Uhr 13.00 Uhr<br />
Arbeitsgruppe 1 „Cochemer Praxis unterstützt Professionen einer Region oder<br />
TJM Raum 113/114 mehrere Regionen, die den konkreten Wunsch auf Gründung<br />
eines Forums in ihrer Region haben“<br />
Referent: Manfred Lengowski<br />
Arbeitsgruppe 2 „Regeln für die <strong>Zusammenarbeit</strong>“<br />
TMSFG Raum 2.82 Referent: Matthias Weber<br />
Arbeitsgruppe 3 „Wie gehe ich mit Kindern in der Beratung um?“<br />
Multifunktionsraum Referentin: Ursula Kodjoe<br />
Arbeitsgruppe 4 „Erste Schritte für ein Rahmenkonzept in Thüringen“<br />
TMSFG Raum 1.64 Referentin: Iris Sydow<br />
Arbeitsgruppe 5 „Mediation in der familiengerichtlichen Praxis“<br />
TMSFG Raum 2.57 Referenten: Ortrud Bade und Sebastian Prüfer<br />
13.00 Uhr bis 14.00 Uhr Mittagspause<br />
14.00 Uhr bis 15.00 Uhr Abschlussreferat „Umgang mit hochstrittigen Fällen“<br />
Referent: Matthias Weber<br />
Diplompsychologe EEFLB Neuwied<br />
15.00 Uhr bis 15.30 Uhr Abschlussgespräch/Diskussion<br />
Moderation: René Langenberger<br />
Sabine Kuhnert
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 6 von 65<br />
3. Begrüßung<br />
Staatssekretär Manfred Scherer<br />
Anrede,<br />
Begrüßung durch Staatssekretär<br />
Manfred Scherer<br />
ich heiße Sie – auch im Namen des Ministers für Soziales, Familie und Gesundheit Herrn Dr.<br />
Zeh und des Thüringer Justizministers Harald Schliemann - ganz herzlich willkommen zum<br />
heute und morgen stattfindenden Fortbildungsseminar.<br />
Ich freue mich, dass der Saal so gut gefüllt ist. Dies zeigt mir, dass Ihnen allen hier das Wohl<br />
unserer Kinder am Herzen liegt. Dafür gebührt Ihnen schon vorweg ein großes Lob!<br />
Kinder sind unsere Zukunft. Die Kinder von heute sind die Erwachsenen von morgen.<br />
Deshalb ist es besonders wichtig, dass wir es ihnen ermöglichen, mit allen Chancen<br />
aufzuwachsen. Hierzu sind – dass wissen wir alle – intakte Familienverhältnisse besonders<br />
wichtig.<br />
Allerdings können wir es nicht verhindern, dass sich Eltern trennen. Genauso wenig können<br />
wir Kindeswohl per Gesetz verordnen - auch wenn sich in Sachen Kindschaftsrecht, wenn ich<br />
es mit meiner Zeit als Familienrichter am OLG vergleiche, sehr viel getan hat, z.B. die<br />
gemeinsame elterliche Sorge nach Trennung und Scheidung als Regelfall oder die Stärkung<br />
von Umgangsrechten.<br />
Aber gerade daraus ergibt sich ein verstärkter Konflikt <strong>zwischen</strong> den Eltern bei der Gestaltung<br />
des Umgangs mit dem Kind. Die hierzu vorhandenen rechtlichen Regelungen sind auf ein<br />
gerichtliches Entscheidungsverfahren ausgerichtet.<br />
Aber eine erzwungene Entscheidung des Gerichts im Streit <strong>zwischen</strong> den Eltern über das<br />
Sorge- oder Umgangsrecht ist allenfalls eine Regelung, aber keine Lösung. Auch das Kind<br />
spürt, dass ein Elternteil als „Verlierer“ den Gerichtssaal verlässt, was nicht gerade förderlich<br />
ist. Deshalb bietet es sich an, im Vorfeld gerichtlicher Inanspruchnahme nach einer<br />
einvernehmlichen Konfliktlösung zu suchen. Welche Möglichkeiten sich hierfür anbieten,<br />
dem nachzugehen, ist Gegenstand dieser Tagung. Ziel muss es sein, den elterlichen Konflikt<br />
zu schlichten und eine einvernehmliche Lösung zu erreichen. Dass dies bei den durch die<br />
Scheidung eingetretenen gegenseitigen Beschädigungen nicht einfach ist, ist jedem hier klar.<br />
Gerade deshalb ist nach Wegen zu suchen, auf welche Weise dies am besten gelingen kann.<br />
Und wenn man sich anschaut, welche Institutionen bzw. Professionen sich mit diesen Fragen<br />
beschäftigen oder über gesetzliche Vorschriften ganz direkt beteiligt sind, drängt es sich
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 7 von 65<br />
geradezu auf, eine <strong>Zusammenarbeit</strong>, ein Zusammenwirken dieser Professionen als besonders<br />
effektiven Weg einer Konfliktbewältigung im Sinne des Kindeswohls zu vermuten.<br />
Dass mit einer solchen <strong>Zusammenarbeit</strong> streitige Entscheidungen verhindert werden können,<br />
zeigt seit Jahren das so genannte „Cochemer Modell“. Durch die Vernetzung der Kenntnisse<br />
und der Erkenntnisse verschiedener Professionen kann der Einfluss auf die Elternteile<br />
außerhalb eines Gewinner-Verlierer-Schemas gestärkt werden mit dem Ziel, aus diesem<br />
Schema herauszukommen, kann nur damit eine Einstellungsänderung erreicht werden.<br />
Dazu muss aber eine Form der interdisziplinären <strong>Zusammenarbeit</strong> entwickelt werden, bei der<br />
alle Professionen sich gegenseitig akzeptieren und das gleiche Ziel verfolgen, nämlich<br />
deeskalierend zu arbeiten.<br />
Diese Voraussetzungen zu schaffen oder voranzubringen ist wesentliches Ziel der Tagung.<br />
Dafür ist es wichtig, wie dies Frau Prof. Füchsle-Voigt in einem Aufsatz „Verordnete<br />
Kooperation im Familienkonflikt als Prozess der Einstellungsänderung“ dargestellt hat, dass<br />
auf Seiten der Professionen gegenseitige Akzeptanz entsteht und das gleiche Ziel verfolgt<br />
wird, deeskalierend zusammenzuarbeiten.<br />
In Thüringen wird bereits partiell das Modell der Konfliktbewältigung im Wege der<br />
interdisziplinären <strong>Zusammenarbeit</strong> zur Sicherung des Kindeswohls bei Trennung und<br />
Scheidung praktiziert. Ich würde es begrüßen, wenn dieses Seminar dazu beitragen könnte,<br />
dass die hier vertretenen Professionen in Zukunft in allen Regionen Thüringens zum Wohle<br />
der betroffenen Kinder zusammenwirken.<br />
Dazu sind wir in Thüringen – und davon bin ich schon allein ob Ihres zahlreichen Erscheinens<br />
überzeugt – auf dem besten Weg. Ich wünsche Ihnen allen ein interessante<br />
3. Redebeiträge<br />
3.1. „Umgang, der Trennungs- und Scheidungskindern gut tut“<br />
Ursula Kodjoe<br />
Ursula Kodjoe<br />
Ursula Kodjoe hielt das Auftaktreferat zum Thema<br />
„Umgang, der Trennungs- und Scheidungskindern gut tut“.<br />
In ihrem Vortrag ging es hauptsächlich um den<br />
kindgerechten Umgang als Weg zum Beziehungserhalt<br />
<strong>zwischen</strong> Eltern und Kindern. Gemeinsam wurde erörtert,<br />
was Eltern und die am Verfahren beteiligten Professionen<br />
zur Reorganisation der Familienbeziehungen und zur<br />
Wahrung des Rechts von Kindern und Eltern auf<br />
weitgehende, ungestörte und lebendige Beziehungen<br />
miteinander beitragen können.<br />
Ein Manuskript zum Vortrag von Ursula Kodjoe liegt nicht vor, so dass wir im Folgenden<br />
einige Literaturangaben zu Veröffentlichungen von Ursula Kodjoe vorstellen, die sich mit<br />
dem Thema „Trennung und Scheidung“ sowie der Situation der Eltern und Kinder<br />
beschäftigen.
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 8 von 65<br />
• KODJOE, Ursula (1998): Ein Fall von PAS. Kind-Prax, Heft 1, S. 172-174.<br />
• KODJOE, Ursula & KOEPPEL, P. (1998): Früherkennung von PAS – Möglichkeiten<br />
psychologischer und rechtlicher Interventionen. Kind-Prax, Heft 5, S. 138-144.<br />
• O.-KODJOE, Ursula & KOEPPEL, P. (1998): The Parent Alienation Syndrome (PAS).<br />
Der Amtsvormut, S. 9-32.<br />
• OFUATEY-KODJOE, Ursula (1997): Zum Wohl des Kindes. Je jünger, desto weniger<br />
Kontakt?, Zentralblatt für Jugendrecht 1997, S.233 ff.<br />
Internetquellen:<br />
• www.vev.ch/de/hofstst3.htm<br />
• www.vaeternotruf.de/ursula-kodjoe.htm<br />
• www.kinderschutz-zentren.org/ksz_info-23-2.htm<br />
• www.grosseltern-initiative.de/studien/PAS-TH%20Bielefeld.htm<br />
4.2. „Familiengerichte im Trennungs- und Scheidungsverfahren“<br />
Armin Bandorf<br />
Als ein Vertreter des Praxisfeldes der Familienrichter trat<br />
in Anschluss an das Referat von Ursula Kodjoe Armin<br />
Bandorf, Richter am Oberlandesgericht Jena, vor das<br />
Plenum.<br />
Dessen Referat beschäftigte sich mit der Ausgangsposition<br />
des Familiengerichts bei Sorgerechts- und Umgangsstreit<br />
der scheidenden Eltern, den verschiedenen<br />
Gestaltungsmöglichkeiten im Verfahren bzw. bei der<br />
Entscheidung sowie mit den Chancen und Grenzen der<br />
<strong>Zusammenarbeit</strong>. Außerdem brachte er die<br />
Gestaltungsmöglichkeiten im Verfahren und bei der<br />
Entscheidung und die Funktion des Familienrichters als<br />
Mediator zur Sprache, welcher im Trennungs- und<br />
Scheidungsverfahren die Mittlerfunktion des<br />
„Entscheiders“ übernimmt.<br />
Armin Bandorf<br />
Ausgangsposition des Familiengerichts bei Sorgerechts- und Umgangsstreit<br />
Gestaltungsmöglichkeiten im Verfahren / bei der Entscheidung<br />
Chancen und Grenzen der <strong>Zusammenarbeit</strong><br />
Antragsverfahren, d. h. das Gericht regelt nur auf Veranlassung eines Elternteils (§ 1671<br />
BGB - Sorgerecht - und § 1684 BGB - Umgang -); ausgenommen Amtsverfahren wegen<br />
Kindeswohlgefährdung<br />
eigenständige Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts von Amts wegen (§<br />
12 FGG)
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 9 von 65<br />
gesetzliche Verpflichtung, eine selbständige Konfliktlösung der Eltern zu unterstützen; §<br />
52 FGG:<br />
„so früh wie möglich“ und „in jeder Lage des Verfahrens“ soll das Familiengericht auf<br />
das Einvernehmen hinwirken; dazu<br />
- Anhörung der Beteiligten „so früh wie möglich“<br />
- Hinweis auf bestehende Beratungsmöglichkeiten der Beratungsstellen und -dienste<br />
der Jugendhilfeträger, insbesondere zur Entwicklung eines einvernehmlichen<br />
Konzepts für die Wahrnehmung der elterlichen Sorge und der elterlichen<br />
Verantwortung; vgl. § 17 Abs. 2 SGB VIII<br />
- Aussetzung des gerichtlichen Verfahrens bei<br />
Bereitschaft der Eltern zu außergerichtlicher Beratung<br />
oder<br />
sonstiger Aussicht auf einvernehmliche Lösung (mit Hinweis auf Beratung),<br />
soweit keine Verzögerungsgefahr zum Nachteil des Kindes;<br />
Möglichkeit der Absicherung durch einstweilige Anordnung ohne Antrag eines<br />
Beteiligten<br />
gerichtliches Umgangsvermittlungsverfahren auf Antrag bei bereits bestehender gerichtlicher<br />
Regelung mit Umsetzungsproblem (§ 52a FGG); Termin: „alsbald“<br />
- Ziel:<br />
Einvernehmen über Umgangsausübung,<br />
Erörterung der tatsächlichen Folgen / Hinweis auf Rechtsfolgen<br />
- bei Erfolglosigkeit:<br />
Zwangsmittel - Änderung - Sorgerechtsmaßnahme?<br />
Stellung des Kindes (Anhörung, Verfahrenspfleger; Widerspruch, Beschwerderecht)<br />
Regelung bei gemeinsamer elterliche Sorge und Trennung steht grundsätzlich nicht zur<br />
Disposition der Parteien<br />
Regelungsbedarf?<br />
Einvernehmen der Eltern nur bei Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung, nicht<br />
solchen des täglichen Lebens (§ 1687 BGB)<br />
Teilbereiche der Personen-/Vermögenssorge<br />
Antrag auf Alleinsorge stattzugeben - vorbehaltlich vorrangiger abweichender (Teil-)<br />
Regelung nach §§ 1671 Abs. 3 1666 BGB -<br />
- bei Zustimmung des anderen Elternteils; § 1671 Abs. 2 Nr. BGB<br />
oder<br />
- Aufhebung und Übertragung auf einen Elternteil entsprechen dem Kindeswohl am<br />
besten; § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB<br />
gerichtliche und außergerichtliche Umgangsregelungen und -vereinbarungen; Problem:<br />
Vollstreckbarkeit, insbesondere Zwangsmittel;<br />
Umgangspflegschaft?
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 10 von 65<br />
Der Familienrichter als Mediator?<br />
Mittlerfunktion des „Entscheiders“<br />
Schalt- und Schnittstelle zur professionellen Beratung i. S. e. positiven Einflussnahme auf<br />
die Verfahrensbeteiligten, angebotene Unterstützung in Anspruch nehmen<br />
Einsatz der familiengerichtlichen Ressourcen und richterlichen Unabhängigkeit<br />
keine allgemeine Kindeswohlkontrolle<br />
Verhältnis zu den Verfahrensparteien<br />
- „Akzeptanz durch Distanz“<br />
- konfliktorientierte, destruktive Beteiligte<br />
- Rechte „beratungsresistenter“ Beteiligter<br />
Anspruch auf gerichtliche Entscheidung<br />
4.3. „Zum Wohl des Kindes? – Erfahrungen eines Jugendamtes mit der<br />
Umsetzung der Kindschaftsreform“<br />
Dr. Kerstin Dellemann<br />
Dr. Kerstin Dellemann<br />
Sehr geehrte Damen und Herren,<br />
Dr. Kerstin Dellemann, Fachbereichsleiterin für Jugend,<br />
Soziales und Gesundheit am Landratsamt Saalfeld-<br />
Rudolstadt, verdeutlichte in ihrem Referat die Erfahrungen<br />
des Jugendamtes mit der Umsetzung der Kindschaftsreform,<br />
wobei sie die Ziele des Gesetzes der Umsetzung in der<br />
Praxis gegenüberstellte. „Kindeswohl versus Elternrecht –<br />
was ist das Ziel der Beratung?“ war eine der thematischen<br />
Fragen.<br />
Die Möglichkeiten und Grenzen der Kooperation im<br />
Landkreis nahmen ebenfalls eine wichtige Stellung in ihrem<br />
Vortag ein.<br />
vor genau zwei Monaten fand der 8. Berliner Diskus zur Jugendhilfe unter der Überschrift:<br />
„Das verflixte 7. Jahr – Erfahrungen der Jugendhilfepraxis mit der Kindschaftsrechtsreform“<br />
statt.<br />
Der Tagungstitel war wohl bewusst gewählt, nicht nur weil genau sieben Jahre seit der<br />
Gesetzesverkündung ins Land gezogen sind, sondern wegen der Bedeutung, die das Wort<br />
vom „verflixten siebenten Jahr“ in sich birgt, von der Antike bis ins heutige Leben.<br />
Nach antiker Vorstellung lässt sich das Leben von Menschen in Lebensalter mit einer<br />
Zeitspanne von jeweils sieben Jahren einteilen. Im Rhythmus von sieben Jahren tritt der<br />
Mensch in eine neue Lebensphase ein und schließt die alte ab. Tatsächlich ist eine
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 11 von 65<br />
Lebensphase der Kindschaftsreform abgeschlossen und das Kindschaftsrecht drängt in eine<br />
neue Lebensphase.<br />
Doch bevor ich über Erwartungen und Wünsche an diese neue Lebensphase ausführe,<br />
gestatten sie mir zunächst ein Resümee.<br />
Ziel der Reform war<br />
die Verbesserung der Kinderrechte und<br />
die Stärkung der Autonomie der Eltern.<br />
Die Praxis jedoch zeigt, dass sich im Wesentlichen für die Trennungs- und Scheidungspraxis<br />
nicht viel geändert hat. Gestritten wird wie eh und je, wenn nicht sogar mehr als zuvor. Die in<br />
gerichtlichen und Beratungssitzungen verhandelten Konfliktlinien verlaufen weniger quer<br />
durch Sorgerechtsfragen, als mehr und mehr entlang der heutigen Umgangspraxis, verursacht<br />
durch mehr und mehr Umgangsverweigerungen und dem immer häufigeren Kampf um die<br />
Pflicht und das Recht auf Umgang.<br />
Die häufig gehörte – und vielleicht zynische – Begründung lautet: Früher war alles einfacher,<br />
als noch das Sorgerecht im Scheidungsverbund an eine Person vergeben wurde.<br />
Die (Beziehungs- und Verantwortungs-) Kiste wurde einfach zugeklappt und fertig. So<br />
verstand man bis Anfang der achtziger Jahre eine Scheidung als Ende des Bestehens einer<br />
Familie.<br />
Erst 1982 stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass das Fortbestehen der familiären<br />
Sozialbeziehungen nach einer Trennung der Eltern eine entscheidende Grundlage für eine<br />
stabile und gesunde psychosoziale Entwicklung des heranwachsenden Menschen ist. Seit etwa<br />
dieser Zeit entwickelte sich ein Verständnis dafür, dass mit Trennung und Scheidung<br />
Elternschaft nicht beendet wird und dass – hier zitiere ich Schmidt-Denter aus dem Jahr 2001<br />
– „die frühere Kernfamilie auch nach der Trennung/Scheidung als interaktives System zu<br />
beschreiben und analysieren“ ist. Das heißt, wenn mit der Trennung die vorher bestehenden<br />
Konflikte nicht beendet werden und diese auf der Elternebene weiter bestehen, setzen sich die<br />
Belastungen für die Kinder fort.<br />
In vielen empirischen Untersuchungen konnte der Nachweis erbracht werden, dass diese<br />
Konfliktdynamik für das Wohl der betroffenen Kinder abträglich ist und für deren<br />
Entwicklung sowohl Risiko als auch Belastung darstellen.<br />
So ist das Kind mehrfach be- und damit überlastet.Einerseits ist das Kind damit befasst, die<br />
Realität der Trennung bzw. Scheidung anzunehmen. Es genügt nicht, Kindern nur mitzuteilen,<br />
dass die Partnerschaft der Eltern gescheitert ist. Kinder lassen erst dann ihre sinnlose<br />
Hoffnung los, wenn sie das Scheitern der elterlichen Beziehung mit allen Sinnen<br />
wahrnehmen, eventuell neue Partner ihrer Eltern kennen lernen, bei der Scheidung vor<br />
Gericht zugegen sind und die Realität beider Eltern erleben.<br />
Das Hoffen an verklärenden Erinnerungen oder der Versuch, Unwiederbringliches zurück zu<br />
gewinnen, verstellt den Blick auf die gegenwärtige Realität. Schon allein zu deren<br />
Bewältigung braucht es viel Mut und Gemeinsinn. Darüber hinaus neigen Kinder dazu, wenn<br />
sich streitende Eltern wechselseitige Vorwürfe machen, sich selbst die Schuld zu geben.<br />
Kinder sind dann der doppelten Belastung des Elternstreites und der eigenen Schuldgefühle<br />
ausgesetzt.
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 12 von 65<br />
Um ihnen ihre Schuldgefühle zu nehmen und das Scheitern ihrer Eltern als etwas Natürliches<br />
zu veranschaulichen, was sich aus der Wesensverschiedenheit des Paares erklärt, empfinde<br />
ich das „Märchen von der Steppenwölfin, dem Bergwolf und ihren Kindern“ als sehr hilfreich<br />
-- Geschichte (siehe am Ende des Vortags)<br />
Diese Geschichte bewirkt nur leider wenig, wenn es um „hochstrittige“ Eltern geht.<br />
Mit der Liberalisierung der Regelung des Sorgerechtes im Scheidungsverbund ist eine große<br />
Verunsicherung eingetreten. So hat die Kindschaftsrechtsreform bei Scheidung die<br />
Verantwortung für die Kinder in die Hände der Eltern gelegt.<br />
Allerdings erfolgt die Deregulierung des Gesetzes in einer Phase der familiären Entwicklung,<br />
die von innerer und äußerer Destabilisierung gekennzeichnet ist und Risiken für das<br />
Kindeswohl birgt. Deshalb wurde ein unterstützendes Beratungsangebot der Jugendhilfe<br />
gesetzlich verankert (§ 17 SGB VIII). Das Familiengericht soll sich nur noch mit strittigen<br />
Sorge- und Umgangsrechtsauseinandersetzungen befassen (§ 1671 BGB, § 623Z PO).<br />
Die Erfahrungen zeigen, dass gerichtliche Entscheidungen bei eskalierenden Konflikten oft<br />
keine Lösung bedeuten und nicht zur Beruhigung führen. Der Elternkonflikt bleibt bestehen,<br />
die Kinder werden bewusst oder unbewusst hineingezogen und instrumentalisiert. An dieser<br />
Stelle sind diejenigen gefordert, die über Kompetenzen zur Bearbeitung von Konflikten<br />
verfügen.<br />
JugendamtsmitarbeiterInnen schildern, dass die Beratungspraxis immer schwieriger wird vor<br />
dem Hintergrund einer angeblichen und gleichzeitig kritisierten Gleichberechtigung von<br />
Mann und Frau, Vater und Mutter und dem Freiwilligkeitsprinzip. Experten kennzeichnen die<br />
deutsche Kindschaftsrechtsreform mittlerweile im europäischen Vergleich als zutiefst<br />
konservativ. Deutschland bildet das Schlusslicht (vernachlässigt man hierbei Österreich) in<br />
Europa.<br />
Auch Herr Prof. Dr. Wiesner konnte im Rahmen der eingangs genannten Tagung in seiner<br />
Eröffnungsrede keine so richtigen Erfolgsmeldungen verkünden. So „blockieren<br />
Haushaltsprobleme Flankierungen durch Beratungsangebote in der Kinder- und Jugendhilfe“.<br />
Er hebt hervor: „Beratung setzt Kompetenz und die Annahme des Angebotes voraus.<br />
Offensichtlich fehlt es in der Realität an beiden Elementen.“<br />
Die Kompetenz (durch vermehrte Fortbildung) muss erhöht und auch über eine<br />
Zwangsverpflichtung für Beratung – ist dringend nachzudenken (auch wenn dies aus<br />
Rechtsgründen – mit Ausnahme der Beratungsverpflichtung im Zusammenhang mit § 218<br />
StGB – bisher nicht möglich erscheint).<br />
Andere Länder sind auf diesem Gebiet schon viel weiter. So favorisiert die Beratungs-,<br />
Trennungs- und Scheidungspraxis in den USA außergerichtliche, aber gerichtsnahe<br />
Beratungskonzepte, vom Kurztraining bis hin zu Mediationsprogrammen, die für alle<br />
verpflichtend sind.<br />
In den USA werden, anders als in Deutschland, nicht nur Konflikte konstatiert, sondern man<br />
beschäftigt sich mit den Ursachen, deren Aufdeckung bis hin zu einem Plan der gemeinsamen<br />
Verantwortung. So werden auf Grundlage einer Eingangsdiagnostik Konflikthintergründe bis<br />
hin zu einzelnen Beziehungsfragen angesprochen, um die Eltern daraufhin einem passgenauen
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 13 von 65<br />
Programm zuzuordnen, in dem aus der Betrachtung von Ursache und Wirkung heraus ein<br />
Erziehungsplan entwickelt wird.<br />
Hier in Deutschland macht man es sich oftmals sehr einfach: Das Gericht konstatiert nur<br />
einen Konflikt und verlagert das Sorgerecht auf einen Elternteil. Es wird nicht hinterfragt, was<br />
die Hintergründe und Ursachen von Partnerkonflikten und wechselseitigen Vorwürfen sind<br />
und ob z. B. nicht aus rein prozessualen Gründen bewusst ein Konflikt in Szene gesetzt wird –<br />
schließlich weiß man/frau: Das Kind bekommt der/die am ehesten zugesprochen, bei dem das<br />
Kind wohnt, wenn nur hinreichend unüberwindbare Konflikte von diesem mit dem anderen<br />
Elternteil benannt werden können.<br />
Anstelle Familien zu reorganisieren wird oftmals die Desorganisation weiter verschärft. Aber<br />
auch das Instrument des begleiteten Umgangs, von dem – glaubt man einer jüngst vorgelegten<br />
Studie von Mutke und Tammen - in der Jugendhilfepraxis schon fast inflationär Gebrauch<br />
gemacht wird (Zuwachs um 63 %) bleibt kritisch zu hinterfragen. So wird dem Kind<br />
einerseits gesagt: „Das ist dein Vater und andererseits: Vorsicht! Dein Vater ist irgendwie<br />
gefährlich.“<br />
Die Bestellung einer Verfahrenspflegschaft erfolgt aus meiner Sicht in unserem<br />
Jugendamtsbereich noch zu selten. Auf Nachfrage bei den Amtsrichtern erhielten wir die<br />
Auskunft, dass die Justiz nicht ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung stellt. Hier<br />
könnten sowohl die Anwälte als auch die Eltern zusätzlich Druck aufbauen, dass von diesem<br />
wichtigen und auch aus unserer Sicht sachgerecht eingesetzten Mittel mehr Gebrauch<br />
gemacht wird.<br />
Die pädagogische Ausbildung bzw. die pädagogische Zusatzqualifizierung der<br />
MitarbeiterInnen im Bereich der Beistandschaften ist aus meiner Sicht weiter zu qualifizieren.<br />
Die regelmäßig stattfindenden Regionaltagungen des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und<br />
Familienrecht Heidelberg und des Landesjugendamtes Thüringen sind geeignete Foren, um<br />
sich auch mit pädagogischen Sachfragen zu beschäftigen.<br />
Welche Erwartungen und Wünsche habe ich aber nun an die neue Lebensphase der<br />
Kindschaftsrechtsreform – d. h. zunächst an die nächsten sieben Jahre? Welche Überlegungen<br />
und Pläne haben wir im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt?<br />
Wie oben bereits ausgeführt, habe ich die Hoffnung, dass Beratung zur Aufdeckung der<br />
Ursachen von Trennungs- und Scheidungskonflikten zur Erarbeitung eines Erziehungsplanes<br />
gesetzlich verpflichtend geregelt wird. Denn viele, die Beratung ablehnen, benötigen dringend<br />
Beratung.<br />
Wie wir täglich erfahren, ist die Situation von Scheidungseltern geprägt von Wut,<br />
Verzweiflung und Ängsten. Angst ist hierbei das mächtigste aber das am häufigsten<br />
unterschätzte Motiv.<br />
Darüber hinaus ist das gesamte Umfeld von massiven Affekten besetzt. Bis zu einer<br />
gesetzlichen Regelung müssen wir uns mit Hilfskonstrukten behelfen (z. B. Vereinbarung<br />
eines verbindlichen Termins zur Beratung durch den Familienrichter etc.). Gerade bei den<br />
hochstrittigen Konflikten (ca. 5 - 10 % der Fälle) finden wir Elternteile oder beide Eltern mit<br />
psychopathologischen Störungen, Borderline bzw. fehlenden prosozialen
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 14 von 65<br />
Konfliktlösungspotentialen. Die Konflikte sind davon gekennzeichnet, dass Kontakte der<br />
Kinder zu beiden Eltern verhindert werden.<br />
Darüber hinaus zeigen sich Unversöhnlichkeit, die Vermeidung jeden Kontaktes und jeder<br />
Kommunikation mit dem anderen sowie gegenseitiges Sich-Bekämpfen mit der Gefahr einer<br />
extremen und dauerhaften Eskalation.<br />
Die Dynamik der vorhandenen Konflikte und emotionalen Spannungen macht es<br />
professionellen Helfern oft schwer, sich der Verstrickung in die Problematik zu entziehen,<br />
Distanz zu wahren und fachlich angemessene Formen der Bearbeitung solcher Situationen zu<br />
finden.<br />
Ich denke – und hier schließe ich mich der Stellungnahme der Bundeskonferenz für<br />
Erziehungsberatung „Zur Beratung hoch strittiger Eltern“ vom Februar 2005 an, dass gerade<br />
Erziehungs- und Familienberatung in diesem Kontext für eine adäquate Unterstützung von<br />
Kindern und Jugendlichen sorgen kann. Denn gerade die Fachkräfte der<br />
Erziehungsberatungsstellen verfügen über das notwendige Wissen und die Methoden, um<br />
familiäre Beziehungsmuster diagnostisch aufzuhellen, zu einer emotionalen Entflechtung der<br />
Expartner beizutragen, destruktive Kommunikationsstrukturen wie Generalisierung, Tilgung,<br />
Verzerrung etc. aufzulösen und einen Prozess der wechselseitigen Problemwahrnehmung zu<br />
entwickeln.<br />
Deshalb beabsichtigen wir, künftig die Aufgabe der Beratung in hoch strittigen Fällen auf die<br />
beiden Erziehungsberatungsstellen im Landkreis zu übertragen.<br />
Darüber hinaus erwarte ich, dass die Justiz dafür sorgt, dass hinreichende finanzielle Mittel<br />
zur Bezahlung von VerfahrenspflegerInnen bereitgestellt werden.<br />
„Das Märchen von der Steppenwölfin, dem Bergwolf und ihren<br />
Kindern –<br />
Eine Vorlesegeschichte<br />
Dort, wo die weite, gelbe Grassteppe endet, ragen schroff die grauen Felsen des Bergmassives<br />
in den Himmel. In den Bergen leben die Bergwölfe. Sie können geschickt klettern und<br />
überspringen in einem Satz Felsrisse und Abgründe. Die Bergwölfe leben von kleinen Tieren<br />
wie Mäusen, Iltis und Murmeltieren. Sie holen auch die Eier der in den Felsspalten brütenden<br />
Gebirgsvögel. Gegen die eisige Winterkälte schützt sie ein mächtiges graues Zottelfell, das sie<br />
<strong>zwischen</strong> den Felsen fast unsichtbar macht. Die Steppenwölfe dagegen tragen ein kurzes,<br />
glattes, sandfarbenes Fell, mit dem sie <strong>zwischen</strong> den Gräsern der Steppe nicht auffallen.<br />
Geschmeidig und schnell wie der Steppenwind fangen sie ihre Beute, vor allem Hasen und<br />
Wildhühner.<br />
An einem sonnigen Abend im Frühling begegneten sich unerwartet eine junge Steppenwölfin<br />
und ein Bergwolf. Am Rande der Felsen, dort wo das Steppengras beginnt, standen sie sich<br />
plötzlich gegenüber. Die Steppenwölfin sah den Bergwolf und fühlte, dass sie etwas so<br />
Einmaliges noch nie gesehen hatte. Der Bergwolf schaute mit seinen eisgrauen Augen in die<br />
sandfarbenen der Wölfin und dachte: „Wir sind uns ähnlich und doch ganz verschieden.<br />
Welche Faszination!“ Von nun an trafen die beiden sich jeden Abend bei Sonnenuntergang an<br />
der gleichen Stelle. Sie waren sehr verliebt ineinander, schließlich suchten sie sich eine<br />
gemeinsame Höhle, und im folgenden Frühjahr warf die Steppenwölfin zwei kleine Wölfe.<br />
Die stolzen Eltern nannten die Kinder „Wirbelwind“ und „Edelstein“. Die jungen Wölfe<br />
hatten ein mittellanges, wundervoll glänzendes Fell mit einem sandfarbenen Grauton. Mit<br />
grau-gelben Äuglein schauten sie neugierig in die Welt. Am Tage begleiteten Wirbelwind und
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- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 15 von 65<br />
Edelstein einmal die Mutter in die weite Steppe, einmal den Vater ins Gebirge. So lernten sie<br />
die geschmeidigen Bewegungen des Steppenwindes im Gras ebenso wie kraftvolles Klettern<br />
und Springen im Gestein. Am Abend traf die Wolfsfamilie sich in ihrer warmen Höhle dort,<br />
wo die Steppe endet und der Fels beginnt. Die Wolfskinder waren müde und glücklich.<br />
So bemerkten sie lange nicht, dass sich ihre Eltern veränderten. Der Bergwolf dehnte seine<br />
Beutezüge ins Gebirge mehr und mehr aus. Er blieb tage- und nächtelang im Fels und fand<br />
großes Vergnügen am freien, wilden Jagen mit den anderen Wölfen seiner Sippe. Die<br />
Steppenwölfin kam oft nur kurz am Abend in die Höhle, um den Jungen Futter zu bringen.<br />
Sie genoss es auf endlosen Wegen durch die Steppe zu huschen und zu spüren, wie der Wind<br />
über ihr glattes Fell strich. Wenn Wolf und Wölfin sich begegneten, bellten sie sich kurz und<br />
scharf an oder drehten sich schweigend in verschiedene Richtungen. Einmal riss wildes<br />
Wolfsgeheul die jungen Wölfe aus dem Schlaf. Als sie angstvoll in die dunkle Nacht<br />
hinausstarrten, ahnten sie das Schreckliche mehr als sie es sahen: Ihre Eltern hatten sich<br />
wütend ineinander verbissen. Erst als Wirbelwind und Edelstein hilflos in die Dunkelheit<br />
hinauskläfften, ließen die Elternwölfe voneinander ab. Von da an mied der Bergwolf die<br />
Höhle.<br />
Wirbelwind und Edelstein waren nachts nun oft alleine. Dann kuschelten sie sich nahe<br />
aneinander, weinten und redeten miteinander. Wirbelwind sagte zu Edelstein: „Ich bin in den<br />
Bach gefallen, als unser Vater mir zeigte, wie ich über einen Abgrund springen kann. Er ist<br />
enttäuscht von mir. Deshalb kommt er so selten, und unsere Eltern streiten.“ Edelstein<br />
widersprach: „Nein, nein. Ich bin daran schuld, dass unsere Eltern streiten. Gestern hatte ich<br />
gar keine Lust mit Mama durch das Gras zu huschen und habe mich einfach hingelegt.“ Dann<br />
weinten beide: „Wir sind doch noch zu klein, um ganz alleine zu überleben. Ach, hätten sich<br />
unsere Eltern doch nur wieder lieb.“<br />
Schließlich entscheiden sie, sich Rat bei der alten Eule zu holen. Die alte Eule wohnte in<br />
einer Felsspalte nahebei. Sie wusste fast alles. Als die Wolfskinder zu ihr kamen, schlief sie<br />
wie gewöhnlich. Wirbelwind sprach sie trotzdem mutig an: „Liebe Eule, bitte sage uns, wie<br />
wir unsere Eltern dazu bewegen können sich wieder lieb zu haben.“ Es dauerte lange bis die<br />
alte Eule erst das rechte, dann das linke Auge öffnete und sprach: „Liebe Wolfskinder, eine<br />
Steppenwölfin und ein Bergwolf können nicht zusammen leben. Sie haben ganz verschiedene<br />
Gewohnheiten, Vorlieben und Kenntnisse. Eurer Mutter, der Steppenwölfin, wird es im<br />
Gebirge, das euer Vater beherrscht, schon nach fünf Schritten schwindelig, und euer Vater<br />
verfängt sich mit seinem Zottelfell sofort im hohen Steppengras, wenn er sich hineinwagt.<br />
Nur ihr zwei, Wirbelwind und Edelstein, könnt euch in beiden Welten zu Hause fühlen. Euer<br />
Fell schützt euch in der Steppe ebenso klar wie die kleinste gefährliche Felsspalte im Gebirge.<br />
Euch ist die Steppe ebenso Heimat, wie es die Felsen sind. Deshalb rate ich euch: „Lauft mit<br />
der Mutter in die Steppe, lernt von ihr und genießt das Leben dort im windgeschüttelten,<br />
gelben Gras, und jagt wild mit dem Vater im grauen Gebirge, klettert und springt über<br />
Abgründe, schaut euch seine Fähigkeiten ab, freut euch über die gemeinsame Zeit. Und noch<br />
eines rate ich euch: Bleibt zusammen, denn ihr seid einmalig mit eurem seidigen Fell und den<br />
eisgrauen Augen mit sandfarbenen Pünktchen.“<br />
Von da an spielten die Wolfskinder mit der schönen geschmeidigen Steppenwölfin Fangen<br />
und Verstecken im hohen, gelben Steppengras und übten sich im Klettern und Weitspringen<br />
unter Anleitung ihres Vaters, des starken mutigen Bergwolfes. Der Wolf und die Wölfin<br />
liebten ihre Kinder jeder auf seine Weise und sorgten gut für sie. Wirbelwind und Edelstein<br />
liebten ihre Eltern und hielten fest zusammen.“<br />
aus: Brigitte Spangenberg: „Hans vertreibt die Geister“, 1999
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 16 von 65<br />
4.4. „Rechtsanwälte im Trennungs-und Scheidungsverfahren“<br />
Mario Hommel<br />
Mario Hommel<br />
Rechtsanwälte im Trennungs- und Scheidungsverfahren<br />
Sehr geehrte Damen und Herren,<br />
Mario Hommel, Fachanwalt für Familienrecht, stand als<br />
Vertreter des Praxisfeldes der Rechtsanwälte zur Verfügung.<br />
Im Referat stellte er deren Position im Trennungs- und<br />
Scheidungsverfahren dar.<br />
Als Grundlage für die Arbeit dieses Praxisfeldes sieht er in<br />
erster Linie den Streitpunkt der scheidenden Eltern um die<br />
Frage welche Unterhaltsansprüche in der jeweiligen Situation<br />
zu realisieren sind. Hinzu käme eine Vielzahl weiterer<br />
Probleme mit denen ein Anwalt bei<br />
Scheidungsahngelegenheiten konfrontiert wird.<br />
Er weist beeindruckend auf die Erwartungshaltung der<br />
Mandantschaft hin, die im zunehmenden Maße auf die<br />
gesetzlichen Grundlagen stoßen. Dazu schilderte er ein<br />
Beispiel aus dem Berufsalltag eines Rechtsanwaltes, bei dem<br />
er die Situation des Beratungsgesprächs mit einer Mandantin<br />
erläutert.<br />
das Thema des heutigen Referats ist nach Ihrer Einladung und der Agenda der Veranstaltung,<br />
die Aufgaben und die Funktionen von Rechtsanwälten im Trennungs- und<br />
Scheidungsverfahren darzustellen.<br />
Naturgemäß leben Scheidungsverfahren grundsätzlich davon, dass „streitende“ Eheleute den<br />
Scheidungssausspruch begehren, im Rahmen der Trennung dennoch eine Vielzahl von<br />
Problemen eine maßgebliche Rolle spielt. Wesentlicher Streitpunkt ist dabei nicht zuletzt die<br />
Frage, welche Unterhaltsansprüche in der jeweiligen Situation zu realisieren sind. Darüber<br />
hinaus werden an den vertretenden Anwalt eine Fülle von Dingen herangetragen, die für den<br />
Außenstehenden mit einer Ehesache recht wenig zu tun haben.<br />
Aufgrund dieser vielschichtigen Problemkreise, angefangen von der Prüfung eines<br />
Darlehnvertrages bis hin zur Ermittlung des Anspruches auf Leistungen im Rahmen des SGB<br />
II - soll es beim heutigen Referat um die wesentlichen Punkte der Trennungs- und<br />
Scheidungsfolgen gehen, nämlich Scheidungsausspruch, Unterhalt sowie Sorge- und<br />
Umgangsrecht, alles andere würde den Rahmen sprengen.<br />
Wenn wir heute über die Cochemer Praxis reden, wird sich, um nicht am Thema vorbei zu<br />
referieren, festhalten lassen, dass es im Wesentlichen darum geht, das Verhältnis bzw. die<br />
Verfahrensweise von Rechtsanwälten insbesondere bei Sorge- und Umgangsrechtsproblemen<br />
herauszuarbeiten.<br />
Ich erzähle Ihnen sicherlich nichts Neues, wenn ich hier darstelle, dass die wesentlichen<br />
Streitpunkte eher monetärer Art sind - sprich Anwälte werden häufig kontaktiert, um
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 17 von 65<br />
Unterhaltsforderungen geltend zu machen und durchzusetzen oder Geldforderungen gegen<br />
„den anderen Ehepartner“ zu realisieren.<br />
In der Beratungspraxis unserer Kanzlei - ich bin seit 1998 Anwalt - seit 1993 habe ich<br />
zunächst als Student, später als Referendar intensiv in dieser Anwaltskanzlei mitgearbeitet,<br />
gibt es dennoch jährlich einige pathologische Sorge- und Umgangsrechtsfälle, die Mehrzahl<br />
der Verfahren beinhaltet jedoch Unterhalts- und güterrechtliche Fragen.<br />
In Vorbereitung auf mein heutiges Referat habe ich mir einmal die Liste der bearbeiteten<br />
Fälle der letzten fünf Jahre ausgedruckt, ich war der Auffassung, dass die streitigen Sorge-<br />
und Umgangsrechtsverfahren zunehmen, dem ist jedoch nicht so.<br />
Wir haben über die letzten fünf Jahre etwa eine konstante Zahl von wirklich schlimmen<br />
Sorge- und Umgangsrechtsfällen, die sich pro Jahr mit etwa fünf bis zehn Verfahren<br />
festmachen lassen.<br />
Um die Rolle der Anwaltschaft im Scheidungsverfahren darstellen zu können, muss ich<br />
zunächst auf die Rolle und die Funktion der Anwaltschaft insgesamt eingehen.<br />
Diese Rolle ist zum einen legal definiert in § 1 Bundesrechtsanwaltsordnung, wonach der<br />
Rechtsanwalt ein unabhängiges Organ der Rechtspflege ist - nach den gängigen<br />
Kommentierungen sogar parteiunabhängig. Zum anderen wird die Arbeit des Rechtsanwalts<br />
maßgeblich von seinem Mandatsverhältnis bestimmt, hier ist der Rechtsanwalt der berufene<br />
und unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten.<br />
Diese Stellung wird letztlich dadurch ausgefüllt, dass der jeweilige Mandant mit dem Anwalt<br />
einen entsprechenden Dienstvertrag schließt, in dessen Rahmen der Anwalt verpflichtet ist,<br />
seine Dienste zur Verfügung zu stellen, wodurch er dann häufig doch zum Advocat in seiner<br />
wörtlichen Übersetzung - dem gekauften Maul - des Mandanten wird.<br />
In dieser Zwickmühle befinden wir uns leider häufig.<br />
Ich möchte mich zunächst dem Problem des Sorge- und Umgangsrechtes aus Sicht der<br />
Anwaltschaft zuwenden.<br />
Wie hier die Problemlage ist, soll zunächst an einem Fallbeispiel deutlich gemacht werden.<br />
Im Rahmen eines Beratungsgespräches erscheint bei Ihnen eine Mandantin, die Sie über die<br />
Rechtsfolgen einer Trennung und einer ggf. durchzuführenden Ehescheidung beraten. Die<br />
Mandantin hat mit ihrem getrennt lebenden Ehegatten zwei Kinder im Alter von sechs und<br />
drei Jahren.<br />
Im Rahmen der Beratung weisen sie die Mandantin darauf hin, dass sie dem Kindesvater ein<br />
Umgangsrecht einzuräumen hat, darüber hinaus aufgrund der gesetzlichen Regelungen der §§<br />
1626, 1687 BGB beide Parteien das gemeinsame Sorgerecht haben und im Rahmen dieses<br />
Sorgerechts auch gemeinsame Verantwortung tragen.<br />
Die hasserfüllte Mandantin weist bereits im ersten Gespräch darauf hin, dass sie keinesfalls<br />
dulden wird, dass der Kindesvater Umgang mit den Kindern haben darf, insbesondere sollen<br />
die Kinder nicht mit der neuen Lebensgefährtin des Ehemannes zusammentreffen. Auf<br />
Beratungsmöglichkeiten des Jugendamtes hingewiesen, erklärt Ihnen die Mandantin, dass sie
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 18 von 65<br />
zu Ämtern sowieso nicht gehen würde, weil dort die „geballte Inkompetenz“ sitzt, im Übrigen<br />
werde die Gegenseite wohl auch um das Sorgerecht kämpfen, sie erwarte von ihrem Anwalt,<br />
dass er ihre Interessen durchsetzt. Auf Nachfrage kann die Mandantin zumindest plausible<br />
Gründe darlegen, die eine Übertragung des Sorgerechts auf sie allein möglich erscheinen<br />
lassen.<br />
Nun hat man als Anwalt drei Möglichkeiten zur Lösung dieses Problems:<br />
Vatiante 1<br />
Man nimmt das Mandat nicht an.<br />
Ungeachtet dessen, dass man im ersten Gespräch noch nicht erkennen kann, welche<br />
Entwicklung dieses Mandat nimmt - wäre es auch vor dem Hintergrund wirtschaftlicher<br />
Betrachtungsweise unvernünftig, dieses Mandat nicht anzunehmen.<br />
Variante 2<br />
Man setzt die Interessen der Mandantin „ohne wenn und aber“ ggf. unter Missachtung<br />
jeglicher Kindeswohlgesichtspunkt durch.<br />
Variante 3<br />
Man versucht durch Argumente zu überzeugen, um dem jeweiligen Idealzustand - nämlich<br />
Sorgeverantwortung beider Elternteile für die Kinder unter Einbeziehung eines umfassenden<br />
Umgangsrechts - zu erreichen.<br />
Das Dilemma ist, dass man bei Variante 3 häufig <strong>zwischen</strong> dem Anspruch aus dem<br />
Dienstvertrag und seiner eigenen persönlichen Auffassung - und auch den gesetzlichen<br />
Anforderungen an ein Sorgerechtsmandat - steht. Auch wir müssen im Rahmen eines<br />
bestehenden Mandatsverhältnisses darauf hinweisen, dass jegliche Anfeindungen des anderen<br />
Elternteils zu unterlassen sind, um eine Kindeswohlgefährdung zu verhindern und ein Entzug<br />
des anderen Elternteiles dem Kind gegenüber dessen Wohl gefährdet. Vom Rechtsanwalt<br />
wird in diesem Zusammenhang ein besonders weitsichtiges, die vielfältigen Abhängigkeiten<br />
und Verbindungen beachtendes Verhalten sowie eine entsprechend vorausschauende<br />
Vorgehensweise gefordert.<br />
Dennoch, die Erwartungshaltung der Mandantschaft ist groß. die Mandantin fordert von Ihnen<br />
unbedingten Einsatz zur Durchsetzung ihrer Interessen - in dieser Phase ist Hauptinteresse der<br />
Mandantschaft, jeglichen Kontakt <strong>zwischen</strong> Kindern und anderem Elternteil zu unterbinden.<br />
Diese Erwartung müssen Sie durch eine geschickte Argumentation dämpfen und den Versuch<br />
unternehmen, das Mandat doch wieder im Hinblick auf Sorge- und Umgangsrecht zu<br />
befrieden. Verfehlt wäre es, obwohl die Mandantin dies möglicherweise fordert, den Konflikt<br />
durch einen besonders emotionalen Umgangston zu verschärfen, leider wirkt sich das<br />
Verhalten des Anwaltes auf das Verhandlungsklima und damit auf die Chance einer<br />
einverständlichen oder<br />
zumindest einer weitgehend von allen Beteiligten akzeptierten Regelung häufig negativ aus.<br />
Der Anwalt ist an dieser Stelle eben nicht bloßes Sprachrohr des Mandanten, sondern kann<br />
und muss seinen Sachvortrag unter rechtlichen und prozesstaktischen Gesichtspunkten selbst<br />
bestimmen. Wenn er aus diesen Gründen seinen Vortrag entgegen dem Wunsch seines<br />
Mandanten beschränkt, verstößt dies nicht gegen seine anwaltlichen Pflichten.
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 19 von 65<br />
Glauben Sie es mir, es macht uns keinen Spaß, derartige Verfahren, bei denen sich die<br />
Parteien gegenseitig „mit Schmutz bewerfen“ in extenso auszuprozessieren, hier ist es einfach<br />
unsere Aufgabe, parteilichen Sachvortrag zu kanalisieren.<br />
Die Einschaltung des Jugendamtes sollte an dieser Stelle empfohlen werden. Wenn die<br />
Empfehlung des Einschaltens des Jugendamtes bei der Mandantschaft auf keinen fruchtbaren<br />
Boden fällt - häufig beklagen sich insbesondere männlichen Mandanten darüber, dass sie mit<br />
ihren Erwartungen, Ängsten und Wünschen vom Jugendamt nicht ernst genommen werden -<br />
bleibt Ihnen keine andere Möglichkeit als zu versuchen, mit der Gegenseite Kontakt<br />
aufzunehmen.<br />
Die Kontaktaufnahme mit der Gegenseite gestaltet sich jedoch ganz schwierig, wenn die<br />
Gegenseite entweder anwaltlich nicht vertreten ist oder aber zwar anwaltlich vertreten ist -<br />
dies jedoch - und sehen Sie es mir nach, wir sind auch nur Menschen - von einem Kollegen,<br />
mit dem sie „nicht können“.<br />
Haben sie auf der Gegenseite einen Anwalt, der nur sporadisch Familiensachen macht und<br />
selbst nicht das Glück hat, Kinder zu erziehen, hat eine Kontaktaufnahme dann keinen Sinn,<br />
wenn sie davon ausgehen müssen, dass der Anwalt die Interessen seines Mandanten um jeden<br />
Preis durchsetzen wird. Dann kommen Sie dazu, dass es ein Verfahren gibt, auch dann leider<br />
häufig unter Missachtung jeglicher Gesichtspunkte des Kindeswohles.<br />
An dieser Stelle müssen Sie dann einfach die Mandantschaft auf die Konsequenzen eines<br />
derartigen Verfahrens hinweisen, was nicht heißt, in einen ebenso rüden Ton zu verfallen, wie<br />
dies vielleicht die Gegenseite tun wird.<br />
Wie ist der Fall in der anderen Konstellation, nämlich dann, wenn Sie den Mandanten<br />
vertreten, der seine Kinder sehen will und sie nicht bekommt oder aber der Berechtigte<br />
Zweifel an der Sorgerechtseignung seiner getrennt lebenden Ehefrau hat? Etwa weil ihm die<br />
Kinder glaubhaft schildern, wie Mutti häufig zu mittelalterlichen Erziehungsmethoden greift<br />
und diese in die körperliche Integrität der Kinder eingreifen?<br />
Auch dieses Mandat hat seine „besonderen Reize“, weil Sie dem Mandanten eigentlich<br />
empfehlen müssten, den Aufenthalt der Kinder so zu bestimmen, dass sie aus der Obhut der<br />
„prügelnden Mutter“ genommen werden müssen.<br />
Kann Ihnen dies der Mandant glaubhaft darlegen - wozu natürlich eine gewisse<br />
Berufserfahrung gehört, um die Glaubwürdigkeit der Aussagen des Mandanten zu ermitteln -<br />
müssen Sie aktiv werden. Befinden sich die Kinder ausschließlich in Obhut der Kindesmutter<br />
und mauert diese, was das Umgangsrecht anbetrifft, bleibt Ihnen keine andere Möglichkeit als<br />
entsprechende gerichtliche Anträge zu stellen.<br />
Ist der Trennungszeitpunkt noch nicht lange her und hat sich der Aufenthalt der Kinder noch<br />
nicht verfestigt und spricht die persönliche Eignung des Mandaten dafür, dass dieser in der<br />
Lage ist die Kinder zu betreuen, empfiehlt es sich auch - das mag für Sie brutal klingen - zu<br />
empfehlen, die Kinder selbst durch den Mandanten in Obhut nehmen zu lassen, parallel dazu<br />
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Übertragung des<br />
Aufenthaltsbestimmungsrechts zu stellen. Ich empfehle dies den Vätern in solchen Fällen, der<br />
Vater hat die gleiche rechtliche Stellung wie die Mutter, einen Mutterbonus kennt das<br />
deutsche Recht nicht.
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 20 von 65<br />
Machen wir uns nichts vor, in der Praxis ist es leider so, dass mit Anträgen - gleich welcher<br />
Art derjenige im Nachteil ist, der den Dingen hinterherläuft. Selbst dann wenn ein Titel, etwa<br />
auf Herausgabe der Kinder, vorliegt, kann er diesen nur schwer durchsetzen, welcher<br />
Gerichtsvollzieher geht gern mit der Polizei zur Gegenseite und holt die Kinder unter<br />
Geschrei aus der Obhut der Mutter oder des Vaters.<br />
Bevor Sie diesen Schritt gehen empfehle ich in der Beratungspraxis die Inanspruchnahme<br />
professioneller Hilfe. Hier sei insbesondere die Profession des Psychologen genannt, wir als<br />
Anwälte haben häufig nur psychologisches Halbwissen, sachgerechte Fragen dazu können wir<br />
gegenüber unserem Mandanten nicht beantworten. Erfahrungsgemäß kommen Mandanten,<br />
die es mit ihren Sorgerechtsanträgen ernst nehmen, aus einer solchen fachkundigen Beratung<br />
gestärkt heraus, im übrigen kann die Konsultation eines Psychologen im Vorfeld eines<br />
Konfliktes bei einer späteren gerichtlichen Begutachtung durchaus positiv gewertet werden.<br />
Im Übrigen ist die Frage, die sich auch in solchen Verfahrenskonstellationen darüber hinaus<br />
stellt, ob es nicht doch sinnvoll ist, mit der Gegenseite zu verhandeln. Wie schon ausgeführt,<br />
ist es natürlich von Bedeutung, wen Sie auf der Gegenseite haben. Ein gemeinsames Gespräch<br />
mit den Parteien im Hinblick auf Sorge- und Umgangsrecht hat nur dann Sinn, wenn in einem<br />
gemeinsamen Gespräch die Wogen geglättet werden können und man eine einigermaßen<br />
Befriedung der Angelegenheit erwarten kann.<br />
Besteht Eilbedürftigkeit, kann man hier schon aus Kindeswohlgesichtspunkten die<br />
Angelegenheit nicht weiter verzögern.<br />
Als äußerst hilfreich hat sich in derartig schlimmen Umgangs- und Sorgerechtsfällen die<br />
<strong>Zusammenarbeit</strong> mit qualifizierten Jugendamtsmitarbeitern gezeigt. Wenn Jugendämter eng<br />
mit den Anwälten zusammenarbeiten und eine entsprechende Kommunikationsebene besteht,<br />
kann man mit Sicherheit im Vorfeld Konflikte vermeiden bzw. Konflikte relativ schnell<br />
bereinigen. Hier muss ich jedoch, zum Leidwesen der Anwaltschaft, einschränkend<br />
ausführen, dass es auch im Bereich der Jugendämter unterschiedliche Qualitätsprofile der<br />
verschiedenen Mitarbeiter gibt.<br />
Ich hatte bereits ausgeführt, dass die Frage der Akzeptanz, insbesondere meiner männlichen<br />
Mandanten bei gewissen Jugendämtern zu wünschen übrig lässt. Einige Mitarbeiter von<br />
Jugendämtern lassen sich nach wie vor den dem gewachsenen Familienleitbild, wonach die<br />
Mutter die kleinen Kinder zu versorgen hat, leiten und weisen die Väter, die sich wirklich in<br />
einer Trennungsphase intensiv um ihre Kinder bemühen, manchmal mit harschen Worten<br />
zurück nach dem Motto: Was sie nur wollen, die Kinder bleiben eh bei der Mutter.<br />
Solche Aussagen sind wenig hilfreich. Wenig hilfreich sind auch - von mir schon selbst<br />
erlebte - Vermittlungsgespräche in Jugendämtern, wo Mitarbeiter von Jugendämtern einseitig<br />
Interessen vertreten und nicht deeskalierend wirken. Dies kann einfach nicht sein und wird<br />
auch nicht den gesetzlichen Anforderungen des SGB VIII gerecht.<br />
Die Kritik soll natürlich nicht pauschal an allen Jugendämtern geübt werden, leider gibt es -<br />
wie auch im übrigen Leben - überall „schwarze Schafe“. Diese Verfahrensweise wirkt sich<br />
dann meist negativ auf die Kinder aus.<br />
Zunehmende praktische Bedeutung hat aus meiner Sicht die Mediation. Der Vorteil ist für alle<br />
Beteiligten evident, ein gut ausgebildeter Mediator nimmt den Streit im Bereich des Sorge-
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- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 21 von 65<br />
und Umgangsrecht - wie auch die in der Trennungsphase zu regelnden übrigen Probleme - die<br />
Schärfe und setzt auf eine kooperative Konfliktlösung.<br />
Der Mediator sollte bei diesen Mediationen „über den Dingen stehen“, ich arbeite in meiner<br />
Praxis mit einem Mediator zusammen, der hauptberuflich Pfarrer ist. Vorteil dieser<br />
Konstellation ist, das tatsächlich in Bereichen des Sorge- und Umgangsrechtes fernab von<br />
jeglicher Juristerei und ohne die Aura eines schwebenden Gerichtsverfahrens gesprochen<br />
werden kann und die Eltern auch die Möglichkeit haben, sich einmal gegenüber einen Dritten<br />
„auszuheulen“, dafür ist vor Gericht häufig keine Zeit.<br />
Die durch Mediation gelösten Fälle sind bisher jedoch noch zahlenmäßig recht gering, was<br />
aus meiner Sicht hauptsächlich daran liegt, dass die Kosten für die Mediation für die meisten<br />
Parteien nicht darstellbar sind.<br />
Leider gestalten sich die wirklich schwierigen Sorge- und Umgangsrechtsmandate meiner<br />
Erfahrung nach auch zunehmend in sozial schwachen Familien heraus, so dass wir hier in der<br />
Beratungspraxis überhaupt keine Empfehlungen zur Einschaltung eines frei tätigen Mediator<br />
geben können, obwohl dies in den meisten Fällen dringend angezeigt wäre.<br />
Mediator durch Jugendamt<br />
Hier würde mit Sicherheit die Frage der gerichtsnahen Mediation von Vorteil sein, weil hier<br />
die Kostenproblematik für die Parteien geklärt wären könnte, wenn Anwälte an einem<br />
derartigen Verfahren für ihre Mandanten teilnehmen, wäre sicherlich über die Frage der<br />
Bewilligung von Prozesskostenhilfe nachzudenken.<br />
Auch käme die Installation eines Mediators beim Jugendamt in Frage, wenngleich ich hier<br />
aufgrund der eingangs dargestellten Hemmschwelle mancher Mandanten Bedenken habe,<br />
dass eine entsprechende allumfassende Akzeptanz besteht.<br />
Ich habe Ihnen aus meiner Sicht die pathologischen Sorgerechtsfälle dargestellt, die Masse<br />
der Scheidungsmandate ist jedoch nicht so schlimm wie eben dargestellt.<br />
Vielmehr wird in der Vielzahl der Fälle im ersten Beratungsgespräch durch eine klare<br />
Aussage, dass sich die Parteien zu Fragen des Sorge- und Umgangsrechts zu verständigen<br />
haben, jegliche Brisanz aus der Problematik herausgenommen. Hier reicht häufig der konkrete<br />
Hinweis, dass es beim gemeinsamen Sorgerecht zu verleiben hat und dass die Eltern im<br />
Interesse ihrer Kinder alles zu unterlassen haben, was das Kindeswohl gefährdet.<br />
Ich komme nun zum nächsten Punkt, nämlich zur Frage der Regelung der finanziellen<br />
Angelegenheiten im Rahmen der Trennung und Scheidung der Eheleute. Dies ist ohne<br />
Zweifel das Hauptbetätigungsfeld der in der Praxis tätigen Rechtsanwälte. Auch hier ist<br />
immer - wie bereits beim Sorge- und Umgangsrecht ausgeführt - die Frage der Sichtweise<br />
entscheidend, nämlich wen vertreten Sie.<br />
Vertreten Sie die Kindesmutter, die mit zwei oder drei Kindern von ihrem Ehepartner<br />
verlassen wurde und nun die Kinder allein versorgt, ist es aus anwaltlicher Sicht relativ<br />
einfach, Unterhaltsansprüche geltend zu machen. Die Rechtsprechung der Obergerichte und<br />
des BGH ist insofern recht stringent. Obwohl das Gesetz einen Mindestbedarf oder eine feste<br />
Bedarfsuntergrenze (Existenzminimum) nicht kennt, verlangen die Instanzgerichte<br />
regelmäßig, dass zumindest der Regelbedarf sichergestellt werden muss. Danach ist der<br />
Unterhaltsbedarf eines minderjährigen Kindes i. S. v. § 1610 BGB in Höhe des Regelbedarfs<br />
zu vermuten, das minderjährige Kind hat daher seinen Bedarf nicht darzulegen oder zu
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 22 von 65<br />
beweisen, es kann den Regelbedarf nach der Regelbetragsverordnung geltend machen und<br />
bekommt diesen auch regelmäßig zugesprochen.<br />
Ob daneben bei drei Kindern <strong>zwischen</strong> 6 und 14 Jahren noch Raum für eine tatsächliche<br />
Zahlung von Trennungs- oder nachehelichen Unterhalt besteht, ist letztlich eine Frage des<br />
Einzelfalles, in der Praxis der neuen Bundesländer wird man jedoch annehmen müssen - diese<br />
Auffassung ist natürlich nicht repräsentativ - dass es sich in 90 % der Fälle um absolute<br />
Mangelfälle handelt, wo Ansprüche der getrennt lebenden Ehefrau selten zu realisieren sind,<br />
weil die Verteilungsmasse gerade ausreicht, den Regelbedarf der Kinder abzudecken.<br />
Dogmatisch ist dies natürlich falsch, weil im Mangelfall auch die getrennt lebende Ehefrau zu<br />
berücksichtigen ist und mit einer entsprechenden Quote zu versehen ist, faktisch gibt es<br />
jedoch nur einen zu verteilenden Betrag X, der dann eben entsprechend den Kopfteilen<br />
zuzuordnen ist.<br />
Vertreten Sie den leistungsfähigen Ehemann, ist es natürlich argumentativ schwierig, diesem<br />
darzulegen, dass er bis auf seinen kleinen Selbstbehalt von derzeit 820,00 € im Zweifelsfall<br />
alles an die getrennt lebende Ehefrau und seine drei Kinder abzugeben hat.<br />
Besonders schwierig ist die Situation dann, wenn Sie mit fiktiven Einkünften beim<br />
Unterhaltsschuldner rechnen müssen. Auch hierzu ist die Rechtsprechung der Instanzgerichte<br />
und des BGH sehr streng, das Oberlandesgericht Jena fordert z. B. 20 bis 30 intensive<br />
Erwerbsbemühungen monatlich.<br />
Diese Argumentation können Sie als Anwalt in zunehmendem Maße schwer dem Mandanten<br />
erklären. Wenn man bedenkt, dass allein für eine vernünftige Bewerbung inklusive Porto und<br />
ordentlicher Bewerbungsmappe sowie Foto ein Betrag von 5,00 € mindestens aufzuwenden<br />
ist und die Masse der Bewerbungen teilweise ungelesen oder gar überhaupt nicht an den<br />
Bewerber zurückgeschickt werden, zeigt dies, dass die Bewerber dann häufig frustriert sind<br />
und die Rechtsprechung nicht mehr verstehen.<br />
Kann man im Bereich der Erwerbslosigkeit eines Unterhaltsschuldners noch damit<br />
argumentieren, dass er diese Erwerbsbemühungen ja für seine Kinder zu erfüllen hat, wird es<br />
dann gänzlich problematisch, wenn Sie einem erwerbstätigen Unterhaltsschuldner, der bei<br />
drei Kindern ein Nettoeinkommen von 1.100,00 € hat, darauf hinweisen müssen, dass sich aus<br />
§ 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB eine verschärfte Leistungspflicht ergibt, d. h. der<br />
Unterhaltsschuld-<br />
ner auch noch neben seiner mit Fahrzeit möglicherweise 10- bis 12stündigen Arbeitszeit auf<br />
eine Nebentätigkeit verwiesen werden kann.<br />
Obwohl das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2003 festgehalten<br />
hat, dass trotz gesteigerter Leistungspflicht eine Nebentätigkeit nur unter bestimmten<br />
Voraussetzungen zugemutet werden darf, sind die Anforderungen im Bereich des<br />
Minderjährigenunterhalts recht streng. Hier sollte einfach die Rechtsprechung zukünftig die<br />
Messlatte nicht so hoch setzen, um den Unterhaltsschuldner auch eine gewisse „Luft zum<br />
Atmen“ lassen.<br />
Aus meiner Erfahrung funktioniert die <strong>Zusammenarbeit</strong> mit den Jugendämtern im Bereich der<br />
Errichtung von Unterhaltstiteln für minderjährige Kinder sehr gut. Hier gibt es kaum<br />
Probleme, die von den Mandanten vorgetragen werden, die Möglichkeiten der Beurkundung<br />
von Unterhaltstiteln werden in aller Regel von den unterhaltspflichtigen Mandanten<br />
angenommen, in der Praxis nimmt diese Titulierungsmöglichkeit auch den größten Raum ein.
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 23 von 65<br />
Schlussendlich spielt die Frage des Güterrechts in der anwaltlichen Praxis eine gewisse Rolle.<br />
Insbesondere dann, wenn erhebliche Vermögenspositionen geschaffen wurden und es diese<br />
im Laufe des Scheidungsverfahrens über den Zugewinnausgleich auszugleichen.<br />
Obwohl der Bundesgerichtshof in seiner Rechtsprechung seit dem Jahr 2003 die Frage der<br />
Wirksamkeit von geschlossenen Eheverträgen - und perspektivisch wohl auch<br />
Vereinbarungen anlässlich Trennung und Scheidung - unter die Lupe genommen hat, ist es<br />
aus meiner Sicht sinnvoll, bereits bei Aufnahme des Mandats darauf hinzuwirken, dass man<br />
sich zu sämtlichen Fragen der Trennung- und Scheidungsfolgevereinbarung treffen kann und<br />
sollte. Dies vermeidet Streit, ist nicht so zeitintensiv und der Mandant spart bares Geld.<br />
An dieser Stelle kommt wieder der Mediator ins Spiel. Eine auf Basis einer Mediationsvereinbarung<br />
geschlossene Trennungs- und Scheidungsfolgevereinbarung hält mit an Sicherheit<br />
grenzender Wahrscheinlichkeit. Eine Vereinbarung, die allein <strong>zwischen</strong> den Parteien, ohne<br />
fachlichen Rat geschlossen wurde, wird häufig Gegenstand der Auseinandersetzung der<br />
Parteien.<br />
Lassen Sie mich zum Schluss noch einige grundsätzliche Anmerkungen machen, welche<br />
Wünsche aus meiner Sicht bestehen, Probleme, insbesondere im Bereich Sorge und Umgang<br />
schneller und interessengerechter zu lösen:<br />
1. Beschleunigung der Gerichtsverfahren bei Sorge- und Umgangsrechtssachen.<br />
Ich könnte mir vorstellen, dass es bevor die Sache über seitenlange Schriftsätze<br />
ausgeschrieben wird, zu einem recht schnellen Verhandlungstermin kommt, etwa in einem<br />
Zeitfenster von zwei bis drei Wochen.<br />
2. Engmaschiger Kontakt <strong>zwischen</strong> Jugendämtern und Anwaltschaft und Abstimmung der<br />
Verfahrensweisen, insbesondere bei Kindeswohlgefährdung.<br />
Dazu zähle ich insbesondere auch die Einnahme einer neutralen Position des Jugendamtes<br />
und eine unvoreingenommene Herangehensweise, insbesondere an Väter.<br />
3. Stärkung der Mediation etwa durch gerichtsnahe Mediation<br />
Bei einer Berücksichtigung dieser angesprochenen Punkt können vernünftige Ergebnisse<br />
erzielt werden.
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 24 von 65<br />
4.5. „Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen<br />
im Trennungs- und Scheidungsverfahren“<br />
Regina Hübner<br />
Über die Sicht der Erziehungs-, Ehe-, Familien- und<br />
Lebensberatungsstellen im Trennungs- und Scheidungsverfahren<br />
referierte die Ärztin und Erziehungs- und<br />
Familienberaterin Regina Hübner.<br />
So wies Regina Hübner auf die verschiedenen Angebote<br />
der Beratungsstellen hin, die auf die für Familien<br />
besonders schwierigen Belastungssituationen reagieren.<br />
Des weitern habe die Reform des Kindschaftsrechts eine<br />
Stärkung der Elternautonomie und damit den Vorrang von<br />
Beratung und Vermittlung vor der gerichtlichen<br />
Entscheidung gebracht.<br />
Damit ein Beratungsprozess gelingen könne, bedürfe es<br />
der vorherigen Klärung struktureller Fragen und der<br />
Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen. Die Aktualität<br />
und Relevanz der interdisziplinären <strong>Zusammenarbeit</strong><br />
machte Frau Hübner dahingehend deutlich, dass diese zu<br />
einem besseren Verständnis der unterschiedlichen Rollen<br />
der einzelnen Professionen untereinander verhelfe und<br />
Klarheit sowie Transparenz für alle Beteiligten schaffe.<br />
Einleitung<br />
Regina Hübner<br />
Beratung bei Trennung und Scheidung ist von jeher ein wichtiger Schwerpunkt in der Arbeit<br />
der Erziehungs-, Ehe-, Familie- und Lebensberatungsstellen. In meinen Ausführungen werde<br />
ich darauf eingehen, wie die momentane Ausgangssituation in den Beratungsstellen ist bzw.<br />
welche Angebote in den Beratungsstellen vorgehalten werden. Ich versuche Chancen und<br />
Grenzen der Beratung und der <strong>Zusammenarbeit</strong> der Institutionen aus unserer Sicht<br />
darzustellen. Zum Schluss werde ich Anliegen und Wünsche für die Zukunft aufzeigen.<br />
Ausgangssituation in den Beratungsstellen<br />
Ein Blick in unserer Statistik zeigt, dass ca. 40 % der Kinder, derentwegen Beratung in<br />
Anspruch genommen wird, bei beiden Eltern leben, 45 % bei einem allein erziehenden<br />
Elternteil oder einem Elternteil mit Partner, andere in Heimen, Pflegefamilien u. a. In unserem<br />
Einzugsbereich leben sogar nur 35 % der Kinder mit beiden Eltern zusammen. Das ist für Sie<br />
nichts Neues, Sie alle wissen, dass Trennung und Scheidung zum Alltag vieler Familien<br />
gehören und Sie kennen auch die Belastungen, die häufig für alle Beteiligten damit verbunden<br />
sind.<br />
Welche Unterstützung bieten die Beratungsstellen der Familien?<br />
Da ist zum einen die Beratung der Eltern in allen Phasen von Trennung und Scheidung, also<br />
sowohl vor, während als auch danach. Sie können Hilfe bekommen bei der<br />
Entscheidungsfindung, bei der Erarbeitung von eigenen tragfähigen Lösungen und ganz<br />
besonders auch zur Entwicklung von Perspektiven für ihre Kinder. Rechtliche Grundlagen für<br />
unsere Arbeit sind dabei die §§ 17, 18, 28 KJHG. Viele Eltern suchen vorn sich aus eine
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 25 von 65<br />
Beratungsstelle auf, weil sie sich mit dieser Situation überfordert sehen und sich ihrer<br />
Verantwortung den Kindern gegenüber bewusst sind. Andere kommen auf Hinweis anderer<br />
Institutionen.<br />
Dazu gibt es in vielen Beratungsstellen Trennungs- und Scheidungskindergruppen. Für uns ist<br />
dies ein teilweise präventives, aber auch zum Teil therapeutisches Angebot. Wie wir alle<br />
wissen, kommen deren Bedürfnisse in dieser Situation häufig zu kurz. In der Gruppe können<br />
sich die Kinder untereinander austauschen, sie erleben, dass es anderen ähnlich geht, sie<br />
lernen ihre Gefühle und Wünsche zu äußern. Ganz wichtig bei diesen Angeboten sind die<br />
begleitenden Elternabende, die wiederum eine Stützfunktion für die Eltern haben, für die der<br />
Austausch untereinander ebenso wichtig ist. Auch sollen diese die Eltern für die Situation<br />
ihrer Kinder sensibilisieren.<br />
Angebote der Beratungsstellen im Trennungs-/Scheidungsverfahren<br />
Neben diesen Angeboten, die jedermann freiwillig wahrnehmen kann, gibt es das<br />
Beratungsangebot, um das es hier vor allem geht. Gemeint ist die Erteilung eines<br />
Beratungsauftrages durch einen Dritten, z. B. Jugendamt oder Familiengericht auf der<br />
Grundlage folgender Rechtsvorschriften:<br />
Ich habe sie im Einzelnen noch mal aufgeführt, weil sie auch mir nicht so geläufig waren.<br />
§ 52 FGG Hinwirken und Einvernehmen der Beteiligten<br />
Absatz 1<br />
In einem die Person eines Kindes betreffenden Verfahren soll das Gericht so früh wie möglich<br />
und in jeder Lage des Verfahrens auf ein Einvernehmen der Beteiligten hinwirken.<br />
Es soll die Beteiligten so früh wie möglich anhören und auf bestehende Möglichkeiten der<br />
Beratung durch die Beratungsstellen und -dienste der Träger der Jugendhilfe insbesondere zur<br />
Entwicklung eines einvernehmlichen Konzepts für die Wahrnehmung der elterlichen Sorge<br />
und der elterlichen Verantwortung hinweisen.<br />
Absatz 2<br />
Soweit dies nicht zu einer für das Kindeswohl nachteiligen Verzögerung führt, soll das<br />
Gericht das Verfahren aussetzen, wenn<br />
1. die Beteiligten bereit sind, außergerichtliche Beratung in Anspruch zu nehmen, oder<br />
2. nach freier Überzeugung des Gerichts Aussicht auf ein Einvernehmen der Beteiligten<br />
besteht, in diesem Fall soll das Gericht den Beteiligten nahe legen, eine außergerichtliche<br />
Beratung in Anspruch zu nehmen.<br />
§ 1684 BGB Umgang des Kindes mit den Eltern<br />
Absatz 4 Sätze 3 und 4<br />
Das Familiengericht kann insbesondere anordnen, dass der Umgang nur stattfinden darf, wenn<br />
ein mitwirkungsbereiter Dritter anwesend ist.<br />
Dritter kann auch ein Träger der Jugendhilfe oder ein Verein sein; dieser bestimmt dann<br />
jeweils, welche Einzelperson die Aufgabe wahrnimmt.<br />
Wie sieht das in der Praxis aus?
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 26 von 65<br />
In diesen Fällen kommen die Betroffenen meist nicht freiwillig, zumindest für einen Elternteil<br />
ist das häufig der Fall. Sie werden vom Gericht oder vom Jugendamt geschickt und sind oft<br />
erstmal nicht an der Erarbeitung einer einvernehmlichen Regelung interessiert, sondern an der<br />
Durchsetzung eigener Interessen. Eine kooperative Haltung muss erst aufgebaut werden.<br />
Wenn dies gelingt, dann wird es nach und nach möglich, den Blick auf die Zukunft zu lenken.<br />
Das sind häufig zumindest anfangs sehr konfliktgeladene Beratungssituationen, die für uns als<br />
Berater eine hohe Herausforderung darstellen. Wie man sich denken kann, geht das nicht in<br />
ein bis zwei Sitzungen, sondern braucht Zeit, oft wenigstens ein halbes Jahr und länger.<br />
In Fragen des begleitenden Umgangs sind sich die Beratungsstellen einig, dass unser<br />
Schwerpunkt eindeutig auf der Beratung der Eltern liegt, um diese zu befähigen, zukünftig<br />
eigenständig Regelungen zu finden. Auch wenn dies sehr aufwändig ist, lehnen wir es<br />
grundsätzlich ab, nur mal eben während des Umgangs anwesend zu sein, wie es immer mal an<br />
uns herangetragen wird. Oft sind zunächst Einzelgespräche mit beiden Elternteilen nötig,<br />
dann gemeinsame Beratung der Eltern, Kontaktaufnahme zu dem Kind und die eigentliche<br />
Umgangsbegleitung. Solch ein Fall beschäftigt dann manchmal mehrere Mitarbeiter über<br />
einen längeren Zeitraum. Es sind viele Beratungskontakte notwendig. 20 Kontakte sind keine<br />
Seltenheit. Auch sind diese Beratungen häufig Thema in Fallbesprechungen und<br />
Supervisionen. So wundert es nicht, dass wir uns damit weitaus mehr beschäftigten, als es<br />
sich in den Fallzahlen niederschlägt.<br />
Um eine gewissen Vorstellung zu haben, habe ich mal in unserer Statistik geblättert bzw. Frau<br />
Schmidt vom Landesjugendamt um die entsprechenden Zahlen für Thüringen gebeten.<br />
Beratungen zum Thema Scheidung/Trennung insgesamt<br />
Thüringen Suhl<br />
Beratung der Eltern zu Paarfragen 9,50 % 21,80 %<br />
Beratung der Eltern zur Elternverantwortung 12,60 % 16,00 %<br />
Hilfe bei der Bewältigung der Situation für die Kinder 11,00 % 25,00 %<br />
Beratung zu Fragen des Umgangs 7,80 % 13,20 %<br />
Die Prozentzahlen beziehen sich auf die Beratungsanlässe insgesamt, wobei auch<br />
Mehrfachnennungen möglich sind.<br />
Im Vergleich dazu sind Beratungen auf Anordnung des Gerichts zur elterlichen Sorge oder<br />
zum Umgang einschließlich begleiteten Umgangs vergleichsweise gering. Beim begleiteten<br />
Umgang muss man beachten, dass dieser auch auf Wunsch eines Elternteils oder durch<br />
Vermittlung durch das Jugendamt durchgeführt wird, d. h. auch schon bevor Gerichte tätig<br />
werden.<br />
Mitwirkung im Verfahren des begleiteten Umganges 1,00 % 0,60 %<br />
Anregung zur Kontaktaufnahme durch Gerichte 0,80 % 2,30 %<br />
<strong>Zusammenarbeit</strong> am Fall mit Gerichten 0,20 % 1,70 %<br />
Die Zahlen beziehen sich immer nur auf einen Beratungsfall, d. h. es gibt durchaus<br />
Beratungen, die mit einem Gespräch beendet sind, als auch solche, die uns über einen langen<br />
Zeitraum begleiten. Es wird also aus der Statistik nicht ersichtlich, wie lange und wie häufig<br />
die Personen die Beratungsstelle aufsuchen.
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 27 von 65<br />
Nach Reform des Kindschaftsrechts 1998 gab es in vielen Orten Arbeitsgruppen aus<br />
Vertretern der Jugendämter, der Gerichte, von Rechtsanwälten und Beraterinnen, die häufig<br />
auf Initiative der Beratungsstellen gegründet wurden. Teilweise wurden damals Infoblätter<br />
mit den Beratungsangeboten erarbeitet. Nur wenige haben sich über die Jahre erhalten, oft<br />
verliefen sie aber im Sande, weil die Aufträge nicht mehr klar waren. Manche<br />
Beratungsstellen haben den Eindruck, dass sie die einzigen wären, die Gesprächsbedarf<br />
haben. Oder dass ihre Sicht und das Bedürfnis zur Klärung offener Fragen die anderen<br />
Professionen weniger tangieren. Insgesamt gestaltete sich eine solche <strong>Zusammenarbeit</strong> eher<br />
einseitig. Es gibt aber auch andere Beispiele. Überall da, wo Arbeitsgruppen funktionieren,<br />
wo man sich untereinander kennt, ist die Zufriedenheit am größten, zumindest auf Seiten der<br />
Beratungsstellen. Und die Beratung in diesem Aufgabenfeld wird erfolgreicher bewertet.<br />
Welche Chancen haben die Beratung und die <strong>Zusammenarbeit</strong> untereinander?<br />
Wie schon deutlich geworden, bieten Beratungsstellen die Voraussetzungen, mit den<br />
Ratsuchenden über einen längeren Zeitraum in einen Prozess zu treten und in einem<br />
geschützten Rahmen Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln und zu erproben. Wenn es gut<br />
geht, steht am Ende ein Konzept, das am Wohl des Kindes ausgerichtet ist und in dem die<br />
Bedürfnisse aller angemessen berücksichtigt werden.<br />
Beratungsstellen bieten einen vertraulichen Rahmen, in dem Klienten sicher sein können, dass<br />
ihre Aussagen nicht an Jugendamt oder Gericht weitergegeben werden. Eine wichtige<br />
Voraussetzung, damit Probleme überhaupt offen angesprochen werden können.<br />
Da auch Jugendämter Beratung in diesem Kontext anbieten, entsteht daraus nicht selten ein<br />
Konkurrenzdenken, wer denn nun die bessere Beratung macht. Das bringt natürlich<br />
niemanden weiter und es ist auch unsinnig, in gegenseitiger Anerkennung und Wertschätzung<br />
und im Austausch untereinander die eigene Rolle zu definieren und die Aufgabenfelder klar<br />
abzustecken.<br />
Auch Anwälten und Familienrichtern würde eine Menge Arbeit erspart, wenn die Eltern sich<br />
auf beraterischem Wege einigen könnten. Und viele Auffälligkeiten von Kindern in Folge<br />
langwieriger Streitigkeiten könnten vermieden werden.<br />
Aber es gibt auch Grenzen in der Beratung und auch in der <strong>Zusammenarbeit</strong>.<br />
Vielfach erleben wir, dass Scheidungspaare erst sehr spät auf Beratung aufmerksam gemacht<br />
werden. Viele anwaltliche Schreiben sind schon hin und her gegangen, eventuell auch schon<br />
mehrere Einigungsversuche gescheitert. Dann wird das Verfahren ausgesetzt mit der Auflage<br />
zur Beratung und der Wunsch der Beteiligten sich zu einigen, tendiert gegen Null. Beratung<br />
vollbringt keine Wunder und so ist der Frust auf allen Seiten da: Na ja, Beratung bringt es<br />
auch nicht, dann werden beim nächsten Mal lieber Gutachter bemüht.<br />
Ganz wichtig für den Erfolg von Beratung ist, dass die Rahmenbedingungen stimmen. Die<br />
Vertraulichkeit wurde schon angesprochen, aber der gesamte Prozess muss für alle offen und<br />
durchschaubar sein. Oft wird den Beratungsstellen vorgeworfen, dass keine Rückmeldung<br />
kommt. Da hat man schon jemanden zur Beratung geschickt und dann weiß man überhaupt<br />
nicht, was da läuft bzw. ob überhaupt etwas läuft. Das ist sehr verständlich, dass dann<br />
irgendein Rückfluss erwartet wird. Um trotzdem Vertraulichkeit zu gewähren, muss von<br />
Anfang an klar sein, an wen gibt es welche Informationen.
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 28 von 65<br />
Wenn keine Mitwirkungsbereitschaft von einem Elternteil zu erzielen ist oder wenn<br />
getroffene Absprachen immer wieder boykottiert werden, muss die Beratung als gescheitert<br />
betrachtet werden. Manchmal scheitert es aber schon daran, dass keine Terminvereinbarungen<br />
möglich sind, aus beruflichen Gründen oder weil ein Partner weit weg wohnt. Es sei<br />
dahingestellt, ob das auch manchmal Zeichen eines nicht vorhandenen Interesses ist.<br />
In massiven Gewaltbeziehungen ist es oftmals nicht möglich, mit beiden Elternteilen<br />
gemeinsam zu arbeiten. Zum Beispiel warum wehrt sich das Kind, Kontakt zum anderen<br />
Elternteil zu haben? Es ist oftmals sehr schwierig einzuschätzen, wie weit der Umgang dem<br />
Kind eher schadet im Sinne eines Täterkontaktes.<br />
Wir machen jedoch keine Gutachten oder Zuarbeiten für gerichtliche Stellungnahmen, solche<br />
Anfragen gibt es immer wieder, das wäre ein Widerspruch zum Anliegen der Beratung,<br />
deswegen lehnen wir es auch ab.<br />
Schwierig wird es auch, wenn im Hintergrund über Anwälte weiter gestritten wird. Wenn ein<br />
Beratungsprozess läuft, ist es wichtig, dass sich alle Beteiligten einig sind, dass die<br />
Differenzen in der Beratung angesprochen und geklärt werden und nicht anderswo weiter<br />
Grabenkämpfe betrieben werden.<br />
Gestaltungsmöglichkeiten - Wünsche an die anderen Professionen<br />
In Vorbereitung dieses Vortrages habe ich mich bei den anderen Beratungsstellen in unserem<br />
südthüringer Raum umgehört und war erstaunt, dass trotz unterschiedlicher Voraussetzungen<br />
die Wünsche sich doch sehr ähneln.<br />
Wunsch nach <strong>Zusammenarbeit</strong><br />
Von den Beratungsstellen wird deutlich der Wunsch nach Austausch der Professionen<br />
untereinander geäußert. Alle betonen, dass es sehr wichtig für die eigene Arbeit ist, die Sicht-<br />
und Arbeitsweisen der anderen zu kennen.<br />
Gegenseitige Anerkennung der Fachlichkeit<br />
Damit einher geht die gegenseitige Anerkennung und Wertschätzung der Arbeit und eine<br />
klare Verteilung der Aufgaben. Nur so ist eine für alle hilfreiche <strong>Zusammenarbeit</strong> möglich.<br />
Hinwirken aller Beteiligten auf die Wahrnehmung der Elternverantwortung<br />
Das finde ich ganz wichtig, dass Eltern so früh wie möglich daran erinnert werden, dass es<br />
ihre ureigenste Aufgabe als Eltern ist, gemeinsame Lösungen für ihre Kinder zu finden. Oft<br />
genug wird diese Verantwortung an Anwälte oder Gerichte abgegeben. Dort wo Arbeitskreise<br />
gut funktionieren, gibt es auch deutlich mehr Anwälte, die ihre Mandanten bereits im Vorfeld<br />
gerichtlicher Entscheidungen an die Beratungsstellen verweisen. Auch gibt es Gerichte, die<br />
Prozesskostenhilfe nur gewähren, wenn die Eltern zuvor in einer Beratungsstelle gewesen<br />
sind. Man kann sich fragen, inwieweit dort dann auch wirklich ein Einigungswunsch besteht<br />
oder ob das Geld die Motivation bestimmt.
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 29 von 65<br />
Klare Vereinbarungen treffen<br />
Ich habe es bereits erwähnt, dass eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen von<br />
Beratungsprozessen eine größtmögliche Klarheit für alle ist. Es sollten Vereinbarungen<br />
<strong>zwischen</strong> Jugendämtern, Rechtsanwälten, Gerichten und den Beratungsstellen getroffen<br />
werden, z. B. wer welche Aufgaben hat, welche Fristen es gibt, wer wen informiert. (Die aber<br />
auch verdeutlichen, was passiert, wenn die Vereinbarungen nicht eingehalten werden.)<br />
Information der Eltern über den Ablauf bereits im Gerichtssaal oder Jugendamt<br />
Ebenso wichtig ist, dass Eltern von Anfang an dieser Prozess deutlich aufgezeigt wird, und<br />
zwar von dem, der sie zur Beratung „schickt“. Was ist Aufgabe der Eltern, welche<br />
Informationen fließen, was passiert, wenn keine Einigung gelingt?<br />
Ein Beispiel für eine solche Vereinbarung bei Umgangsproblemen habe ich Ihnen mal<br />
mitgebracht.<br />
Einbeziehung Dritter für den begleiteten Umgang<br />
Ich habe Ihnen eingangs aufgezeigt, wie aufwändig sich eine solche Beratung gestalten kann<br />
und wie schnell die Beratungsstellen dabei an Kapazitätsgrenzen stoßen. Wir sind dabei, mit<br />
dem Kinderschutzdienst zu überlegen, ob eine Kooperation in diesem Bereich möglich ist.<br />
Denkenswert wäre auch die Einbeziehung von Honorarkräften, wobei dann überlegt werden<br />
muss, wie sich die Finanzierung gestalten könnte.<br />
Aussetzung des Verfahrens und Zurückhaltung auf Seiten der Anwälte während des<br />
Beratungsprozesses<br />
Wenn im Hintergrund weiter Kämpfe ausgetragen werden, auch über andere Dinge, dann stört<br />
das empfindlich den Einigungsprozess. Wenn sich die Eltern weiter über Geld oder Haus<br />
streiten, wird auch eine Einigung über die Kinder kaum möglich sein. Deswegen ist unser<br />
Wunsch, dass während des Beratungsprozesses die Anwälte möglichst nicht aktiv sind.<br />
Autonome Regelung über Zeiten für Beratung oder begleiteten Umgang<br />
Teilweise gibt es die Praxis, dass bereits vom Gericht Zeiten für den begleiteten Umgang<br />
festgelegt werden. Das ist für die Beratungsstellen so nicht akzeptabel und zeitlich oft auch<br />
gar nicht zu leisten. Ich denke, das liegt im Verantwortungsbereich der Beratungsstelle.<br />
Wunsch nach Fortbildung<br />
Für die Arbeit mit hochstrittigen Paaren (hören wir ja morgen noch etwas) und den<br />
begleiteten Umgang oder Umgangsregelungen mit sehr kleinen Kindern überhaupt. Das<br />
gestaltet sich in der Praxis immer wieder schwierig.
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 30 von 65<br />
4.6. „Cochemer Praxis“<br />
Manfred Lengowski<br />
Manfred Lengowski<br />
Verfahrensweise der Professionen im Rahmen der Cochemer-Praxis<br />
Manfred Lengowski, der als Sozialarbeiter<br />
im Kreisjugendamt in Cochem-Zell tätig<br />
ist, fesselte ebenfalls mit seinem Vortrag<br />
über die „Cochemer Praxis“, welche<br />
bereits Thema der 2.Fachtagung im<br />
Januar 2005 war.<br />
Auf der Suche nach Chancen, Konflikte<br />
nicht nur durch gerichtliche<br />
Entscheidungen zu regeln, sondern auch<br />
im Interesse des Kindeswohls zu lösen,<br />
hatte sich das Jugendamt Cochem zu einer<br />
<strong>Zusammenarbeit</strong> mit dem Familiengericht<br />
sowie anderen beteiligten Professionen<br />
entschlossen. Ziel der Kooperation war<br />
und ist es, möglichst frühzeitig<br />
Konfliktlösungen im Falle einer Trennung<br />
oder Scheidung zu erarbeiten, und so die<br />
Zahl der gerichtlichen Verfahren zu<br />
reduzieren. In seinem Referat stellte er den<br />
Arbeitskreis nochmals vor.<br />
Verfahrensweise im Rahmen der Trennung- und Scheidungsberatung des Jugendamtes,<br />
wenn kein Sorgerechtsverfahren beim Familiengericht anhängig ist.<br />
Verfahrensweise im Rahmen der Trennung- und Scheidungsberatung des Jugendamtes,<br />
wenn gerichtliche Sorgerechtsverfahren beim Familiengericht anhängig sind.<br />
Professionen, die an der Cochemer Praxis beteiligt sind:<br />
Anwaltschaft<br />
Familiengericht<br />
Jugendamt<br />
Gutachter<br />
Beratungsstelle<br />
§ 17, 18 SGB VIII<br />
Verfahrensweise im Rahmen der Trennung- und Scheidungsberatung des Jugendamtes,<br />
wenn kein Sorgerechtsverfahren beim Familiengericht anhängig ist.<br />
Beim Familiengericht geht ein Antrag auf Scheidung der Ehe der Eltern des Kindes ein.<br />
Ein Antrag auf eine Sorgerechtsregelung ist nicht gestellt.<br />
Das Familiengericht informiert das Jugendamt hierüber per Vordruck.<br />
Das Jugendamt informiert die Eltern über ihr Recht auf Beratung schriftlich.<br />
Die Eltern eines Kindes, ob miteinander verheiratet oder nicht miteinander verheiratet, haben<br />
einen Rechtsanspruch auf Beratung in Fragen der elterlichen Sorge gegenüber dem für sie<br />
zuständigen Jugendamt. Die Beratung ist grundsätzlich für die Eltern kostenfrei.
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 31 von 65<br />
Unser Einladungsschreiben sieht folgendermaßen aus:<br />
Sehr geehrte Frau Ute S.......<br />
vom Familiengericht Cochem wurden wir über den Antrag auf Scheidung Ihrer Ehe<br />
informiert.<br />
Im Rahmen dieses Verfahrens müssen Sie sich über die Ausgestaltung der elterlichen Sorge<br />
auseinander setzen. Grundsätzlich bleibt die gemeinsame Verantwortung für Kinder bestehen.<br />
Bei der Entwicklung eines einvernehmlichen Konzepts für die Wahrnehmung der elterlichen<br />
Sorge und des Umgangsrechts bieten wir Ihnen Beratung und Unterstützung an.<br />
Nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz haben Sie einen Rechtsanspruch auf diese Beratung<br />
in Fragen der Partnerschaft, Trennung und Scheidung.<br />
Die Inanspruchnahme dieses Angebotes ist kostenlos und freiwillig.<br />
Zur Vereinbarung eines Gesprächstermins bitten wir Sie, sich unter der oben angegebenen<br />
Telefonnummer mit uns in Verbindung zu setzen.<br />
Mit freundlichen Grüßen<br />
Im Auftrag<br />
Die Eltern nehmen, meist jeder für sich, mit dem jeweiligen Mitarbeiter des Jugendamtes<br />
Kontakt auf und vereinbaren einen Gesprächstermin. Das geschieht in der Regel<br />
telefonisch.<br />
Die Eltern melden sich zu etwa 90 %, da sie auf die Beratungsmöglichkeit von den<br />
anderen Professionen hingewiesen wurden und ihnen dies als sinnvoll empfohlen wurde.<br />
Wir führen Gespräche mit Vater, Mutter und Kind/ern mit dem Ziel:<br />
Die Eltern wieder zu befähigen die Bedürfnisse ihrer Kinder zukünftig ohne fremde Hilfe<br />
zu erfüllen.<br />
Dabei nehmen wir keine Amtshilfe durch andere Jugendämter in Anspruch, da sonst eine<br />
soziale Arbeit mit den Eltern nicht möglich wird. Wir erwarten die aktive Teilnahme der<br />
Eltern am beraterischen Prozess, da sie dies im Rahmen der Ausübung der elterlichen<br />
Sorge für ihre Kinder diesen schuldig sind. Die Kinder sind ja nicht verantwortlich für das<br />
Scheitern der Ehe/Beziehung der Eltern, auch wenn das die Kinder manchmal selbst so<br />
sehen!<br />
Eltern finden im Rahmen der Beratung eine von ihnen getragene nachhaltige Lösung.<br />
Das ist Ausdruck ihrer elterlichen Verantwortung und deren Autonomie. Eingriffe sind nur<br />
bei konkreter Kindeswohlgefährdung (§1666 BGB) möglich und notwendig.
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 32 von 65<br />
Schematische Darstellung der Verfahrensweise<br />
Scheidungsantrag Eingang beim Familiengericht<br />
gemeinsame Lösung<br />
evtl. weitere Beratung bei Bedarf<br />
Verfahrensweise im Rahmen der Trennung- und Scheidungsberatung des Jugendamtes,<br />
wenn gerichtliche Sorgerechtsverfahren beim Familiengericht anhängig wurden.<br />
Eltern stellen einen oder manchmal auch mehrere Anträge beim Familiengericht zur<br />
Regelung der elterlichen Sorge oder von Elementen der elterlichen Sorge.<br />
In diesen Fällen wird die Vernetzung der Professionen notwendig!<br />
Der Antrag geht beim Familiengericht ein.<br />
Familiengericht informiert Jugendamt<br />
Jugendamt informiert Eltern über<br />
Trennung- und Scheidungsberatungsanspruch<br />
Eltern melden sich und<br />
erhalten Gesprächstermin<br />
strittig<br />
Antrag beim Familiengericht<br />
Das Familiengericht reagiert sofort und terminiert die mündliche Verhandlung innerhalb<br />
einer Frist von 2 bis 3 Wochen.<br />
Der Anwalt des Antragstellers beschreibt im Antrag nur kurz den Antragsgrund.<br />
Der gegnerische Anwalt stellt keinen Antrag.<br />
Das Familiengericht fordert das Jugendamt zur Abgabe einer Stellungnahme auf und lädt<br />
den Sozialarbeiter zur mündlichen Verhandlung.
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 33 von 65<br />
Durch das frühe Agieren des Familiengerichtes wollen wir, mit Blick auf die Interessen<br />
und Sichtweisen des Kindes den entstandenen Konflikt der Eltern entschärfen und<br />
ihnen so frühzeitig Hilfe zukommen lassen.<br />
Die Information an das Jugendamt geht vorab per Fax.<br />
Dienstweg !!!!!<br />
Es ist Fakt, dass die oft bestehenden Strukturen der Verwaltungen einen schnellen<br />
Schriftverkehr nur bedingt möglich machen. Für eine schnelle Hilfegewährung ist das<br />
jedoch unabdingbar.<br />
Das Jugendamt schreibt die Eltern an und bittet sie um Vereinbarung eines<br />
Gesprächstermins.<br />
Die Terminvergabe ist auch den Eltern ein Anliegen, da der Termin für die mündliche<br />
Verhandlung bereits feststeht.<br />
Dadurch sind sie bereit sich auch einmal an den terminlichen Gegebenheiten des<br />
Sozialarbeiters zu orientieren.<br />
Wir führen Gespräche mit Vater, Mutter und Kind/ern, Großeltern etc. mit dem Ziel:<br />
Die Eltern wieder zu befähigen die Bedürfnisse ihrer Kinder ohne fremde Hilfe<br />
sicherzustellen.<br />
Dabei nehmen wir keine Amtshilfe durch andere Jugendämter in Anspruch, da sonst eine<br />
soziale Arbeit mit den Eltern nicht möglich wird. Wir erwarten die aktive Teilnahme der<br />
Eltern am beraterischen Prozess, da sie dies im Rahmen der Ausübung der elterlichen<br />
Sorge für ihre Kinder diesen schuldig sind. Die Kinder sind ja nicht verantwortlich für das<br />
Scheitern der Ehe/Beziehung der Eltern, auch wenn das die Kinder manchmal selbst so<br />
sehen!<br />
Im Verlauf der Beratung erarbeiten wir mit den Eltern und den Kindern die aktuelle<br />
Situation der Kinder.<br />
Hieran orientiert erwarten wir von den Eltern die zukünftige gemeinsame Übernahme der<br />
elterlichen Verantwortung. Hierauf haben die Kinder einen Anspruch!<br />
Kann eine gemeinsame Lösung gefunden werden, wird diese anlässlich der mündlichen<br />
Verhandlung nochmals besprochen und dann protokolliert.<br />
Gelingt eine gemeinsame Lösung im Rahmen der Beratung des Jugendamtes nicht<br />
wird dies ebenfalls im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht<br />
gemeinsam erörtert.<br />
Die Eltern haben hierbei nochmals die Gelegenheit selbst ausführlich ihre Auffassung<br />
darzulegen.<br />
Dabei wirkt die „schriftliche Zurückhaltung“ der Rechtsanwälte konfliktentschärfend.<br />
Wenn auch die gemeinsame Erörterung (ca. zwei Stunden Beratung) vor dem<br />
Familiengericht nicht zu einer tragfähigen Einigung führt<br />
oder<br />
von einem der Eltern, der Anwälte, dem Jugendamt oder dem Familienrichter die<br />
Notwendigkeit von weiterer Beratung angezeigt wird,<br />
unterbricht der Familienrichter die mündliche Verhandlung.<br />
Die Eltern werden auf das Beratungsangebot<br />
des Jugendamtes<br />
der Lebensberatungsstelle<br />
von Mediation etc. hingewiesen
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 34 von 65<br />
Da das Verfahren noch anhängig ist, sind sie meist aus taktischen, prozessualen<br />
Gründen motiviert das Angebot anzunehmen<br />
Das Familiengericht vertagt die mündliche Verhandlung für ca. 6 Monate.<br />
Die Eltern werden direkt aus der Verhandlung von dem Sozialarbeiter des Jugendamtes<br />
zur Beratungsstelle begleitet.<br />
Die Lebensberatungsstelle ist hierauf eingestellt!<br />
An den Verhandlungstagen ist sie in der Lage die Eltern zu empfangen und<br />
ihnen sofort einen Beratungstermin innerhalb von zwei Wochen anzubieten.<br />
Hierbei wird auf den Einzelfall eingegangen, das bedeutet, dass ihnen in der Regel<br />
zunächst getrennte Gesprächstermine angeboten werden.<br />
Die Lebensberatungsstelle oder das Jugendamt beraten nun in eigener Autonomie und<br />
Fachlichkeit.<br />
Dabei wird insbesondere auf die für die erfolgreiche Beratung notwendige<br />
Verschwiegenheitspflicht geachtet!<br />
Nach Abschluss der Beratung<br />
oder bei Abbruch der Beratungsarbeit durch einen Elternteil teilt dieser oder beide Eltern<br />
ihrem jeweiligen Rechtsanwalt dies mit.<br />
Dieser informiert das Familiengericht.<br />
Bei Abbruch informiert die Beratungsstelle hierüber das Jugendamt. Dabei gibt die<br />
Beratungsstelle keine Inhalte der Beratung bekannt.<br />
Das Jugendamt bietet den Eltern dann alternativ Beratung an.<br />
Das Familiengericht schließt das Verfahren nach erfolgreicher Beratung ab.<br />
Bei Bedarf findet eine weitere mündliche Verhandlung statt, bei der die getroffene<br />
Vereinbarung der Eltern protokolliert wird.<br />
Bei Abbruch der Beratung findet meist eine mündliche Verhandlung statt, bei der die<br />
bestehende Problematik nochmals erörtert wird. Regelmäßig sind sodann die Eltern bereit<br />
ein alternatives Beratungsangebot anzunehmen.<br />
Das Familiengericht bestimmt einen weiteren Verhandlungstermin.<br />
In 98 % aller Fälle gelingt es dann, die Eltern zu einer eigenen und damit auch<br />
nachhaltigen Lösung zu befähigen.<br />
In zwei Prozent der an die Beratungsstelle weitervermittelten „Familien“ gelang keine<br />
Lösung. Diese haben die Erreichung ihres Zieles aufgeben.<br />
Es gelang uns:<br />
Im Rahmen der gerichtlichen Verfahren eine Vereinbarung der Eltern in ca.95% der<br />
Verfahren zu erreichen.<br />
Ca. 5 % wurden an die Lebensberatungsstelle weitervermittelt. Hiervon gelang eine<br />
erfolgreiche Arbeit in 98 % der Fälle.
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 35 von 65<br />
Wenn im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht deutlich wird,<br />
dass eine erfolgreiche Beratung nicht möglich sein wird, beauftragt das Familiengericht<br />
einen interventionistisch arbeitenden Gutachter mit der Erstellung eines Gutachtens.<br />
Eine mögliche Fragestellung könnte sein:<br />
Entspricht es dem Kindeswohl, wenn der Vater/Mutter zu dem Kind keinen Kontakt mehr<br />
hat?<br />
Der Gutachter versucht nun umgehend die Situation und die Bedarfslage des Kindes<br />
festzustellen.<br />
Die Arbeit muss innerhalb weniger Tage beginnen. Wie üblich, erst nach mehreren<br />
Monaten, wird von uns nicht akzeptiert!<br />
Hierbei führt er Hausbesuche bei allen Beteiligten durch.<br />
Er versucht ebenfalls, wie die anderen Professionen mit den Eltern lösungsorientiert zu<br />
arbeiten.<br />
Die Eltern sehen das oft als eine letzte Chance an, die sie auch ergreifen. Meist schließt<br />
sich an die Begutachtung eine weitere Beratung durch Jugendamt, Lebensberatungsstelle<br />
oder auch Mediation an.<br />
Der Gutachter teilt dem Familiengericht das Ergebnis seiner Arbeit mit.<br />
Die bisher immer erlangte und mit den Eltern erarbeitete Lösung wird dann protokolliert<br />
und das Verfahren abgeschlossen.<br />
Weiterführende Informationen unter<br />
www.AK-Cochem.de<br />
4.7. „Umgang mit hochstrittigen Fällen“<br />
Matthias Weber<br />
Matthias Weber, Psychologe und Psychotherapeut,<br />
erläuterte schließlich in seinem Abschlussreferat den<br />
Umgang mit hochstrittigen Fällen. Dabei widmete er sich<br />
zunächst ausführlichen Begriffserklärungen und<br />
verdeutlichte Ursachen und Hintergründe der<br />
Hochstrittigkeit.<br />
Des Weiteren führte er wesentliche Aspekte von<br />
Beratungsarbeit mit hochstrittigen Fällen auf und verwies<br />
auf die Situation der Kinder, welche der unbedingten<br />
Beteiligung, Unterstützung und dem nötigen Schutz<br />
bedürfen. Demzufolge sei eine interdisziplinäre<br />
<strong>Zusammenarbeit</strong> nicht nur eine wertvolle Aufgabe und<br />
unabdingbare Notwenigkeit, sondern erfordere zudem eine<br />
Neudefinition von Rahmenbedingungen.<br />
Matthias Weber
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 36 von 65<br />
Umgang mit hochstrittigen Fällen<br />
1. Die Entwicklung der Thematik<br />
1982 wurde nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die gemeinsame elterliche<br />
Sorge nach Trennung und Scheidung möglich. Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass<br />
das Fortbestehen der familiären Sozialbeziehung nach Trennung der Eltern eine<br />
entscheidende Grundlage für eine stabile und gesunde psychosoziale Entwicklung des<br />
heranwachsenden Menschen ist.<br />
Gegenüber dem empirischen Befund, dass bereits ein Jahr nach der Scheidung fast die Hälfte<br />
der Kinder keinen Kontakt mehr zum nichtbetreuenden Elternteil hatte (Napp-Peters 1985),<br />
gewann die Idee des Fortbestehens der Elternschaft nach Trennung und Scheidung<br />
zunehmend an Bedeutung. Das Reorganisationsmodell vollzog die Abkehr<br />
von einem Verständnis des Scheidungsprozesses als Endpunkt der familialen Entwicklung<br />
und verstand den Scheidungsprozess als Teil und Ausschnitt der familialen<br />
Gesamtentwicklung (Fthenakis e.a. 1993).<br />
1989 erschien eine Broschüre mit dem prägnanten und programmatischen Titel „Eltern<br />
bleiben Eltern“. Diese Formel wurde von vielen Angehörigen der sogenannten<br />
Scheidungsprofessionen verinnerlicht und als Maxime gegenüber Scheidungspaaren geltend<br />
gemacht (Weber 2002).<br />
Im Sozialgesetzbuch VIII – Kinder und Jugendhilfe (KJHG) – , 1990 in den neuen und 1991<br />
in den alten Bundesländern in Kraft getreten, wurde in § 17 „Beratung in Fragen der<br />
Partnerschaft, Trennung und Scheidung“ als Aufgabe der Jugendhilfe festgeschrieben.<br />
Beratung soll im Falle der Trennung oder Scheidung Eltern unterstützen, ein<br />
einvernehmliches Konzept zur Wahrnehmung der elterlichen Sorge zu entwickeln.<br />
Auch in § 18 und § 28 SGB VIII wurden Beratungsaufgaben bei Trennung und Scheidung<br />
als Leistungen der Jugendhilfe normiert.<br />
Für die Jugendhilfe ging es nun nicht mehr darum, den für die Erziehung besser geeigneten<br />
Elternteil heraus zu finden, sondern um Unterstützung der Eltern bei der Entwicklung von<br />
Einvernehmlichkeit. Mit der Kindschaftsrechtsreform von 1998 wurde die Verantwortung für<br />
die Wahrnehmung der elterlichen Sorge von einer familiengerichtlichen Entscheidung<br />
abgekoppelt. Das Familiengericht wird in Bezug auf elterliche Sorge und Umgang nur mehr<br />
aktiv, wenn ein Elternteil einen Antrag stellt. Aber auch dann soll es „so früh wie möglich<br />
und in jeder Lage des Verfahrens auf ein Einvernehmen hinwirken“ (§ 52 FGG). Es soll<br />
außerdem „ auf bestehende Möglichkeiten der Beratung durch die<br />
Beratungsstellen und –dienste der Träger der Jugendhilfe insbesondere zur Entwicklung eines<br />
einvernehmlichen Konzepts für die Wahrnehmung der elterlichen Sorge und der elterlichen<br />
Verantwortung hinweisen“. Im geeigneten Fall soll es zugunsten einer außergerichtlichen<br />
Beratung das Verfahren aussetzen (§ 52 FGG (2)).<br />
Proksch hat im Rahmen der Begleitforschung zur Kindschaftsrechtsreform festgestellt, dass<br />
im Jahre 2000 der Anteil von Eltern mit gemeinsamer elterlicher Sorge rund 75 % beträgt<br />
(Ergebnis einer justizstatistischen Erhebung im Zeitraum 1994 – 1995: 17,7 %). Er resümiert,<br />
dass die Neuregelungen des KindRG zu deutlichen Fortschritten geführt haben. Auch wenn<br />
das Fazit von Proksch zu relativieren ist, weil nicht jede formale gemeinsame elterliche Sorge
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 37 von 65<br />
Sinn bedeutet, dass Eltern gemeinsam und zum Wohl des Kindes die elterliche Sorge<br />
ausüben, so gelingt es offensichtlich vielen Eltern, ohne Einbeziehung des Gerichts kompetent<br />
und verantwortlich die Sorge für ihre Kinder wahrzunehmen.<br />
Entgegen dieser allgemeinen Entwicklung gibt es Fälle, in denen Trennung und Scheidung<br />
nicht zur emotionalen Abgrenzung der Partner und zu einer Reduzierung der Konflikte<br />
führen. Nach amerikanischen Untersuchungen berichten ein Viertel bis ein Drittel aller<br />
Scheidungspaare „noch viele Jahre nach der Trennung über ein hohes Maß an Feindseligkeit<br />
und Dissens im Hinblick auf alltägliche Betreuungsbelange der Kinder. Ca. 10 % aller<br />
geschiedenen Eltern sind in langfristige Rechtsstreitigkeiten verwickelt. Diese relativ kleine<br />
Subgruppe von Scheidungsfällen verbraucht einen unverhältnismäßig hohen Anteil<br />
gerichtlicher Ressourcen“ (Johnston 2002, S. 378).<br />
In den Jahren nach der Kindschaftsrechtsreform wurde zunehmend von hoch strittigen Eltern<br />
als einer besonderen Gruppe im von Johnston beschriebenen Sinne gesprochen. Ein Grund für<br />
das nun fassbare Aufkommen der Thematik dürfte sein, dass in der Zeit zuvor Konflikte der<br />
Eltern meist dazu führten, dass ein Elternteil sich aus der Sorge um das Kind zurückzog.<br />
Dadurch wurden eskalierte Konflikte nicht greifbar. Zum anderen hat die zunehmende<br />
Bedeutung des Themas ihre Ursache in den erfolgten gesetzlichen Änderungen. Diese<br />
brachten einerseits klare Deregulierungstendenzen mit sich, andererseits betonten sie die<br />
Bedeutung des Fortbestandes der kindlichen Beziehungen zu beiden Eltern.<br />
Spätestens mit der Kindschaftsrechtsreform sind Väter und Mütter aufgefordert, sich aktiv um<br />
die Beziehung zum Kind zu bemühen. Doch gibt es für dabei entstehende Konflikte keine von<br />
vorne herein vorhersagbaren rechtlichen Regelungsprinzipien mehr. Die geltenden<br />
Regelungen sehen vor, dass die Eltern sich einigen. Sind diese dazu nicht in der Lage, stellen<br />
sie, dem Gesetz entsprechend, Anträge, um zu ihrem vermeintlichen Recht zu kommen. Doch<br />
wenn dann Familiengerichte entscheiden, produzieren sie Sieger und Verlierer. Dies führt<br />
nicht zu einer wirklichen Befriedung und Stabilisierung der Familie. Der „Kampf um das<br />
Kind“ und das vermeintliche Recht wird mit subtileren und/oder gröberen Mitteln weiter<br />
geführt.<br />
Psychologische Mechanismen, die von persönlicher Vulnerabilität, von Enttäuschungen und<br />
Verletzungen durch den geschiedenen Partner, von einem unterschwellig weiter wirkenden<br />
Schuldprinzip, von feministisch und maskulistisch geprägten Haltungen und von einem von<br />
Gesetz und öffentlicher Meinung genährten Anspruch auf eine ungestörte Beziehung zum<br />
Kind bestimmt sind, führen dann zum Aufschaukeln der Konflikte.<br />
Obwohl bei hocheskalierten Elternkonflikten die Entwicklungsrisiken für die betroffenen<br />
Kinder, die Leistungen der Jugendhilfe wie auch die Kosten im Rahmen des<br />
familiengerichtlichen Verfahrens groß sind, fehlt es in Deutschland an „validen theoretischen<br />
Modellierungen, diagnostischen Zugängen und abgesicherten präventiven wie<br />
interventionsorientierten Konzepten“ (Dietrich & Paul 2005).<br />
2. Hoch strittige Elternsysteme<br />
Johnston (2002) beschreibt ein stark emotionalisiertes familiäres Umfeld, gegenseitiges<br />
Misstrauen der Eltern, wechselseitige Schuldzuweisungen, Furcht, Wut, die Verweigerung<br />
von Kooperation und Kommunikation als Merkmale hochkonfliktträchtiger Familien. Es<br />
zeige sich, dass viele dieser Familien bereits lange vor der Trennung dysfunktional waren.<br />
Nach Johnston finden sich häusliche Gewalt unterschiedlichen Schweregrades in ca. drei
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 38 von 65<br />
Viertel der Familien, Verdacht auf Missbrauch und Misshandlung der Kinder in einer<br />
bedeutsamen Minderheit (ca. 10 – 30 % der Fälle).<br />
Unversöhnlichkeit sowie gegenseitiges Sich-Bekämpfen mit der Gefahr einer extremen und<br />
dauerhaften Eskalation haben zur Folge, dass ein Kontakt der Kinder zu beiden Elternteilen<br />
verunmöglicht oder nur unter erschwerten Bedingungen möglich wird (Bundeskonferenz für<br />
Erziehungsberatung 2005). Logischerweise finden sich hochstrittige<br />
Elternpaare gehäuft im Klientel der Umgangsbegleitungen.<br />
Alberstötter (2004) entwickelte in Anlehnung an das neunstufige Modell zur<br />
Konflikteskalation von Glasl (1994) ein dreistufiges Modell zur Einschätzung des<br />
Schweregrades von Elternkonflikten.<br />
Stufe 2<br />
Stufe 1<br />
Verletzendes Agieren<br />
Zeitweilig gegeneinander und Ausweitung des<br />
gerichtetes Reden und Konfliktfeldes<br />
Tun<br />
Stufe 3<br />
Beziehungskrieg – Kampf<br />
um jeden Preis<br />
( Alberstötter (2006): Kooperation als Haltung und Strategie bei hochstrittigen Elternkonflikten)<br />
Stufe 1 ist gekennzeichnet durch „zeitweilig gegeneinander gerichtetes Reden und Tun“. Es<br />
kommt in akuten Spannungszeiten zu vorübergehender Polarisierung im Denken, zu<br />
Schuldzuweisungen, verbalen Angriffen und der Gefahr (vermeintlich) reaktiver Sanktionen.<br />
Merkmale der Stufe 2 sind „verletzendes Agieren und Ausweitung des Konfliktfeldes“. Der<br />
Konflikt weitet sich energetisch aus; die Zahl in den Konflikt einbezogener und infizierter<br />
Personen wächst.Interpunktionen erfolgen nach dem Täter-Opfer-Modell. Das Verhalten des<br />
Gegners wird unabhängig vom Kontext gesehen (Dekontextualisierung). Es geht nicht mehr<br />
um Mütter und Vater, sondern um zwei komplexe Kraftfelder.<br />
Auf Stufe 3 geht es um „Beziehungskrieg – Kampf um jeden Preis“.<br />
Es entwickeln sich extreme Gefühle der Verzweiflung und des Hasses. Begegnungen mit dem<br />
„anderen“ können mit Ekelempfindungen und extremen Erregungszuständen verbunden sein<br />
und werden deshalb kategorisch abgelehnt. Ihm werden unmenschliche Züge oder psychische<br />
Erkrankungen zugeschrieben. In der Vorstellung der Beteiligten drohen dem Kind sexueller<br />
Missbrauch und Entführung, weshalb es vor dem anderen und dessen Einfluss geschützt<br />
werden muss.<br />
Eine Übersicht über die bei hochstrittigen Elternsystemen kennzeichnende Ausweitung des<br />
Konfliktfeldes gibt Alberstötter mit der folgenden Übersicht, in der er 82 Fälle aus eigener<br />
Praxis ausgewertet hat. Die dabei verwendeten Zahlen beziehen sich (nur) auf die<br />
dokumentierten professionellen Akteure:<br />
Eskalations-<br />
Stufe<br />
Zahl der (hoch)srittigen<br />
Konflikte<br />
Anzahl der<br />
involvierten<br />
professionellen<br />
Akteure<br />
Anzahl der<br />
durchschnittlic<br />
h beteiligten<br />
professionellen<br />
Akteure<br />
1 19 30 1,5 7,2<br />
2 34 148 4,3 35,4<br />
Anzahl der<br />
beteiligten<br />
professionellen<br />
Akteure in %
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 39 von 65<br />
3 29 240 8,2 57,4<br />
82 418 5,0<br />
(Alberstötter (2006): Kooperation als Haltung und Strategie bei hochstrittigen Elternkonflikten)<br />
Dietrich & Paul (2005) sehen interagierende intrapsychische und interpersonale Faktoren in<br />
multiplen Kontexten. Auch sie gehen davon aus, dass dies Konsequenzen für die jeweils<br />
abzuleitenden Interventionen habe.<br />
3. Die Situation der Kinder bei hoch strittigen Eltern<br />
Was hocheskalierte Elternkonflikte bei Kindern auslösen, ist öffenlichkeitswirksam im<br />
Zusammenhang mit PAS (Parental Alienation Syndrome) diskutiert worden. er Begriff wurde<br />
etwa 1984 von dem amerikanischen Psychiater R. Gardner eingeführt. In Deutschland begann<br />
eine intensive und kritische Diskussion nach der Veröffentlichung eines Aufsatzes von<br />
Kodjoe & Koeppel (1998).<br />
Für die Arbeit der Jugendhilfe sind vor allem Untersuchungen und Befunde von Bedeutung,<br />
die sich auf das Kind selbst und die für es entstehenden Folgen beziehen. Auf<br />
psychoanalytischem Hintergrund legte Figdor eine auf das Kind „und die psychischen<br />
Vorgänge, die das Scheidungsgeschehen ausmachen bzw. ihm folgen“ (1991, S. 28) bezogene<br />
Studie vor.<br />
Spätestens seit der Veröffentlichung von Figdor (Kinder aus geschiedenen Ehen. Zwischen<br />
Trauma und Hoffung.) wird der Zusammenhang <strong>zwischen</strong> Elternkonflikten und<br />
psychotraumatologischen Folgen für die Kinder thematisiert. Befriedigende Antworten auf<br />
die damit verbundenen Fragen liegen allerdings nicht vor.<br />
Die Ergebnisse der Kölner Langzeitstudie (Schmidt-Denter 2000) sind geeignet, die<br />
Scheidungsfolgen für Kinder bei hoch strittigen Elternsystemen zu beleuchten. it Hilfe einer<br />
Clusteranalyse ermittelte der Autor, dass sich bei einem Teil der über einen Zeitraum von 6<br />
Jahren beobachteten Scheidungskinder das Ausmaß der registrierten kindlichen<br />
Verhaltensauffälligkeiten über den gesamten Verlauf der Untersuchung hinweg auf einem<br />
sehr hohen Niveau bewegte. Es handelte sich dabei also um dauerhaft hochbelastete Kinder.<br />
Eine Untersuchung der sozialen Risiko- und Schutzfaktoren ergab, dass die weitaus meisten<br />
Zusammenhänge bei Merkmalen der familiären Beziehungsgestaltung nach der<br />
Trennung/Scheidung gefunden wurden. „Diese Bedingungen moderieren somit sehr<br />
wesentlich Ausprägung und Verlauf kindlicher Verhaltensauffälligkeiten. Als soziale<br />
Risikofaktoren erwiesen sich insbesondere eine negativ erlebte Beziehung zum getrennt<br />
lebenden Vater, ungelöste Partnerschafts- und Trennungsprobleme beziehungsweise eine<br />
misslungene Neudefinition der Beziehung <strong>zwischen</strong> den Eltern sowie ein sich verändernder<br />
beziehungsweise verschlechternder elterlicher Erziehungsstil“ (S. 22). Auch noch sechs Jahre<br />
nach der elterlichen Trennung, so die Ergebnisse von Schmidt-Denter, bestimmt die<br />
Gestaltung der elterlichen Beziehung maßgeblich das Kindeswohl.<br />
Hoch strittige Eltern sind also nicht nur selbst belastet; ihre Konflikte sind vor allem auch eine<br />
dauerhafte Belastung für die betroffenen Kinder.
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 40 von 65<br />
4. Umgang mit hoch eskalierten Elternkonflikten<br />
4.1. Stand der Konzeptbildung<br />
Dietrich und Paul konstatieren (2005), dass es evaluierte Interventionskonzepte zum Umgang<br />
mit hoch strittigen Scheidungsfamilien in Deutschland bislang nicht gibt.<br />
Auf der Basis einer Sichtung US-amerikanischer Ansätze berichten sie<br />
über spezielle Elternprogramme und Mediationsansätze, die für Hochkonfliktparteien<br />
entwickelt wurden. Diese weisen einen höheren Anteil an Beratung, Information und<br />
Verhaltenstraining als die üblichen (Scheidungs-)Kursprogramme auf, um die psychischen<br />
und emotionalen Probleme anzugehen, die den Partnern ein „Aufgeben“ ihres<br />
Konfliktverhaltens unmöglich machen. Die betroffenen Eltern werden vom Gericht jeweils<br />
verpflichtet, das Training durchzuführen. Je nach Programm werden sehr unterschiedliche<br />
Herangehensweisen an die Probleme der Eltern praktizieren, u.a.<br />
• Durchführung einer umfangreichen Diagnostik der Eltern, die der Vermittlung<br />
einer adäquaten Unterstützung dient<br />
• Veränderung verzerrter Überzeugungen der Streitparteien<br />
• Einsatz von Videoberichten älterer Kinder, die schildern, wie sie solche Kon<br />
flikte erlebt haben<br />
• Vermittlung und Übung konstruktiver Verhandlungsstrategien<br />
• Verbesserung der Kommunikation<br />
• Hilfen beim Erkennen eigener und fremder Interessen.<br />
Die bisher in Deutschland vorliegenden Ansätze zum Umgang mit eskalierten<br />
Elternkonflikten beschreiben vor allem Konzepte zum begleiteten Umgang ( s. u. a. Balloff &<br />
Gebert 2003 und Spindler 2002) und Formen integrativer Beratung ( s. u. a. Buchholz-Graf<br />
u.a. 1998 und Rudolf 2003).<br />
Eine Arbeitsgruppe der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung hat sich in der Zeit von<br />
2002 bis 2004 vor allem mit praxisbezogenen Fragen einer Beratungsarbeit mit hoch<br />
strittigen Eltern nach Trennung und Scheidung auseinander gesetzt. Ausgangspunkt war der<br />
Umstand, dass Familiengerichte und Jugendämter vermehrt hochstrittige Eltern in die<br />
Beratungs-<br />
stellen vermittelten, dort aber kaum elaborierte Konzepte für den Umgang mit diesem Klientel<br />
vorlagen.<br />
Die folgenden Ausführungen greifen wesentliche Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe auf. Sie<br />
betonen somit Perspektiven, die sich aus der Tätigkeit von Erziehungsberatungsstellen<br />
ergeben. Diese sind jedoch weitgehend übertragbar auf andere beratende Dienste im Bereich<br />
der Trennungs- und Scheidungsberatung. (Siehe dazu: Bundeskonferenz für<br />
Erziehungsberatung (2005): Stellungnahme zur Beratung hoch strittiger Eltern.)<br />
4.2. Besonderheiten der Beratung hoch strittiger Eltern<br />
Nach Weber (1998, S. 167) hat sich in den siebziger Jahren in der Erziehungs-, Ehe-,<br />
Familien- und Lebensberatung mit der Etablierung therapeutischer Methoden ein weitgehend<br />
therapeutisches Selbstverständnis entwickelt. „Prägend für das Verständnis von<br />
Beratungsprozessen wurde die Auffassung, dass sie gerade dann ein Weg für die Lösung von
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 41 von 65<br />
Problemen und Konflikten und zur Weiterentwicklung von Menschen und Formen des<br />
menschlichen Zusammenlebens seien, wenn sie<br />
• frei von allen Interessen und Vorgaben Dritter sind,<br />
• in keinem Zusammenhang mit formalen Entscheidungen und hoheitlichen Machtver<br />
hältnissen stehen und<br />
• grundsätzlich als Prozesse mit offenem Ausgang begriffen werden.<br />
Gemessen daran erweist sich Beratungsarbeit im Kontext hoch strittiger Eltern als<br />
grundsätzlich andersartig:<br />
• Die „Ratsuchenden“ sind häufig geschickt oder ihnen ist nach § 52 FGG mit der<br />
Aussetzung des Verfahrens eine Beratung nahegelegt worden. Nicht wenige erleben sich zur<br />
Beratung genötigt. Auch wünschen sie nicht eigentlich einen Beratungsprozess, sondern einen<br />
Verbündeten für ihre Auseinandersetzung mit dem anderen Elternteil. In Bezug auf<br />
Beratungsprozess und Beratungssetting sind sie weitgehend fremdbestimmt.<br />
• Beratungsprozesse mit hoch strittigen Eltern stehen meist unter dem Vorzeichen, dem<br />
Recht des Kindes auf Umgang mit beiden Elternteilen und der Pflicht und dem Recht beider<br />
Eltern auf Umgang mit dem Kind Geltung zu verschaffen – oft gegen die Überzeugung der<br />
Eltern, der Kontakt zum anderen Elternteil sei für das Kind schädlich.<br />
• Die Überweisungskontexte wie die grundsätzliche Notwendigkeit der Vernetzung (<br />
siehe 4.3.) machen eine verbindliche Koordination mit der Tätigkeit anderer<br />
Scheidungsprofessionen notwendig. Beratungsarbeit bei hoch eskalierten Elternkonflikten<br />
bedeutet Übernahme einer verlässlichen Rolle in einem sensibel vernetzten System.<br />
• Bei hoch strittigen Eltern besteht die Tendenz zu emotionalen Polarisierungen. Die<br />
Dynamik der elterlichen Konflikte macht auch vor den Beratungsfachkräften nicht Halt. Sie<br />
werden in Frage gestellt und zum Ziel von Anfeindungen und Diffamierungen.<br />
Beratungsinhalte werden in die Öffentlichkeit gebracht, verzerrt und instrumentalisiert. Der<br />
gewohnte Schutz für Beratungsprozesse geht verloren.<br />
• Aus dem Wissen um die Belastung der Kinder bei eskalierten Elternkonflikten ergibt<br />
sich insbesondere für die Beratungseinrichtungen der Jugendhilfe ein zweiter Auftrag,<br />
nämlich nicht nur mit den Eltern zu arbeiten, sondern auch unmittelbar für das Wohl der<br />
Kinder<br />
zu sorgen. Dies kann auch bedeuten, im Rahmen der Beratungsarbeit Maßnahmen zu<br />
implementieren, durch die die Kinder unmittelbar geschützt und unterstützt werden<br />
(Bundeskonferenz für Erziehungsberatung 2005).<br />
4.3. Beratung der Eltern<br />
Der Anspruch „Eltern bleiben Eltern“, der gemeinsame Elternschaft und Kooperation zum<br />
Wohl des Kindes meint und für die meisten Beratungsprozesse zielführend ist, liegt bei hoch<br />
strittigen Eltern oftmals weitab von der Überzeugung und den psychischen Möglichkeiten der<br />
Betroffenen. Er kann bei den um die Kinder kämpfenden Vätern und Müttern massive<br />
Abwehr auslösen und sich als kontraproduktiv erweisen (Weber 2002, S. 120). Die<br />
Realisierung einer parallelen Elternschaft, bei der Eltern sich ermöglichen, ihre Rolle als<br />
Vater und Mutter einzunehmen, erscheint im gegebenen Zusammenhang realitätsnäher und<br />
für die Beratungsarbeit (jedenfalls zunächst) perspektivisch sinnvoller.
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 42 von 65<br />
Wie Scheidungsmediation zielt Beratung hochstrittiger Eltern auf die Erarbeitung von<br />
Lösungsvorschlägen, die von allen Beteiligten akzeptiert werden können.<br />
Doch liegt in der Mediation die Verantwortung bei beiden Parteien. „Sie sind es, die direkt<br />
miteinander verhandeln sollen, ja müssen“ (Diez & Krabbe 1995, S. 68). Da es bei eskalierten<br />
Elternkonflikten um die Kinder und deren Wohl geht, diese ihre eigenen Interessen jedoch in<br />
aller Regel nicht selbst vertreten und verhandeln können, sind Konzepte und Techniken der<br />
Mediation hilfreicher Bestandteil der Beratungsarbeit, jedoch keinesfalls ausreichend.<br />
In der praktischen Arbeit mit hochstrittigen Eltern werden meist Vorgehensweisen und<br />
Techniken der Mediation integriert mit beraterischen, systemischen und lösungsorientierten<br />
Ansätzen.<br />
Alberstötter (2004) geht davon aus, dass die Steigerung der Konfliktintensität der Eltern eine<br />
Veränderung der beraterischen Interventionen in Richtung bewusst wahrgenommener<br />
Kontrolle notwendig macht. Parallel zu seinem dreistufigen Eskalationsmodell stellt er die<br />
Frage, was auf der jeweiligen Eskalationsstufe zu tun sei. Dabei benennt er:<br />
• Vertrag auf Gegenseitigkeit – gibst du mir, geb` ich dir<br />
• Schlichtung – wenn sich zwei (endlos) streiten.... machen Dritte einen Plan<br />
• Hilfe und Kontrolle – Formen der Grenzsetzung (im begleiteten Umgang).<br />
Als Formen der Grenzsetzung beschreibt er institutionelle Basis-Regeln , einzelfallbezogene<br />
Grenzsetzung durch Setting und Vertrag, situative Ad-hoc-Grenzsetzungen, Grenzsetzung in<br />
Kooperation und Zwangskontext (siehe auch dazu 4.5.).<br />
4.4. Unterstützung und Beteiligung von Kindern<br />
Da eskalierte Elternkonflikte nach Trennung und Scheidung häufig eine lange andauernde<br />
Belastung für die Kinder darstellen, ist es notwendig, dies im Rahmen der Beratungsarbeit<br />
explizit in den Blick zu nehmen.<br />
Kinder sind nach einer Trennung der Eltern von diesen emotional besonderes abhängig. Sind<br />
Vater und Mutter hoch strittig, so stellen Kinder eigene Belange zurück und unterziehen sich<br />
höchsten Anpassungsleistungen, um den Konflikt zu beenden oder zu begrenzen (Weber<br />
2004). Die kindliche Bewältigungsstrategie, sich angesichts der Unlösbarkeit des Konfliktes<br />
auf die Seite eines Elternteiles zu schlagen und den anderen (Elternteil), seine Welt sowie die<br />
Beziehung zu ihm nicht mehr wahrzunehmen, schafft aktuelle Entlastung, ist unter<br />
entwicklungspsychologischen Vorzeichen jedoch bedenklich.<br />
Damit Kinder in solchen Situationen in gesunder Weise entlastet werden und sich gegenüber<br />
Vereinnahmungstendenzen der streitenden Eltern abgrenzen können, sind sie auf die Unter-<br />
stützung Dritter angewiesen. Eine solche Unterstützung gehört zur Beratungsarbeit mit Eltern<br />
bei hoch eskalierten Konflikten.<br />
Artikel 12 der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen formuliert Beteiligungsrechte<br />
der Kinder, die in § 17 SGB VIII Berücksichtigung gefunden haben. Danach ist das Kind in<br />
angemessener Weise bei der Entwicklung von Konzepten für die Wahrnehmung der<br />
elterlichen Sorge zu beteiligen.<br />
Doch muss in Anbetracht der angesprochenen psychischen Situation des Kindes davon<br />
ausgegangen werden, dass es eine autonome und nicht unter der Regie der eigenen Ängste
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 43 von 65<br />
stehende Haltung bei eskalierten Elternkonflikten nicht gibt. Die in einer solchen Situation<br />
notwendige Unterstützung von Kindern ist deshalb in vielen Fällen auch Voraussetzung dafür,<br />
dass das Kind seine eigenen Interessen klären und den Mut haben kann, sie zu äußern.<br />
Insofern ist sie auch Voraussetzung für die Realisierung der in der Charta der Vereinten<br />
Nationen und im KindRG formulierten Beteilungsrechte des Kindes.<br />
Unterstützung und Beteiligung kann im Rahmen von Beratungsprozessen durch verschiedene<br />
Vorgehensweisen eingelöst werden, in Abhängigkeit vom Alter und der Situation des Kindes<br />
u.a. durch<br />
• kindbezogene diagnostische Methoden und Erarbeitung der Ergebnisse mit den Eltern<br />
• Gruppeninterventionsprogramme für Scheidungskinder (s. u.a. Fthenakis u.a. 1995)<br />
• Beteiligung und Unterstützung von Kindern in Orientierung an spieltherapeutischen<br />
Konzepten<br />
• Veranlassung von Verfahrenspflege ( s. dazu u.a. Peters & Schimke 1999) oder<br />
• Durchführung von an der Verfahrenspflege orientierten Maßnahmen.<br />
4.5. Kooperation<br />
Die herkömmliche familiengerichtliche Verfahrensweise bedeutet, dass das Gericht anstelle<br />
der streitenden Eltern entscheidet und damit ein Konzept für die Wahrnehmung der<br />
elterlichen Sorge und des Umgangs vorgibt. In diesem System spielen die im gerichtlichen<br />
Verfahren beteiligten Professionen/Institutionen die Rolle von Entscheidungshelfern des<br />
Gerichts. Ein solches Vorgehen entspricht jedoch nicht dem Grundgedanken der<br />
Kindschaftsrechtsreform, den Eltern die Verantwortung für das Wohl der Kinder auch nach<br />
einer Trennung zu übertragen. Auch verschärft es eher Konflikte, als dass es<br />
Einvernehmlichkeit zum Wohle der Kinder schafft (s. 1.).<br />
Im Rahmen neuer Konzepte zum Umgang mit Familienkonflikten verfolgen alle beteiligten<br />
Professionen das Ziel, den elterlichen Konflikt zu lösen. Die Entwicklung eines<br />
einvernehmlichen Konzeptes wird zu einem interdisziplinären Projekt, in dem das<br />
Familiengericht die anderen Professionen ins Spiel bringt und ihnen Raum gibt, ihre<br />
jeweiligen Kompetenzen zur Konfliktlösung einzubringen.<br />
Übernimmt in einem so verstandenen Verfahren eine Beratungsstelle (vorübergehend) die<br />
Zuständigkeit für einen Fall, so hat sie die doppelte Aufgabe, „Kindern, Vätern und Müttern<br />
in einer sehr angespannten psychischen Situation die Bearbeitung intimer persönlicher<br />
Themen in einem geschützten Raum zu ermöglichen, und andererseits dennoch eine für die<br />
anderen Scheidungsprofessionen transparente und verlässliche Rolle einzunehmen“<br />
(Bundeskonferenz für Erziehungsberatung 2005, S. 7). Doch ist Kooperation nicht nur wegen<br />
der jeweils gegebenen Überweisungskontexte unerlässlich. Hoch strittige Eltern suchen die<br />
Fachkräfte der beteiligten Scheidungsprofessionen zu Verbündeten zu machen, oder, wenn sie<br />
deren Verhalten als nicht ihren Interessen und Überzeugungen entsprechend erleben, sie zu<br />
bekämpfen und gegeneinander zu instrumentalisieren.<br />
Ihre Konfliktdynamik inszeniert einen vielschichtigen Prozess, in den viele Personen und<br />
Institutionen eingebunden sind. Ohne koordinierte Regel- und Grenzsetzungen durch die<br />
beteiligten Scheidungsprofessionen ist ein therapeutisches Einwirken auf das Familiensystem<br />
nicht möglich (Bundeskonferenz für Erziehungsberatung 2005). Um mit ihren spezifischen
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 44 von 65<br />
Kompetenzen wirksam sein zu können, ist also Beratung auf eine verlässliche Arbeitsweise<br />
der anderen Professionen angewiesen. Ein dermaßen vernetztes Arbeiten der Professionen<br />
setzt gemeinsame Zielvereinbarungen voraus. Bei hochstrittigen Eltern geht es dabei<br />
wesentlich um das Bemühen, dem Kind die Beziehung zu beiden Elternteilen zu erhalten und<br />
ihm dabei eine so weit wie möglich konfliktfreie Situation zu schaffen.<br />
An vielen Orten wurden interdisziplinäre Arbeitskreise gegründet, die unter Berücksichtigung<br />
der regionalen Besonderheiten Konzepte für die Umsetzung solcher Ziele entwickeln.<br />
4.6. Neue Rahmenbedingungen<br />
Die aufgezeigten Überweisungskontexte, die Notwendigkeit einer Arbeit im Netzwerk und<br />
die Dynamik der Konflikte machen es notwendig, für den Umgang mit hoch strittigen Eltern<br />
neue Rahmenbedingungen zu schaffen.<br />
Zwangskontext<br />
Bei hoch strittigen Eltern dagegen eine „Verweisung“ an einen Beratungsdienst häufig eine<br />
von den Eltern im Grunde nicht akzeptierte Vorgabe dar, der sie deshalb folgen, weil ihnen<br />
sonst unerwünschte Entscheidungen des Gerichts – oder auch: unerwünschte Statements des<br />
Jugendamtes – folgen. Im Verhältnis zu anderen Verweisungskontexten ist also bei hoch<br />
eskalierten Elternkonflikten ein höheres Maß an Fremdbestimmung gegeben.<br />
In der Praxis lösen hoch strittige Eltern denn auch häufig Versprechen, die sie z.B. bei einer<br />
beim Gericht getroffenen Vereinbarung gegeben haben, nicht ein, z.B. eine umgehende<br />
Anmeldung bei einem Beratungsdienst. Es liegt dann bei diesem, durch geeignete Formen der<br />
Kooperation mit dem Gericht dennoch Voraussetzungen für einen Beratungsprozess zu<br />
schaffen und die „Überwiesenen“ dafür zu gewinnen (siehe dazu Buchholz-Graf e. a. 1998).<br />
Gerichtsnahe Beratung<br />
Im gegebenen Zusammenhang haben sich verschiedene Formen gerichtsnaher Beratung<br />
entwickelt. Insbesondere die Modelle Regensburg (s. Vergho & Lossen 1993) und Cochem (s.<br />
Rudolf 2003) sind in diesem Zusammenhang bekannt geworden.<br />
Dabei geht es v.a. jeweils darum, die vom Gericht nahe gelegte Beratung (oder die beim<br />
Gericht getroffene Vereinbarung, eine Beratung in Anspruch zu nehmen) schnell einzuleiten.<br />
Dies geschieht, indem ein im Gerichtsgebäude befindlicher Beratungsraum oder eine nahe<br />
gelegene Beratungsstelle unmittelbar nach dem Gerichtstermin aufgesucht und dort eine<br />
terminliche Vereinbarung getroffen wird. Die Gestaltung des Beratungsprozesses erfolgt dann<br />
in Verantwortung der Beratungseinrichtung, doch auf dem Hintergrund, dass das<br />
Familiengericht den Beratungsprozess zur Entwicklung eines einvernehmlichen Konzepts<br />
will.<br />
Eine noch weitergehende, bisher nicht evaluierte Variante gerichtsnaher Beratung besteht<br />
darin, dass Mitarbeiter einer Beratungsstelle am Gerichtstermin teilnehmen. Dabei wird<br />
von allen beteiligten Institutionen die Ausrichtung auf das Kindeswohl betont und es wird ge-<br />
meinsam ein Konzept für den weiteren Umgang mit der Konfliktsituation entwickelt. Eltern<br />
und gegebenenfalls anwesende Kinder lernen dabei die MitarbeiterInnen der Beratungsstelle<br />
kennen. Die Spielregeln und Perspektiven der Beratungsarbeit werden beim Gerichtstermin<br />
verdeutlicht, Termine können unmittelbar vereinbart werden (Konzept Arbeitskreis Neuwied).
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 45 von 65<br />
Vertrauensschutz<br />
Kooperation mit anderen Einrichtungen und der Schutz der Vertrauensbeziehung zu Klienten<br />
stehen in einem Spannungsverhältnis. Während Informationen an die anderen<br />
Verfahrensbeteiligten über den Gang des Verfahrens unerlässlich sind, ist es jedoch auch bei<br />
hoch<br />
strittigen Eltern unerlässlich, mit Inhalten der Beratungsgespräche vertraulich umzugehen.<br />
Findet also ein Beratungsprozess in einem Überweisungskontext statt, so muss dieser Kontext<br />
thematisiert, die dabei geltenden Regeln der Fallübergabe müssen von Anfang an transparent<br />
sein.<br />
Deckung<br />
Alberstötter (2005) zeigt auf, dass ein Setzen von Grenzen und die Kontrolle über deren<br />
Einhaltung eine Deckung durch das relevante Umfeld notwendig macht. Dabei könne<br />
Deckung nicht als kritikloser Schutz um jeden Preis verstanden werden; sie bedürfe einer<br />
Gegenleistung, nämlich der Transparenz.<br />
Als institutionelle Ebenen der Deckung benennt er persönliche und fachliche Deckung durch<br />
das Team und Deckung durch den Träger oder den Dienstvorgesetzten. Alberstötter macht<br />
auch darauf aufmerksam, dass bei hoch eskalierten Elternkonflikten alle MitarbeiterInnen der<br />
Beratungsstelle – auch die Verwaltungskräfte - sonst ungewohnten Verführungen,<br />
Anfeindungen und Verunglimpfungen ausgesetzt sein können. Es entstehen verstärkter Stress<br />
und hohe Belastungen für die involvierten MitarbeiterInnen, somit auch die Notwendigkeit<br />
verstärkter Vorsorge für deren Psychohygiene. Übernahmegespräche und –Vereinbarungen,<br />
erhöhter Koordinations- und Vermittlungsaufwand und die Notwendigkeit einer sorgfältigen<br />
Dokumentation machen auch auf organisatorischer Ebene gegenüber anderen Beratungsfällen<br />
einen ungleich höheren Verwaltungsaufwand notwendig.<br />
5. Abschließende Anmerkungen<br />
Als Ausblick auf Perspektiven des Umgangs mit hochstrittigen Eltern ist geeignet, was<br />
Goedde (2004) als Fazit für das Problem der Umgangsverweigerung bei Kindern und<br />
Jugendlichen formuliert: „Zu bedenken ist, dass erfolgreiche Interventionen in der Regel<br />
aufwendige und komplexe Strategien erfordern. Sie müssen beide Eltern einbeziehen und<br />
setzen die Bereitschaft und Fähigkeit voraus, auch längerfristig therapeutische Hilfe zur<br />
Entwicklung der eigenen Persönlichkeit in Anspruch zu nehmen. Eine besondere<br />
Aufmerksamkeit verdient in diesem Zusammenhang die der Logik des juristischen Verfahrens<br />
inhärente Dynamik, die bislang verhinderte, dass eigene Schwächen eingestanden werden<br />
können. Damit verschärft sie in ihrer Eigengesetzlichkeit die Konfliktdynamik innerhalb der<br />
Familien, die auf diese Weise auf der professionellen Ebene gleichsam gedoppelt wird.<br />
Diesem unheilvollen Mechanismus ist gezielt durch den Ausbau einer wirksamen<br />
interdisziplinären Kooperation entgegenzuwirken.<br />
Es wird eine Herausforderung für die Zukunft sein, im kontinuierlichen Dialog <strong>zwischen</strong><br />
juristischer und psycho-sozialer Profession Modelle der <strong>Zusammenarbeit</strong> zu entwerfen, die<br />
dazu beitragen, dass sich der „Geist des Gesetzes“ auch für die problematische Minderheit der<br />
hoch strittigen Scheidungsfamilien durchsetzen kann“<br />
Literatur<br />
Alberstötter, U. (2006). Berater als Akteure im ungeschützten Konfliktfeld? Anforderungen an die Institution<br />
Erziehungsberatung in der Arbeit mit hoch strittigen Eltern. In Weber, M.& Schilling, H.(Hrsg.): Eskalierte
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 46 von 65<br />
Elternkonflikte. Beratungsarbeit im Interesse des Kindes bei hoch strittigen Trennungen. Weinheim: Juventa<br />
(erscheint im Frühjahr 2006)<br />
Alberstötter, U. (2006): Kooperation als Haltung und Strategie bei hochstrittigen Elternkonflikten. In Weber, M.<br />
& Schilling, H. (Hrsg): Eskalierte Elternkonflikte. Beratungsarbeit im Interesse des Kindes bei hoch strittigen<br />
Trennungen. Weinheim: Juventa (erscheint im Frühjahr 2006).<br />
Alberstötter, U. (2004). Professionelles Handeln <strong>zwischen</strong> Hilfe und Kontrolle im Kontext des begleiteten<br />
Umgangs. In Hundsalz, A, & Menne, K. (Hrsg.), Jahrbuch der Erziehungsberatung, Band 5, Weinheim: Juventa,<br />
139 – 156.<br />
Balloff, R. & Gebert, I. (2003). Umgang und Begleiteter Umgang – oder – Wie helfe ich dem Kind nach<br />
Elterntrennungen? Praxis der Rechtspsychologie, 13 (1), 107 – 121.<br />
Buchholz-Graf, W.; Caspary, C.; Keimeleder, L.& Straus, F. (1998). Familienberatung bei Trennung und<br />
Scheidung. Eine Studie über Erfolg und Nutzen gerichtsnaher Hilfen. Freiburg: Lambertus.<br />
Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (2005). Zur Beratung hoch strittiger Eltern. Informationen für<br />
Erziehungsberatungsstellen, 1/05.<br />
Coester, M. (1991). Die Bedeutung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG) für das Familienrecht. FamRZ,<br />
3/1991, 253 – 263.<br />
Dietrich, P.S.& Paul, S. (2006). Hoch strittige Elternsysteme im Kontext Trennung und Scheidung. Differentielle<br />
Merkmale und Erklärungsansätze. In Weber, M.& Schilling, H.(Hrsg.), Eskalierte Elternkonflikte.<br />
Beratungsarbeit im Interesse des Kindes bei hoch strittigen Trennungen. Weinheim: Juventa (erscheint im<br />
Frühjahr 2006)<br />
Dietrich, P.S.& Paul, S. (2006). Interventionsansätze bei hoch eskalierten Trennungskonflikten. In Weber, M.&<br />
Schilling, H (Hrsg.), Eskalierte Elternkonflikte. Beratungsarbeit im Interesse des Kindes bei hoch strittigen<br />
Trennungen (erscheint im Frühjahr 2006).<br />
Dietz, H. & Krabbe, H. (1995): Indikation und Grenzfälle der Scheidungsmediation. In Bundeskonferenz für<br />
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Figdor, H. (1991). Kinder aus geschiedenen Ehen: Zwischen Trauma und Hoffnung. Mainz: Gründewald<br />
Fthenakis, W.; Niesel, R.& Griebel, W. (1993). Scheidung als Reorganisationsprozess. Interventionsansätze für<br />
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In Menne, K.; Schilling, H.& Weber, M. (Hrsg.), Kinder im Scheidungskonflikt. Beratung von Kindern und<br />
Eltern bei Trennung und Scheidung. Weinheim: Juventa, 261 – 289.<br />
Ftenakis, W. u.a. (1995). Gruppeninterventionsprogramm für Kinder mit getrennt lebenden Eltern oder<br />
geschiedenen Eltern. TSK – Trennungs- und Scheidungskinder. Weinheim: Beltz<br />
Gardner, R. A. (1998). The Parental Alienation Syndrome. A Guide for Mental Health and Legal Professionals,<br />
2nd Edition. Creskill, New Jersey<br />
Glasl, F. (1994). Konfliktmanagement. Stuttgart: Freies Geistesleben<br />
Gödde, Mechtild (2004): Umgangsverweigerung bei Kindern und Jugendlichen: Ein Plädoyer für den<br />
„Brückenschlag“ <strong>zwischen</strong> anwendungsorientierten Erklärungsansätzen und neuen Befunden der<br />
Scheidungsforschung. Zentralblatt für Jugendrecht 6/2004, 201 – 214.<br />
Johnston, J. R. (2002). Modelle fachübergreifender <strong>Zusammenarbeit</strong> mit dem Familiengericht in<br />
hochkonflikthaften Scheidungsfällen. Das Jugendamt 9, S. 378 – 386.<br />
Johnston, J.R.& Campell, L. (1988). Impasses of Divorce: The dynamics and resolution of family conflict. New<br />
York: Free Press<br />
Jopt, U. (1998). Jugendhilfe und Trennungsberatung. Zentralblatt für Jugendrecht 7/8/98, 286 – 297.
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Redebeiträge*<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Seite 47 von 65<br />
Kodjoe, U.& Koeppel, P. (1998). The Parental Alienation Syndrome (PAS). Der Amtsvormund 1/98, 9 – 32.<br />
Menne, K., Schilling, H. & Weber, M. (1993) (Hrsg.). Kinder im Scheidungskonflikt. Beratung von Kindern und<br />
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Napp-Peters, A. (1985). Ein – Elternteil – Familien. Weinheim: Juventa<br />
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High-Conflict Program. Family Court Review, 42 (1), 99 – 114.<br />
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Konsequenzen. Kind-Prax, 5/1999, 143 – 148.<br />
Proksch, R. (2003). Ergebnisse der Begleitforschung zur Kindschaftsrechtsreform. Kind-Prax, 1/2003, 3-11.<br />
Rudolf, J. (2003). Konfliktlösung durch Vernetzung. Kurze Chronologie einer gelungenen interdisziplinären<br />
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Schilling, H. (Hrsg.), Beratung bei Konflikten. Wirksame Interventionen in Familie und Jugendhilfe. Weinheim:<br />
Juventa<br />
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„Wenn nichts mehr geht“?. Kind-Prax, 3/2003, 80 – 88.<br />
Vergho, C. & Lossen, H. (1993). Familienberatung bei Trennung und Scheidung im Amtsgericht: das<br />
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Wallerstein, J.; Lewis, J.& Blakeslee, S. (2002). Scheidungsfolgen – Die Kinder tragen die Last. Eine<br />
Langzeitstudie über 25 Jahre. Münster: Votum<br />
Weber, M. (1998). Das neue Kindschaftsrecht – Herausforderung für Beratungsstellen. Jugendhilfe, 3/98.<br />
Weber, M. (2002). Eltern bleiben Eltern!? – oder: warum eine gute Idee manchmal scheitern muss. Kind-Prax,<br />
4/2002, 120 –125.<br />
Weber, M. (2004). Beteiligung von Kindern bei Beratung in Fragen der Trennung und Scheidung. Kind-Prax,<br />
2/2004, 48 – 53.
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Protokolle der AGs *<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - AG 1 Seite 48 von 65<br />
5. Protokolle der Arbeitsgruppen<br />
Im Folgenden werden die Protokolle der einzelnen Arbeitsgruppen veröffentlicht. Diese<br />
spiegeln die jeweiligen gemeinsam erarbeiteten Ergebnisse der Arbeitsgruppe wider.<br />
• AG 1 „Cochemer Praxis“ (Manfred Lengowski)<br />
• AG 2 „Regeln für die <strong>Zusammenarbeit</strong>“ (Matthias. Weber)<br />
• AG 3 „Wie gehe ich mit Kindern in der Beratung um?“ (Ursula Kodjoe)<br />
• AG 4 „Erste Schritte für ein Rahmenkonzept in Thüringen“ (Iris Sydow)<br />
• AG 5 „Mediation in der familiengerichtlichen Praxis“ (Ortrud Bade/ Sebastian Prüfer)<br />
Arbeitsgruppe 1 „ Cochemer Praxis – unterstützt Professionen einer Region oder<br />
mehrerer Regionen, die den konkreten Wunsch auf Gründung eines Forums in ihrer<br />
Region haben“<br />
Protokollant: Joachim Wangemann<br />
Das Ziel der Arbeitsgruppe und der Leitung<br />
von Manfred Lengowski bestand in erster<br />
Linie darin, zu erläutern wie notwendig die<br />
Organisation von Arbeitskreisen (AK) Trennung/Scheidung<br />
sind und wie deren<br />
Arbeitsweisen aussehen könnten, wenn sie<br />
nach dem Cochemer Modell vorgehen.<br />
Manfred Lengowski ist Jugendamtsleiter im<br />
Landkreis Cochem-Zell und gehört zu den<br />
Mitbegründern des dortigen AK, der<br />
in<strong>zwischen</strong> bundesweit bekannt ist.<br />
Der Auslöser für die Entstehung des AK<br />
Trennung/Scheidung Cochem-Zell war die<br />
Reform des Kindschaftsrechtes, die am 01.<br />
Juli 1998 in Kraft trat. Damit wurde der<br />
gemeinsamen elterlichen Sorge eine größere<br />
Bedeutung eingeräumt, was zur Konsequenz<br />
hatte, dass in der Regel beide Elternteile die<br />
elterliche Sorge behalten und damit kein<br />
Elternteil aus der Verantwortung entlassen<br />
wird. Die negativen Folgen von Trennung/<br />
Scheidung besonders für die Kinder bildeten<br />
die Hauptveranlassung, das Cochemer Modell<br />
zu entwickeln.
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Protokolle der AGs *<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - AG 1 Seite 49 von 65<br />
Die Abkehr von der Schuldsprechung im Zusammenhang von Trennung/Scheidung hatte zur<br />
Folge, dass Anträge auf das alleinige Sorgerecht und den Entzug des Umgangsrechtes der<br />
Kinder mehr und mehr zum Problem wurden.<br />
Von Seiten des Jugendamtes wurde Kontakt mit Beratungsstellen aufgenommen, um zu<br />
klären wie im Kreis Trennungs- und Scheidungsberatung sichergestellt und wie Eltern bei der<br />
Erziehung ihrer Kinder Hilfe gegeben werden kann. Die Eltern sind die Einzigen, die über die<br />
Erziehung entscheiden und der Staat hat die Aufgabe sie dabei zu unterstützen. Frühzeitiger<br />
Beginn mit Hilfen spart Geld, wobei nach Wirksamkeit der Hilfen und nicht nach den Kosten<br />
entschieden werden sollte.<br />
Nach der Kontaktaufnahme mit der Lebensberatungsstelle traten die Lebensberatung und das<br />
Jugendamt an das Familiengericht heran, mit der Erwartung mit der Anwaltschaft und<br />
forensischen Sachverständigen zu kooperieren.<br />
Schwerpunkte dieses Treffens waren:<br />
die Klärung der Aufträge für die jeweiligen Profession<br />
die Umsetzung der Ideen in die Praxis mit Einbeziehung der Anwälte (diese erschienen<br />
alle<br />
die Erarbeitung der Zielvereinbarung, dem Kind beide Eltern zu erhalten.<br />
Hiermit wurde ein AK gegründet, in welchem alle Professionen gleich sind und sich mit ihren<br />
Fähigkeiten austauschen und bereichern. Es wurde ein wechselseitiges Treffen, bei welchem<br />
der jeweilige Gastgeber die Chefrolle übernimmt, vereinbart. Das Jugendamt übernahm die<br />
Rolle des Ansprechpartners und die Verschickung der Einladungen per E-Mail.<br />
Die so zustande gekommene Vernetzung entlastet alle Teilnehmer am Verfahren. Es finden<br />
jährlich vier Treffen statt, bei denen die Profession ihre Arbeitsschwerpunkte vorstellen und<br />
die Integration in die gemeinsame Arbeit besprechen.<br />
Innerhalb des AK wurde ein Komitee, welches den Prozess der <strong>Zusammenarbeit</strong> vorantreibt<br />
und kontrolliert, bestimmt.<br />
Die Öffentlichkeitsarbeit bildet einen wichtigen Bestandteil des AK. Dazu gehört auch die<br />
Einbeziehung der Presse und öffentlichen Veranstaltungen (z. B. „Der Riss geht durch die<br />
Kinder“). Manfred Lengowski betonte, dass bei Umgangsregelungen kurzfristige Lösungen<br />
zu suchen sind trotz paralleler Beratung oder Mediation.<br />
Der Richter kann zwar die Beratung nicht anordnen, er kann aber betonen, dass die Inanspruchnahme<br />
von Beratung zur elterlichen Verantwortung gehört. Meist sind die Eltern auch<br />
willig, in die Beratung zu gehen, da sie ihr Ansehen von Gericht aufbessern wollen. Dem<br />
Bedürfnis beider Partner an Einzelberatung ist nachzukommen mit dem Ziel einer späteren<br />
gemeinsamen Beratung. Das Ziel der Beratung sollte sein, dass die Eltern eigene Lösungen<br />
für die jetzige Situation und die weitere Zukunft finden.<br />
Nach dem Cochemer Modell entfallen schriftliche Berichte vor der ersten Anhörung, was die<br />
Sozialarbeiter entlastet und den verstrittenen Parteien die Zeit fehlen lässt, den Streit<br />
eskalieren zu lassen.<br />
Das Suchen von kurzfristigen Lösungen trägt dazu bei, dass so genannte hochstrittige Fälle<br />
verhindert werden.
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Protokolle der AGs *<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - AG 2 Seite 50 von 65<br />
Arbeitsgruppe 2 „Regeln für die <strong>Zusammenarbeit</strong> “<br />
Protokollanten: Antina Eichler / Silvia Hermann<br />
Bedingungen für die Kooperation<br />
1. Grundsatzfrage: Gericht als<br />
„Entscheider“ oder „Vermittler“<br />
2. Klärung von Kriterien des<br />
Kindeswohls<br />
3. Konkretisierung der Rolle der<br />
einzelnen Professionen<br />
4. Regeln zum Ablauf<br />
5. Vertrauensschutz und Kooperation<br />
Themensammlung<br />
- Autonomie der Beratungsstellen<br />
versus Kooperation mit Gerichten<br />
- Wunsch nach Orientierung – Regeln<br />
für den Umgang<br />
- Begleitete Umgänge<br />
- Schweigepflicht versus Offenbarung<br />
der Beratungsinhalte für das Gericht<br />
- Wie initiiere ich einen Arbeitskreis?<br />
- Anregungen für die <strong>Zusammenarbeit</strong><br />
verschiedener Professionen<br />
Daten und Informationen in der Beratungsarbeit unterscheidbarer Qualität<br />
1. Wird Beratung wahrgenommen? Gibt es einen Kontrakt?<br />
(Finden Termine statt? In welchem Setting? Einvernehmliches Ende? Abbruch?)<br />
2. Welche inhaltlichen Vereinbarungen wurden getroffen?<br />
Welche einvernehmlichen Konzepte wurden erarbeitet? Gibt es eine Änderung der<br />
vereinbarten Konzepte?<br />
3. Welche Informationen zur Situation der Kinder wurden gewonnen?<br />
4. Welche Informationen zu den Eltern und deren Verhalten wurden gewonnen?<br />
Anregungen<br />
- Klärung des Zwangskontextes (Gerichtsprotokoll an die Beratungsstelle)<br />
- Rückmeldung an Gericht über Zustandekommen des Kontaktes<br />
- Klärung mit Klienten, welche inhaltlichen Informationen weitergegeben werden<br />
dürfen<br />
- bei Kindern auch Einverständnis der Eltern einholen<br />
- Wem nutzt die Weitergabe? Wem geht sie zu Lasten?
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Protokolle der AGs *<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - AG 2 Seite 51 von 65<br />
Kriterien für den Umgang mit Vertrauensschutz<br />
Interesse der Klienten Kooperative Bedingungen<br />
Spannungsfeld<br />
in der Beratung<br />
Positive Erfahrungen aus der Praxis<br />
Garantenstellung des Kindeswohls<br />
- Entscheidung des Gerichtes, welche Beratungsstelle Eltern aufsuchen<br />
- Jugendamt und Beratungsstelle bekommen das Gerichtsprotokoll<br />
- Anwesenheit des Jugendamtes und der Beratungsstelle beim Gerichtstermin<br />
- Terminvereinbarung während der Verhandlung<br />
- Festlegung des nächsten Gerichtstermins (z.B. in einem halben Jahr)<br />
- Rückmeldung über Beratungstermine an das Gericht (nach z.B. 3 Monaten)<br />
- Einschätzung der Beratungsstelle über voraussichtlichen Zeitraum des<br />
Beratungsprozesses<br />
- Enge Verzahnung der Vorgehensweise <strong>zwischen</strong> Beratungsstelle und Gericht (z.B. bei<br />
Stagnation im Beratungsprozess kann Gerichtstermin neue Impulse setzen)<br />
- Transparenz über Arbeitsabläufe in den jeweiligen Professionen<br />
Diskussion<br />
Kindeswohlaspekte: Regelmäßige, erzwungene Kontakte lassen Kinder leiden<br />
Loyalitätskonflikte<br />
Väter, die Umgang vermeiden<br />
Qualität der Vater-Kind-Beziehung<br />
Gegebenenfalls niedrigfrequentierte, langfristige Umgänge (3-4Jahre)<br />
Konkretisierung der einzelnen Professionen:<br />
Sorge- und Unterhaltsfragen (Kooperation mit Anwälten)<br />
Kooperation der einzelnen Professionen als Vorbild für Eltern<br />
Transparenz<br />
Regeln zum Ablauf: Klare Information des Gerichtes an Jugendamt und Beratungsstelle<br />
Klarheit über Zeiträume, nächster Termin<br />
Bei Beratungsabbruch Information an das Gericht<br />
Wie gründe ich einen Arbeitskreis?<br />
- Evtl. Presse in AK einladen<br />
- Verbindliche Termine festlegen<br />
- Ort des AK wechseln<br />
- Themen festlegen, Impulsreferate<br />
- Bei „friedlicher Koexistenz“ neue Stufe der <strong>Zusammenarbeit</strong> erarbeiten
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Protokolle der AGs *<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - AG 3 Seite 52 von 65<br />
Arbeitsgruppe 3 „Wie gehe ich mit Kindern in der Beratung um?“<br />
Protokollantin: Diana Schmidt<br />
a) Welche Ziele haben wir, wenn wir mit<br />
Kindern und Jugendlichen im Trennungs-<br />
und Scheidungsprozess arbeiten?<br />
- alters- und sachgemäße, erfragende<br />
Informationsvermittlung (Wie erlebt das<br />
Kind selber die Situation, welche<br />
Erklärungen hat es für sich gefunden, wo<br />
bedarf es Richtigstellung?)<br />
- Ressourcen beim Kind aktivieren<br />
(Empowerment)<br />
- Entlastung für das Kind schaffen (von<br />
Schuld und Verantwortung)<br />
Größtes Problem: Parentifizierung der<br />
Kinder und Jugendlichen<br />
Verhaltensauffälligkeiten der Kinder sind<br />
Copingstrategien (Bewältigungsstrategien =<br />
Verhaltungsauffälligkeiten) der Kinder und<br />
Jugendlichen<br />
b) Was sind Wünsche der Kinder und Jugendlichen an die Eltern?<br />
(Gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen eine Wunschliste erarbeiten), z. B.<br />
- Die Eltern sollen nicht mehr streiten<br />
- Die Eltern sollen zusammenbleiben<br />
- Es soll so sein wie früher<br />
- Mama/Papa soll weg<br />
Was macht man mit dieser Wunschliste, insbesondere mit Wünschen, die nicht erfüllbar sind<br />
oder nur teilweise?<br />
Beispiel: Auf dem Boden eine Ampel aufmalen<br />
Rot: unerfüllbare Wünsche, z. B. die Eltern sollen wieder zusammen kommen<br />
= Erwachsenensachen<br />
Grün: erfüllbare Wünsche, Papa und Mama nicht verlieren
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Protokolle der AGs *<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - AG 3 Seite 53 von 65<br />
Gelb: Wünsche sind vielleicht erfüllbar, z. B. mit Mama und Papa am Geburtstag gemeinsam<br />
essen gehen<br />
Unterscheidung aufzeigen <strong>zwischen</strong> Erwachsenensachen, Elternsachen und Kindersachen vgl.<br />
Kommode<br />
a) Arbeitsweise:<br />
- Einzelgespräche mit den Eltern<br />
(Geschichte der Ursprungsfamilie, Kennenlernsituation, Verlauf und Niedergang der<br />
Beziehung werden thematisiert; Genogrammarbeit)<br />
- Gespräche/e mit beiden Eltern<br />
Bitte/Wunsch an Eltern herantragen, die Kinder mitzubringen mit dem Ziel, ihnen ein Gefühl<br />
davon zu vermitteln, wie es ihren Kindern geht.<br />
- Eltern und Kinder kommen zu einem gemeinsamen Termin<br />
Die Eltern sitzen zu diesem Termin in einer Ecke des Raumes und dürfen nichts sagen, sie<br />
sollen Zuhörer sein. Die Kinder werden gefragt, ob sie Lust haben, zu malen oder zu spielen,<br />
wie es bei ihnen zu Hause ist.<br />
(Flip Chart auf Höhe der Kinder und Jugendlichen einstellen, auf dem Boden oder Tisch<br />
malen ...)<br />
1. Es wird ein kindgerechtes Genogramm gemalt (Berater/in malt es mit den<br />
Kindern/Jugendlichen gemeinsam, Kinder/Jugendliche können den Eltern/Geschwistern<br />
„schönere“ Haare malen ... oder sonst was, z. B. noch mehr Herzen)<br />
2. Biografiearbeit - Es wird die Geschichte der Kinder erzählt, anhand von<br />
Schubladen einer Kommode<br />
1. Schublade: Liebesgeschichte der Eltern<br />
Liebesgeschichte<br />
☺<br />
Die Beratungsfachkraft erzählt den Kindern die Liebes-(Kennenlern-)geschichte der Eltern.<br />
sie ist immer schön. Danach wird die Lebensgeschichte der Familie (Kinder, Umzüge, Arbeit<br />
der Eltern, Wohnsituation) erzählt. Sie wird ebenfalls positiv dargestellt. Der Streit der Eltern<br />
kann so formuliert werden, dass nun „der Blitz ...“ in die Geschichte reingefahren ist.<br />
☺
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Protokolle der AGs *<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - AG 3 Seite 54 von 65<br />
Es werden gleichsam die Gefühle der Kinder und Jugendlichen erarbeitet (Wut, Trauer,<br />
Enttäuschung)<br />
Neue Partner werden auf einem extra Blatt dargestellt, wenn es erforderlich ist.<br />
- Die Erfahrungen der Kinder und Jugendlichen mit Streit ... werden erfragt (Habt ihr euch<br />
schon mal gestritten? Wie ist dass, wenn ihr streitet? Wie ist dass, wenn die Eltern<br />
streiten?)<br />
- Streit entkatastophieren, normalisieren<br />
- Wenn Kinder über ein Elternteil schlecht reden, wird das thematisiert (mit positiven<br />
Unterstellungen gegenüber den Eltern arbeiten, ohne die Eltern ins Gespräch<br />
einzubeziehen, denn meist gehen diese Gedanken von einem Elternteil aus)<br />
- Wie könntest Du reagieren, wenn die Eltern wieder streiten/schreien, damit sie sehen, dass<br />
Du das nicht willst/es Dir angst macht? (z. B. Ohren zu halten ...)<br />
Verdeutlichen, dass die Liebesgeschichte der Eltern, genauso wie der Streit ... die Kinder<br />
nichts angeht. Für das Ende der Liebesgeschichte sind sie nicht verantwortlich. die Kinder<br />
dürfen bei Streitereien ... weggehen...<br />
Durch diese Vorgehensweise können die Eltern spüren, wie die Kinder die Streitereien<br />
erleben.<br />
Wenn Gewalt <strong>zwischen</strong> den Eltern eine Rolle spielt, muss mit den Eltern anders gearbeitet<br />
werden, z. B. Aussetzung des Umgangs anregen, Vermittlung in Antiaggressionstrainings...<br />
Bei sexuellem Missbrauch eine/einen Aussagepsychologin/-psychologen hinzuziehen. z. B.<br />
Gisela Klein<br />
Trauma Transform Consult GmbH<br />
Springen 26<br />
53804 Much<br />
(02245 610127)<br />
2. Schublade: Elternsachen<br />
Elternsachen<br />
- Kita, Schule<br />
- Elternabende kindgerecht aufschreiben<br />
- Gesundheit der Kinder<br />
- Religion<br />
Wie schwer ist es für Eltern Eltern zu sein, wenn sie kein Liebespaar mehr sind? Mit den<br />
Kindern/Jugendlichen können Lösungen entsprechend ihrer Bedürfnisse erarbeitet werden.<br />
3. Schublade: Erwachsenensachen<br />
Erwachsenensachen<br />
- juristische Trennung/Scheidung<br />
- Haus/Wohnung (alle irdischen Güter) kindgerecht aufschreiben (mit Symbolen o,ä.)<br />
- Unterhalt<br />
- neue Partner
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Protokolle der AGs *<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - AG 3 Seite 55 von 65<br />
Erwachsenensachen gehen die Kinder nichts an. Das wird ebenfalls verdeutlicht.<br />
Wenn Kinder Themen aus der Schublade „Erwachsenensachen“ einbringen, stecken dahinter<br />
immer Ängste. Diese Ängste müssen ernst genommen und mit den Kindern Strategien<br />
entwickelt werden, wie sie sich schützen können.<br />
4. Schublade: Kindersachen<br />
- Wünsche der Kinder<br />
- Freunde<br />
- Papa<br />
- Mama<br />
- Kinderrechte<br />
Kindersachen<br />
Kinder/Jugendliche werden über ihre Rechte aufgeklärt, z. B.<br />
- Essen<br />
- Dach über dem Kopf<br />
- medizinische Versorgung<br />
- Schule<br />
- Recht auf beide Eltern ...<br />
Frage danach, was die Eltern nicht tun sollen.<br />
b) Was Eltern ihren Kindern immer wieder sagen müssen:<br />
1. Wie lieben dich/euch genauso wie vorher<br />
2. Du darfst/ihr dürft uns genauso lieb haben wie vorher<br />
3. Du bist/ihr seid nicht Schuld an der Trennung<br />
4. Du kannst/ihr könnt uns nicht mehr zusammen bringen<br />
5. Papa und Mama wollen nicht, dass du dich/ihr auch auf eine Seite schlagt.<br />
1. bis 5. → stammen aus der Mediation, sind Positivunterstellungen<br />
c) Abschiedsritual:<br />
Eure Eltern haben es nicht geschafft, so zu leben, wie sie es sich vorgestellt haben. Aber sie<br />
haben es geschafft, dass es euch gibt.<br />
<br />
Danke sagen für die Dinge, die gut sind<br />
<br />
Kinder sagen den Eltern dafür danke, dass es sie gibt.<br />
<br />
Eltern danken ihren Kindern
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Protokolle der AGs *<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - AG 4 Seite 56 von 65<br />
d) Raumgestaltung:<br />
- Kinderspielecke (mit Spielsachen, die auch im Haushalt zu finden sind, z. B.<br />
Telefon/Handy)<br />
- heller, bunter, lustiger Raum<br />
- Papier, Stifte<br />
e) Kriterien für Erziehungsfähigkeit:<br />
- Empathie (Wahrnehmung der unterschiedlichen Bedürfnisse von Kindern und<br />
Erwachsenen)<br />
- Kooperationsfähigkeit und -willigkeit<br />
- Bindungstoleranz<br />
(Verständnis davon, wie wichtig Vater und Mutter sind)<br />
Fehlen Kriterien, liegt wenig oder keine Erziehungsfähigkeit vor. Dann ist zu prüfen, ob die<br />
Kinder bei dem entsprechenden Elternteil gut aufgehoben sind<br />
Arbeitsgruppe 4 „ Erste Schritte für ein Rahmenkonzept in Thüringen “<br />
Protokollantinnen: Steffi Schwartze/ Michael Hofmann<br />
Einstieg: Zitat von K. Gibran<br />
„Um die Wahrheit zu entdecken<br />
bedarf es zweier Menschen,<br />
eines, der sie ausspricht und des<br />
anderen, der zuhört“<br />
• Unter Bezug auf die mit großer<br />
Wahrscheinlichkeit ab 2007 per Gesetz<br />
„verordnete“ Einführung der<br />
Arbeitsweise nach dem Cochemer<br />
Modell setzt sich die AG das Ziel, erste<br />
Schritte im Sinn einer fachlichen<br />
Rahmenempfehlung zu erarbeiten.<br />
• Die Teilnehmer der AG sind sich einig,<br />
dass es unrealistisch ist, ein<br />
allgemeingültiges Rahmenkonzept zu<br />
entwickeln, vielmehr wichtige<br />
Eckpunkte aus der Sicht aller beteiligten<br />
Professionen zu sammeln.<br />
• Die AG sammelt im ersten Schritt<br />
Elemente, die Bestandteil eines<br />
Konzeptes interdisziplinärer<br />
<strong>Zusammenarbeit</strong> sein sollten.<br />
Grundlage der Kleingruppenarbeit war dann folgendes Raster
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Protokolle der AGs *<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - AG 4 Seite 57 von 65<br />
Eltern unterstützen<br />
Selbstverständnis<br />
der Professionen<br />
Ziele<br />
Leitsätze (Vorwort)<br />
Konzept<br />
für die<br />
innere Haltung<br />
Aufgaben der einzelnen<br />
Arbeitsmethoden Zusammen-<br />
Professionen<br />
Standards<br />
arbeit<br />
Abgrenzung der Professionen<br />
Nutzen Regeln<br />
Methoden<br />
Organisation der<br />
<strong>Zusammenarbeit</strong><br />
Professionsbezogen erarbeiteten die Kleingruppen innerhalb der AG die folgende Sammlung<br />
von Denkanstößen für das Rahmenkonzept:<br />
Jugendamt<br />
Ziel: Eltern bleiben Eltern, auch nach Trennung und Scheidung<br />
Elternverantwortung Bedürfnisse der Kinder partnerschaftliche<br />
bleibt bei Ihnen stehen im Mittelpunkt <strong>Zusammenarbeit</strong> aller<br />
beteiligten Professionen<br />
innere Haltung:<br />
- Transparenz<br />
- Akzeptanz<br />
- Wertschätzung<br />
- Bereitschaft zur <strong>Zusammenarbeit</strong><br />
Aufgaben:<br />
- Ansprechpartner/Berater/Vermittler<br />
- Motor, Manager, Koordinator<br />
- soll – muss nicht alleiniger Initiator sein<br />
Abgrenzung/Schnittstellen:<br />
- Mitwirkungsverpflichtete<br />
- staatliches Wächteramt<br />
Regeln:<br />
- Wir akzeptieren die Fachlichkeit und Professionalität der anderen Fachkräfte und arbeiten<br />
nach den aufgestellten Verfahrensstandards
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Protokolle der AGs *<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - AG 4 Seite 58 von 65<br />
Methoden:<br />
- gemeinsame Beratung<br />
- Aufklärung – gegenseitig<br />
- Selbst- und Fremdbild klären<br />
Infoaustausch<br />
Nutzen:<br />
- arbeitserleichternd (Zeit, Nerven)<br />
- Blickerweiterung<br />
- Konfliktreduzierung<br />
- vermeidet (möglicherweise) langfristige Hilfe zur Erziehung<br />
- Imageveränderung +<br />
Standards:<br />
- mindestens 4x jährlich<br />
- gemeinsame Fortbildung<br />
- Zeitrahmen festlegen<br />
- Verantwortlichkeiten festlegen<br />
Juristen<br />
Ziele<br />
- Kindeswohl, Elternrecht und Elternpflicht den Kindern den Eltern zurückgeben; den Eltern<br />
wieder gemeinsame Elternverantwortung „übertragen“, anleiten und unterstützen<br />
- nachhaltige Lösungen<br />
- Verfahren zügig und effektiv und mit wenig Aufwand zu Ende bringen<br />
- Vermeidung weiterer (Folge-)Verfahren<br />
- dünne Akten<br />
Innere Haltung und Selbstverständnis<br />
- sich in andere hineinversetzen<br />
- sich n nicht missbrauchen lassen und egoistische Motive<br />
- maßvolles Verhalten (keine tiefgreifenden Verletzungen und keine neuen Konfliktpotentiale<br />
aufbauen)<br />
- deeskalierend arbeiten<br />
- Ziele im Auge behalten<br />
- Balance halten <strong>zwischen</strong> Distanz und Nähe<br />
- Vermittler / Entscheider<br />
- Lösung von Klischees<br />
Aufgaben<br />
- Gesetze umsetzen (Ait6II GG)<br />
- Verfahren konsequent betreiben und beenden<br />
- Kindeswohl als oberstes Prinzip im Auge behalten<br />
- Konflikt aufbrechen und einer Nachhaltigen, dauerhaften und stabilen Lösung suchen<br />
- Entscheiden, wenn keine Lösung gefunden wird<br />
- Mandanteninteresse wahren<br />
Immer wieder auf die Grundsätze des kooperativen Verfahrens zurückführen
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Protokolle der AGs *<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - AG 4 Seite 59 von 65<br />
Abgrenzung<br />
- eigene professionelle Grenzen ziehen,<br />
respektieren und formulieren (sich nicht<br />
mehr antun, als man muss)<br />
- Respekt und Achtung der anderen<br />
Professionen (auch deren Strukturen und<br />
Zwänge)<br />
Nutzen<br />
- Zufriedenheit mit der eigenen Arbeit Motivationserhöhung<br />
- Zeitsparend (wenn Verfahren straff und mit klaren Vorgaben durchgezogen werden<br />
- weniger Folgekosten für den Staat (keine Gutachten weniger Folgeverfahren - PKH –<br />
- bessere Kinderbiografien<br />
- zufriedene Mandanten kommen gerne (in anderen Angelegenheiten) wieder und empfehlen<br />
weiter<br />
- dünnere Akten<br />
Standards<br />
- regelmäßige Treffen alle Professionen<br />
- Erfahrungsaustausch<br />
- persönlich kennen<br />
- kurze Info-wege (Tel.)<br />
- schnelle und konsequente Verfahren<br />
- Fließschema<br />
- Transparenz<br />
- Fortbildung<br />
Beratungsstellen<br />
Ziele<br />
- Eltern befähigen, in der Zukunft für ihre Kinder wieder gemeinsam Verantwortung zu<br />
übernehmen und deren Bedürfnissen ohne fremde Hilfe gerecht zu werden.<br />
- Spannungsfeld – Priorität Kindeswohl – Elternwohl<br />
- Verantwortung für nachhaltige Lösung bleibt bei den Eltern; Beratung soll Eltern helfen,<br />
eine von ihnen getragene Lösung gemeinsam zu erarbeiten.<br />
- Den Kindern sollen die Eltern wieder zurückgegeben werden.<br />
Aufgaben<br />
- Information/Aufklärung über Trennung/Scheidung–Folgen für die Kinder Verständnis<br />
entwickeln, fördern<br />
- Beratungsstelle als geschützter Raum für Verständigung<br />
- Begleitung in allen Phasen eines Trennungsprozesses<br />
- Unterstützung bei der Konfliktbewältigung und lösungsorientierte Beratung<br />
- Entlastung der Kinder; Arbeit mit Gefühlen<br />
- Trauerarbeit<br />
- Kooperation fördern<br />
Abgrenzung<br />
- keine Entscheider<br />
- keine Gutachter<br />
- keine Verfasser von Stellungnahmen
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Protokolle der AGs *<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - AG 4 Seite 60 von 65<br />
- keine „Dienstleister“ der Justiz<br />
- Verschwiegenheitspflicht wahren<br />
- keine Ermittler<br />
- kein Verfahrenspfleger<br />
stattdessen<br />
- autonome Beratungsprozessgestaltung<br />
- Schutzraum bleiben<br />
- Mitwirkung im Verfahren<br />
Regeln<br />
- Kooperation am runden Tisch in Augenhöhe<br />
- Zukunfts- und ressourcenorientiertes Arbeiten<br />
- Transparenz nach innen und außen<br />
- Auftragsklärung/Entscheidungsbaum<br />
Methoden/Organisation der <strong>Zusammenarbeit</strong><br />
- Beteiligung am Handlungsverfahren<br />
- Arbeitskreis (regelmäßig, verpflichtend, terminiert<br />
- gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit<br />
- gemeinsame Prävention<br />
- gemeinsame Fortbildung<br />
- Erfahrungsaustausch/kollegiale Supervision<br />
- Klärung der Verantwortlichkeiten (Organisatorisch und inhaltlich)<br />
- Fachaustausch zu Inhalten und Methoden<br />
- Fremdbild und Selbstbild klären<br />
- berufspolitische Lobby schaffen<br />
- gemeinsame Entwicklung von Mustersätzen<br />
Nutzen<br />
- größere Zufriedenheit der Profis und Klienten<br />
- Nachhaltigkeit<br />
- Klarheit<br />
- Stärkung von Kinder und Eltern<br />
- Gewinner – Verlierer-Schema aufheben<br />
- persönliche Entlastung<br />
- langfristige Kosten-, Zeit-, Kraftreduzierung<br />
- Spätfolgen vermeiden<br />
- Transparenz in der Öffentlichkeit<br />
Methoden/Organisation der <strong>Zusammenarbeit</strong><br />
- Beteiligung am Handlungsverfahren<br />
- Arbeitskreis (regelmäßig, verpflichtend, terminiert<br />
- gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit<br />
- gemeinsame Prävention<br />
- gemeinsame Fortbildung<br />
- Erfahrungsaustausch/kollegiale Supervision<br />
- Klärung der Verantwortlichkeiten (Organisatorisch und inhaltlich)<br />
- Fachaustausch zu Inhalten und Methoden<br />
- Fremdbild und Selbstbild klären<br />
- berufspolitische Lobby schaffen
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Protokolle der AGs *<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - AG 4 Seite 61 von 65<br />
- gemeinsame Entwicklung von Mustersätzen<br />
Nutzen<br />
- größere Zufriedenheit der Profis und Klienten<br />
- Nachhaltigkeit<br />
- Klarheit<br />
- Stärkung von Kinder und Eltern<br />
- Gewinner – Verlierer-Schema aufheben<br />
- persönliche Entlastung<br />
- langfristige Kosten-, Zeit-, Kraftreduzierung<br />
- Spätfolgen vermeiden<br />
- Transparenz in der Öffentlichkeit<br />
Standards/Innere Haltung<br />
- Allparteilichkeit<br />
- Einführung einer triangulären Szene in der Kooperation (Abstinenz bzgl. Bündnisbildung<br />
und Entwertung Dritter)<br />
- Brücken bauen; Balance halten<br />
- regelmäßige, verbindliche Treffen aller Professionen<br />
- anonymisierte Fallbesprechungen/Fachaustausch<br />
- Klärung von Begrifflichkeiten aus Sicht jeder Profession<br />
- Krisenintervention/schnelle Zugangswege zueinander<br />
Leitsätze<br />
siehe Cochemer Modell<br />
In Nachwirkung und Auswertung der Ergebnisse der AG wird mehrfach die Zufriedenheit<br />
und positive Überraschtheit der Teilnehmer über das große Einvernehmen und die klare<br />
Strukturiertheit bei der Materialsammlung formuliert. Gleichzeitig unterstreichen die Profis<br />
den Wunsch nach Fortführung der begonnenen konstruktiven Arbeit mit dem Ziel einer<br />
Implementierung eines Rahmenkonzepts für Thüringen sowie der Fortführung des<br />
fruchtbringenden Austausches.<br />
Zitat einer Teilnehmerin:<br />
„Es liegt an uns selbst, das Begonnene am Leben zu erhalten!“
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Protokolle der AGs *<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - AG 5 Seite 62 von 65<br />
Arbeitsgruppe 5 „Mediation in der familiengerichtlichen Praxis“<br />
Protokollantinnen: Constanze Dietze/ Elisabeth. Weber<br />
Es werden folgende Möglichkeiten gesehen,<br />
Mediation in Thüringen zu installieren:<br />
1. Mediation durch Beratung freier Träger<br />
Das Gericht bestimmt kurzfristig einen<br />
Termin, wenn eine Mediation aussichtsreich<br />
erscheint. Im Termin wird unter Einbeziehung<br />
der Rechtsanwälte die Möglichkeit der<br />
Mediation vorgestellt und eventuell ein<br />
Termin in einer Beratungsstelle vermittelt.<br />
Ergebnis:<br />
Vereinbarung vor dem Mediator<br />
Weiterer Gerichtstermin, gerichtlicher<br />
Vergleich oder Entscheidung<br />
2. Mediationszentrum<br />
Angebot durch zertifizierte Mediatoren<br />
(Psychologen, Rechtsanwälte, Güterichter)<br />
Ablauf wie 1.<br />
Die Finanzierung ist teilweise über<br />
Fachleistungsstunden<br />
möglich.<br />
des Jugendamtes<br />
3. Jugendamt<br />
Angebot durch Mitarbeiter des Jugendamtes mit entsprechender Fortbildung<br />
Ablauf wie 1.<br />
4. Mediation beim Gericht<br />
Angebot der Mediation vor der Terminierung<br />
Abgabe der Sache an einen Güterichter (Göttinger Modell)<br />
Ergebnis:<br />
Vereinbarung vor dem Mediator (vollstreckbarer gerichtlicher Vergleich)<br />
Fortführung des Verfahrens vor dem zuständigen Richter und Entscheidung<br />
Der Arbeitskreis spricht sich dafür aus, alle Möglichkeiten im Blick zu behalten.<br />
Aus Sicht der Rechtsanwälte, Richter, Psychologen und Sozialpädagogen, die an dem<br />
Arbeitskreis teilgenommen haben, ist die Mediation geeignet, um Konflikte bei Trennung und<br />
Scheidung zu entschärfen und die Betroffenen in die Lage zu versetzen, in Zukunft selbst<br />
Lösungen für den Umgang miteinander und mit den Kindern zu finden.
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * Protokolle der AGs *<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - AG 5 Seite 63 von 65<br />
Es ist zu erwarten, dass Mediation teilweise durch Einsatz vorhandener Ressourcen angeboten<br />
werden kann.<br />
Ein Einsatz zusätzlicher Mittel für das Angebot würde nach den Erfahrungen der Teilnehmer<br />
des Arbeitskreises längerfristig Kosten ersparen.<br />
Es ist damit zu rechnen, dass weniger Verfahren zur Regelung von Sorge und Umgang<br />
anhängig gemacht werden. Es sind weniger Gutachten in Familiensachen erforderlich. Die<br />
Jugendämter werden entlastet, weil hochstrittige Fälle mit hohem Personaleinsatz zum Schutz<br />
des Kindes nicht erst entstehen können.<br />
In den Beratungsstellen kann effizienter mit den Eltern gearbeitet werden.<br />
Der Arbeitskreis empfiehlt die Gründung eines Arbeitskreises zur Einführung der Mediation<br />
für Familienkonflikte unter Federführung der Ministerien für Justiz und Soziales.<br />
Es sollten folgende Institutionen/Berufsgruppen vertreten sein:<br />
Thüringer Justizministerium<br />
Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit<br />
Landesjugendamt, vertreten durch Mitarbeiter des ASD<br />
Rechtsanwaltskammer, vertreten durch Fachanwälte für Familienrecht<br />
Familiengerichte<br />
Thüringer Arbeitskreis für Mediation<br />
LAG für Familienberatungsstellen<br />
Vertretung ländlicher Regionen
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * AnhangProtokolle der AGs *<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Referentinnen, Refrenten, Moderatoren Seite 64 von 65<br />
5. Anhang<br />
Referenten, Referentinnen, Moderatoren<br />
Bade, Ortrud: Richterin, Schwerpunkt<br />
Familienrichterin, Grundkurs und Aufbaukurs<br />
„Mediation in familiengerichtlichen Verfahren“ über<br />
Richterakademie<br />
<br />
Amtsgericht Mühlhausen<br />
Untermarkt 17<br />
99974 Mühlhausen<br />
03601 – 49 94 43<br />
03601 – 49 94 44<br />
Dr. Dellemann, Kerstin: Fachbereichsleiterin<br />
Jugend, Soziales und Gesundheit<br />
<br />
Landratsamt Saalfeld-Rudolstadt<br />
Rainweg 81<br />
07318 Saalfeld<br />
03671 – 82 35 90<br />
03671 - 82 35 95<br />
sozialamt@kreis-slf.de<br />
Horstmeier, Heidrun: Dipl.-Psychologin,<br />
systemische Familientherapeutin (Beratung und<br />
Therapie in der Erziehungsberatung)<br />
<br />
Erziehungsberatungsstelle des Sozialdienst<br />
katholischer Frauen<br />
Amtsstraße 6<br />
37339 Worbis<br />
036074 – 31 17 5<br />
036074 – 63 37 5<br />
HACHHorstmeier@t-online.de<br />
Bandorf, Armin: Richter am Amtsgericht,<br />
Erstinstanzliche Tätigkeit als Familienrichter, z.Z.<br />
Beschwerde- und Berufungssachen im 1.Familienstaat<br />
des Thüringer Oberlandesgerichts<br />
<br />
Thüringer Oberlandesgericht<br />
Rathenaustraße 13<br />
07745 Jena<br />
03641 – 30 73 51<br />
03641 – 30 75 00<br />
armin.bandorf@tholg.thueringen.de<br />
Hommel, Mario: Fachanwalt für Familienrecht (Erb-<br />
und Familienrecht, Arzthaftungsrecht)<br />
<br />
Anwaltskanzlei Leubecher & Kollegen<br />
An der Burg 24<br />
99974 Mühlhausen<br />
03601 – 80 90 0<br />
03601 – 80 90 29<br />
Hübner, Regina: Ärztin, Erziehungs- und<br />
Familienberaterin<br />
<br />
EEFL-Beratungsstelle<br />
Caritashaus Suhl<br />
Hohe Röder 1<br />
98527 Suhl<br />
03681 – 71 18 15<br />
03681 – 71 18 13<br />
huebner.r@caritas-bistum-erfurt.de
T a g u n g s d o k u m e n t a t i o n * AnhangProtokolle der AGs *<br />
- Fachtagung am 23./24.11.2005 - Referentinnen, Refrenten, Moderatoren Seite 65 von 65<br />
Kuhnert, Sabine: Richterin im Familien- und<br />
Vormundschaftsrecht (Umsetzung des Cochemer<br />
Modells seit April 2005)<br />
<br />
Amtsgericht Gotha<br />
Justus- Perthes- Straße<br />
99867 Gotha<br />
03621 – 21 53 20<br />
03621 – 24 53 14<br />
Langenberger, René: Moderator der 3. Fachtagung,<br />
Paar- und Familienberatung, Vorstandsmitglied der<br />
LAG EB, Leitung einer Jugendhilfeeinrichtung für<br />
dissoziale und von seelischer Behinderung bedrohter<br />
Kinder<br />
<br />
CJD Hohenleuben<br />
Erich-Weinert-Str. 11<br />
07958 Hohenleuben<br />
036622 – 77 71 3<br />
036622 – 76 73 3<br />
Prüfer, Sebastian: Dipl.-Psychologe, Beratung von<br />
Erwachsenen und Jugendl. In Krisen, Partnerschafts-,<br />
Trennungs- und Scheidungsberatung, Mediation,<br />
Sexualberatung, Lebensberatung, Coaching von<br />
Führungskräften und zur Leistungsförderung mit<br />
EMDR<br />
<br />
Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern<br />
des ProFamilia Thüringen e.V.<br />
Melanchthonstraße 11<br />
99084 Erfurt<br />
0361 – 56 21 74 7<br />
0721 – 15 14 84 21 5<br />
mediation@softfacts-sollutions.de<br />
Weber, Matthias: Dipl.-Psychologe, Psychol.<br />
Psychotherapeut, Leiter einer integrierten<br />
Beratungsstelle<br />
<br />
Lebensberatung<br />
Markt 1<br />
56564 Neuwied<br />
02631 – 22 03 1<br />
---<br />
mail@weber-melsbach.de<br />
Kodjoe, Ursula: Diplompsychologin,<br />
Familientherapeutin, Mediatorin<br />
<br />
Burgstraße 4<br />
79312 Emmendingen<br />
07641 – 95 45 77<br />
---<br />
ukodjoe@gmx.de<br />
Lengowski. Manfred: Sozialarbeiter, Jugendhilfe<br />
(www.AK-Cochem.de)<br />
<br />
Kreisverwaltung Cochem-Zell, Erziehungshilfen,<br />
Familienberatung<br />
Endertplatz 2<br />
56803 Cochem<br />
02671 – 61 31 1<br />
02671 – 61 53 11<br />
Manfred.Lengowski@AK-Cochem.de<br />
Sydow, Iris: Sozialpädagogin, Coaching,<br />
Supervision, Fortbildung, Organisationsberatung in<br />
eigener Praxis<br />
<br />
Ernestiner Straße 21<br />
98617 Meiningen<br />
0171 – 27 94 03 2<br />
03693 – 50 74 02<br />
supervision-sydow@gmx.de<br />
Wieduwilt, Gabriele: Mitarbeiterin im Jugendamt<br />
Jena<br />
<br />
Jugendamt Jena<br />
Saalbahnhofstraße 9<br />
07743 Jena