Wirtschaft & Steuern aktuell - MDS Möhrle & Partner
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4<br />
Unternehmen<br />
Gesellschafterhaftung<br />
für Steuerschulden<br />
nach § 74 AO<br />
Nach § 74 Abgabenordnung (AO) können Gesellschafter,<br />
die unmittelbar oder mittelbar zu mehr<br />
als 25 % an einem Unternehmen beteiligt sind,<br />
als Haftungsschuldner für Betriebssteuern des<br />
Unternehmens in Anspruch genommen werden,<br />
soweit sie dem Unternehmen Gegenstände zur<br />
Nutzung überlassen. Grundsätzlich ist die Haftung<br />
des Gesellschafters dabei auf das Vermögen<br />
beschränkt, das er der Gesellschaft zur<br />
Verfügung gestellt hat. Bisher war umstritten, ob<br />
sich die Haftung auch auf Surrogate bezieht, die<br />
der Gesellschafter durch Verkauf oder anderweitigen<br />
Verlust des Eigentums an den überlassenen<br />
Gegenständen erlangt hat.<br />
Mit Urteilen (VII R 63/10 und VII R 67/10) vom<br />
22.11.2011 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden,<br />
dass der Wortlaut des § 74 AO nach<br />
dem Sinn und Zweck weit auszulegen sei, und die<br />
Haftung des Eigentümers danach auch auf sämtliche<br />
Surrogate, wie beispielsweise Veräußerungserlös,<br />
Schadenersatzleistung oder Tauschgegenstände,<br />
zu erweitern sei. Die Veräußerung<br />
von Betriebsvermögen kann also eine Haftung<br />
nicht mehr verhindern, auch wenn diese vor dem<br />
Ergehen eines Haftungsbescheides erfolgt.<br />
Den entschiedenen Fällen lag ein Sachverhalt<br />
zugrunde, in dem ein Gesellschafter sowohl an<br />
einer Betriebs-GmbH & Co. KG als auch an einer<br />
Besitz-GbR beteiligt war. Die Besitz-GbR verpachtete<br />
der Betriebs-GmbH & Co. KG Anlagevermögen.<br />
Zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme des<br />
Gesellschafters als Haftungsschuldner hatte die<br />
Besitz-GbR das Anlagevermögen bereits verkauft.<br />
Überraschend an den Entscheidungen des BFH<br />
ist insbesondere, dass ein Haftungsdurchgriff<br />
auf das Vermögen der Besitz-GbR, an der auch<br />
ein Gesellschafter der Betriebsgesellschaft<br />
beteiligt ist, erfolgt. Insoweit hat der BFH offensichtlich<br />
von der heute allgemein anerkannten<br />
Rechtsfähigkeit der GbR Abstand genommen, da<br />
er das Betriebsvermögen nicht dem Eigentum<br />
der GbR, sondern dem Eigentum des Gesellschafters<br />
zuordnete. Nur so konnte der BFH die notwendige<br />
Haftungsidentität (Haftungsschuldner<br />
ist Eigentümer der überlassenen Gegenstände)<br />
bejahen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die<br />
Rechtsprechung des BFH diesbezüglich weiter<br />
entwickelt.<br />
Arbeitgeber/Arbeitnehmer<br />
Kündigung nach Whistleblowing?<br />
Der Begriff des Whistleblowings bezeichnet im<br />
Wesentlichen die nichtautorisierte Publikation von<br />
aufgedeckten Missständen. Die Informationen werden<br />
also von dem Hinweisgeber, auch Whistleblower<br />
genannt, gegen den Willen der betroffenen<br />
Person oder des betroffenen Unternehmens an<br />
Behörden, Verbände etc. weitergegeben bzw. der<br />
Allgemeinheit zugänglich gemacht. In der wirtschaftlichen<br />
Praxis wurde der Begriff des Whistleblowings<br />
in Deutschland insbesondere durch die<br />
sog. Kronzeugenregelung im Kartellrecht geläufig.<br />
Auch im Arbeitsrecht sind Fälle des Whistleblowings,<br />
in denen Arbeitnehmer mutmaßliche<br />
Missstände wie bspw. Bestechung, Betrug oder<br />
die Nichteinhaltung von Sicherheits- oder Qualitätsvorschriften<br />
„ihres“ Unternehmens aufdecken<br />
und diese gegen den Willen des Arbeitgebers ggf.<br />
durch Stellung einer Strafanzeige veröffentlichen,<br />
bekannt. Ob der Arbeitgeber in solchen Fällen zur<br />
Beendigung des Arbeitsverhältnisses mittels Kündigung<br />
oder Auflösung des Arbeitsverhältnisses<br />
durch Zahlung einer angemessenen Abfindung<br />
berechtigt ist, war Gegenstand zweier Urteile aus<br />
der jüngeren Vergangenheit.<br />
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte<br />
(EGMR) hat in seinem Urteil vom 21.11.2011 (Heinisch<br />
vs. Germany, Application no. 28274/08) festgestellt,<br />
dass im Spannungsfeld zwischen dem<br />
Recht der Arbeitnehmer auf Meinungsfreiheit und<br />
des öffentlichen Interesses an der Aufdeckung<br />
von Missständen einerseits und den Loyalitätspflichten<br />
der Arbeitnehmer sowie dem Recht des<br />
Unternehmens auf Schutz vor Rufschädigungen<br />
und der Wahrung der Geschäftsinteressen ande-<br />
rerseits, letztere unter Umständen zurücktreten<br />
müssen. Die Signalwirkung dieses Urteils ist nicht<br />
zu unterschätzen. So wird es den Arbeitgebern in<br />
Zukunft schwerer gemacht, Angestellten zu kündigen,<br />
die sich als Whistleblower betätigt haben. Ein<br />
Freifahrtschein wird den Arbeitnehmern durch das<br />
Urteil des EGMR jedoch nicht ausgestellt.<br />
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig Holstein<br />
hat in dem Urteil vom 20.3.2012 festgestellt,<br />
dass Whistleblowing jedoch durchaus zur Auflösung<br />
des Arbeitsverhältnisses, wenn auch gegen<br />
Zahlung einer angemessen Abfindung, führen<br />
kann. Im vorliegenden Fall hat der Arbeitnehmer<br />
hauptsächlich aus Rachegründen die Strafanzeige<br />
gegen das Unternehmen angestrebt. Das<br />
LAG folgerte daraus, dass in solchen Fällen auch<br />
unter Berücksichtigung des EGMR-Urteils, dem<br />
Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses<br />
nicht zugemutet werden kann. Dieses ist<br />
somit aufzulösen, obwohl die Kündigung an sich<br />
rechtswidrig war, und das Whistleblowing folglich<br />
auch keinen Kündigungsgrund darstellte.<br />
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass ein<br />
Kündigungsgrund aufgrund Whistleblowings nur<br />
dann vorliegen kann, wenn die dem Arbeitgeber<br />
geschuldete Loyalitätspflicht gegenüber dem<br />
öffentlichen Interesse an der Publikation der<br />
aufgedeckten Missstände überwiegt. Daneben<br />
kann Whistleblowing allerdings durchaus zur<br />
Auflösung des Arbeitsverhältnisses führen, wenn<br />
ein Mitarbeiter identifizierte Missstände hauptsächlich<br />
aus Gründen, die der Verfolgung persönlicher<br />
Ziele dienen, veröffentlicht.<br />
Arbeitgeber/Arbeitnehmer<br />
Neuregelung zur Überlassung von Software und<br />
PC-Nutzung<br />
Aufgrund der technischen Fortentwicklung wurde<br />
die Steuerfreiheit der Vorteile des Arbeitnehmers<br />
aus der kostenlosen oder verbilligten<br />
privaten Nutzung von Computern und Software<br />
in § 3 Nr. 45 EStG neu gefasst. Die Steuerfreiheit<br />
soll auch gelten, wenn der Arbeitgeber seinen<br />
Arbeitnehmern Datenverarbeitungsgeräte wie<br />
Smartphones oder Tablets überlässt.<br />
Haben Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern betriebliche<br />
Software auch für ihren privaten PC zu Hause<br />
überlassen, war dies – entgegen der betrieblichen<br />
Übung – bisher nicht steuerfrei. Nach der<br />
Neufassung gilt rückwirkend ab dem Jahr 2000<br />
Folgendes:<br />
y Die reine Softwareüberlassung sogenannter<br />
Home Use Programme ist nun auch steuerfrei.<br />
y Der bisher in § 3 Nr. 45 EStG verwendete<br />
Begriff „betriebliche Personalcomputer” wird<br />
durch „betriebliche Datenverarbeitungsgeräte”<br />
ersetzt.<br />
Dadurch wird nun klargestellt, dass auch die<br />
Überlassung von Smartphones, Tablets und iPads<br />
steuerfrei ist. Steuerfrei sind übrigens auch die<br />
vom Arbeitgeber übernommenen Verbindungsentgelte<br />
und Grundgebühren im Zusammenhang<br />
mit den betrieblichen Telekommunikations- und<br />
Datenverarbeitungsgeräten.