21.07.2013 Aufrufe

Red Sea Bewerbung .qxd - Unterwasser

Red Sea Bewerbung .qxd - Unterwasser

Red Sea Bewerbung .qxd - Unterwasser

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Abteilung Evolutionsbiologie, WWU Münster<br />

<strong>Unterwasser</strong>forschungspreis 2004/2005<br />

Gruppenbewerbung<br />

Korallenriff-Ökologie<br />

Mangrove Bay, Rotes Meer<br />

9. - 24. September 2004


Daniela Tonn<br />

Mapping Mangrove Bay.<br />

Alexander Karlshofer<br />

Ocean currents have a strong influence on the local distribution pattern<br />

of the corals Stylophora pistillata and Pocillopora damicornis.<br />

Timo Schürg<br />

Intraspecific competition of the mucous-net feeding vermetid gastropod<br />

Dendropoma maxima.<br />

Marian Siegert<br />

Defence Behaviour of the Reef Flat - Brittle Star Ophiocoma scolopendrina.<br />

Sebastian Hering<br />

Does the Lagoon Brittle Star (Ophicoma scolopendrina) ever change its<br />

crevice?<br />

Sophie Jaquier<br />

Residency in the Rock-boring sea urchin Echinometra mathaei.<br />

Nadine Timmermeyer<br />

The assertiveness of the hermit crab species Clibanarius signatus<br />

against Calcinus latens.<br />

Marianne Kaiser<br />

Hermit-Crabs, little guys living in foreign houses.<br />

Susanne Ranft<br />

Rotes Meer 2004 - Teilnehmer und ihre Projekt-Themen<br />

Home sharing in Gobies and Shrimps: Only with size-matched partners?<br />

Daniela Tonn<br />

The goby´s front garden - Does size really matter?<br />

Jochen Becker<br />

Teamwork at cleaning stations - a more efficient way of life?<br />

Gunnar Husmann<br />

Temporal pattern of client diversity at cleaning stations.<br />

Jan M. Büllesbach<br />

Snap around the clock: Feeding habits in parrot fishes.<br />

Helene Richter<br />

Schönheit und Partnerwahl bei Falterfischen der Gattung Chaetodon.<br />

Nadine Paradowski<br />

Falterfische mit asymmetrischem Muster zeigen ihre schöne Seite.<br />

Mirka Wörmann<br />

Differences between male and female response against predators in<br />

the coral reef fish Pseudanthias squamipinnis.<br />

Julia Bolte<br />

Unterschiede im Fressverhalten von männlichen und weiblichen<br />

Juwelen-Fahnenbarschen.<br />

Anna Bruzinski<br />

About the escape behaviour of Chromis dimidiata.<br />

Verena Schrameyer<br />

The neighbourhood of Amphiprion affects its anti-predator response.


Einleitung<br />

KORALLENRIFF-ÖKOLOGIE, Mangrove Bay, Ägypten, September 2004<br />

Die vorliegende <strong>Bewerbung</strong> für den <strong>Unterwasser</strong>forschungspreis<br />

2004/2005 (Bereich Meeresbiologie)<br />

basiert auf dem Kurs "Marine Biology / Coral Reef<br />

Ecology", der seit mehreren Jahren für 15-20<br />

Studierende von der Abteilung Evolutionsbiologie<br />

(Universität Münster) angeboten wird. Schwerpunkt<br />

des Kurses ist ein 2-wöchiger Feldaufenthalt an<br />

wechselnden Orten, in diesem Jahr in Mangrove<br />

Bay, 20km südlich von El Quseir, in Ägypten.<br />

Während des Feldaufenthaltes führten die<br />

Studierenden in Eigenregie ein vollständiges<br />

kleines Forschungsprojekt durch. Ausgehend von<br />

den für die meisten Teilnehmer allerersten Kontakten<br />

mit einer marinen Umgebung, wurde innerhalb von<br />

drei Tagen basierend auf eigenen Beobachtungen<br />

eine wissenschaftliche Fragestellung erarbeitet.<br />

Während der folgenden Tage wurde die aufgestellte<br />

Hypothese anhand experimenteller Ansätze überprüft.<br />

Abschließend fertigte jeder Teilnehmer einen<br />

(zumeist englischsprachigen) Projektbericht an, der in<br />

Form einer kleinen wissenschaftlichen "Publikation"<br />

die Ergebnisse der Felduntersuchungen aufarbeitet.<br />

Entscheidender Bestandteil des Kurses ist die<br />

Erkenntnis, dass auch ohne Literaturrecherche oder<br />

aufwändige Laborgerätschaften (der Kurs erfolgte in<br />

einem Hotel ohne jegliche marinbiologische Ausstattung)<br />

innerhalb kurzer Zeit die Durchführung eines<br />

wissenschaftlichen Forschungsprojektes und die<br />

Gewinnung neuer Erkenntnisse möglich ist. Der Weg<br />

von ersten Beobachtungen hin zu eigenen Ideen und<br />

Hypothesen sowie deren Überprüfung mittels wissenschaftlich<br />

korrekter Methoden ist daher<br />

Schwerpunkt der Projekte.<br />

Ein weiterer Aspekt der vorliegenden Arbeiten ist die<br />

Vermittlung ökologischer Zusammenhänge an<br />

Personen, die sich in ihrer Freizeit mit einer marinen<br />

Umgebung beschäftigen. So wurden alle durchgeführten<br />

Projekte während des Kurses den im Hotel<br />

anwesenden Tauch- und Schnorchelgästen vorgestellt<br />

und mit ihnen diskutiert. Die Resonanz der<br />

Gäste war dabei sehr groß, und viele zeigten starkes<br />

Interesse an den behandelten Fragestellungen.<br />

Bestandteil dieser Öffentlichkeitsarbeit war auch die<br />

Erstellung einer Karte der Bucht von Mangrove<br />

Bay. Da die dortige Tauchbasis bislang nicht über<br />

eine akkurate Karte ihrer Tauchgebiete verfügt,<br />

ermöglicht dies zukünftig gerade den Tauchgästen<br />

eine bessere Orientierung im Gelände.<br />

Die nachfolgende <strong>Bewerbung</strong> fasst die Ergebnisse<br />

der 18 von Studierenden zwischen dem 9. und 24.<br />

September 2004 durchgeführten Projekte in kurzer<br />

Form zusammen. Die Arbeiten sind nach fünf<br />

Themenblöcken zusammengefasst: (i) Leben in der<br />

Gruppe, (ii) Symbiosen, (iii) tageszeitliche<br />

Aktivitätsmuster, (iv) Partnerwahl sowie (v)<br />

Konfliktvermeidung. Dabei haben wir darauf<br />

verzichtet, ausführliche Ergebnisse tabellarisch und<br />

mit allen statistischen Details darzustellen. Statt<br />

dessen sind die wesentlichen Erkenntnisse zusammengefasst<br />

und wichtige Ergebnisse in Abbildungen<br />

dargestellt. Weitere Details inklusive Literaturangaben<br />

können gerne in den ausführlichen Projektberichten<br />

nachgeschlagen werden, die wir der <strong>Bewerbung</strong> als<br />

Anhang beifügen.<br />

Zusammengestellt von: Nils Anthes, Daniela Tonn,<br />

Helene Richter und Nico Michiels.<br />

Vorläufige Karte der Bucht von Mangrove Bay (Sharm Fugani) mit Detailkarte für den von Tauchern bevorzugt genutzten Bereich. Zur<br />

besseren Orientierung sind die 5m und 10m Tiefenlinien mit angegeben. Braun: Wüste; dunkel grün: Mangroven; hell grün: Riffdach;<br />

Punktierung: Hotel. Erstellt unter Verwendung eines Hand-GPS-Gerätes (Garmin GPSMap 70) sowie der GIS-Software ArcView 3.2.<br />

3


4 <strong>Bewerbung</strong> <strong>Unterwasser</strong>-Forschungspreis 2004 / 2005<br />

Die Gruppe als Zuhause<br />

Zu den besonders auffälligen<br />

Erscheinungen im Roten Meer<br />

gehören die allgegenwärtigen<br />

Gruppen kleiner Barsche, die in<br />

großen Wolken einzeln stehende<br />

Korallenköpfe in ein prächtiges<br />

Farbenspiel tauchen. Taucher, die<br />

sich einmal einer solchen Gruppe<br />

angenähert haben, kennen die<br />

blitzartige Flucht dieser Fische in<br />

nahegelegene schützende Korallen,<br />

aus denen sie sich langsam<br />

wieder heraustrauen, sobald die<br />

Gefahr vorüber ist. Das Leben in<br />

großen Gruppen bringt den<br />

Fischen vielerlei Vorteile im<br />

Hinblick auf die Abwehr potentieller<br />

Räuber. Welche Auswirkungen das<br />

Gruppenleben auf Aspekte der<br />

Nahrungssuche und Feindvermeidung<br />

hat, wurde im Rahmen<br />

dreier Projekte untersucht.<br />

Die leuchtend orange-roten<br />

Juwelen-Fahnenbarsche (Pseudanthias<br />

squamipinnis) sind eine<br />

der häufigsten Fischarten im<br />

Bereich von Mangrove Bay. Die<br />

Männchen sind größer als die<br />

Weibchen und lassen sich auch<br />

farblich einfach von diesen unterscheiden.<br />

MIRKA WÖRMANN vermutete<br />

daher, dass die<br />

Geschlechter unterschiedlich auf<br />

einen potentiellen Fressfeind<br />

reagieren. Sie untersuchte an<br />

einer Reihe separater Fahnenbarsch-Kolonien,<br />

ob nach einer<br />

Attacke die Männchen oder die<br />

Weibchen als erste wieder die<br />

snapping frequency / min<br />

N =<br />

schützende Koralle verlassen.<br />

Fahnenbarsch-Gruppen gleichen<br />

Harems, in denen wenige<br />

Männchen eine Vielzahl Weibchen<br />

um sich scharen (Abb. 1a).<br />

WÖRMANN konnte zeigen, dass<br />

diese Verteilung nach einer<br />

Attacke durch einen Räuber ganz<br />

anders aussieht: In allen Kolonien<br />

kamen nach einer Attacke die<br />

Männchen häufiger als erste<br />

wieder aus der Koralle heraus als<br />

die Weibchen (Abb. 1b; Gepaarter<br />

t-test t = -14,2, df = 6, P < 0,001).<br />

Unterstützt durch ergänzende<br />

Verhaltensbeobachtungen schloss<br />

WÖRMANN, dass die männlichen<br />

Juwelen-Fahnenbarsche die<br />

Aufgabe übernehmen, nach der<br />

Attacke eines Fressfeindes die<br />

Umgebung der Koralle zu sichern.<br />

Erst später verlassen die<br />

5<br />

morning<br />

(a) Who comes out first?<br />

(b)<br />

N cases<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

Colony number<br />

6<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

**<br />

n.s.<br />

6 7 7 5<br />

afternoon<br />

n.s.<br />

5<br />

evening<br />

male<br />

female<br />

Abb.2: Schnapp-Frequenzen männlicher und weiblicher Juwelen-Fahnenbarsche im<br />

Tagesverlauf. ANOVA F = 4,1, df = 5, P = 0.006. Bonferroni - Post-hoc Test für paarweise<br />

Vergleiche zwischen den Tageszeiten: ** P < 0.01, "n.s." nicht signifikant.<br />

7<br />

Males<br />

Females<br />

Weibchen ebenfalls wieder die<br />

Koralle und setzen ihre<br />

Nahrungsaufnahme fort.<br />

Colony composition<br />

Colony number<br />

Abb. 1: (a) Anzahl männlicher und weiblicher Fahnenbarsche pro Kolonie sowie (b) Anzahl der Fälle in denen das Männchen oder<br />

Weibchen nach einer Attacke als erstes die Koralle verlassen hat.<br />

N individuals<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

1<br />

2<br />

Eine Gruppe von Fahnenbarschen am Erg<br />

Monica. (Nils Anthes)<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

Males<br />

Females


Auf dieser Untersuchung aufbauend<br />

analysierte JULIA BOLTE, ob<br />

es auch im Fressverhalten<br />

Unterschiede zwischen den<br />

Geschlechtern gibt. Als Maß für die<br />

Rate der Nahrungsaufnahme wurden<br />

Schnappfrequenzen einzelner<br />

Fische aufgenommen. Da<br />

basierend auf Voruntersuchungen<br />

tageszeitliche Unterschiede im<br />

Fressverhalten vermutet wurden,<br />

erfolgten die Beobachtungen jeweils<br />

morgens, mittags und abends.<br />

Eine 2-faktorielle ANOVA<br />

bestätigte starke tageszeitliche<br />

Unterschiede in den Schnappfrequenzen,<br />

die morgens deutlich<br />

geringer waren als mittags und<br />

abends (Abb. 2). Dagegen war der<br />

Geschlechtereffekt in dieser<br />

Analyse, vermutlich aufgrund der<br />

geringen Stichprobengrößen pro<br />

Tageszeit, nicht signifikant. Da alle<br />

Aufnahmen an unterschiedlichen<br />

Kolonien erfolgten und pro Kolonie<br />

ein Wert für männliche und weibliche<br />

Schnappfrequenz ermittelt<br />

wurde, konnte die Frage nach<br />

einem Geschlechtereffekt zusätzlich<br />

mittels eines gepaarten ttests<br />

untersucht werden. Hierbei<br />

zeigte sich deutlich, dass innerhalb<br />

einer Gruppe die Schnappfrequenzen<br />

der Männchen höher<br />

waren als die der Weibchen (t =<br />

2,675, df = 16, P = 0,017). Als<br />

Ursache für diesen Effekt vermutet<br />

BOLTE, dass Männchen zum einen<br />

aufgrund ihrer größeren Körpergröße,<br />

zum anderen aufgrund ihrer<br />

Rolle bei der Feindabwehr und der<br />

Sicherung der Gruppe einen<br />

Eine Gruppe “chocolate-dip fish” mit<br />

Fahnenbarschen in der Nähe einer<br />

Feuerkoralle.<br />

KORALLENRIFF-ÖKOLOGIE, Mangrove Bay, Ägypten, September 2004<br />

größeren Energiebedarf haben als<br />

die Weibchen.<br />

Ebenfalls in Korallenriffen weit verbreitet<br />

und unübersehbar sind die<br />

Gruppen schwarz-weißer Chromis<br />

dimidiata ("Chocolate-dip fish"),<br />

die ähnlich den Fahnenbarschen<br />

rund um Korallenköpfe leben und<br />

sich bei Gefahr dort hinein<br />

zurückziehen. ANNA BRUZINSKI<br />

beobachtete hier eine interessante<br />

potentielle Interaktion von C.<br />

dimidiata mit Putzerfischen<br />

(Labroides dimidiatus, siehe<br />

Berichte von Gunnar Husmann<br />

und Jochen Becker). C. dimidiata-<br />

Gruppen in der direkten Nähe von<br />

Putzerstationen schienen weniger<br />

stark und seltener auf die<br />

Anwesenheit eines potentiellen<br />

Räubers zu reagieren als Gruppen<br />

in größerer Distanz zur nächsten<br />

Putzerstation. Als möglichen<br />

Grund vermutete BRUZINSKI, dass<br />

Prädatoren sich meistens nur dann<br />

in der Umgebung einer Putzerstation<br />

aufhalten, wenn sie gesättigt<br />

sind und sich von Parasiten<br />

befreien lassen wollen. In dieser<br />

Situation stellen sie daher eine<br />

geringe Gefahr für C. dimidiata dar.<br />

Im Umkehrschluss würde es C.<br />

dimidiata einen großen Vorteil bringen,<br />

in der Nähe einer Putzerstation<br />

zu leben. In ihrer Untersuchung<br />

konnte BRUZINSKI keinen<br />

klaren Effekt der Nähe zur nächsten<br />

Putzerstation auf das Abwehrverhalten<br />

von C. dimidiata ermitteln.<br />

Allerdings war die Datenaufnahme<br />

dadurch erschwert,<br />

potentielle Prädatoren der C.<br />

dimidiata klar zu definieren und<br />

diese zudem akkurat zu erfassen.<br />

Es erscheint daher weiterhin<br />

lohnenswert, diesen interessanten<br />

Aspekt des Lebens in einer<br />

Gruppe in zukünftigen Studien<br />

näher zu beleuchten.<br />

Gemeinsam stark -<br />

Symbiosen im Korallenriff<br />

Symbiotische Beziehungen zwischen<br />

Lebewesen spielen im marinen<br />

Lebensraum eine große Rolle.<br />

Viele Tiere und Pflanzen haben<br />

sich zu Lebensgemeinschaften<br />

zusammengefunden, von denen<br />

beide Partner profitieren, zum<br />

Beispiel durch die Versorgung mit<br />

Nahrung, durch Schutz oder durch<br />

Tarnung. In Korallenriffen läßt sich<br />

eine Vielzahl symbiotischer<br />

Beziehungen mitunter zwischen<br />

sehr unterschiedlichen Organismen<br />

beobachten. In diesem<br />

Zusammenhang wurden vier<br />

Projekte durchgeführt, die verschiedene<br />

Aspekte von drei klassischen<br />

Beispielen für Symbiosen<br />

näher beleuchten.<br />

Putzerstationen sind wichtige und<br />

oft deutlich erkennbare Stellen des<br />

Riffs, wo sich verschiedenste<br />

Fische durch Putzerfische von<br />

Ektoparasiten, Pilzen oder<br />

Hautschüppchen säubern lassen<br />

können. Viele Fische sind regelmäßige<br />

"Kunden" der Putzerstationen<br />

und besuchen diese<br />

mehrmals am Tag.<br />

Der im Roten Meer und im Indo-<br />

Pazifik weit verbreitete<br />

Putzerfisch Labroides dimidiatus<br />

ist durch seine charakteristische<br />

Zeichnung mit blauen und<br />

schwarzen Lateralstreifen eine<br />

auffällige Erscheinung. Das Blau<br />

der Putzerfische ist als "Cleaner<br />

Blue" bekannt und unterscheidet<br />

sich in seiner Wellenlänge deutlich<br />

von dem Blau andere Fische. Die<br />

Putzerfische signalisieren durch<br />

diese besondere Farbe und durch<br />

ein tanzendes Bewegungsmuster,<br />

dass sie ihren "Kunden" zum<br />

Säubern zur Verfügung stehen und<br />

nicht fälschlicherweise als Beutetier<br />

angesehen werden sollten. Nur<br />

selten werden Putzerstationen von<br />

einem einzelnen Putzerfisch unterhalten<br />

werden: L. dimidiatus lebt<br />

und "arbeitet" sehr oft paarweise<br />

mit einem zweiten Putzerfisch<br />

zusammen an einer Station. Die<br />

beiden Partner säubern meist gleichzeitig<br />

den selben "Kunden" und<br />

arbeiten nur getrennt an verschiedenen<br />

Fischen, wenn ein<br />

besonders großer "Kundenandrang"<br />

an der Putzerstation<br />

herrscht. Aufgrund dieser<br />

Beobachtungen stellte sich JOCHEN<br />

5


6 <strong>Bewerbung</strong> <strong>Unterwasser</strong>-Forschungspreis 2004 / 2005<br />

number of cleaned clients per individual & 20 min<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

N =<br />

BECKER die Frage, ob Putzerstationen<br />

mit Putzerfisch-Paaren<br />

effizienter arbeiten als solche mit<br />

einem einzelnen Putzerfisch, d.h.<br />

ob Teamwork bei diesen Fischen<br />

von Vorteil ist.<br />

Die Untersuchungen zu diesem<br />

Thema wurden an verschiedenen<br />

Putzerstationen am Riff in<br />

Wassertiefen bis 3 m mit<br />

Putzerfischpaaren oder einzelnen<br />

Putzern durchgeführt. BECKER<br />

beobachtete die Stationen morgens,<br />

mittags und abends. Bei<br />

einzeln arbeitenden Putzerfischen<br />

wurde die Anzahl aller "Kunden"<br />

notiert. Bei Putzerfisch-Paaren<br />

wurde zwischen den gemeinsam<br />

und den getrennt gesäuberten<br />

"Kunden" unterschieden, so dass<br />

eine durchschnittliche Anzahl<br />

"Kunden" pro Putzerfisch errechnet<br />

werden konnte. Die Analyse<br />

der Daten ergab keinen signifikanten<br />

Unterschied in der Effizienz der<br />

verschiedenen Stationen (Mann-<br />

Whitney U = 157, n = 37, P = 0,7).<br />

Die einzeln arbeitenden Putzerfische<br />

säuberten in der 20-minütigen<br />

Beobachtungszeit durchschnittlich<br />

22,4 Fische, zu zweit<br />

arbeitende Putzer 23,9 Fische.<br />

BECKER verglich auch die Daten für<br />

die verschiedenen Tageszeiten<br />

und konnte hier signifikante<br />

Unterschiede zeigen. An allen<br />

Putzerstationen herrschte morgens<br />

und abends eine deutlich<br />

6<br />

morning<br />

observation time<br />

n.s.<br />

* **<br />

6 8 7<br />

6<br />

noon<br />

lifestyle<br />

4<br />

evening<br />

single<br />

Abb. 3: Individuelle Putzaktivität von einzelnen und zu zweit arbeitenden Putzerfischen an<br />

den verschiedenen Tageszeiten. 2-way ANOVA, F = 6,987, df = 2, P = 0,003. Bonferroni<br />

post-hoc test paarweiser Unterschiede zwischen den Tageszeiten: n.s. = nicht signifikant;"*"<br />

= P < 0,05; "**"= P < 0,01.<br />

pair<br />

höhere Aktivität als um die<br />

Mittagsstunden (Abb. 3). Hier<br />

zeigten die einzeln lebenden<br />

Putzerfische stärkere Schwankungen<br />

der Aktivität im Tagesverlauf<br />

als die Putzerfisch-Paare.<br />

Weitere Untersuchungen zu den<br />

tageszeitlichen Aktivitätsrhythmen<br />

an Putzerstationen wurden von<br />

Gunnar Husmann durchgeführt<br />

(siehe Abschnitt "Von Frühaufstehern<br />

und Langschläfern:<br />

Tageszeitliche Aktivitätsmuster").<br />

Ein weiteres, bekanntes Beispiel<br />

für eine Symbiose im Korallenriff<br />

ist das Zusammenleben von<br />

Anemonen (Actinaria) und<br />

Anemonenfischen (Gattungen<br />

Amphiprion, Dascyllus und<br />

Premnas). Viele Anemonen tragen<br />

stark nesselnde Nematocysten,<br />

die zum Teil sogar für größere<br />

Fische tödlich sein können.<br />

Anemonenfische der Gattung<br />

Amphiprion sind durch einen<br />

speziellen Schleim auf ihrer<br />

Körperoberfläche immun gegen<br />

das Gift der Anemone. Dascyllus<br />

und Premnas schützen sich vermutlich,<br />

indem eine Substanz ihrer<br />

Hautoberfläche dafür sorgt, dass<br />

die Nematocysten der Anemone<br />

nicht ausgelöst werden. So können<br />

diese kleinen Fische unversehrt im<br />

Innern der schützenden Anemone<br />

leben. Im Gegenzug halten die<br />

Anemonenfische "ihre" Anemone<br />

sauber und verteidigen sie aggres-<br />

siv gegen potenzielle Fressfeinde.<br />

Gelegentlich bewohnen neben den<br />

Anemonenfischen (Amphiprion<br />

bicinctus) auch weitere Fischarten<br />

die selbe Anemone, beispielsweise<br />

Jungtiere von Dascyllus trimaculatus.<br />

VERENA SCHRAMEYER<br />

beobachtete, dass die<br />

Aggressivität der Anemonenfische<br />

gegenüber potenziellen Räubern<br />

scheinbar geringer war, wenn<br />

zusätzlich Dascyllus "ihre"<br />

Anemone bewohnten. Um dies zu<br />

überprüfen, verglich sie die<br />

Reaktion auf potenzielle Räuber<br />

zwischen einer nur von Amphiprion<br />

sowie einer von beiden Arten<br />

bewohnten Anemone. Obwohl zur<br />

Bestätigung eine Untersuchung an<br />

einer wesentlich größeren Zahl<br />

von Anemonen nötig wäre, deutete<br />

sich an, dass die beiden<br />

beobachteten Gruppen durchaus<br />

Unterschiede im Verhalten aufweisen.<br />

Die mit D. trimaculatus<br />

assoziierten Individuen der Art A.<br />

bicinctus attackierten Räuber signifikant<br />

seltener (Mann-Whitney U<br />

= 19,5, n = 20, P = 0,018) als die<br />

nicht mit D. trimaculatus assoziierten<br />

und sie entfernten sich bis<br />

zu 2 m von "ihrer" Anemone. D. trimaculatus<br />

verließ die Anemone in<br />

keinem beobachteten Fall. Bei der<br />

nur durch A. bicinctus bewohnten<br />

Anemone zeigte sich eine<br />

Aufgabenverteilung, wonach das<br />

adulte Männchen die Räuber in<br />

nächster Nähe der Anemone<br />

attackierte und das Weibchen sich<br />

ein Stück weiter entfernte. Im<br />

Hinblick auf die als Räuber<br />

eingestuften Fische attackierten<br />

die mit D. trimaculatus assoziierten<br />

Adulter Amphiprion bicinctus. (Nils Anthes)


Goby Size [cm]<br />

16<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

0<br />

Anemonenfische nur 7 verschiedene<br />

Spezies, während die<br />

nicht mit D. trimaculatus assoziierten<br />

Tiere 16 verschiedene<br />

Spezies von Räubern angriffen.<br />

Diese Ergebnisse bestätigen die<br />

Annahme, dass Anemonenfische<br />

sich in größeren, sogar aus gemischten<br />

Arten bestehenden Gruppen<br />

sicherer fühlen. Sie können ihr<br />

Territorium besser verteidigen,<br />

genießen - wie bei Schwarmfischen<br />

zu beobachten - den<br />

Schutz der Gruppe und greifen<br />

nicht jeden potentiellen Räuber<br />

sofort an. Möglicherweise werden<br />

Räuber durch die verschiedenen<br />

Farben und Muster in einer Gruppe<br />

irritiert und verunsichert.<br />

1<br />

2<br />

3<br />

Abb. 5: Körperlängen Shrimp von Size Partnergrundeln [cm]<br />

und<br />

ihres Pistolenkrebses. Spearman Rang-<br />

Korrelation, rS = 0,939, n = 45, P < 0,001.<br />

4<br />

5<br />

KORALLENRIFF-ÖKOLOGIE, Mangrove Bay, Ägypten, September 2004<br />

6<br />

7<br />

8<br />

Abb. 4. Wächtergrundel<br />

(Cryptocentrus caeruleopunctatus)<br />

mit einem ihrer beiden<br />

assoziierten Pistolenkrebse<br />

(Alpheus ochrostriatus). Das<br />

Bild zeigt zudem das<br />

Maßband das zur<br />

Körperlängenmessung verwendet<br />

wurde. (Susanne<br />

Ranft & Daniela Tonn)<br />

Eine weitere symbiotische<br />

Beziehung, nämlich die der<br />

gepunkteten Wächtergrundel<br />

(Cryptocentrus caeruleopunctatus)<br />

mit dem Pistolenkrebs Alpheus<br />

ochrostriatus wurde von SUSANNE<br />

RANFT und DANIELA TONN näher<br />

betrachtet. Der Fisch und der<br />

Krebs leben gemeinsam in einer<br />

Höhle im Sandgrund, z.B. auf dem<br />

Riffdach. Die Grundel wacht vor<br />

dem Eingang der Höhle und frisst<br />

dort planktonische Nahrungspartikel.<br />

Der Pistolenkrebs gräbt<br />

die Höhle, die weit verzweigt in<br />

den Boden reichen und mehrere<br />

Ausgänge haben kann. Der Krebs<br />

hält die Höhle instand, die auch<br />

dem Fisch Schutz und einen<br />

Brutplatz bietet, und trägt dadurch<br />

seinen Teil zu der Symbiose bei. Er<br />

ist fast blind und wäre ohne die<br />

Grundel Feinden schutzlos ausgeliefert.<br />

So aber kann der Krebs<br />

durch eine seiner langen Antennen<br />

ständig Kontakt zur Grundel am<br />

Höhleneingang halten. Droht<br />

Gefahr, so warnt der Fisch den<br />

Krebs durch Vibrationen der<br />

Schwanzflosse und der Krebs<br />

kann sich in die Höhle<br />

zurückziehen. Bei akuter Gefahr,<br />

z.B. einem Räuber in der Nähe der<br />

Höhle, zieht sich auch die Grundel<br />

blitzartig in die Höhle zurück. Der<br />

Krebs ist bei dieser Symbiose der<br />

wählerische Partner. Er kann nur in<br />

einem bestimmten Sandsubstrat<br />

eine Höhle bauen. Außerdem<br />

muss die assoziierte Grundel von<br />

ihrer Größe her zu dem Krebs und<br />

somit in die gemeinsame Höhle<br />

passen. Daher wählt Alpheus<br />

sowohl den Ort der Höhle als auch<br />

die Partnergrundel aus. SUSANNE<br />

RANFT betrachtete in diesem<br />

Kontext das Größenverhältnis der<br />

beiden Partner. Sie vermutete,<br />

dass beide Tiere in der Größe<br />

zueinander passen müssten. Da<br />

sich Grundel und Krebs vermutlich<br />

schon früh in ihrem Leben assoziieren<br />

und daraufhin auch zusammen<br />

bleiben, sollte sich das vergleichbare<br />

Alter der Partner auch<br />

in ihrer Größe widerspiegeln.<br />

RANFT nummerierte über 40<br />

Grundelhöhlen auf dem Riffdach<br />

und ermittelte mittels eines Maßbandes<br />

die Körperlängen von<br />

Grundel und Krebs (Abb. 4). RANFT<br />

konnte eine deutliche positive<br />

Korrelation der Körpergrößen der<br />

beiden Partner zeigen (Abb. 5).<br />

D.h. größere Fische waren immer<br />

mit größeren Krebsen assoziiert,<br />

wobei der Krebs meistens etwa<br />

halb so groß war wie der Fisch.<br />

Kleinere Fische lebten wiederum<br />

auch mit kleineren Krebsen<br />

zusammen. Hier waren sich die<br />

beiden Partner in der Größe<br />

jedoch oft noch sehr ähnlich. Diese<br />

Ergebnisse unterstützen die<br />

Vermutung, dass sich die beiden<br />

Partner in dieser Symbiose in<br />

einem frühen Stadium ihres<br />

Lebens zusammenfinden und<br />

miteinander "aufwachsen". Als<br />

einen weiteren Aspekt der<br />

Symbiose zwischen Grundel und<br />

Krebs betrachtete DANIELA TONN<br />

das territoriale Verhalten der<br />

Grundeln. Aufgrund von<br />

anfänglichen Beobachtungen auf<br />

dem Riffdach vermutete sie, dass<br />

größere Grundeln einen größeren<br />

Abstand zu ihrem nächsten<br />

Nachbarn haben als kleinere<br />

Grundeln. Dies würde bedeuten,<br />

dass die Fische eine Art Territorium<br />

um ihren Höhleneingang herum für<br />

sich beanspruchen. Um diese<br />

Annahme zu überprüfen, maß<br />

TONN die Abstände der Eingänge<br />

bewohnter Höhlen zu ihren nächsten<br />

Nachbarn aus. Die Analyse<br />

7


8 <strong>Bewerbung</strong> <strong>Unterwasser</strong>-Forschungspreis 2004 / 2005<br />

der Daten zeigte deutlich, dass<br />

keinerlei Korrelation zwischen<br />

Körperlängen der Grundeln und<br />

den Entfernungen ihrer Höhlen zu<br />

den nächsten Nachbarn zu<br />

beobachten war (Spearman test,<br />

2-tailed, rS = 0.193, n = 30, P =<br />

0.308). Offensichtlich zeigen die<br />

Grundeln kein territoriales<br />

Verhalten und der Abstand zu ihren<br />

Nachbarn spielt keine große Rolle.<br />

Von Frühaufstehern und<br />

Langschläfern: Tageszeitliche<br />

Aktivitätsmuster<br />

Im Korallenriff folgt die Aktivität<br />

vieler Organismen einer<br />

tageszeitlichen Rhythmik, so dass<br />

sich insbesondere im Vergleich<br />

zwischen Tag und Nacht oft ganz<br />

unterschiedliche Tierarten beobachten<br />

lassen. Aber auch im<br />

Verlauf eines Tages gibt es -<br />

abhängig auch von Temperatur,<br />

Sonnen- und Wasserstand - bei<br />

vielen Tieren klare Verhaltensmuster<br />

mit Ruhe- und Aktivitätsphasen.<br />

So können sich die<br />

Organismen den Tagesrhythmen<br />

ihrer Umgebung, ihrer Feinde und<br />

ihrer Beute anpassen. Diese<br />

tageszeitlichen Aktivitätsmuster<br />

wurden im Rahmen von zwei<br />

Projekten näher betrachtet.<br />

cleans per minutes<br />

.8<br />

.6<br />

.4<br />

.2<br />

0.0<br />

N =<br />

15 17 17 15 17 17 15 17 17 15 17 17 15 17 17 15 17 17 15 17 17<br />

goatfish<br />

parrotfish<br />

surgeonfish<br />

GUNNAR HUSMANN untersuchte<br />

Putzerfische (Labroides dimidiatus),<br />

die an festen Putzerstationen<br />

andere Fische von Ektoparasiten<br />

(Crustaceen und Plattwürmer),<br />

Pilzen, Schleim und Hautschüppchen<br />

befreien. Viele verschiedene<br />

"Kunden" besuchen im<br />

Verlauf eines Tages diese Putzerstationen<br />

und lassen sich säubern.<br />

Sie tun dies oft mehrfach am Tag<br />

und verbringen einen nicht unerheblichen<br />

Teil des Tages an<br />

Putzerstationen. HUSMANN untersuchte<br />

den Effekt der Tageszeit auf<br />

die Nutzung einer Putzerstation<br />

durch verschiedene Fischgruppen.<br />

Er postulierte, dass der Besuch der<br />

Putzerstation ein fester Bestandteil<br />

der unterschiedlichen Tagesrhythmen<br />

der verschiedenen<br />

Spezies ist und dass die<br />

Putzerfische selbst ebenfalls ein<br />

an die Tagesrhythmen der<br />

"Kunden" angepasstes Aktivitätsmuster<br />

zeigen. Für seine<br />

Beobachtungen wählte HUSMANN<br />

17 Putzerstationen in Wassertiefen<br />

von 0,5 bis 5 m am Riff von<br />

Mangrove Bay aus. Jede Station<br />

wurde im Verlaufe eines Tages<br />

observiert, und zwar früh morgens,<br />

mittags und am späten Nachmittag.<br />

Jeder "Kunde" der Putzerstationen<br />

wurde identifiziert und<br />

gezählt. HUSMANN konnte über 30<br />

verschiedene Spezies an den<br />

Stationen beobachten, vor allem<br />

Abb. 6. Putzfrequenz am Morgen, Mittag und Abend im Vergleich für<br />

acht Fischgruppen. Kruskall-Wallis ANOVA pro Gruppe, df = 2, P für 6<br />

der 8 Gruppen < 0,005 (siehe Text). N = Anzahl der Putzerstationen an<br />

denen die entsprechende Gruppe gesehen wurde.<br />

junker<br />

butterfly/angel<br />

chocolat-dip<br />

others<br />

Clients per minute<br />

2.0<br />

1.5<br />

1.0<br />

.5<br />

0.0<br />

N =<br />

Putzerfisch beim Säubern einer Muräne.<br />

Meerbarben (Parupeneus forskali<br />

u.a.), Falterfische (Chaetodon<br />

spec.), Zweifarbschwalbenschwänze<br />

(Chromis dimidiata),<br />

Papageifische (Scarus niger u.a.),<br />

Lippfische (Thalassoma rueppellii<br />

u.a.) und Doktorfische (Acanthurus<br />

nigrofuscus u.a.). Zur Untersuchung<br />

der gruppenspezifischen<br />

Tagesrhythmik wurden die Arten in<br />

acht Gruppen eingeteilt (Meerbarben,<br />

Papageifische, Doktorfische,<br />

Junker, Falter- & Kaiserfische,Zweifarbschwalbenschwänze<br />

und Andere). Die Anzahl<br />

der Reinigungsvorgänge der verschiedenen<br />

Fischgruppen wurde<br />

pro Minute und aufgeteilt nach den<br />

drei Tageszeiten statistisch ausgewertet.<br />

Diese Analyse ergab,<br />

dass der Besuch der Putzerstation<br />

für fast alle der acht Gruppen, mit<br />

Ausnahme von Falter- & Kaiser-<br />

15<br />

Morning<br />

n.s.<br />

*** ***<br />

Abb. 7. Aktivität von Putzerfischen am Morgen, Mittag und<br />

Abend. One-way ANOVA F =13.84, df = 2,46, P < 0.001.<br />

Bonferroni post-hoc test für paarweise Vergleiche: "n.s.": nicht<br />

signifikant, "***": P < 0.001.<br />

17<br />

Noon<br />

17<br />

Evening


SNAPS PER MINUTE<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

-10<br />

N =<br />

17<br />

fischen und Zweifarbschwalbenschwänzen,<br />

deutlich tageszeitabhängig<br />

ist (Abb. 6). Keine der<br />

Fischgruppen zeigte maximale<br />

Aktivität am Mittag, aber im<br />

Gegensatz zu den morgens sehr<br />

aktiven Papageifischen besuchten<br />

z.B. die Meerbarben und<br />

Doktorfische die Putzerstationen<br />

am häufigsten am frühen Abend.<br />

Entsprechend zeigten auch die<br />

Putzerfische selbst morgens und<br />

abends eine höhere Aktivität als<br />

während der Mittagsstunden (Abb.<br />

7). Dies lässt sich durch die<br />

Tatsache erklären, dass Fische vor<br />

allem während ihrer nächtlichen<br />

Ruhephase von Parasiten befallen<br />

werden können, so dass sie sich<br />

morgens als erstes an einer<br />

KORALLENRIFF-ÖKOLOGIE, Mangrove Bay, Ägypten, September 2004<br />

17 14 14 18 19 15 15 16 14 15<br />

morning<br />

afternoon<br />

evening<br />

Abb. 8: Schnappfrequenzen DAY TIME von vier Pagageifischen zu unterschiedlichen Tageszeiten. Zu<br />

Testergebnissen siehe Text.<br />

Scarus niger scratching algae from dead<br />

coral. (Nils Anthes)<br />

15<br />

SPECIES<br />

S. niger<br />

S. ferrugineus<br />

C. viridescens<br />

S. sordidus<br />

Putzerstation säubern lassen. Am<br />

Mittag entfernen sich viele<br />

Planktonfresser vom Riff und<br />

kehren erst am Nachmittag aus<br />

dem tieferen Wasser zurück, so<br />

dass mittags an den Putzerstationen<br />

wenig Betrieb herrscht.<br />

Gegen Abend kommen manche<br />

Fische vermutlich zu einer letzten<br />

Säuberung vor der Nachtruhe zu<br />

einer Station, außerdem sind<br />

einige herbivore Fische wie die<br />

Doktorfische generell am Nachmittag<br />

aktiver als vormittags. Ein<br />

weiterer Vorteil des abendlichen<br />

Besuchs an der Putzerstation könnte<br />

sein, dass kleinere oder herbivore<br />

Fische dann dort den Kontakt<br />

mit Räubern meiden können, die<br />

eher am Morgen zum Säubern<br />

kommen.<br />

Nicht nur die "Körperpflege", auch<br />

die Nahrungsaufnahme wird bei<br />

vielen Fischarten von tageszeitlichen<br />

Rhythmen bestimmt. JAN<br />

BÜLLESBACH betrachtete in diesem<br />

Kontext die Fressgewohnheiten<br />

von Papageifischen (Scaridae) am<br />

Riff. Diese bunt gefärbten<br />

Pflanzenfresser haben einen vogelartigen<br />

Schnabel, mit dem sie die<br />

auf Korallen wachsenden Algen<br />

abgrasen. Das dabei entstehende<br />

kratzende Geräusch der Schnappbewegung<br />

des Schnabels auf den<br />

Korallen ist unter Wasser deutlich<br />

hörbar. BÜLLESBACH beobachtete<br />

vier verschiedene, gut unterscheidbare<br />

Arten (Scarus niger, S. fer-<br />

rugineus, S. sordidus, Calotomus<br />

viridescens) zu drei Tageszeiten<br />

und notierte jeweils die Anzahl an<br />

Schnappbewegungen der Fische<br />

pro Minute. Aufgrund vorangegangener<br />

Beobachtungen stellte<br />

BÜLLESBACH die Hypothese auf,<br />

dass die Papageifische zu verschiedenen<br />

Tageszeiten unterschiedlich<br />

aktiv sind. Die Untersuchungen<br />

wurden am Riff von<br />

Mangrove Bay in 0,5 bis 5 m<br />

Wassertiefe durchgeführt. BÜLLES-<br />

BACH konnte zeigen, dass sich die<br />

Anzahl der Schnappbewegungen<br />

pro Minute für die vier Arten deutlich<br />

unterscheidet (Two-way<br />

ANOVA, Bonferroni post-hoc test F<br />

= 36,51, df = 3, P < 0,001, Abb. 8).<br />

Des weiteren lässt sich ein signifikanter<br />

Unterschied in der<br />

Anzahl der Schnappbewegungen<br />

pro Minute zwischen den drei<br />

Tageszeiten erkennen (Two-way<br />

ANOVA, F = 39,16, df = 2, P <<br />

0,001). Die Interaktion von Spezies<br />

und Tageszeit zeigte ebenfalls ein<br />

signifikantes Ergebnis (Two-way<br />

ANOVA, F = 2,79, df = 6, P =<br />

0,013), was zeigt, dass die Arten<br />

unterschiedliche Anpassungen<br />

ihres Fressverhaltens an die<br />

Tageszeiten zeigen.<br />

Schön und erfolgreich?<br />

Die Bedeutung von<br />

Schönheit und Symmetrie<br />

für die Partnerwahl<br />

Die Bedeutung von Färbungsmustern<br />

und Symmetrie für die<br />

Partnerwahl bei Tieren ist inzwischen<br />

allgemein berkannt. Bei<br />

Falterfischen (Chaetodon spec.)<br />

jedoch ist bisher ungeklärt, welche<br />

Bedeutung die auffallende<br />

Färbung dieser Tiere hat. HELENE<br />

RICHTER und NADINE PARADOWSKI<br />

stellten sich daher die Frage, ob<br />

ein Zusammenhang bestehen könnte<br />

zwischen der auffälligen<br />

Musterung der Falterfische und<br />

ihrer Chance einen Partner zu finden<br />

und ob unregelmäßig gezeich-<br />

9


10 <strong>Bewerbung</strong> <strong>Unterwasser</strong>-Forschungspreis 2004 / 2005<br />

nete Tiere, die dennoch mit einem<br />

Partner zusammen leben, diesem<br />

ihre regelmäßigere Seite zeigen.<br />

Im Mittelpunkt der durchgeführten<br />

Untersuchungen standen vier<br />

Arten der Familie der Falterfische<br />

(Chaetodontidae): Maskenfalterfisch<br />

(Chaetodon semilarvatus),<br />

Rotmeer-Winkelfalterfisch<br />

(Chaetodon paucifasciatus), Rotmeer-Rippenfalterfisch(Chaetodon<br />

austriacus) und Fähnchenfalterfisch<br />

(Chaetodon auriga). Da<br />

sich die territorial lebenden<br />

Falterfische meist in einem kleinen<br />

Revier in der Nähe ihrer Wirtskoralle<br />

aufhalten, wurde das Riff<br />

von Mangrove Bay zunächst in<br />

acht Teile unterteilt. Durch die<br />

Beobachtung von je einem Teil pro<br />

Tag konnte sichergestellt werden,<br />

dass keine Individuen doppelt<br />

gezählt wurden. Die Datenaufnahme<br />

erfolgte durch direkte<br />

Beschreibung der Musterung jedes<br />

Fisches am Riff und durch die<br />

Auswertung der unter Wasser<br />

aufgenommene Fotos am<br />

Computer. Um die "Schönheit" der<br />

Muster der Fische beurteilen zu<br />

können, wurden zwei Regelmäßigkeitsklassen<br />

("regelmäßig" und<br />

"unregelmäßig") pro Art definiert.<br />

Bei in Paaren lebenden Fischen<br />

wurde zusätzlich für jeden<br />

Einzelfisch die Symmetrie bzw.<br />

Asymmetrie der Musterung erfasst<br />

und außerdem die Orientierung<br />

der Fische zueinander.<br />

HELENE RICHTER konnte zeigen,<br />

dass Masken-Falterfische mit<br />

einem "regelmäßigen" Muster signifikant<br />

häufiger in Paaren leben<br />

als solche, die "unregelmäßig"<br />

gestreift sind (Fisher's Exact Test,<br />

einseitig; N = 61, P < 0,001). Im<br />

Gegensatz dazu war bei den drei<br />

anderen Arten Rotmeer-Winkelfalterfisch,<br />

Rippen-Falterfisch und<br />

Fähnchenfalterfisch, kein<br />

Zusammenhang zwischen der<br />

Regelmäßigkeit der Musterung<br />

und der Lebensweise nachzuweisen<br />

(Fisher's Exact Test, einseitig;<br />

alle P > 0,051).<br />

Fotogalerie<br />

Zeichnungsmuster bei Falterfischen<br />

unregelmäßig regelmäßig<br />

A: Fähnchenfalterfisch Chaetodon auriga<br />

(alle Bilder: Nadine Paradowski & Helene Richter)<br />

B: Maskenfalterfisch Chaetodon semilarvatus<br />

C: Rippenfalterfisch Chaetodon austriacus<br />

D: Winkelfalterfisch Chaetodon paucifasciatus (kein Bild eines unregelmäßigen Tieres<br />

vorhanden).


Anzahl<br />

16<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

Auch NADINE PARADOWSKIs Betrachtungen,<br />

welche Seite asymmetrisch<br />

gestreifte Fische ihrem<br />

Partner zuwenden, brachten zum<br />

Teil signifikante Ergebnisse. Geht<br />

man davon aus, dass visuelle<br />

Reize auch bei diesen Tierarten<br />

eine wesentliche Rolle bei der<br />

Partnerwahl spielen, so bedeutet<br />

dies, dass ein regelmäßigeres<br />

Muster die Chance, einen Partner<br />

zu finden, erhöhen würde. Und tatsächlich<br />

wenden in Paaren<br />

lebende Masken- (Binomial Test;<br />

zweiseitig; N = 16; P = 0.077) und<br />

Fähnchenfalterfische (Binomial<br />

Test; zweiseitig; N = 12; P = 0.006)<br />

mit einem links-rechts asymmetrischen<br />

Muster ihrem Partner<br />

häufiger die regelmäßigere,<br />

schönere Seite zu (vgl. Abb. 9).<br />

KORALLENRIFF-ÖKOLOGIE, Mangrove Bay, Ägypten, September 2004<br />

zeigen die<br />

unregelmäßige<br />

Seite<br />

zeigen die<br />

regelmäßige<br />

Seite<br />

Masken-Falterfisch Rotmeer-<br />

Winkelfalterfisch<br />

Rotmeer-<br />

Rippenfalterfisch<br />

Fähnchen-Falterfisch<br />

Abb. 9: Anzahl der Paare mit asymmetrischen Individuen für die Arten C. semilarvatus, C.<br />

paucifasciatus, C. austriacus und C. auriga, in denen die Individuen die regelmäßige bzw.<br />

die unregelmäßige Seite zeigen.<br />

Die vorliegenden Daten zeigen,<br />

dass der Zusammenhang zwischen<br />

"Schönheit" und Partnerchancen<br />

bei Falterfischen ein<br />

artabhängiges Phänomen ist. Dies<br />

wiederum scheint in sofern einleuchtend,<br />

als dass auch nur bei<br />

den Masken-Falterfischen eine auf<br />

den ersten Blick enge Partnerbindung<br />

zu beobachten ist. Es ist<br />

auffällig, dass in Paaren lebende<br />

Masken-Falterfische stets in derselben<br />

Position zueinander<br />

schwimmen und sich selten aus<br />

der Sichtweite des Partners entfernen.<br />

Dies lässt sich für andere<br />

Falterfisch-Arten nicht in dem<br />

Maße beobachten. Ebenfalls zu<br />

berücksichtigen ist die Zusammensetzung<br />

der Paare. In sieben von<br />

insgesamt elf beobachteten Fällen<br />

hatte ein im Paar lebender<br />

"unregelmäßig" gemusterter<br />

Abb. 10. Abundanzen von Stylophora pistillata and Pocillopora damicornis Kolonien auf 4<br />

m² an der Buchtöffnung (sea side), im mittleren (jetty area) und im inneren Buchbereich.<br />

11<br />

Masken-Falterfisch dennoch eine<br />

"regelmäßige" Seite ohne Fehler,<br />

die ihm bei der Partnerwahl erhebliche<br />

Vorteile verschaffen kann.<br />

Ein solcher Fisch könnte demnach<br />

ebenso hohe Partnerchancen<br />

haben wie einer, der auf beiden<br />

Seiten "regelmäßig" gestreift ist,<br />

da er seinem Partner ausschließlich<br />

die schöne Seite präsentieren<br />

kann.<br />

Sich aus dem Weg gehen:<br />

Konfliktvermeidung im Riff<br />

Korallenriffe gehören zu den artenreichsten<br />

Lebensräumen der Erde.<br />

Entsprechend wichtig ist es für<br />

Bewohner dieses Ökosystems,<br />

effektive Strategien zur<br />

Vermeidung von Konflikten zu<br />

entwickeln. Konflikte entstehen<br />

immer dann, wenn entweder<br />

Mitglieder ein und der selben Art<br />

oder aber Vertreter verschiedener<br />

Arten um die selbe, nur eingeschränkt<br />

verfügbare Ressource<br />

konkurrieren. Naheliegend sind<br />

beispielsweise Konflikte um<br />

knappe Nahrungsressourcen,<br />

jedoch entstehen Konkurrenzkämpfe<br />

ebenso häufig um<br />

"Ressourcen" wie Wohnhöhlen,<br />

Balzplätze oder Paarungspartner.<br />

Im Rahmen mehrerer Projekte<br />

wurde Konfliktvermeidung zwischen<br />

verschiedenen Riffbewohnern<br />

studiert.<br />

Am zwei häufigen, riffbildenden<br />

Korallen, Stylophora pistillata und<br />

Pocillopora damicornis, untersuchte<br />

ALEXANDER KARLSHOFER,<br />

inwieweit Umweltbedingungen wie<br />

Strömung und Trübung im Wasser<br />

die Wachstumskonkurrenz zwischen<br />

beiden Arten beeinflussen.<br />

Dazu wurde die Verbreitung der<br />

beiden Arten entlang eines<br />

Umweltgradienten von der windund<br />

strömungsexponierten Öffnung<br />

von Mangrove Bay bis in den<br />

stark geschützten, flachen inneren<br />

Bereich der Bucht untersucht. Im<br />

Bereich der Buchtöffnung<br />

dominierte keine der beiden<br />

Korallenarten. Dagegen überwog<br />

Stylophora im mittleren Bereich


12 <strong>Bewerbung</strong> <strong>Unterwasser</strong>-Forschungspreis 2004 / 2005<br />

Abb. 11. Wurmschnecke Dendropoma<br />

maxima in einer Feuerkoralle Millepora<br />

dichotoma. (Nils Anthes)<br />

der Bucht, während Pocillopora im<br />

inneren Bereich die höchste<br />

Deckung aufwies (Abb. 10).<br />

Obwohl es im Rahmen der<br />

Untersuchung nicht möglich war,<br />

den Einfluss einzelner Umweltvariablen<br />

direkt zu testen, deutet<br />

die Verteilung der Arten auf eine<br />

Konkurrenzvermeidung in<br />

Abhängigkeit von der Nahrungsverfügbarkeit<br />

und den Lichtverhältnissen<br />

hin. Im äußeren<br />

Bereich der Bucht wird ständig<br />

frisches, nährstoffreiches Wasser<br />

mit einem sehr geringen Trübungsgrad<br />

zugeführt. Hier sind die<br />

Lebensbedingungen für beide<br />

Arten vermutlich optimal und in der<br />

Konkurrenz um Wuchsplätze kann<br />

sich keine Art dauerhaft durchsetzen.<br />

Im mittleren Bereich der Bucht<br />

ist die Frischwasserzufuhr vermut-<br />

Net Retraction Frequency (hauls per h)<br />

3,0<br />

2,5<br />

2,0<br />

1,5<br />

1,0<br />

,5<br />

0,0<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

10<br />

Distance to Nearest Neighbour (cm)<br />

5<br />

Abb. 12. Netzeinzugsraten und Distanzn zum nächsten Nachbarn<br />

(logarithmisch) bei Wurmschnecken (log scale). Spearman<br />

Rangkorrelation, rS = -0.555, n = 20, P = 0.011.<br />

20<br />

30<br />

lich deutlich geringer, die Trübung<br />

des Wassers jedoch ebenfalls<br />

noch recht gering. Unter diesen<br />

etwas limitierten Bedingungen<br />

scheint Stylophora erfolgreicher zu<br />

sein. Im inneren Buchtbereich<br />

dagegen erlauben die starke<br />

Erwärmung des Wassers, die limitierte<br />

Frischwasserzufuhr und eine<br />

starke Trübung nur noch vermindertes<br />

Korallenwachstum.<br />

Pocillopora scheint unter diesen<br />

Bedingungen am besten zurecht<br />

zu kommen, und verdrängt hier die<br />

vermutlich anspruchsvollere<br />

Stylophora.<br />

TIMO SCHÜRG untersuchte die<br />

Nahrungskonkurrenz innerhalb<br />

einer Art am Beispiel der<br />

Wurmschnecke Dedropoma maxima<br />

(Abb. 11). Diese sessile Art,<br />

die Kalkabscheidungen von<br />

Korallen zum Bau einer<br />

"Wohnröhre" nutzt, zeichnet sich<br />

durch ihren faszinierenden<br />

Nahrungserwerb aus. In regelmäßigen<br />

Abständen scheiden die<br />

Wurmschnecken ein klebriges<br />

Schleimnetz aus, das kleine<br />

Planktonpartikel aus dem Wasser<br />

filtert. Nach einer Weile holen die<br />

Schnecken das Netz ein, um die<br />

Nahrung aufzunehmen. Danach<br />

wird ein neues Netz synthetisiert<br />

und erneut ausgeworfen. Da sich<br />

die Netze benachbart lebender<br />

Wurmschnecken oft überlappen,<br />

40<br />

50<br />

100<br />

200<br />

Distance to Nearest Neighbour (cm)<br />

200<br />

100<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

besteht hier eine interessante<br />

Konkurrenzsituation: Die<br />

Schnecke, die zuerst ihr Netz<br />

einzieht, kann zumindest teilweise<br />

das Netz des Nachbarn erobern<br />

und gewinnt dadurch sowohl<br />

zusätzliche Nahrung als auch<br />

zusätzliches Baumaterial für die<br />

Regeneration ihres Schleimnetzes.<br />

Durch die Untersuchung<br />

des Fangverhaltens der Wurmschnecken,<br />

die in unterschiedlicher<br />

Distanz zu ihrem nächsten<br />

Nachbarn leben, konnte SCHÜRG<br />

zeigen, dass tatsächlich eng<br />

nebeneinander lebende Nachbarn<br />

ihre Fangnetze häufiger einholen<br />

als Schnecken, die keinen direkten<br />

Konkurrenten haben (Abb. 12).<br />

Dies bestätigt die Annahme, dass<br />

10<br />

Diameter of Operculum (mm)<br />

Ophiocoma scolopendrina ist ein häufiger<br />

Bewohner kleiner Spalten des Riffdachs.<br />

(Sebastian Hering)<br />

Abb. 13. Distanz zum nächsten Nachbar und Durchmesser des<br />

Operculums (Körpergröüe) bei Wurmschnecken. Spearman<br />

Rangkorrelation, rS = 0.409, n = 127, P < 0.001.<br />

20<br />

30


Number of areas<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

hier tatsächlich eine intraspezifische<br />

Konkurrenzsituation<br />

besteht. Zudem waren solitär<br />

lebende Wurmschnecken in der<br />

Regel größer als solche, die in<br />

Gruppen lebten (Abb. 13). Sehr<br />

wahrscheinlich ist dies darauf<br />

zurückzuführen, dass solitär<br />

lebende Schnecken einen geringeren<br />

Nahrungskonkurrenzdruck<br />

haben als in Gruppen lebende und<br />

daher ihre Wachstumsrate höher<br />

ist.<br />

Schlangensterne (Ophiocoma<br />

scolopendrina) bewohnen in hoher<br />

Dichte kleine Spalten und<br />

Höhlungen auf dem Riffdach von<br />

Mangrove Bay. Oftmals findet man<br />

Dutzende von Individuen auf<br />

einem einzigen Quadratmeter, wo<br />

sie sich bei Flut in ihrer Wohnhöhle<br />

verkriechen, bei Ebbe dagegen mit<br />

ihrem Armen Nahrungspartikel von<br />

der Wasseroberfläche absammeln.<br />

Allein die hohe Dichte und die<br />

begrenzte Verfügbarkeit an<br />

Wohnhöhlen legt nahe, dass<br />

Individuen dieser Art einem<br />

starken Konkurrenzdruck ausgesetzt<br />

sind. In ihren Untersuchungen<br />

erwarteten MARIAN SIEGERT<br />

und SEBASTIAN HERING zum einen,<br />

dass Schlangensterne ihre Wohnhöhle<br />

gegen Eindringlinge verteidigen,<br />

zum anderen dass die Tiere<br />

sehr sesshaft sind und "freie<br />

Wohnungen" nur langsam von<br />

umherstreifenden Einzeltieren<br />

besiedelt werden.<br />

KORALLENRIFF-ÖKOLOGIE, Mangrove Bay, Ägypten, September 2004<br />

1<br />

2<br />

Day<br />

3<br />

reoccupied<br />

empty<br />

Abb. 14: Verteilung<br />

freier und wiederbesiedelter<br />

Habitate bei<br />

Schlangensternen (X 2<br />

-test: X 2<br />

= 7.498, df =<br />

2, P = 0.022).<br />

Tatsächlich hatten Eindringlinge<br />

keine Erfolgschancen, einen<br />

Schlangenstern aus seiner<br />

Wohnhöhle zu vertreiben, wenn<br />

eine solche Konfliktsituation künstlich<br />

herbeigeführt wurde (43<br />

Fälle). Dabei konnten drei typische<br />

Verhaltensmuster definiert werden,<br />

mit denen Schlangensterne ihre<br />

Höhle verteidigen: (i) Wegschieben,<br />

(ii) Blockieren sowie (iii)<br />

Aushebeln des Eindringlings,<br />

wobei mehrere dieser Verhaltensweisen<br />

aufeinander folgen konnten.<br />

Die Tatsache, dass die<br />

Eindringlinge sich in den meisten<br />

Fällen bereits nach dem ersten<br />

Körperkontakt ohne weitere<br />

Aggression entfernten, deutet stark<br />

darauf hin, dass unter natürlichen<br />

Bedingungen kaum Angriffe auf die<br />

Wohnhöhle anderer Tiere erfolgen.<br />

Zur Frage der Sesshaftigkeit von<br />

Schlangensternen wurden auf 36<br />

Quadratmeterplots alle Schlangensterne<br />

abgesammelt und in weiter<br />

entfernten Bereichen des Riffdachs<br />

wieder ausgesetzt. Über<br />

drei darauffolgende Tage wurde<br />

Markierter Seeigel. (Nils Anthes)<br />

13<br />

kontrolliert, welche der Flächen<br />

erneut von Schlangensternen<br />

besiedelt waren. 13 der Flächen<br />

waren bereits am Folgetag wieder<br />

besiedelt, und der Anteil besiedelter<br />

Flächen stieg sukzessive an<br />

(Abb. 14). Dies lässt den Schluss<br />

zu, dass Schlangensterne zwar<br />

nur recht langsam, aber doch<br />

schneller und erfolgreicher als<br />

erwartet freie Riffdach-Bereiche<br />

besiedeln. Möglicherweise gibt es<br />

zwei Dispersions-Strategien in<br />

einer Schlangenstern-Population:<br />

Residente Tiere, die kaum oder gar<br />

nicht umherstreifen und ihre Höhle<br />

verteidigen, sowie einen gewissen<br />

Anteil an "Floatern" die ständig auf<br />

der Suche nach günstigeren<br />

Wohnhöhlen und Nahrungsplätzen<br />

über das Riffdach wandern. Dies<br />

müsste in zukünftigen Untersuchungen<br />

näher analysiert werden.<br />

In vergleichbar hohen Dichten wie<br />

die Schlangensterne besiedeln<br />

Seeigel das Riffdach rund um<br />

Mangrove Bay. Im Gegensatz zu<br />

den Schlangensternen verlassen<br />

die Seeigel jedoch während der<br />

Nacht für die Nahrungssuche ihren<br />

Unterschlupf. Dabei legen sie zum<br />

Teil beachtliche Distanzen zurück,<br />

um Algen von umliegenden toten<br />

Korallenstöcken abzugrasen. Im<br />

Rahmen ihres Projektes untersuchte<br />

SOPHIE JAQUIER, wie<br />

regelmäßig Seeigel (Echinometra<br />

mathaei) einen einmal gewählten<br />

Unterschlupf in Folgetagen aufsuchen<br />

und welche Hinweise auf<br />

die Qualität eines Unterschlupfes<br />

sich daraus ergeben. Dazu wurden<br />

Seeigel mit kleinen farbigen<br />

Plastikröhrchen markiert, welche<br />

auf die Stachel gesteckt werden<br />

konnten, ohne den Seeigel zu beeinflussen.<br />

Da viele Seeigel vermutlich<br />

bereits während der ersten<br />

Nacht ihr Röhrchen verloren, konnten<br />

zur Rückkehrrate der Seeigel<br />

leider keine allzu verlässlichen<br />

Daten gesammelt werden.<br />

Immerhin 7 von 46 markierten<br />

Tieren konnten im Schnitt an 3<br />

aufeinanderfolgen Tagen am selben<br />

Ort beobachtet werden.<br />

Zudem deutete sich an, dass Tiere,


14 <strong>Bewerbung</strong> <strong>Unterwasser</strong>-Forschungspreis 2004 / 2005<br />

Sum show aggressive behaviour<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

C. signatus C. latens<br />

Species<br />

Abb. 15: Häufigkeit aggressiven<br />

Verhaltens bei Clibanarius signatus und<br />

Calcinus latens.<br />

die sich bei der Erstbeobachtung in<br />

einem Unterschlupf befanden, der<br />

überdurchschnittlich hohe<br />

Deckung ermöglichte, eine höhere<br />

Rückkehrrate zeigen als Tiere in<br />

unterdurchschnittlich gut deckenden<br />

Unterschlupfen. Möglicherweise<br />

deutet sich hier ein Effekt<br />

der Qualität einer Höhlung auf das<br />

Verhalten der Seeigel an.<br />

Geradezu ein klassisches Beispiel<br />

für Konkurrenz um Wohnraum sind<br />

schließlich Einsiedlerkrebse, die<br />

sich, ganz im Gegensatz zu den<br />

Schlangensternen, regelrecht um<br />

fremde Schneckenhäuser prügeln.<br />

Das Riffdach in Mangrove Bay wird<br />

in hoher Dichte von zwei<br />

Einsiedlerkrebs-Arten bewohnt:<br />

hermit<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

7<br />

origin: ocean<br />

no few middle<br />

greenal<br />

Abb. 16: Dichte von C. signatus in Abhängigkeit von der<br />

Häufigkeitsklasse von Grünalgen.<br />

28<br />

Clibanarius signatus und Calcinus<br />

latens. In ersten Beobachtungen<br />

erschien C. signatus deutlich aktiver<br />

und aggressiver als C. latens.<br />

Daher untersuchte NADINE<br />

TIMMERMEYER, ob die kleinere Art C.<br />

signatus im direkten Vergleich tatsächlich<br />

konkurrenzkräftiger ist als<br />

C. latens. In einem experimentellen<br />

Ansatz wurden gleich<br />

große Individuen beider Arten in<br />

einer kleinen Schale zusammengesetzt.<br />

Dabei zeigte C. signatus<br />

tatsächlich signifikant häufiger<br />

aggressives Verhalten gegenüber<br />

C. latens als umgekehrt (Abb. 15).<br />

Eine mögliche Ursache für diesen<br />

Unterschied wurde von MARIANNE<br />

KAISER aufgedeckt. C. signatus<br />

und C. latens besiedeln zwei räumlich<br />

getrennte Bereiche des<br />

Riffdachs von Mangrove Bay.<br />

Voruntersuchungen legten dabei<br />

nahe, dass die Verfügbarkeit an<br />

Algen, einer Hauptnahrungsquelle<br />

beider Arten, an beiden Standorten<br />

unterschiedlich war, und die<br />

aggressivere Art C. signatus die<br />

Bereiche mit geringerem<br />

Nahrungsangebot (Seeseite)<br />

besiedelt. Dies könnte eine<br />

Ursache für ihr konkurrenzstärkeres<br />

Verhalten sein. KAISER verglich<br />

die Verfügbarkeit an Algen<br />

zwischen beiden Riffdach-<br />

Bereichen in replikaten Quadratmeter-Plots<br />

und analysierte,<br />

hermit<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

60<br />

inwieweit die Dichte an Einsiedlerkrebsen<br />

mit der Verfügbarkeit an<br />

Algen korreliert ist. Wie erwartet<br />

war die Algendichte auf der von C.<br />

latens besiedelten Buchtseite signifikant<br />

höher als auf der Seeseite.<br />

Für jede Art wurde zudem separat<br />

analysiert, ob sich Bereiche mit<br />

höherer Algendichte auch durch<br />

eine höhere Dichte an Einsiedlerkrebsen<br />

auszeichneten. Aufgrund<br />

der geringen Stichprobengrößen<br />

konnten diesbezüglich keine<br />

endgültigen Schlüsse gezogen<br />

werden, jedoch deutet sich für<br />

beide Arten an, dass Bereiche mit<br />

zumindest geringer bis mittlerer<br />

Algendichte solchen ohne Algen<br />

vorgezogen werden (Abb. 16, 17).<br />

Die Tatsache, dass die Dichte an<br />

Einsiedlerkrebsen in beiden<br />

Riffdach-Bereichen mit der Dichte<br />

weiterer Riffbewohner<br />

(Schnecken, Echinodermaten, etc)<br />

korrelierte (Spearman Rangkorrelation,<br />

beide P < 0,05), deutet<br />

darauf hin, dass die Bereiche mit<br />

höherer Algendichte durch die<br />

generell geeigneten Umweltbedingungen<br />

von einer ganzen<br />

Reihe von Arten bevorzugt werden.<br />

Offensichtlich ist hier eine<br />

interspezifische Konkurrenz, z.B.<br />

ein Ausschluss algenfressender<br />

Schnecken zugunsten der<br />

Einsiedlerkrebse, zumindest nicht<br />

stark ausgeprägt.<br />

origin: bay<br />

36<br />

no few middle much<br />

greenal<br />

Abb. 17:Dichte von C. latens in Abhängigkeit von der<br />

Häufigkeitsklasse von Grünalgen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!