Dokument 1.pdf - Opus
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körner post<br />
Interview<br />
dezember 2007 / januar 2008<br />
„Sprich mit uns“<br />
Simone Schmidt und Ingo Fried<br />
Bei dem Projekt SoundCorner haben Simone<br />
Schmidt / Zebraphon und Ingo Fried / berliner<br />
hörspiele Klänge aus dem Kiez gesammelt.<br />
Der SoundCorner Körnerkiez ist eine<br />
Audiokarte im Internet, wo man sich<br />
unterschiedliche Stimmen aus dem<br />
Kiez anhören kann. Wie ist das Projekt<br />
zustande gekommen?<br />
Simone Schmidt: Unser erstes gemeinsames<br />
Projekt war ein Audioguide für das<br />
Internet für 48 Stunden Neukölln. Ich habe<br />
vor zwei Jahren Zebraphon entwickelt. Das<br />
ist ein interaktives Kommunikationsinstrument<br />
für das Internet. Audiobeiträge von<br />
Vor-Ort-Ereignissen werden mit einem<br />
spielerischen Interface ins Web gestreamt.<br />
Audio funktioniert ganz anders als Video.<br />
Wenn man spricht, spricht man immer mit<br />
jemandem, viel stärker als bei jedem anderen<br />
Medium. Nur Cracks wie PR-Leute stellen<br />
sich hin und sprechen alleine. Das hat unser<br />
Projekt inhaltlich sehr beeinflusst. Wir gehen<br />
zu den Leuten hin und geben ihnen einen<br />
Anlass: Sprich mit uns, wir nehmen dich auf,<br />
wir unterhalten uns jetzt. Wir machen ein<br />
Angebot, wir geben euch Platz, ihr könnt das<br />
entscheidend mitgestalten. Dann setzen wir<br />
das redaktionell und technisch um.<br />
Ingo Fried: Ich habe ein Tonstudio und<br />
habe mich auf Sprachaufnahmen und die<br />
Produktion von Hörbüchern spezialisiert.<br />
Unser ursprünglicher Gedanke beim Sound-<br />
Corner Körnerkiez war, dass wir dem Kiez<br />
dazu verhelfen, sich selbst vorzustellen.<br />
Bei eurem Projekt wurden Bewohner<br />
eingeladen, ihren eigenen typischen<br />
10<br />
Foto: C. Mattern „Körnerklang“ beizusteuern.<br />
Was für<br />
Klänge ...<br />
(Ein Flugzeug startet,<br />
alle lachen.)<br />
...habt ihr sammeln<br />
können?<br />
Schmidt: Das hier<br />
ist z.B. ein typischer<br />
Körnerklang. Wir<br />
sitzen hier, ein Flugzeug<br />
fliegt rüber. Hier<br />
(im kunstraum t27,<br />
Anm. d. Red.) haben<br />
wir zum Beispiel die<br />
Türklingel aufgenommen,<br />
das Gehen<br />
durch den Raum.<br />
Man hat so kleine<br />
Zwiebelschalen: die Außengeräusche wie<br />
Flugzeuge oder Feuerwehr zur Orientierung,<br />
dann geht man in einen Raum rein, dort gibt<br />
es andere Geräusche. Im Café Macher haben<br />
wir beispielsweise die Kaffeemaschine und<br />
die Kasse aufgenommen. Wir haben natürlich<br />
gezielt nach Geräuschen geschaut.<br />
Bei der Audiokarte gibt es aber auch Stationen,<br />
wo die Leute nur erzählen?<br />
Fried: Die haben wir an Originalschauplätzen<br />
mit Originalklängen aufgenommen. In<br />
der Schlosserei hört man z.B. die ganze Zeit<br />
ein anderes Brummen im Hintergrund als im<br />
Stattknast. Im Boom klingt es auch wieder<br />
anders.<br />
Die Kunstaktionen tragen den Titel<br />
„Kunst = Identität“. Wie ist das bei<br />
eurem Projekt zu verstehen?<br />
Fried: Wir haben uns gefragt, wie Identität<br />
klingt. Ich sehe das so, dass wir dann versucht<br />
haben, eine Kunstform zu kreieren,<br />
die eine gewisse Identität oder einen gewissen<br />
Charakter von dem Kiez darstellt.<br />
Schmidt: Wenn man mit Mikrophonen, die<br />
z.B. im Bundestag benutzt werden, einen<br />
Bürger interviewt, bekommt das eine andere<br />
Bedeutung.<br />
Zebraphon ist eine Art akustischer Spiegel<br />
oder Kamera. Wir haben die Intensität im<br />
Vergleich zum 48-Stunden-Projekt technisch,<br />
akustisch, visuell und redaktionell im<br />
Webinterface erheblich weiterentwickelt.<br />
Dadurch sind wir näher rangekommen, das<br />
könnte mit Identität was zu tun haben.<br />
Was wolltet ihr mit eurem Projekt erreichen?<br />
Fried: Wir wollten den Menschen, die sich<br />
dafür interessieren und genügend Zeit mitbringen,<br />
den Kiez zeigen. Für unsere Website<br />
braucht man vor allem Zeit, das ist keine<br />
schnelle Nummer, wo man mal eben draufdrückt.<br />
Schmidt: Bei Ausstellungseröffnung haben<br />
die Leute erst mal ihren Beitrag auf der<br />
Audiokarte gesucht. Sie können darauf<br />
zeigen und sagen, das ist meine Bäckerei<br />
oder meine Werkstatt, hier spreche ich, das<br />
ist ja auch so ein Identitätsaspekt. Was ganz<br />
gut geklappt hat, sind diese verschiedenen<br />
Sprachebenen nebeneinander: Menschen,<br />
die wissenschaftlich sprechen neben Berliner<br />
Urgesteinen, das Lalülala von der Feuerwehr<br />
neben dem klassischen Gesang. Das<br />
sind starke Gegensätze, bei denen man beim<br />
Draufklicken auch Überraschungen erlebt.<br />
Die Vielfalt ist sehr groß.<br />
Man könnte ja sagen, dass viele Menschen,<br />
die hier leben, mit existentiellen<br />
Problemen zu kämpfen und deshalb<br />
keine Zeit oder kein Interesse für Kunst<br />
haben. Wie habt ihr das erlebt?<br />
Fried: Was ich unterwegs mitgekriegt habe,<br />
ist, dass der Kiez sehr lebendig ist, dass viel<br />
passiert und die Leute eine gewisse Wichtigkeit<br />
haben in den Dingen, die sie tun und<br />
sehen. Ich hatte das Gefühl, dass viele hier<br />
gut verortet sind, weil sie spüren, hier kann<br />
noch viel passieren und sie sind dabei.<br />
Schmidt: Es gibt ja viele Kitas, Initiativen<br />
und Projekte, denen wir einen Platz bieten<br />
wollten. Sie haben natürlich auch ein Interesse,<br />
sich darzustellen. Da ging es dann gar<br />
nicht so sehr um Kunst, sondern um unser<br />
Projekt als Plattform, um sich darzustellen.<br />
Die Sache mit dem Problemkiez ist als Inhalt<br />
mal aufgetreten, wenn wir mit den Leuten<br />
gesprochen haben. Hier gibt es wie überhaupt<br />
in Neukölln einen rasanten Zuzug von<br />
Künstlern.<br />
Fried: Hier passiert was und hier ist auch<br />
was möglich, was passieren kann. Das ist<br />
auch das Credo von vielen Leuten hier.<br />
Das Gespräch führte Claudia Mattern<br />
Die lokale Audiokarte vom Körnerkiez<br />
findet man unter http://www.soundcorner-koernerkiez.de.<br />
Beiträge von<br />
Anwohnern und Gewerbetreibenden<br />
sind weiterhin sehr erwünscht.