28 <strong>Daimler</strong> 360 GRAD – <strong>Magazin</strong> <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2009</strong> [Herbert Kohler, Leiter der Direktion E-Drive & Future Mobility in der Konzernforschung und Vorentwicklung sowie <strong>Daimler</strong>-Umweltbevollmächtigter.]
Interview Dirk Maxeiner Fotografi e Barbara von Woellwarth Interview mit Herbert Kohler … Leiter der Direktion E-Drive & Future Mobility in der Konzernforschung und Vorentwicklung sowie <strong>Daimler</strong>-Umweltbevollmächtigter. ——— Herr Kohler, in den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen von <strong>Daimler</strong> spürt man trotz ökonomisch schwieriger Zeiten Aufbruchstimmung … Wer sollte optimistisch in die Zukunft blicken, wenn nicht wir? Wir arbeiten an allen Themen, die prägend für die Zukunft des Automobils sind. Stichwort Verbrauch, Emissionen, Nach haltigkeit. Die Mitarbeiter sehen ein fach, dass sie damit am Pulsschlag der Zeit sind, und entsprechend motiviert suchen sie nach Lösungen. Es ist schön zu sehen, wie beispielsweise ältere Kollegen, die mit der Batterieforschung groß geworden sind, plötz lich ihren dritten Frühling erleben und im Rampenlicht stehen und wir auf ihre teilweise bis zu 25-jährige Erfahrung bauen. ——— So ähnlich ist es ja wohl auch mit dem smart. Es gab ja in der Vergangenheit durchaus Bestrebungen, dieses Auto früh zu verrenten … Wenn wir den smart nicht hätten, dann müssten wir ihn neu erfi nden. Ich erinnere mich gut daran, wie das Fahrzeug am Anfang seiner Karriere in der Kritik stand – auch im eigenen Unternehmen. Wir mussten uns ständig rechtfer tigen, warum wir den angeblichen Laden hüter im Programm behielten. So ändern sich die Zeiten. Heute ist das Auto so aktuell wie nie. ——— Insbesondere mit einem Elektroantrieb? Sein Konzept ist besonders geeignet, um innovative Antriebe zu integrieren, ge nau wie die A- und B-Klasse auch. Der smart wurde ja – vielleicht etwas zu früh vor zehn Jahren – genau für solche Antriebe konzipiert. Während andere Unternehmen überhaupt erst anfangen entsprechende Designs zu entwerfen, sind wir damit längst am Markt. Davon profi tieren wir im Moment. Wir können mit der Sandwichbauweise im smart, aber auch in der A-Klasse und B-Klasse Elektrofahrzeuge realisieren, ganz gleich ob mit Batterie oder Brennstoffzelle, ohne irgendwelche Einschränkungen im Innenraum. Und die Evolution des elektrischen smart geht weiter. ——— Wie sind die Erfahrungen in London beim Großversuch mit dem smart elec tric drive? Überraschend positiv. Ob wohl wir den smart fortwo electric drive (smart ed) der ersten Generation einsetzen, also mit etwa 100 Kilometer Reichweite, gibt es in der Praxis so gut wie keine „Versagens angst“, also Bedenken, irgendwo mit lee rer Batterie liegen zu bleiben. Ganz im Ge gen teil: Es überwiegt der Spaß, mit diesem laut losen und auch fl otten Auto sehr munter im Verkehr mitzuschwimmen. Das hat uns motiviert, in Berlin und anderen Städten die nächsten Schritte zu gehen. ——— Werden die Grenzen eigentlich derzeit mehr von der Fahrzeugtechnik gesetzt oder von der Infrastruktur? Einerseits gibt es natürlich eine technische Beschränkung, von der Ladekapazität der Batterien her. Andererseits bestimmt den Erfolg eines solchen Projektes natürlich das Vorhandensein einer Infrastruktur. Das darf nicht zu einem Henne-Ei-Problem werden, indem der eine immer auf den anderen wartet. Die Fahrzeugkonzepte sind so erwachsen geworden, dass die Infrastruktur jetzt nachziehen muss. Die Stromversorger machen für Batteriefahrzeuge bereits erste Versuche. Wir sehen jetzt gespannt den angekündigten Schritten der Mineralölkonzerne entgegen, für die Brennstoffzellenfahrzeuge eine Wasserstoffi nfrastruktur anzubieten. ——— Wie soll denn so eine Elektroinfrastruktur aussehen? Ich denke es ist un - realistisch, dass jedermann sein Auto einfach an der heimischen Steckdose aufl ädt. Oder wollen wir aus der Hochhauswohnung DAS E-HEFT Elektrizität – rEvolution „Die Evolution geht weiter.“ eine Kabeltrommel herunterlassen? So geht das nicht. Eine Infrastruktur muss fl ächendeckend sein, sie muss im Sinne einer kürzeren Ladezeit über die normale 220-Volt-Steckdose hinausgehen. Das ganze muss außerdem sicher zu handhaben, gegen Vandalismus und Stromdiebstahl geschützt sein. Auch muss ein intelligentes Abrechnungssystem integriert werden, das verschiedene Tarife berücksichtigt. ——— Und beim Wasserstoff? Im Ruhrgebiet werden schon Millionen von Kubikmetern Wasserstoff über ein Pipelinesystem an industrielle Kunden verteilt. Das funktioniert ja heute schon. 95 Prozent des Wasserstoffs, der heute industriell angeboten wird, wird aus Erdgas hergestellt. Wenn wir auf Basis dieses Verfahrens eine Energiegesamtbilanz von der Quelle zum Rad am Fahrzeug machen, dann liegen wir mit der Brennstoffzelle bereits um 20 Prozent besser als der Verbrennungsmotor. Das ist also schon ein erheblicher Fortschritt zum heutigen konventionellen Fahrzeug. Würde der Wasserstoff mithilfe regenerativer Energie hergestellt, wäre diese Bilanz noch viel besser. Es ist aber mit Sicherheit ein völlig falscher Weg, den Wasserstoff im konventionellen Verbrennungsmotor zu verbrennen. Denn im Fahrzeug kommen wir mit einem Verbrennungsmotor auf einen Wirkungsgrad von höchstens 25 Prozent. Der Wasserstoff ist hier ja „nur“ ein Speichermedium, aber seine Herstellung ist sehr viel energieinten si - ver als die von Benzin oder Diesel. Die Brenn - stoffzelle mit ihrem hohen Wirkungsgrad von über 50 Prozent kann die Verluste bei der Wasserstoffherstellung jedoch überkompensieren. Wasserstoff im Verbrennungsmotor macht deshalb umweltpolitisch keinen Sinn und ist nicht nachhaltig, weil die Energiebilanz schlechter ausfällt als bei heutigen Benzin- oder Dieselfahrzeugen. \ 29