Magazin zur Nachhaltigkeit 2009 - Daimler Nachhaltigkeitsbericht ...
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70 <strong>Daimler</strong> 360 GRAD – <strong>Magazin</strong> <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2009</strong><br />
SINDELFINGEN 49°N/9°E ——— Ein paar Tage schon ist Lily nicht<br />
in ihrer Kinderkrippe gewesen. Als sie wiederkommt, passiert etwas,<br />
das Lilys Mutter, Elina Zobel, noch heute zu Tränen rührt: „Als<br />
ich mit Lily im Arm in den Raum trat, kamen die anderen Kinder<br />
zu uns und nahmen Lily an der Hand. Sie strahlten und Lily strahlte<br />
auch. Ich spürte, dass sie Lily vermisst hatten, dass Lily dazugehört.<br />
Da wurde mir bewusst, wie sehr sie hier zu Hause ist.“<br />
Lily ist anders als die anderen Kinder in der Sindelfi nger „sternchen“-Krippe<br />
bei <strong>Daimler</strong>. Was in ihren ersten Lebensmonaten<br />
noch vage als „Entwicklungsverzögerung“ gedeutet wurde, stellte<br />
sich später als eine Entwicklungsstörung bestimmter Bereiche in<br />
der Gehirnrinde heraus – Lilys Muskeln werden vom Gehirn nicht<br />
ausreichend mit Bewegungsimpulsen versorgt. Deshalb kann die<br />
fast Dreijährige nicht laufen und selten ohne Hilfe sitzen. Sie kann<br />
kaum krabbeln oder sich an einem Stühlchen hochziehen und sie<br />
spricht nur einige Laute, die manchmal wie „Mama“ oder „Papa“,<br />
„Ja“ oder „Nein“ klingen.<br />
„Trotzdem macht sie Fortschritte, lernt jede Woche dazu. Wir unterhalten<br />
uns sogar ein bisschen miteinander, und gestern ist sie<br />
zum ersten Mal ein Stück durch den Spieltunnel gerobbt“, berichtet<br />
Lilys Betreuer Ulrich Stähle. Stähle ist immer an Lilys Seite und<br />
unterstützt sie, wo es nötig ist: beim Sitzen, beim Greifen, er trägt<br />
und füttert sie, wenn sie in ihrem Spezialstühlchen beim Mittagessen<br />
sitzt. Für Lilys Eltern – Elina Zobel arbeitet in der <strong>Daimler</strong>-Personalabteilung,<br />
Micha Zobel ist Versuchsingenieur – ist es wichtig,<br />
dass ihre Tochter in der Krippe viele nichtbehinderte Vorbilder<br />
um sich hat. „Lily bekommt hier ein Fülle von Anregungen und<br />
will den anderen nacheifern“, erzählt Michael Zobel, „die Tapsbewegungen<br />
ihrer Füße sind schon da, Lily erlebt bei den älteren<br />
Kindern ihrer Gruppe, wie das Laufen funktioniert.“ Die Krippe,<br />
bilanziert der Vater, sei ein unschätzbarer Baustein in Lilys Entwicklung.<br />
Verständlich, dass Elina Zobel heute noch froh ist, dass sie damals<br />
so mutig war, Lily beim „sternchen“ anzumelden, und sich nicht<br />
von der langen Warteliste abschrecken ließ. „Abgesehen davon,<br />
dass Lily ein Sonnenschein ist und bei allen Kindern sehr beliebt,<br />
haben behinderte Kinder bei uns Vorrang, denn wir müssen ihnen<br />
die Teilhabe am Alltag der Nichtbehinderten so weit es geht ermöglichen“,<br />
erklärt „sternchen“-Leiterin Angela Rentschler. „Und<br />
für die anderen Krippenkinder“, fügt sie hinzu, „ist es ohnehin<br />
selbstverständlich, dass Lily dazugehört.“<br />
Quote seit Jahren mehr als erfüllt. Selbstverständlichkeit –<br />
das ist vielleicht der Begriff, der das Verhältnis von behinderten<br />
Menschen und <strong>Daimler</strong> am besten beschreibt. Rund 8.000 Men-<br />
schen mit schwerer Zuckerkrankheit und schweren Nierenleiden,<br />
Arm- und Beinamputierte, Gehörlose, Blinde, Krebsleidende und<br />
Contergan-Geschädigte arbeiten in den Werken und Büros, ohne<br />
dass das Unternehmen davon großes Aufheben machen würde,<br />
auch nicht davon, dass die gesetzlich vorgeschriebene Quote<br />
für schwerbehinderte Beschäftigte in Höhe von fünf Prozent seit<br />
Jahren übererfüllt wird – in manchen Werken ist sie sogar fast<br />
doppelt so hoch. „<strong>Daimler</strong> steht mit diesen Zahlen sehr gut da,<br />
aber wir wollen uns deshalb nicht auf die Schulter klopfen – für<br />
uns hat dieses Thema schlicht mit gesellschaftlicher Verantwortung<br />
zu tun“, sagt Ulrich Leitner, Leiter des Arbeits- und Sozialrechts<br />
und Arbeitgeberbeauftragter für schwerbehinderte Menschen.<br />
Wie fest der Verantwortungsgedanke im Selbstverständnis des<br />
Unternehmens verankert ist, zeigt das Beispiel Auszubildende:<br />
Kein Gesetz schreibt vor, dass Unternehmen schwerbehinderte<br />
Lehrlinge einstellen müssen; dennoch hat <strong>Daimler</strong> ein besonderes<br />
Verfahren bei der Auswahl von Bewerbern installiert, das Schwerbehinderten<br />
eine noch höhere Chance gibt. 2008 erhielten dann<br />
auch bundesweit 30 schwerbehinderte Jugendliche einen Ausbildungsvertrag<br />
– so viele wie nie zuvor.<br />
Einer von ihnen ist Patrik Lutz, der im Herbst 2008 im Werk Gaggenau<br />
eine Lehre als Zerspanungsmechaniker begonnen hat. Als<br />
kleiner Junge fi el der heute 20-Jährige vom Baum und zog sich<br />
einen so komplizierten Bruch zu, dass er seinen rechten Arm bis<br />
heute nicht mehr vollständig beugen und strecken kann. Patrik<br />
Lutz ist zu 40 Prozent behindert, was seinen weiteren Berufsweg<br />
bei <strong>Daimler</strong> aber nicht im Geringsten beeinträchtigt. „Ich bin erst<br />
im ersten Lehrjahr, aber bislang läuft alles sehr gut“, sagt Lutz. Sein<br />
Ausbildungsmeister, Heribert Zimmer, bestätigt: „Patrik stellt sich<br />
sehr geschickt an. Er kann einige wenige Bewegungen nicht ausführen,<br />
die später im Beruf manchmal nötig sein könnten – zum<br />
Beispiel schwere Teile tragen oder in die Maschine einlegen. Dann<br />
müssen wir eben schauen, wie wir es für ihn einrichten können.<br />
Außerdem gibt es auch Arbeitsplätze, an denen diese Handgriffe<br />
gar nicht notwendig sind.“<br />
Damit liegt Zimmer ganz auf der Linie von Ulrich Leitner. „In der<br />
Regel fi nden sich relativ einfache Lösungen“, sagt Leitner, „und<br />
dabei ist der Aufwand in den Köpfen manchmal größer als der Aufwand<br />
an Geld.“ Leitner berichtet von einem Ausbildungsmeister,<br />
der seine Aufgabe so ernst nahm, dass er innerhalb kürzester Zeit die<br />
Gehörlosensprache erlernte. „Und es zeigte sich, dass wir problemlos<br />
auch Gehörlosen eine sehr gute Ausbildung geben können.“ Dass<br />
sich im vergangenen Jahr 30 Personalleiter und Ausbildungsmeister<br />
solchen Aufgaben stellten, zeige, „dass sich <strong>Daimler</strong> bei diesem<br />
Thema im Laufe der Jahre eine hohe Sensibilität erarbeitet hat“. >