2011-43_Alternative Energiepflanzen zur Erzeugung von Biogas.pdf
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12<br />
Pflanzenbau<br />
<strong>Alternative</strong> <strong>Energiepflanzen</strong> <strong>zur</strong><br />
<strong>Erzeugung</strong> <strong>von</strong> <strong>Biogas</strong><br />
Maisanbau soll per Gesetz <strong>zur</strong>ückgedrängt werden<br />
Eine ausreichende Energieversorgung<br />
ist die Voraussetzung<br />
für Wohlstand.“<br />
Mit diesen Worten eröffnete<br />
Dr. Norbert Haber einen Workshop<br />
des Landwirtschaftlichen<br />
Technologiezentrums (LTZ)<br />
Augustenberg zum Thema <strong>Biogas</strong>gewinnung<br />
aus pflanzlichen<br />
Rohstoffen. „Die Nuklearkatastrophe<br />
im japanischen Kernkraftwerk<br />
Fukushima führte<br />
dazu, dass man alternative Energien<br />
neu bewertet und die Energiewende<br />
energisch eingeleitet<br />
hat“, sagte der LTZ-Direktor.<br />
Anzahl und installierte elektrische<br />
Leistung der <strong>Biogas</strong>anlagen<br />
in Baden-Württemberg wie in<br />
ganz Deutschland seien in den<br />
letzten sieben Jahren erheblich<br />
angestiegen; dennoch leiste <strong>Biogas</strong><br />
nur einen vergleichsweise<br />
bescheidenen Beitrag <strong>zur</strong> Energiewende.<br />
„Doch auch auf kleinere<br />
Beiträge kann man nicht<br />
verzichten, will man ohne<br />
Atomstrom den Energiebedarf<br />
<strong>von</strong> rund 49 000 Kilowattstunden<br />
decken, der in Deutschland<br />
derzeit pro Kopf und Jahr besteht“,<br />
sagte Haber.<br />
Das Erneuerbare<br />
Energiengesetz ab 2012<br />
Klaus Mastel, Leiter der Abteilung<br />
Pflanzenbau und produktionsbezogener<br />
Umweltschutz<br />
beim LTZ, stellte das ab 2012<br />
geltende novellierte Erneuerbare-Energiengesetz<br />
(EEG) vor.<br />
Aus pflanzenbaulicher Sicht<br />
sind vor allem zwei Dinge zu<br />
beachten. Erstens ist der Einsatz<br />
<strong>von</strong> Mais und Getreidekorn in<br />
<strong>Biogas</strong>anlagen in Zukunft auf<br />
60 Masse-Prozent beschränkt.<br />
Zweitens unterscheidet man in<br />
den Anlagen 1 und 2 <strong>zur</strong> Biomasse-Verordnung<br />
zwei Einsatzstoffvergütungsklassen.<br />
In die<br />
Einsatzstoffvergütungsklasse I<br />
fallen laut Mastel zum Beispiel<br />
Zucker- und Futterrüben, CCM,<br />
Mais (Korn und Ganzpflanze),<br />
Getreide (Korn und Ganzpflanze),<br />
Sonnenblumen, Grünroggen,<br />
Hülsenfrüchte und Sorghum<br />
(jeweils als Ganzpflanze).<br />
In die besser bezahlte Einsatzstoffvergütungsklasse<br />
II sind<br />
beispielsweise Durchwachsene<br />
Silphie, Kleegras, Leguminosen-<br />
Gemenge, Lupine, Luzernegras,<br />
Phacelia, Stroh, Winterrübsen,<br />
Festmist <strong>von</strong> Rindern, Schweinen,<br />
Pferden und Schafen sowie<br />
Rinder- und Schweinegülle eingeordnet.<br />
Die Zielrichtung der<br />
gesetzlichen Vorgaben ist klar:<br />
Der Maisanbau soll <strong>zur</strong>ückgedrängt<br />
und damit die Biodiversität<br />
gefördert werden. Mastels<br />
Fazit: „Jeder Anbauer <strong>von</strong> <strong>Biogas</strong>pflanzen<br />
muss sich in Zukunft<br />
die Frage stellen, welche<br />
Pflanzen neben dem Mais in seine<br />
Fruchtfolge passen.“<br />
Landpost <strong>43</strong>/<strong>2011</strong><br />
Die alternativen<br />
Pflanzen<br />
Welche Pflanzen <strong>Alternative</strong>n<br />
zum Mais sein könnten, beschrieb<br />
die LTZ-Mitarbeiterin<br />
Kerstin Stolzenburg. Sie verdeutlichte,<br />
dass Mais als leistungsstärkste<br />
Anbauvariante aber<br />
nach wie vor nicht zu Unrecht<br />
die Leitkultur unter den <strong>Biogas</strong>-<br />
LTZ-Mitarbeiterin Kerstin Stolzenburg. <br />
substraten ist. Das macht sich<br />
in Zahlen bemerkbar: Zur Zeit<br />
werde auf rund 80 Prozent der<br />
<strong>Biogas</strong>substrat-Flächen Energiemais<br />
angebaut. Die restliche<br />
Fläche teilten sich Gras- und<br />
Getreideganzpflanzensilage<br />
sowie weitere Energiepflan-<br />
Bei der Produktion <strong>von</strong> Topinambur <strong>zur</strong> <strong>Biogas</strong>erzeugung steht die Gewinnung hoher Krauterträge im Vordergrund. Fotos: Messerschmid
Landpost <strong>43</strong>/<strong>2011</strong> Pflanzenbau 13<br />
Im Pflanzjahr bildet die Durchwachsene Silphie nur eine grundständige<br />
Blattrosette.<br />
zen, vor allem Sorghum. Beim<br />
LTZ hat man die Leistung der<br />
Wintergetreidearten Triticale,<br />
Weizen, Roggen und Gerste als<br />
Ganzpflanzensilage getestet.<br />
Danach eignete sich an allen<br />
Prüfstandorten Triticale am<br />
besten; und zwar sowohl hinsichtlich<br />
der Gesamtpflanzenals<br />
auch der Methangaserträge<br />
und unabhängig da<strong>von</strong>, ob auf<br />
der Schwäbischen Alb oder im<br />
Rheingraben geprüft wurde.<br />
Eines konnte man aber auch<br />
ganz klar nachweisen: Nur an<br />
kühleren Standorten sind Getreide-Ganzpflanzensilagen<br />
eine gleichwertige <strong>Alternative</strong><br />
zu Mais. Im Rheingraben<br />
ist der Mais dagegen drastisch<br />
überlegen. Dort könnten aber<br />
Sorghum-Hirsen für ordentliche<br />
Methangaserträge sorgen,<br />
wie Stolzenburg darstellte, und<br />
somit eine einigermaßen akzeptable<br />
Maisalternative sein.<br />
Durchwachsene<br />
Silphie<br />
Auch verschiedene Dauerkulturen<br />
werden derzeit beim LTZ auf<br />
ihre Eignung für die Gewinnung<br />
<strong>von</strong> <strong>Biogas</strong> überprüft. Darunter<br />
sind Topinambur (Helianthus<br />
tuberosus), die Virginiamalve<br />
(Sida hermaphrodita) sowie die<br />
Verwachsenblättrige Becherpflanze<br />
(Silphium perfoliatum).<br />
Letztere, auch Durchwachsene<br />
Silphie genannt, ist eine in die<br />
Familie der Korbblütengewächse<br />
gehörende, neuerdings häufig<br />
diskutierte Maisalternative.<br />
Stolzenburg erläuterte, dass die<br />
Direktaussaat der Silphie noch<br />
nicht funktioniere. Man müsse<br />
sie daher auspflanzen, wobei<br />
sich eine Dichte <strong>von</strong> vier Pflanzen<br />
pro m ² (50 cm × 50 cm) als<br />
am günstigsten erwiesen habe.<br />
Als optimaler Erntetermin habe<br />
sich der Anfang des Septembers<br />
herausgestellt. Zu diesem Zeitpunkt<br />
hat man einen Gesamtpflanzenertrag<br />
<strong>von</strong> 17,5 t Trockenmasse<br />
/ ha erzielen können.<br />
Obwohl die Energiepflanze für<br />
hohe Erträge relativ viel Stickstoff<br />
benötigt — das LTZ hat in<br />
Silphie- Düngungsversuchen<br />
zwischen 160 und 240 kg N / ha<br />
ausgebracht — berichtete Stolzenburg<br />
<strong>von</strong> niedrigen Nmin- Werten nach der Ernte.<br />
Anforderungen an nachhaltigen<br />
Pflanzenanbau<br />
„Nachhaltiger (Energie)-Pflanzenanbau<br />
muss sowohl den<br />
Anforderungen der Ökonomie,<br />
der Ökologie als auch denen<br />
der Gesellschaft, also des sozialen<br />
Umfeldes, entsprechen“,<br />
Marcus Köhler <strong>von</strong> der LEL.<br />
zitierte Dr. Sandra Kruse vom<br />
LTZ aus einer Drucksache der<br />
Enquête-Kommission des Deutschen<br />
Bundestages. Für die entsprechenden<br />
Versuche des LTZ<br />
ergab sich daraus die Fragestellung:<br />
Welche Fruchtfolge ist in<br />
Baden-Württemberg unter Berücksichtigung<br />
ökonomischer<br />
und ökologischer Aspekte der<br />
landwirtschaftlichen Praxis zu<br />
empfehlen? Die Antworten sind<br />
wenig erstaunlich. An warmen<br />
Standorten mit guter Wasserversorgung<br />
erzielten Mais und<br />
Sorghum die höchsten Bio-<br />
masseerträge, an kühleren eher<br />
Ackerfutter und Wintergetreide.<br />
Ein Zweikulturanbau — etwa<br />
Grünroggen vor Mais — ist<br />
dann sinnvoll, wenn eine ausreichende<br />
Wasserversorgung<br />
gewährleistet ist. „Schließlich<br />
können die optimierte Rückführung<br />
<strong>von</strong> Gärresten, der Zwischenfruchtanbau<br />
und die Integration<br />
<strong>von</strong> Marktfrüchten in<br />
die <strong>Biogas</strong>fruchtfolge negative<br />
Umwelteffekte minimieren und<br />
das ökonomische Betriebsergebnis<br />
sogar positiv beeinflussen“,<br />
sagte Kruse.<br />
Die Kosten der Bereitstellung<br />
<strong>von</strong> <strong>Biogas</strong>substrat waren Thema<br />
<strong>von</strong> Marcus Köhler <strong>von</strong> der<br />
Landesanstalt für Entwicklung<br />
der Landwirtschaft und der<br />
ländlichen Räume (LEL). Die<br />
entscheidende Frage in diesem<br />
Zusammenhang lautet: Welcher<br />
Preis pro Tonne Frisch-<br />
oder Trockenmasse (TM) deckt<br />
die Vollkosten? Entnimmt man<br />
Maissilage mit einem Trockensubstanzgehalt<br />
<strong>von</strong> 35 Prozent<br />
aus dem Silo wäre der die<br />
Vollkosten deckende Preis bei<br />
einem niedrigen Ertragsniveau<br />
<strong>von</strong> 11,4 t TM / ha 138 € / t TM<br />
(48 € / t Frischmasse). Bei einem<br />
hohen Ertragsniveau <strong>von</strong><br />
17,1 t TM beträgt der Vollkosten<br />
deckende Preis nach Köhlers<br />
Berechnungen 115 € / t TM<br />
(40 € / t Frischmasse). Köhler<br />
hat dabei im Silo entstehende<br />
Konservierungsverluste <strong>von</strong><br />
fünf Prozent bereits einkalkuliert.<br />
Außerdem liegt seinen<br />
Zuckerhirse-Sorghum eignet sich sowohl als Energie- als auch als<br />
Futterpflanze.<br />
Aufstellungen zugrunde, dass<br />
keine Rücklieferung der Gärreste<br />
erfolgt. Der LEL-Fachmann<br />
hat auch die Bereitstellungskosten<br />
einiger Silomaisalternativen<br />
berechnet: „Die<br />
allgemeine Tendenz ist, dass<br />
Silomais am kostengünstigsten<br />
zu erzeugen ist. Dann kommen<br />
Getreide-Ganzpflanzensilagen<br />
und Sorghum. Auf Platz drei<br />
folgen Getreidekorn, Grassilage<br />
und Ackerfutter.“ Köhler hält es<br />
für sinnvoll, den Silomais mit<br />
anderen Kulturen zu ergänzen,<br />
nicht aber auf dessen Anbau<br />
völlig zu verzichten. Er gab zu<br />
bedenken, dass Mais eine besonders<br />
flächeneffiziente Kultur<br />
ist: „Bei vollständigem Verzicht<br />
auf den Anbau <strong>von</strong> Energiemais<br />
benötigte man viel mehr<br />
Fläche, um dieselbe Menge an<br />
<strong>Biogas</strong>substrat zu erzeugen.“<br />
Auch damit wäre der Umwelt<br />
nicht gedient!<br />
Dr. Sebastian Messerschmid