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Immer weniger Insektizide gegen immer mehr Schädlinge

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10 Pflanzenschutz<br />

<strong>Immer</strong> <strong>weniger</strong> <strong>Insektizide</strong> <strong>gegen</strong><br />

<strong>immer</strong> <strong>mehr</strong> <strong>Schädlinge</strong><br />

Strategien zur Bekämpfung von Schadinsekten standen im Mittelpunkt<br />

des Insektizidsymposiums der Firma DuPont am 24. November 2009 in Fulda<br />

Insekten zählen weltweit zu<br />

den gefährlichsten Schadursachen<br />

im Ackerbau.<br />

Hierzulande sind Unkräuter und<br />

Pilze bisher noch ökonomisch<br />

relevanter als die Krabbeltiere.<br />

Wegen des fortschreitenden Klimawandels<br />

könnte sich das aber<br />

ziemlich bald ändern, denn viele<br />

Insekten kommen mit zunehmender<br />

Trockenheit und Wärme<br />

gut zurecht. Schon heute haben<br />

aber auch mitteleuropäische<br />

Ackerbauern genügend Probleme<br />

mit Schadtieren aus der<br />

Klasse der Insekten. Mais- und<br />

vor allem Rapsanbauer können<br />

ein Lied davon singen. Um in<br />

einer globalen Wirtschaft wettbewerbsfähig<br />

zu sein, muss der<br />

Landwirt daher über genügend<br />

wirksame Optionen zur Schädlingsbekämpfung<br />

verfügen.<br />

Auf dem diesjährigen Insektizidsymposium<br />

der Firma DuPont<br />

in Fulda wurde deutlich, dass<br />

auch für konventionell wirtschaftende<br />

Landwirte einige<br />

nicht-chemische Möglichkeiten<br />

in Frage kommen, um<br />

Schadinsekten in Schach zu<br />

halten. Dr. Hans Drobny, Leiter<br />

der Beratung Nordeuropa bei<br />

DuPont, zählte ackerbauliche<br />

Maßnahmen, Züchtung mit<br />

oder ohne Gentechnik, Nützlinge<br />

und Pheromone dazu. Eine<br />

bekannte und häufig durchgeführte<br />

Maßnahme <strong>gegen</strong> den<br />

Maiszünsler ist das Fräsen oder<br />

Mulchen der Stoppel mit anschließendem<br />

sauberem Einpflügen.<br />

Wurzelbohrer stellen<br />

sich auf Fruchtfolge ein<br />

Einen gewissen Schutz <strong>gegen</strong><br />

den Maiswurzelbohrer kann die<br />

Fruchtfolge bieten, also das Vermeiden<br />

von Maismonokulturen.<br />

Drobny machte aber auch klar,<br />

dass dies kein Königsweg ist.<br />

In Teilen der USA ist der Käfer<br />

zum Beispiel durch eine Fruchtfolge<br />

Mais — Soja — Mais nicht<br />

<strong>mehr</strong> zu bekämpfen. Denn die<br />

Dr. Hans Drobny (unteres linkes Foto), Leiter der Beratung Nordeuropa bei<br />

DuPont, setzte sich auf der Tagung in Fulda mit Maisschädlingen auseinander,<br />

während Dr. Friedrich Merz (Regierungspräsidium Stuttgart) über<br />

neue und wieder erstarkte Schadinsekten berichtete. Fotos: Messerschmid<br />

Wurzelbohrer haben sich darauf<br />

eingestellt und überbrücken<br />

das Sojajahr, indem sie ein<br />

Diapausestadium einlegen, wodurch<br />

ihre Entwicklung verzögert<br />

wird.<br />

Die Kontrolle von <strong>Schädlinge</strong>n<br />

durch Nützlinge funktioniert<br />

in Gewächshäusern deutlich<br />

besser als im Freiland. Eine<br />

Ausnahme ist der Einsatz von<br />

Trichogramma <strong>gegen</strong> den Maiszünsler.<br />

Drobny wies aber darauf<br />

hin, dass der Wirkungsgrad<br />

nur bei geringem bis höchstens<br />

mittlerem Befallsgrad ausreichend<br />

ist. Außerdem ist das<br />

Verfahren nur wettbewerbsfähig,<br />

wenn es — wie in Baden-<br />

Württemberg — subventioniert<br />

wird.<br />

Die Züchtung ist eine weitere<br />

Alternative, dem Auftreten von<br />

Schadinsekten ent<strong>gegen</strong>zuwirken.<br />

So gibt es konventionell<br />

gezüchtete Maishybriden, die<br />

toleranter auf Zünslerbefall regieren<br />

als andere. Auch die<br />

Gentechnik kann dazu beitragen,<br />

Schädlingsprobleme zu<br />

entschärfen. Der DuPont-Chefberater<br />

stellte fest, dass sich das<br />

Einschleusen von Bt-Genen mit<br />

Hilfe der Biotechnologie bewährt<br />

hat. Andernfalls nähme<br />

die weltweite Fläche mit gentechnisch<br />

veränderten Organismen<br />

nicht jedes Jahr deutlich<br />

zu. Inwieweit diese Option für<br />

deutsche Landwirte in Zukunft<br />

verfügbar sein wird, ist <strong>gegen</strong>wärtig<br />

aber noch nicht abzusehen.<br />

Für Drobny steht daher fest, dass<br />

nicht-chemische Methoden <strong>gegen</strong><br />

<strong>Schädlinge</strong> als Ergänzung<br />

Landpost 49/2009<br />

wohl einen Nutzen bringen, als<br />

alleinige Abwehrmaßnahmen<br />

meist aber nicht ausreichen. Für<br />

konventionell oder integriert<br />

wirtschaftende Landwirte ist es<br />

deshalb ganz entscheidend, eine<br />

Reihe von <strong>Insektizide</strong>n aus unterschiedlichenWirkstoffgruppen<br />

einsetzen zu können. <strong>Immer</strong><br />

nur einen Wirkstoff auszubringen,<br />

führt in aller Regel zur Resistenz<br />

des Schädlings. Jüngstes<br />

Beispiel ist der Rapsglanzkäfer,<br />

<strong>gegen</strong> den die jahrelang fast<br />

ausschließlich eingesetzten Pyrethroide<br />

kaum noch wirken.<br />

Weniger insektizide<br />

Wirkstoffe<br />

Ein großes Problem ist laut<br />

Drobny überdies die EU-Bürokratie.<br />

Deren regulatorische Bestimmungen<br />

hätten dazu geführt,<br />

dass die Zahl der vorhandenen<br />

insektiziden Wirkstoffe<br />

drastisch zurückgegangen sei.<br />

„Eine rasche Ausbreitung invasiver<br />

Insektenarten durch offene<br />

Grenzen, engere Fruchtfolgen<br />

und die Klimaerwärmung tragen<br />

ebenfalls dazu bei, Schädlingsprobleme<br />

zu vergrößern.<br />

Daher müssen wir aufpassen,<br />

dass nicht die Schadinsekten<br />

als Sieger aus diesem Wettstreit<br />

hervorgehen“, schloss Drobny.<br />

Über neue und wieder erstarkte<br />

Schadinsekten in Europa berichtete<br />

Dr. Friedrich Merz, der<br />

vor kurzem von der Außenstelle<br />

Stuttgart des Landwirtschaftlichen<br />

Technologiezentrums<br />

Augustenberg ins Regierungspräsidium<br />

Stuttgart gewechselt<br />

ist. Insekten mit zunehmender<br />

Schädigungstendenz im Ackerbau<br />

sind außer dem Rapsglanzkäfer<br />

und dem Maiszünsler<br />

auch einige Zikadenarten. Merz<br />

führte aus, dass etwa die Zikade<br />

Psammotettix alienus in höhere<br />

Lagen vordringt, zum Beispiel<br />

auf die zuvor befallsfreie<br />

Schwäbische Alb. Das Problem<br />

des Zikadenbefalls ist <strong>weniger</strong><br />

der direkte Schaden durch die<br />

Saugtätigkeit, sondern dass der<br />

Kerf als Überträger des Weizenverzwergungsvirus<br />

fungiert.<br />

Zwei Generationen<br />

Maiszünsler pro Jahr<br />

Die Bekämpfung des Maiszünslers<br />

wird <strong>immer</strong> schwerer. In<br />

Gebieten, in denen der Maiszünsler<br />

mit zwei Generationen<br />

pro Jahr auftritt, muss die


Landpost 49/2009 Pflanzenschutz 11<br />

Schlupfwespe Trichogramma<br />

brassicae oft schon im Juni zum<br />

ersten Mal ausgebracht werden.<br />

Bei Süßmais-Gärtnern stößt das<br />

Trichogramma-Verfahren offensichtlich<br />

inzwischen generell<br />

an seine Grenzen. Laut Merz<br />

hat im Jahr 2007 ein großer<br />

Gartenbaubetrieb zünslerbefallene<br />

Maiskolben im Wert von<br />

500 000 € vernichten müssen.<br />

Nicht nur der Ackerbau ist von<br />

einem stärkeren Schädlingsauftreten<br />

in Mitleidenschaft gezogen.<br />

Im Obstbau bereitet inzwischen<br />

die Amerikanische Kirschfruchtfliege<br />

größere Schwierigkeiten.<br />

Außer Süß- und Sauerkirschen<br />

befällt die Diptere auch<br />

Pfirsich und Pflaume. Dabei fällt<br />

besonders ins Gewicht, dass der<br />

Flughöhepunkt der Amerikanerin<br />

etwa zwei Wochen später<br />

liegt als bei ihrer europäischen<br />

Verwandten. Das heißt, dass<br />

nun auch die bisher von Kirschfruchtfliegenschädenverschonten<br />

späteren Kirschensorten betroffen<br />

sind. „Die einheimische<br />

Kirschfruchtfliege hätte uns eigentlich<br />

gereicht“, meinte Merz<br />

ironisch.<br />

Globalisierungsgewinner<br />

unter den <strong>Schädlinge</strong>n<br />

Daneben gibt es noch zahlreiche<br />

weitere Globalisierungsgewinner<br />

unter den <strong>Schädlinge</strong>n;<br />

etwa den Buchsbaumzünsler<br />

im öffentlichen Grün sowie<br />

im Kleingartenbereich, „neue“<br />

Schnellkäferarten (Drahtwürmer)<br />

in Gemüse und Zierpflan-<br />

Pflanzenschutzwirkstoffe: Rund<br />

sieben Prozent könnten wegfallen<br />

Trotz der neuen Zulassungsregeln<br />

für Pflanzenschutzmittel<br />

stehen im nächsten Jahr<br />

in der Europäischen Union rund<br />

350 bis 380 Pestizidwirkstoffe<br />

zur Verfügung. Das ist Ende<br />

November bei einem Symposium<br />

des Bundesamtes für Verbraucherschutz<br />

und Lebensmittelsicherheit<br />

(BVL) in Braunschweig<br />

deutlich geworden.<br />

Dort machte BVL-Experte<br />

Dr. Hans-Gerd Nolting deutlich,<br />

zen, die Wintergetreidemilbe<br />

an Getreide, Klee, Gräsern und<br />

Zierpflanzen oder die Tomatenminiermotte,<br />

die an Tomaten<br />

Ertragsverluste von 50 bis 100<br />

Prozent verursacht.<br />

Warum sind Strategien <strong>gegen</strong><br />

die Resistenzbildung von Insekten<br />

<strong>gegen</strong> <strong>Insektizide</strong> nötig?<br />

„Weil solche Resistenzen<br />

teuer sind, sowohl für die<br />

Landwirte als auch für die chemische<br />

Industrie“, erläuterte<br />

Dr. Udo Heimbach vom Julius-<br />

Kühn-Institut (JKI) in Braunschweig.<br />

Bei <strong>Insektizide</strong>n ist es<br />

besonders schwierig, Resistenzen<br />

zu vermeiden oder zumindest<br />

hinauszuzögern, weil nur<br />

sehr wenige Wirkstoffgruppen<br />

zur Verfügung stehen. „Manchmal<br />

setzen Landwirte auch einseitig<br />

auf billige <strong>Insektizide</strong>, obwohl<br />

es auch etwas teurere aus<br />

einer anderen Wirkstoffgruppe<br />

gibt“, sagte Heimbach.<br />

Erhebliche Schwierigkeiten befürchtet<br />

der JKI-Experte im<br />

Rapsbereich. Denn neben dem<br />

in Deutschland inzwischen fast<br />

flächendeckend pyrethroidresistenten<br />

Rapsglanzkäfer gibt<br />

es inzwischen auch auffällige<br />

Erdfloh- und Rüsslerpopulationen.<br />

Diese müsste man weiter<br />

beobachten. Heimbachs Fazit:<br />

„Für ein nachhaltiges Resistenzmanagement<br />

benötigt man<br />

dringend Wirkstoffe mit neuen<br />

Wirkmechanismen in Raps und<br />

allen anderen Kulturen.“<br />

Franz Specker, DuPont-Außendienstmitarbeiter,<br />

führ-<br />

dass in Deutschland rund sieben<br />

Prozent der Wirkstoffe unter die<br />

neuen EU-Ausschlusskriterien<br />

fallen könnten, bei denen es um<br />

Schäden für die menschliche<br />

Gesundheit und Schäden für die<br />

Umwelt geht. Laut den neuen<br />

Bestimmungen dürfen beispielsweise<br />

sehr bioakkumulierbare,<br />

persistente Stoffe (vPvB)<br />

nicht in Pflanzenschutzmitteln<br />

eingesetzt werden. Hier rechnet<br />

Nolting damit, dass künftig et-<br />

Dr. Udo Heimbach Franz Specker<br />

te aus, dass sich die Maiszünslerbekämpfung<br />

mit dem Insektizid<br />

Steward inzwischen etabliert<br />

und bewährt habe. Um eine<br />

ausreichende Benetzung<br />

der Pflanzen zu gewährleisten,<br />

ist beim Steward-Einsatz eine<br />

Wassermenge von mindestens<br />

300 l / ha zu verwenden<br />

und ein ausreichender Abstand<br />

zwischen Düsen und Maispflanzen<br />

einzuhalten. Zur Verhinderung<br />

von Schäden im Bestand<br />

sollte man abends mit niedriger<br />

Fahrgeschwindigkeit und einem<br />

Traktor mit großer Bodenfreiheit<br />

unterwegs sein.<br />

Insektizid <strong>gegen</strong><br />

Rapsglanzkäfer<br />

Beantragt hat DuPont die Zulassung<br />

des neuen Insektizids<br />

Avaunt. Dieses enthält mit Indoxacarb<br />

denselben Wirkstoff<br />

wie Steward. Indikation ist der<br />

Rapsglanzkäfer, die Aufwandmenge<br />

170 ml / ha und der<br />

Einsatzzeitpunkt die Vorblü-<br />

wa fünf Wirkstoffe in Deutschland<br />

wegen dieser Umweltkriterien<br />

wegfallen könnten,<br />

wobei allerdings noch Fragen,<br />

so zur Messung der Halbwertszeit<br />

bestimmter Stoffe im Boden,<br />

zu klären sind. Bei den krebserregenden,<br />

Erbgut schädigenden<br />

und die Fortpflanzung schädigenden<br />

Pflanzenschutzmitteln<br />

rechnet man im BVL mit fünf<br />

bis sieben Stoffen, die eventuell<br />

Probleme bereiten könnten,<br />

te. Dr. Norbert Leisse, der Leiter<br />

des Marketings bei DuPont<br />

Deutschland, stellte bei Avaunt<br />

wegen des geänderten Herstellungsverfahrens<br />

einen günstigen<br />

Preis in Aussicht. Außerdem<br />

ermögliche der Wechsel<br />

der Wirkstoffgruppe eine höhere<br />

Sicherheit für das Resistenzmanagement<br />

bei der Kontrolle<br />

des Rapsglanzkäfers.<br />

Das mit einem neuen Wirkmechanismus<br />

versehene Insektizid<br />

Coragen ist ein Baustein im Resistenzmanagement.<br />

Es hat Zulassungen<br />

<strong>gegen</strong> Kartoffelkäfer<br />

und Apfelwickler. In diesem<br />

Jahr war es auch für eine zweite<br />

Spritzung <strong>gegen</strong> den Maiszünsler<br />

zugelassen. Vorteilhaft<br />

ist nach DuPont-Produktmanagerin<br />

Petra Selzer seine lange<br />

Dauerwirkung, die Schonung<br />

von Bienen und Nützlingen, die<br />

Sicherheit für den Anwender,<br />

die Temperaturunabhängigkeit<br />

und die Regenfestigkeit.<br />

Dr. Sebastian Messerschmid<br />

bei den Mitteln mit hormonell<br />

schädlicher Wirkung wird deren<br />

Zahl von Nolting auf etwa<br />

sieben beziffert. Viel ist auch<br />

hier aber noch unsicher, zumal<br />

es erst in vier Jahren neue EU-<br />

Richtlinien zur Erfassung und<br />

Bewertung der hormonellen<br />

Schädigung geben soll.<br />

EU-Bestimmungen<br />

Entscheidungen zur Wirkstoffbewertung<br />

müssen bis Ende<br />

nächsten Jahres fallen, wenn die<br />

Prüfung zahlreicher Wirkstoffe<br />

wegen der EU-Bestimmungen<br />

abgeschlossen sein muss. Derzeit<br />

sind in Deutschland rund<br />

255 Pflanzenschutzmittelwirkstoffe<br />

zugelassen. AgE

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