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Auf dem Weg zu zwei, drei, vier Kurdistans? - Goethe-Universität

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1 Der Streit um Minderheitenrechte, Autonomie und nationalstaatliche<br />

Unabhängigkeit<br />

© 2012 Egbert Jahn – Zitieren bitte nur unter Angabe der Quelle<br />

3<br />

Die Politik richtet sich wieder einmal nach <strong>dem</strong> Themenplan der Vorlesung. Vor <strong>dem</strong> Ende<br />

der letzten Woche (11. Dezember 2009) verbot das türkische Verfassungsgericht die prokurdische<br />

Partei DTP und versetzte damit der vorsichtigen Regierungspolitik beim Anpacken der<br />

Kurdenproblematik, wie später aus<strong>zu</strong>führen sein wird, einen herben Schlag. Das Land der<br />

Kurden, Kurdistan, ist kein Staat, sondern ein recht geschlossenes, mehrheitlich von Kurden<br />

bewohntes Siedlungsgebiet, das sich über rund 500.000 qkm erstreckt, also etwa so groß wie<br />

Frankreich ist. Die Grenzen dieses Gebiets haben sich häufig geändert und sind im einzelnen<br />

unbekannt, weil es keine Volkszählungen gibt, die nach der ethnischen Zugehörigkeit der<br />

Bevölkerung fragen. Auch außerhalb des kurdischen Siedlungsgebiets leben in der Diaspora<br />

Millionen Kurden, <strong>zu</strong>m Teil erst seit wenigen Jahren und Jahrzehnten, so in Istanbul und im<br />

Westen der Türkei, in Deutschland und mehreren anderen Ländern der Europäischen Union,<br />

<strong>zu</strong>m Teil aber auch in älteren Exklaven wie im Zentrum Anatoliens oder im Nordosten Irans.<br />

Weiterhin leben 150.000 Kurden in den südlichen Nachfolgerstaaten der Sowjetunion, außer<strong>dem</strong><br />

viele im Libanon. Schät<strong>zu</strong>ngsweise gibt es rund 30-35 Millionen Kurden.<br />

Die Kurden sprechen keine gemeinsame Sprache, in der sie sich untereinander verständigen<br />

könnten. Sie haben auch keine gemeinsame Schriftsprache wie die Araber oder die Han-<br />

Chinesen, die sich mündlich ebenfalls nicht untereinander verständigen können, wenn sie aus<br />

weit auseinander liegenden Gebieten <strong>zu</strong>sammenkommen. Man unterscheidet <strong>drei</strong>, <strong>vier</strong> oder<br />

fünf kurdische Sprachen oder Hauptdialekte, in denen eigene Literaturen entstanden sind. Sie<br />

gehören <strong>zu</strong> den indoeuropäischen Sprachen des westiranischen Zweiges, sind also weder mit<br />

<strong>dem</strong> Türkischen noch mit <strong>dem</strong> Arabischen verwandt. Das Kurmanci mit etwa 8-10 Millionen<br />

Sprechern ist vor allem in der Türkei, aber auch in den Nachbarländern verbreitet, das Sorani<br />

mit etwa 5 Millionen Sprechern vor allem im Irak und im Westiran. Manche Autoren unterscheiden<br />

dann noch das Gorani, das Dımıli (Zazaki) und das Luri (dessen Sprecher sich nicht<br />

für Kurden halten). Kommunikationshindernd wirkt auch, daß die kurdischen Sprachen/Dialekte<br />

in unterschiedlichen Schriften geschrieben werden: Lateinisch, Arabisch und<br />

Kyrillisch. Nicht wenige Kurden sprechen überhaupt kein Kurdisch, sondern nur Türkisch,<br />

Arabisch oder Farsi. Die Kurden sind überwiegend Muslime und gehören größtenteils der<br />

sunnitischen, aber auch <strong>zu</strong>m kleineren Teil der schiitischen Religionsgemeinschaft an. Außer<strong>dem</strong><br />

gibt es viele kurdische Aleviten und Jesiden (Êzîdî). Der größte Teil des kurdischen Siedlungsgebiets<br />

war seit Beginn des 16. Jahrhunderts im Osmanischen Reich vereinigt, sieht man

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