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Auf dem Weg zu zwei, drei, vier Kurdistans? - Goethe-Universität

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© 2012 Egbert Jahn – Zitieren bitte nur unter Angabe der Quelle<br />

4<br />

von <strong>dem</strong> kurdischen Gebiet ab, das sich seit 1639 im Iran befindet. 1920 wurde das osmanische<br />

Kurdengebiet zwischen der Türkei, Irak und Syrien aufgeteilt. In der Türkei leben etwa<br />

15 Millionen Kurden, im Irak etwa 4,5 Millionen, im Iran 4 bis 4,5 Millionen und in Syrien<br />

etwa 1,2 Millionen, wobei diese Zahlen jedoch auf ungefähren und umstrittenen Schät<strong>zu</strong>ngen<br />

beruhen, nicht auf Volkszählungen.<br />

Die staatliche, sprachliche, religiöse und kulturelle Zersplitterung der Kurden sowie starke<br />

Stammes- und Regionaltraditionen haben bisher die Entstehung eines breiten gemeinsamen<br />

Nationalbewußtseins verhindert. Außer<strong>dem</strong> ist der kurdische Nationalismus noch relativ jung.<br />

Seine Wurzeln reichen lediglich in das frühe 20. Jahrhundert <strong>zu</strong>rück. Somit hatten kurdische<br />

ethnonationale Bestrebungen meist einen nur regional begrenzten Charakter und mußten sich<br />

den jeweiligen politischen Bedingungen in den Staaten anpassen, in denen sie leben. Nicht<br />

selten haben kurdische Stämme und auch moderne politische Parteien untereinander Krieg<br />

geführt. Somit finden sich in der kurdischen Bevölkerung zahlreiche Abstufungen der gesellschaftspolitischen<br />

Grundhaltung von völliger Assimilationsbereitschaft über Äußerungen ethnischen,<br />

sprachlich-kulturellen Selbstbewußtseins bis <strong>zu</strong> politischen Forderungen nach Minderheitenschutz,<br />

nach territorialer Autonomie oder föderativer Staatlichkeit oder gar nach<br />

völliger staatlicher Unabhängigkeit. Diese Forderungen werden oft mit friedlichen Mitteln<br />

verfolgt, aber nicht selten auch im bewaffneten <strong>Auf</strong>stand. Die erwähnten Grundhaltungen<br />

haben sich im Laufe der Jahrzehnte immer wieder geändert, mal radikalisiert und mal gemäßigt,<br />

meist abhängig vom gesellschaftspolitischen Unterdrückungsgrad oder von Zeichen<br />

wachsender Tolerierung durch die staatlichen Machtorgane und die gesellschaftlichen Organisationen<br />

der staatlichen Mehrheitsbevölkerung. Auch die internationalen weltpolitischen Konstellationen<br />

und die Einspannung kurdischer Bestrebungen <strong>zu</strong> mehr Eigenständigkeit in die<br />

zwischenstaatlichen Rivalitäten zwischen der Türkei, Irak, Iran und Syrien nehmen immer<br />

wieder Einfluß auf die Stärkung oder Schwächung kurdischer nationaler Bewegungen.<br />

Die Staaten der Region schüren zwar hin und wieder die kurdische Opposition im rivalisierenden<br />

Nachbarland, sie haben aber dennoch keinerlei Interesse, daß diese Opposition in einem<br />

der <strong>vier</strong> Länder all<strong>zu</strong> stark wird, so daß sich von ihm ein unabhängiges Kleinkurdistan<br />

abspalten könnte. Denn jeder unabhängige kurdische Kleinstaat könnte <strong>zu</strong>m Kristallisationkern<br />

für die kurdische Opposition in anderen Ländern werden. Der „Verrat“ an den kurdischen<br />

Verbündeten ist also stets in das regionale, internationale System eingebaut.<br />

Die bittere Erfahrung von vielen blutig niedergeschlagenen, bewaffneten <strong>Auf</strong>ständen im 20.<br />

Jahrhundert verweist die meisten national bewußten Kurden auf bescheidenere Zielset<strong>zu</strong>ngen

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