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Nr. 2/2005 März & April Ausgabe 18

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strand führt; der Sonnenuntergang, den<br />

man glücklich am Strand mit Menschen<br />

erlebt, die man liebt.<br />

Reisen ist Schule für das Leben. Niemals<br />

können mir solche Erlebnisse in Seminaren<br />

beigebracht werden. Die Intensität<br />

dieser Momente ist einzigartig, viele<br />

von ihnen bleiben für immer unvergessen.<br />

Vielleicht nimmst du dir bei deinem<br />

nächsten Trips Zeit, um dir zu überlegen,<br />

warum du gerade bist, wo du bist,<br />

und wie gut es dir geht, auch wenn der<br />

neueste Move nicht sitzt oder wieder<br />

mal Hunderte Kilometer gefahren wurden<br />

und Flaute ist. Geh auf Locals zu<br />

oder lass einfach nur die Sonne dein<br />

Gemüt wieder aufhellen und alle bösen<br />

Gedanken sind vergessen.<br />

„Reisen veredelt den Geist<br />

und räumt mit unseren<br />

Vorurteilen auf.“ (Oscar Wild)<br />

schließt, dann kommen sie wieder, die<br />

Bilder: der Sonnenaufgang beim Felseinstieg<br />

am Wavespot, bevor die hohen<br />

Wellen keine Zeit mehr lassen, die Sonne<br />

zu beobachten; der Hund, der ein Zuhause<br />

suchte und nun als „Franz“ in<br />

Wien lebt; der ansässige Fotograf, der<br />

plötzlich am Strand erscheint, um „die<br />

mit den Wind und Wellen spielen“ zu<br />

fotografieren; die Freudenschreie, die man<br />

am Wasser hört, wenn einer der Einheimischen<br />

seine erste Wende schafft; die<br />

warmen Abende mit allen Freunden in<br />

den Cafés am Dorfplatz; das Grillgelage<br />

bei Tom am Strand; das Braune, weit<br />

draußen vor der Bucht, das sich als<br />

Schildkröte entpuppt, die an den Strand<br />

kommt, um ihre Eier zu legen; das strahlende<br />

Lächeln der Metzgerin, wenn sie<br />

von ihrer letzten Surfstunde in der neuen<br />

Surfstation erzählt, während sie zehn<br />

Chicken-Suvlaki für uns zubereitet; der<br />

Aufstieg auf den Gipfel des Kastri mit<br />

Milos; die Kreuzschmerzen nach misslungenen<br />

Loops; die Höllenfahrt über Stock<br />

und Stein, die uns zu einem Traum-<br />

K r e t a K r e t a K r e t a K<br />

in die Kläranlage gebracht werden. Hier<br />

haben anscheinend einige aus dem Dorf<br />

kapiert, was sanfter Tourismus ist, über<br />

den sich bei uns Hunderte so genannter<br />

„Tourismusexperten“ schon jahrelang den<br />

Kopf zerbrechen. Und es funktioniert –<br />

die Menschen haben wunderschöne, reine<br />

Strände und die Bevölkerung verdient<br />

an den Urlaubern durch Einkäufe in den<br />

Markets, Restaurants und Vermietungen.<br />

Der Kontakt zu den Einheimischen ist<br />

allerdings schwierig. Sie können kaum<br />

Englisch und unser Griechisch – na ja –<br />

aber die Kommunikation mit Händen<br />

und Füßen funktioniert hervorragend.<br />

Mehrere Fußballmatches der Surfer des<br />

Strandes gegen die einheimische Fußballmannschaft<br />

im Stadion auf Schotter trugen<br />

wesentlich zur Freundschaft bei.<br />

Eine Schlacht konnten wir für uns entscheiden,<br />

was den Locals einen kleinen<br />

Dämpfer gab, war Griechenland doch gerade<br />

erst Europameister geworden. Bei<br />

mehreren Rakis am Abend war aber alles<br />

wieder vergessen und es wurde wieder<br />

mit Händen und Füßen diskutiert. Am<br />

Dorfplatz sitzen noch, wie aus in Erzählungen<br />

unserer Eltern, alle älteren Männer<br />

ab den Morgenstunden in den Cafés.<br />

Die Frauen bringen ihre Männer sogar<br />

nach der Kirche dorthin, um danach nach<br />

Hause zu gehen und für ihren Göttergatten<br />

zu kochen. Auffällig ist, dass die<br />

sehr religiöse, ältere Generation die Religion<br />

an die Jugend erfolgreich weitergegeben<br />

hat. Man erzählt sich, dass<br />

mehr als ein Surfer, der nicht nur auf der<br />

Suche nach Surfabenteuern war, enttäuscht<br />

von der Hartnäckigkeit der Mädels<br />

hier seine Heimreise antreten musste.<br />

Beim Läuten der Kirchenglocken sieht<br />

man immer wieder Jung und Alt Kreuzzeichen<br />

auf die Stirn machen. Am Sonntag<br />

ist das ganze Dorf in der Kirche, die<br />

meistens das größte Gebäude in den<br />

kleinen Dörfern des Ostens ist. Minimarkets<br />

und Cafés öffnen um 9:00 Uhr,<br />

um die Surfer, die größtenteils mit Rädern<br />

vom Strand kommen, mit den wichtigsten<br />

Dingen des Lebens zu versorgen.<br />

Es entsteht ein geschäftiges Treiben in<br />

den wenigen Gassen des Dorfes, das vor<br />

Mittag aber wieder verebbt. Siesta ist<br />

angesagt, die Mittagshitze scheinen alle<br />

Einheimischen zu verschlafen, wie sonst<br />

könnte Groß und Klein jeden Abend bis<br />

nach Mitternacht am Dorfplatz sitzen.<br />

Diese zeitlich begrenzte Freiheit, die ich<br />

hier zwei Monate erlebte, gibt mir viel<br />

Kraft für den Winter und seine Kälte, die<br />

mitteleuropäische Hektik und den Druck,<br />

dem wir uns alle aussetzen in unserer<br />

„Wohlstandsmühle“. Wir hetzen herum,<br />

lassen uns mitreißen von den „immer<br />

mehr, immer mehr“-Rufen, merken gar<br />

nicht mehr, wie gut es uns geht und wundern<br />

uns, warum es zu Hause nicht genauso<br />

schön ist, wie damals am Kouremenos<br />

Beach in Palekastro. Doch wenn<br />

man dann einmal Zeit findet, die Augen<br />

Chris Sammer<br />

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