Download als PDF - Grüne Fraktion im Stadtrat Saarbrücken
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14<br />
GRÜN INTERN<br />
Fortsetzung von Seite 13<br />
aber nicht ein mehr an Demokratie, sondern<br />
ein fortgesetzter wenig regulierter<br />
innerparteilicher Machtkampf, bei der<br />
alle Kontrahenten sich auf den Willen<br />
einer sogenannten Basis berufen konnten.<br />
Traditionelle Formen innerparteilicher<br />
Demokratie, wie eine korrekte Mitglieder-<br />
und Beitragsverwaltung, transparente<br />
Parteifi nanzen, unabhängige PrüferInnen<br />
oder eine funktionierende Schiedsgerichtsbarkeit<br />
spielten <strong>im</strong> Kampf der<br />
„Basisvertreter“ oft nur eine untergeordnete<br />
Rolle. Erst nach der historischen Niederlage<br />
der Partei <strong>im</strong> Bundestagswahlkampf<br />
1990 wurde die Organisationsstruktur<br />
in wesentlichen Punkten geändert<br />
und damit einiges für die Verankerung<br />
formalisierter und transparenter<br />
Verfahren erreicht.<br />
Schwierige Rahmenbedingungen<br />
<strong>im</strong> Saarland<br />
Entscheidend für die Entwicklung der<br />
Partei <strong>im</strong> Saarland waren nicht die auch<br />
hier mit allen Mitteln ausgetragenen<br />
Konfl ikte zwischen „Linken“ und „Wertkonservativen“<br />
sondern die besondere<br />
ökonomische und politische Grundstruktur<br />
des Saarlandes.<br />
Das Land war den <strong>Grüne</strong>n nicht grün.<br />
Zur Zeit der Gründung des Kreisverbandes<br />
erlebte das Saarland die größte ökonomische<br />
Krise seit dem Beitritt zur Bundesrepublik<br />
<strong>im</strong> Jahre 1957. Die saarländische<br />
Stahlindustrie stand vor dem Bankrott.<br />
Neben dem Bergbau bildete sie die<br />
traditionelle industrielle Basis des Landes.<br />
Nur durch milliardenschwere Subventionen<br />
konnte ein Bankrott des ARBED Konzerns<br />
verhindert werden. Die Arbeitslosenquote<br />
<strong>im</strong> Saarland, die zur Zeit der<br />
Gründung der <strong>Grüne</strong>n bei 6,5 % gelegen<br />
hatte, stieg auf 13,4 % <strong>im</strong> Jahre 1985. Die<br />
Rettung des Stahlkonzerns und die soziale<br />
Abfederung vieler Tausender entlassener<br />
Arbeitnehmer waren mit einem<br />
dramatischen Anstieg der Verschuldung<br />
der öff entlichen Haushalte verbunden.<br />
Die Schulden des Landes stiegen von 3<br />
auf 5,3 Milliarden DM an. Heute betragen<br />
sie bei steigender Tendenz fast 10 Milliarden<br />
€.<br />
Auch in <strong>Saarbrücken</strong> hatte die Krise gra-<br />
grün: konkret. 1 / 2010<br />
Anti-<br />
AKW-<br />
Demo<br />
1998<br />
FOTO:<br />
PRIVAT<br />
vierende Auswirkungen. Allein <strong>im</strong> Burbacher<br />
Stahlwerk des ARBED Konzerns<br />
gingen mehrere Tausende Arbeitsplätze<br />
innerhalb weniger Jahre verloren. Dazu<br />
kamen weitere Verluste durch Rationalisierungen<br />
und Stilllegungen von Bergwerken.<br />
Diese Entwicklung spiegelte sich auch<br />
in einem unaufhaltsamen Anstieg der<br />
Sozialausgaben <strong>im</strong> städtischen Haushalt.<br />
Diese verdoppelten sich fast von 40 Millionen<br />
<strong>im</strong> Jahr 1981 auf 75 Millionen DM in<br />
1985. Auch diese Tendenz zu einer stetig<br />
wachsenden Verschuldung konnte bis<br />
heute nicht eingedämmt werden und<br />
hat ein enormes Ausmaß erreicht.<br />
Neben der tiefen ökonomischen Krise<br />
war das Saarland zudem bundesweites<br />
Schlusslicht in fast allen Fragen der ökologischen<br />
Erneuerung. Das Land hatte<br />
<strong>im</strong> Gewässerschutz vollkommen versagt.<br />
Das Kan<strong>als</strong>ystem war marode und<br />
moderne Kläranlagen selten. In einer<br />
Studie des Freiburger Öko-Instituts<br />
wurde der Zustand der Müllkippen mit<br />
ihrer Mischung aus Haus- und Industriemüll<br />
<strong>als</strong> katastrophal eingeschätzt. An<br />
der Spitze stand das Land hingegen bei<br />
Straßenbau und den Zulassungszahlen<br />
von PKW.<br />
In <strong>Saarbrücken</strong> war 1965 wie überall <strong>im</strong><br />
Land die Straßenbahn stillgelegt worden.<br />
Nach wie vor galt das Ideal der autogerechten<br />
Stadt. Radfahren war in den<br />
Augen der Verkehrsplaner und SPD/CDU<br />
Politiker <strong>im</strong> Rathaus etwas für Kinder<br />
und Faulenzer, die sich kein Auto leisten<br />
konnten und nun auch noch Radwege<br />
forderten. Es scheint so, <strong>als</strong> habe diese<br />
Einschätzung bis heute überlebt. Von<br />
1980 bis zum Jahr 2007 stieg der Bestand<br />
an PKW <strong>im</strong> Saarland von 400.000 auf<br />
650.000. Wie schwer es ist, wirkliche<br />
strukturelle Veränderungen einzuleiten,<br />
zeigen diese Zahlen.<br />
Saarbrücker <strong>Grüne</strong> auf dem<br />
Weg der Stabilisierung<br />
In einem mühsamen programmatischen<br />
und organisatorischen Aufbauprozess<br />
konsolidierte sich der Saarbrücker Verband<br />
der <strong>Grüne</strong>n. Dies gelang der Führungsgruppe<br />
der Partei in bemerkenswerter<br />
Weise ohne selbstmörderische<br />
Flügelkämpfe und politische Skandale.<br />
Bereits bei der Kommunalwahl 1984<br />
war der spätere Bürgermeister und heutige<br />
Umweltdezernent Kajo Breuer einer<br />
der Spitzenkandidaten der Partei. Die<br />
<strong>Grüne</strong>n ereichten 5,3 %. 1989 waren es<br />
bereits 7,5 und schließlich bei der Kommunalwahl<br />
1994 11,7%. Auch die Anzahl<br />
der absoluten St<strong>im</strong>men hatte sich von<br />
5.000 auf 11.000 erhöht. Angesichts der<br />
Ausgangssituation und den strukturellen<br />
Bedingungen grüner Politik ein bemerkenswertes<br />
Ergebnis.<br />
Fünfzehn Jahre nach ihrer Gründung war<br />
die Partei zur drittstärksten Kraft in <strong>Saarbrücken</strong><br />
geworden. „Ökologische Interessen<br />
vertreten“, dieses zentrale Gründungsversprechen<br />
hatte die Partei eingelöst<br />
und dadurch wachsende Zust<strong>im</strong>mung<br />
und Vertrauen gewonnen. Von<br />
den großen Zielen des Jahres 1980, die<br />
sich die Landespartei und ihr Saarbrücker<br />
Kreisverband 1980 gesetzt hatten, wurde<br />
hingegen keines erreicht. Das AKW Cattenom<br />
wurde 1986 eingeweiht und zu<br />
einer der größten Anlagen in Frankreich<br />
ausgebaut. Es produziert weiter neben<br />
Strom hochgiftigen Atommüll, von dem<br />
auch in Frankreich keiner weiß, wo er<br />
endgelagert werden soll. Die Saar wurde<br />
zum Kanal ausgebaut. Alle Proteste dagegen<br />
waren vergeblich. Aber mittlerweile<br />
hat man sich daran gewöhnt und freut<br />
sich über die schönen Radwege.<br />
GASTBEITRAG VON ERICH SPÄTER,<br />
GESCHÄFTSFÜHRER<br />
DER HEINRICH BÖLL STIFTUNG SAAR