Download als PDF - Grüne Fraktion im Stadtrat Saarbrücken
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EXPERTENINTERVIEW<br />
18<br />
Dr. med. Weber, Krankenhaushygieniker <strong>im</strong> Klinikum <strong>Saarbrücken</strong> zu multiresistenten Ke<strong>im</strong>en in<br />
„Die Politik<br />
sollte<br />
eindeutige<br />
Vorgaben<br />
machen.“<br />
grün: Konkret: In einem Krankenhaus<br />
soll man gesund werden, manchmal wird<br />
man aber erst richtig krank. Schuld daran<br />
sind Ke<strong>im</strong>e, die gegenüber Antibiotika<br />
resistent sind, sogenannte MRSA-Ke<strong>im</strong>e.<br />
Was versteckt sich hinter dieser Abkürzung<br />
MRSA? Wie entsteht dieser Ke<strong>im</strong><br />
und was bewirkt er?<br />
Dr. Weber: MRSA steht für „Methicillinresistenter<br />
Staphylococcus aureus“.<br />
Staphylococcus aureus, das ist der häufi<br />
gste Erreger von Wundinfektionen und<br />
macht auch <strong>im</strong>mer mehr Probleme bei<br />
<strong>im</strong> Krankenhaus erworbenen Lungenentzündungen.<br />
Methicillin ist ein Stellvertreter für eine<br />
ganze Antibiotikaklasse: die Penicilline<br />
und die Cephalosporine. Der MRSA<br />
erzeugt die gleichen Infektionen wie der<br />
nicht-resistente Staphylococcus aureus,<br />
er ist wegen seiner Antibiotika-Resistenz<br />
aber wesentlich schwieriger zu behandeln.<br />
grün: konkret: Wieso fi ndet man<br />
diesen Ke<strong>im</strong> heute fast in jedem Krankenhaus<br />
und welche Menschen sind<br />
gefährdet?<br />
Dr. Weber: Multiresistente Bakterien<br />
entstehen in heutigen Krankenhäusern<br />
wegen des Selektionsdrucks durch die<br />
vielen Antibiotika. Patienten mit schweren<br />
Grundkrankheiten wie Krebs oder<br />
solche, die länger auf Intensivstationen<br />
liegen, sind besonders gefährdet. Außerdem<br />
fi nden wir diese Ke<strong>im</strong>e häufi g bei<br />
Patienten, die in Alten- und Pfl egehe<strong>im</strong>e<br />
leben.<br />
Kompliziert wird die Lage noch dadurch,<br />
dass ein Staphylococcus aureus – <strong>als</strong>o<br />
auch ein MRSA - sich bei jemand in der<br />
Nase niederlassen kann, ohne den-<br />
grün: konkret. 1 / 2010<br />
jenigen krank zu<br />
machen. Diese Menschen<br />
heißen dann<br />
„Träger“ und spielen<br />
bei der Verbreitung<br />
des Ke<strong>im</strong>s <strong>im</strong> Krankenhaus<br />
eine wichtige<br />
Rolle.<br />
grün: konkret: Wie<br />
viele Erkrankungen<br />
und Todesfälle gibt<br />
es <strong>im</strong> Saarland bzw.<br />
wie viele Saarländer<br />
tragen diesen Ke<strong>im</strong> in sich? Wie kann<br />
betroff enen Patienten geholfen werden?<br />
Dr. Weber: Über die Zahl der Todesfälle<br />
gibt es leider keine genauen Zahlen.<br />
Die Zahl der Träger scheint <strong>im</strong> Saarland<br />
jedoch höher zu sein <strong>als</strong> <strong>im</strong> Rest der Bundesrepublik.<br />
Nach unseren Zahlen ist<br />
grob geschätzt jeder zweite Staphylococcus<br />
aureus <strong>im</strong> Saarland ein MRSA. Da<br />
wir wissen, dass 20-30% aller Menschen<br />
einen Staphylococcus aureus in der Nase<br />
tragen, kann man vermuten, dass 10-15%<br />
aller Saarländer einen MRSA tragen, <strong>als</strong>o<br />
etwa einer von zehn.<br />
Dem Normalbürger macht ein MRSA<br />
in der Nase nichts aus. Die Behandlung<br />
eines Trägers ist nur notwendig, wenn<br />
er z.B. chronisch nierenkrank ist oder für<br />
längere Zeit ins Krankenhaus aufgenommen<br />
wird.<br />
grün: Konkret: Welche Überlebensdauer<br />
hat der MRSA Ke<strong>im</strong> und wie kann<br />
man sich dagegen schützen?<br />
Dr. Weber: MRSA hält sich verhältnismäßig<br />
lange in der Umwelt, selbst auf<br />
trockenen Oberfl ächen und an Staub.<br />
Wesentlich für eine Übertragung sind<br />
allerdings die Hände. Eine regelmäßige<br />
und gründliche Desinfektion der Hände<br />
des Person<strong>als</strong> ist deswegen das A und<br />
O <strong>im</strong> Krankenhaus. Zu Hause brauchen<br />
keine besonderen Schutzmaßnahmen<br />
durchgeführt werden. Nur wenn man<br />
speziell gefährdete Personen – wie etwa<br />
Krebspatienten nach Chemotherapie –<br />
in der Verwandtschaft hat, sollte man<br />
mit seinen Hausarzt über eine häufi gere<br />
Händedesinfektion sprechen.<br />
grün: Konkret: Angesichts der Tatsache,<br />
dass in Deutschland mehr Menschen<br />
an Krankenhauske<strong>im</strong>en sterben<br />
<strong>als</strong> an der Immunschwäche Aids, ist es für<br />
uns von großer Wichtigkeit, wie diesem<br />
Dr. med. Stefan Weber<br />
Facharzt für Mikrobiologie<br />
und Infektionsepidemiologie,<br />
er leitet seit Januar 2008 das<br />
Institut für Mikrobiologie am<br />
Bioscientia MVZ Winterberg.<br />
Seit August 2009 betreut er<br />
außerdem das Klinikum <strong>Saarbrücken</strong><br />
<strong>als</strong> verantwortlicher<br />
Krankenhaushygieniker.<br />
Problem <strong>im</strong> Alltag des Klinikums begegnet<br />
wird. Werden alle Patienten auf MRSA<br />
getestet, bzw. wird überhaupt vor oder<br />
bei Krankenhausaufnahme eine Untersuchung<br />
auf Vorliegen einer MRSA-Trägerschaft<br />
durchgeführt?<br />
Dr. Weber: Im Krankenhaus erworbene<br />
Infektionen sind ein großes Problem auch<br />
in Deutschland. Wenn wir nicht wissen,<br />
ob ein Patient MRSA-Träger ist, können<br />
wir keine entsprechenden Schutzmaßnahmen<br />
einleiten. Deswegen wird empfohlen,<br />
bei Aufnahme best<strong>im</strong>mter Patientengruppen<br />
einen Suchtest auf MRSA<br />
durchzuführen. Man schätzt, dass jeder<br />
fünfte Patient, der aufgenommen wird,<br />
zu einer solchen Risikogruppe gehört<br />
und getestet werden muss. Die Testung<br />
ist sehr einfach, es wird bei den Patienten<br />
lediglich ein Abstrich aus der Nase<br />
und aus dem Rachen entnommen.<br />
Leider ist diese Regelung bisher für die<br />
Kliniken nicht verpfl ichtend, so dass es<br />
<strong>im</strong>mer noch Krankenhäuser gibt, die da<br />
relativ sorglos mit umgehen.<br />
grün: Konkret: Welche Maßnahmen<br />
werden durchgeführt, um den Erreger<br />
einzudämmen. Wie sehen Sie die Notwendigkeit<br />
dabei ein Screeningprogramm<br />
anzuwenden?<br />
Dr. Weber: Wenn man erkannt hat,<br />
dass ein Patient MRSA-Träger ist, so<br />
müssen sie/er und das Pfl egepersonal<br />
best<strong>im</strong>mte Vorsichtsregeln einhalten, um<br />
die Verbreitung auf Station zu vermeiden.<br />
Dazu wird der Patient in einem Einzelz<strong>im</strong>mer<br />
untergebracht und es werden<br />
besonders strenge Anforderungen an<br />
die Hygiene bei der Pfl ege gestellt. Ist<br />
man nur MRSA-Träger, so kann man dies<br />
lokal behandeln, indem eine antibiotische<br />
Salbe aufgetragen wird. Liegt eine<br />
Infektion vor, müssen in der Regel Anti-