aktuell & brisant - Grüne Fraktion im Stadtrat Saarbrücken
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grün: konkret.<br />
Politik mit Biss <strong>im</strong> Saarbrücker <strong>Stadtrat</strong><br />
konkret: Mehr Unterstützung für Bibliotheken ++ Kommunale Haushalte und Bankenkrise<br />
++ Schleichende Entkommunalisierung der Stadtwerke ++ <strong>Saarbrücken</strong><br />
braucht die Vitrine de France ++ Europawahl 2009 ++ Stolpersteine gegen das Vergessen<br />
++ Diskussion um Vierten Pavillon ++ Echte Ganztagsschulen für neuen Lernrhythmus<br />
++ Stadtmitte am Fluss geht in entscheidende Phase ++ Winterberg-Klinikum<br />
muss nicht privatisiert werden ++ <strong>Saarbrücken</strong> will erste Fairtrade Town werden<br />
Nr. 3 / 2008
Impressum<br />
Herausgeber: Bündnis 90/Die <strong>Grüne</strong>n<br />
<strong>Stadtrat</strong>sfraktion <strong>Saarbrücken</strong><br />
Rathaus-Carrée<br />
66104 <strong>Saarbrücken</strong><br />
Tel.: 0681/905-1207; Fax: 0681/905-1603<br />
E-Mail: fraktion.diegruenen@saarbruecken.de<br />
Internet: www.gruene-fraktion-sb.de<br />
Redaktion (Text und Bild): Tina Schöpfer,<br />
<strong>Fraktion</strong>sgeschäftsführerin<br />
V.i.S.d.P.: <strong>Stadtrat</strong>sfraktion Bündnis 90/Die <strong>Grüne</strong>n<br />
<strong>Saarbrücken</strong>, <strong>Fraktion</strong>svorsitzender Thomas Brück<br />
Druck: Reha GmbH, <strong>Saarbrücken</strong><br />
Auflage: 10.000 Exemplare<br />
Erscheinungsdatum: Dezember 2008<br />
Titelbild: Tina Schöpfer<br />
2<br />
EDITORIAL<br />
INHALT<br />
EDITORIAL<br />
Aus der grünen Redaktion ................................ 2<br />
Der grüne Standpunkt ..................................... 2<br />
AKTUELL & BRISANT<br />
Die kommunalen Haushalte und die<br />
Bankenkrise ....................................................... 3<br />
Winterberg-Klinikum muss nicht privatisiert<br />
werden ............................................................... 5<br />
T. Schöpfer kandidiert für Europaparlament ... 5<br />
Stadtmitte am Fluss geht in entscheidende<br />
Phase .................................................................. 6<br />
Goldener Ginkgo für Carmen Dams ................. 6<br />
STADTENTWICKLUNG<br />
Schleichende Entkommunalisierung der<br />
Stadtwerke ......................................................... 7<br />
Max Ophüls Preis wird 30 ................................. 7<br />
<strong>Saarbrücken</strong> braucht die Vitrine de France ..... 8<br />
BILDUNG&SOZIALES<br />
Politische Unterstützung für Fairen Handel .... 9<br />
Mit Stolpersteinen gegen das Vergessen ....... 10<br />
Neuer Lernrhythmus<br />
durch Ganztagsschulen ................................... 10<br />
EXPERTENINTERVIEW<br />
Norbert Hocke zum Thema<br />
Ganztagsschulen .............................................. 12<br />
KULTUR&WIRTSCHAFT<br />
Debatte um Vierten Pavillon .......................... 13<br />
Mehr Unterstützung für Bibliotheken ........... 14<br />
Nahversorgung:<br />
Stadtteile brauchen Stärkung ......................... 14<br />
Böll Stiftung zieht in Öko-Quartier ................ 15<br />
UMWELT & VERKEHR<br />
„Parkunkultur“ in der Innenstadt .................... 16<br />
GASTKOMMENTAR<br />
Theater <strong>im</strong> Viertel:<br />
Seit über 20 Jahren aktiv ................................ 17<br />
GRÜNE ANDERSWO<br />
Gastbeitrag aus dem Regionalverband:<br />
Kompetenzagentur be<strong>im</strong> AZB kann<br />
weiterarbeiten ................................................. 18<br />
Gastbeitrag aus dem Landtag:<br />
Zuwanderungsgesellschaft gestalten ............. 19<br />
Mehr Geld für Bibliotheken ............................ 19<br />
DIE LETZTE SEITE<br />
Glosse ............................................................... 20<br />
grün: konkret. 3 / 2008<br />
Aus der grünen Redaktion<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
der weltweite Konjunktureinbruch wirkt sich auch auf die<br />
Kommunen aus. Der freie Journalist Stefan Frank, Herausgeber<br />
des Buches „What’s new economy. Die Transformation<br />
der Weltwirtschaft“, beleuchtet für uns die Konsequenzen<br />
der Bankenkrise. Kommunal für den fairen Welthandel<br />
setzen sich verschiedene Fairtrade-Organisationen und entwicklungspolitische<br />
Vereine ein. Sie werben dafür, dass <strong>Saarbrücken</strong><br />
die erste „Fair Trade Town“ in Deutschland wird. Ein wichtiges Signal für den<br />
Ausbau der deutsch-französischen Wirtschaftsbeziehungen wäre der Bau der „Vitrine<br />
de France“, ein Tagungszentrum mit Büros und Konferenzräumen auf dem Eurobahnhof<br />
direkt am Gleis nach Paris. Bisher tritt die CDU-FDP-Koalition aber auf die Bremse.<br />
Die PISA-Studie hat klar gemacht, dass Bildung mehr ist als Lernen <strong>im</strong> Unterricht.<br />
Warum nur echte Ganztagsschulen den Lebenslagen der Familien gerecht werden und<br />
wie Ganztagsschulen gestaltet sein müssen, damit sie Bildungsgerechtigkeit ermöglichen,<br />
erklärt Norbert Hocke, Leiter des Vorstandsbereichs Jugendhilfe und Sozialarbeit<br />
der GEW <strong>im</strong> Experteninterview.<br />
Ein Kristallisationspunkt der freien Musik- und Theaterszene <strong>im</strong> Saarland ist das Theater<br />
<strong>im</strong> Viertel. Was es dort Neues gibt, erfahren Sie in unserem Gastkommentar.<br />
Die Wintermonate sind eine gute Zeit, um mal wieder ein gutes Buch zu lesen. Dass<br />
Bibliotheken dringend unsere Unterstützung brauchen, hat die Kampagne „Deutschland<br />
liest - Treffpunkt Bibliothek“ gezeigt. Wir freuen uns, dass die Saarbrücker Stadtbibliothek<br />
in den letzten Jahren konstante Steigerungen bei den Entleihungen verzeichnen<br />
konnte und dies entgegen dem allgemeinen Trend auch bei den Kindern und<br />
Jugendlichen.<br />
Ich wünsche Ihnen viel Spaß be<strong>im</strong> Lesen und eine besinnliche Weihnachtszeit!<br />
„Investitionen in<br />
erneuerbare Energien<br />
täten dem Saarland gut.“<br />
Tina Schöpfer<br />
<strong>Fraktion</strong>sgeschäftsführerin<br />
DER GRÜNE STANDPUNKT<br />
Th o m a s Br ü c k<br />
FrakTionsvorsiTzender<br />
Die Welt erlebt zurzeit eine der größten<br />
Finanzkrisen der letzten Jahrzehnte.<br />
Banken kollabieren, Finanzsysteme<br />
drohen zu bersten, eine allgemeine<br />
Wirtschaftskrise wird für 2009 prognostiziert.<br />
Ein, nein zwei Dinge sind aus<br />
meiner Sicht aus dieser Krise zu lernen<br />
und künftig zu beachten: Erstens, die<br />
Wirtschaft muss wieder den Menschen<br />
dienen und zweitens, die Politik ist verpflichtet,<br />
dort einzugreifen, wo die Wirtschaft<br />
aus dem Ruder läuft. Denn die<br />
engverwobene Finanzwelt ist an ihre<br />
Grenzen gestoßen. Mit aufgeblähten<br />
irrealen Vermögenswerten und auf spekulativen<br />
Blasen und Verschuldung auf-<br />
gebauten Systemen muss es ein Ende<br />
haben. Notwendig muss eine auf realen<br />
Werten basierende Produktion sein.<br />
Und hier drängt es sich nachgerade auf,<br />
in zukunftsfähige erneuerbare Energietechnologien<br />
zu investieren. Staatliche<br />
Förderprogramme in Sachen Erneuerbare<br />
Energien und Energieeffizienz sind<br />
das Gebot der Stunde. Für die unbelehrbaren<br />
Marktliberalen und ihre politischen<br />
Adepten in FDP und CDU sind<br />
solche staatliche Eingriffe in die Ökonomie<br />
Teufelswerk. Aber hat nicht gerade<br />
die <strong>aktuell</strong>e Finanzkrise gezeigt, dass<br />
der liberale, ungezügelte Markt nicht<br />
funktioniert und allen gezeigt, dass<br />
der Kapitalismus soziale Leitplanken<br />
braucht? Und so birgt auch diese Krise<br />
eine Chance. Und sie bietet sich, wenn<br />
man antizyklisch handelt, also jetzt<br />
Programme auflegt, obwohl das Geld<br />
knapp ist. Investitionen in den Ausbau<br />
erneuerbarer Energien täten auch der
Die Folgen der riskanten und<br />
undurchsichtigen Geschäfte, die<br />
Banken in den letzten Jahren<br />
betrieben haben, haben nicht<br />
nur zu einem Einbruch der Börsenkurse<br />
geführt. Der Staat<br />
muss Hunderte Milliarden Euro<br />
bereitstellen, um Kreditinstitute<br />
und Landesbanken vor der Pleite<br />
zu bewahren und die größte<br />
Wirtschaftskrise der Geschichte<br />
– hoffentlich – zu verhindern.<br />
Sicher ist, dass es <strong>im</strong> nächsten Jahr einen<br />
heftigen weltweiten Konjunktureinbruch<br />
geben wird. Dies hat auch für die<br />
Städte und Gemeinden vielfältige Konsequenzen.<br />
Eine unmittelbare Folge sind<br />
sinkende Steuereinnahmen. Die Gewerbesteuer<br />
ist die wichtigste Einnahmequelle<br />
der Kommunen, in <strong>Saarbrücken</strong><br />
macht sie mit jährlich etwa 115 Millionen<br />
Euro gut ein Drittel aller städtischen<br />
Einnahmen aus. Die Erträge aus der Einkommenssteuer<br />
liegen bei etwa 40 Milli-<br />
Zukunftsfähigkeit des Energiestandortes<br />
Saarland gut. Das sichert Arbeitsplätze,<br />
stärkt die lokale Wirtschaft und<br />
entlastet auf Dauer die Geldbeutel<br />
der Bürgerinnen und Bürger, da weniger<br />
Verbrauch auch weniger Kosten<br />
erzeugt. Eine zukunftsfähige, soziale<br />
Gerechtigkeit wird eben nur erreicht<br />
durch eine ökologische Erneuerung<br />
des Wirtschaftssystems. Das wird die<br />
zentrale Herausforderung der kommenden<br />
Jahre sein.<br />
Ob die Finanzkrise die saarländische<br />
Finanzwirtschaft ungeschoren lässt,<br />
scheint mir noch nicht bewiesen. Zwar<br />
beteuern alle beteiligten unisono nicht<br />
in hochriskante Geschäfte investiert zu<br />
haben. Aber das haben die Manager<br />
der (fast) kollabierten Hypo Real Estate<br />
Holding in München auch vorher<br />
gesagt.<br />
Ein besonderes Augenmerk sollte man<br />
<strong>im</strong> Saarland auf die Saar LB haben.<br />
onen Euro. In diesem Jahr sind die Steuereinnahmen<br />
aufgrund der in der ersten<br />
Jahreshälfte sehr guten Konjunktur noch<br />
gestiegen, für 2009 und 2010 drohen<br />
aber beträchtliche Einnahmeverluste. Im<br />
Zuge einer dauerhaft schwachen Weltwirtschaft<br />
ist zudem mit einem Anstieg<br />
der Arbeitslosigkeit zu rechnen, wodurch<br />
die Kommunen mehr Geld für Sozialausgaben<br />
bereitstellen müssen.<br />
Kreditklemme trotz<br />
Bankenrettungspaket<br />
Gleichzeitig könnte es trotz des vom Bundestag<br />
beschlossenen Bankenrettungspakets<br />
zu einer Kreditklemme kommen.<br />
Noch vor kurzem konnten deutsche<br />
Banken gar nicht genug Kredite vergeben.<br />
Beispielsweise 21 Milliarden Euro an<br />
das nun ban-<br />
krotte Island – „Das Cross Border<br />
das sind 70.000 Leasing hat bei vielen<br />
Euro für jeden Gemeinden zu großen<br />
einzelnen der Verlusten geführt.“<br />
300.000 Isländer.<br />
Nun aber<br />
nutzen sie das<br />
vom Staat bereitgestellte Geld lieber, um<br />
ihre Reserven aufzubessern und sind mit<br />
der Kreditvergabe sehr zögerlich. Sie verlangen<br />
mehr Sicherheiten, mehr Informationen<br />
und höhere Zinsen. Davon<br />
sind auch Gemeinden betroffen. Im<br />
Oktober berichtete das Internet-Nachrichtenportal<br />
„Spiegel online“ über die<br />
Schwierigkeiten, auf die der Ludwigshafener<br />
Finanzdezernent Wilhelm Zeiser<br />
traf, als er für eine städtische Gesellschaft<br />
mit mehreren Kreditinstituten über die<br />
Finanzierung einer Millioneninvestition<br />
verhandeln wollte: Zwei Banken hätten<br />
sich gleich zurückgezogen, darunter ein<br />
„renommiertes Großinstitut aus Frankfurt“.<br />
Auch bei auslaufenden Langfristkrediten<br />
für den Kernhaushalt würden der Stadt<br />
inzwischen von einigen Geldhäusern<br />
keine Verlängerungen mehr angeboten,<br />
so Zeiser. Dies sind Folgen der Finanzkrise,<br />
die alle Kommunen treffen, wenn<br />
auch in unterschiedlichem Maße.<br />
AKTUELL & BRISANT<br />
Der weltweite Konjunktureinbruch hat für die Kommunen vielfältige Konsequenzen<br />
Die kommunalen Haushalte<br />
und die Bankenkrise<br />
Spekulationen mit hohem<br />
Risiko<br />
Darüber hinaus sind einige Städte und<br />
Gemeinden in den vergangenen Jahren<br />
spekulative Finanzgeschäfte eingegangen,<br />
die ihnen nun große Verluste bescheren.<br />
Bundesweit bekannt wurde etwa<br />
das „Cross Border Leasing“. Dabei handelt<br />
es sich um ein riskantes und betrügerisches<br />
(wenn auch legales) Scheingeschäft,<br />
das Unterschiede <strong>im</strong> Steuerrecht<br />
zweier Länder ausnutzt. Das geht so: Eine<br />
Gemeinde verkauft oder vermietet ein<br />
kommunales Infrastrukturobjekt (etwa<br />
eine Müllverbrennungsanlage, eine Kläranlage,<br />
ein Kanalnetz, ein Wasserwerk,<br />
Busse, Bahnen oder Schienen) langfristig<br />
an eine US-amerikanische Treuhandgesellschaft,<br />
die die Anlage gleichzeitig<br />
an die Gemeinde zurück-<br />
sTeFan Fr a n k<br />
Freier Jo u r n a l i sT<br />
vermietet.Amerikanische Firmen konnten<br />
dadurch in den USA in<br />
der Vergangenheit einen<br />
erheblichen Steuervorteil<br />
erzielen, da das sehr<br />
langfristige Mieten dort<br />
wie eine Investition behandelt wurde.<br />
Davon profitierten außerdem die<br />
Banken, die das Geschäft vermittelten<br />
und die Anwaltskanzleien, die die komplizierten<br />
Verträge formulierten. Auch<br />
die Kommunen bekamen einen kleinen<br />
Teil ab. Die Aussicht, ohne Anstrengung<br />
und auf einen Schlag einen Millionenbetrag<br />
ausgezahlt zu bekommen, war<br />
für viele Bürgermeister und Stadtkämmerer<br />
verlockend. Doch die Risiken sind<br />
enorm. Die Vertragslaufzeit beträgt mindestens<br />
25 Jahre, in einigen Städten ist<br />
sie noch länger. Während dieser Zeit darf<br />
das Objekt nicht verändert werden, das<br />
schränkt die Städte in ihrer Infrastrukturplanung<br />
erheblich ein und kann zu<br />
hohen unnötigen Betriebskosten führen.<br />
So ist beispielsweise das Kanalisationsnetz<br />
in Wittenberg zu groß für die Stadt<br />
mit ihrer sinkenden Einwohnerzahl. Verkleinert<br />
werden aber darf es nicht, denn<br />
das wäre ein Vertragsbruch und zöge<br />
grün: konkret. 3 / 2008 3
AKTUELL & BRISANT<br />
4<br />
eine hohe Strafe nach sich. Die (in der<br />
Regel gehe<strong>im</strong>en) Verträge liegen nur auf<br />
Englisch vor, sind hunderte Seiten lang<br />
und werden nur von wenigen in den<br />
USA ansässigen Fachanwälten verstanden.<br />
Darum fallen für die Kommunen<br />
regelmäßig hohe Anwaltskosten an, da<br />
sie bei jeder Maßnahme, die die Eigentümerrechte<br />
des „Investors“ beeinträchtigen<br />
könnte, juristische Beratung brauchen.<br />
Cross Border Leasing ist<br />
Scheingeschäft<br />
Vor einigen Jahren hat die Finanzaufsicht<br />
der USA das Cross Border Leasing<br />
zu einem Scheingeschäft erklärt. Damit<br />
sind die Verträge nicht ungültig, aber die<br />
amerikanischen Unternehmen sparen<br />
nun keine Steuern mehr. Das könnte für<br />
sie ein Anreiz sein, nach Vertragsbrüchen<br />
zu suchen, um auf diese Weise durch<br />
Schadenersatzforderungen aus dem<br />
Geschäft einen Gewinn zu ziehen.<br />
Die Finanzkrise hat alles noch schl<strong>im</strong>mer<br />
gemacht. Die Geschäfte mussten<br />
nämlich versichert werden, und zwar<br />
bei einem Versicherer mit höchster Bonität.<br />
Das war häufig der weltgrößte Versicherer<br />
American International Group<br />
(AIG). Der aber hat <strong>im</strong> Herbst beinahe<br />
pleite gemacht und hängt nun am Tropf<br />
des Staates. Da AIG an den Finanzmärkten<br />
nicht mehr als absolut zuverlässig<br />
gilt (was an den Noten gemessen wird,<br />
die die drei bedeutenden Ratingagenturen<br />
für alle großen Schuldner vergeben),<br />
sind die Kommunen nun laut Vertrag<br />
verpflichtet, einen neuen Versicherer<br />
zu suchen, was Millionen an Anwaltskosten<br />
und höheren Versicherungsprämien<br />
bedeutet. Die direkten und indirekten<br />
Verluste, die vielen deutschen Städten<br />
aus den leichtsinnig eingegangenen<br />
Geschäften erwachsen, übersteigen die<br />
anfänglichen Gewinne oft bei weitem.<br />
Der Kölner Publizist Werner Rügemer,<br />
seit Jahren einer der schärfsten Kritiker<br />
des Cross Border Leasings, fordert die<br />
Verantwortlichen dazu auf, nicht „sklavisch<br />
Verträge“ zu erfüllen. Bund, Länder<br />
und Gemeinden müssten gemeinsam<br />
einen Weg suchen, die Kontrakte aufzulösen.<br />
<strong>Saarbrücken</strong> ist nicht betroffen – zum<br />
Glück. Denn auch hier wurde 2002 dar-<br />
grün: konkret. 3 / 2008<br />
In welchem Maß sich die<br />
Verluste der SaarLB auf die<br />
Bürgerinnen und Bürger auswirken ist<br />
noch nicht absehbar.<br />
über diskutiert, das Kanalnetz an eine<br />
US-Firma zu „verleasen“. Finanzdezernent<br />
Frank Oran (CDU) hoffte damals auf<br />
einen „Netto-Barwertvorteil von 13 bis<br />
23 Millionen Euro“ und forderte Investoren<br />
auf, Angebote abzugeben. Dazu kam<br />
es glücklicherweise dann doch nicht.<br />
Da es damals bereits zahlreiche Warnungen<br />
über die <strong>im</strong>mensen Risiken solcher<br />
Geschäfte gab und sich andeutete,<br />
dass das Steuerschlupfloch, auf dem<br />
sie basierten, bald geschlossen werden<br />
könnte, verabschiedete sich Oran Anfang<br />
2003 von seiner Idee.<br />
Auswirkungen SaarLB-Verluste<br />
sind noch nicht absehbar<br />
Noch nicht abzusehen ist, in welchem<br />
Maß sich die Verluste der saarländischen<br />
Landesbank SaarLB in Zukunft<br />
auf die Bürgerinnen und Bürger auswirken<br />
werden. Die Verluste <strong>im</strong> Wertpapierund<br />
Kreditgeschäft (unter anderem mit<br />
Island) werden derzeit auf bis zu 50 Millionen<br />
Euro geschätzt. An der SaarLB sind<br />
der Sparkassenverband Saar mit 14,9<br />
Prozent und das Land mit zehn Prozent<br />
beteiligt. Die SaarLB sieht sich selbst als<br />
„die deutsch-französische Mittelstandsbank“<br />
und hat in der Vergangenheit die<br />
Musikhochschule Saar und das Staatstheater<br />
mit Spenden unterstützt. Gemessen<br />
an der Bilanzsumme von 20 Milliarden<br />
Euro und den gigantischen Verlusten<br />
anderer Landesbanken sind die bisherigen<br />
Einbußen noch nicht besonders<br />
dramatisch. Doch die Erfahrungen<br />
zeigen, dass Banken bei der Darstellung<br />
ihrer Verluste anfänglich meist untertreiben<br />
und die Schätzungen <strong>im</strong> Lauf der<br />
Zeit beträchtlich erhöht werden müssen.<br />
Durch die Finanzkrise wird die Finanzpolitik<br />
der Kommunen in den nächsten<br />
Jahren einen noch größeren Einfluss auf<br />
das Leben der Bürgerinnen und Bürger<br />
haben als in der Vergangenheit. Wenn<br />
weniger Geld zur Verfügung steht, die<br />
Ausgaben aber wachsen und Kreditaufnahme<br />
schwieriger wird, bedeutet dies<br />
einen noch heftigeren Kampf darum, wo<br />
das Geld herkommen soll und wo es hin<br />
Fo T o: Ba r B a r a he i n z<br />
fließt. Die Bürgerinnen und Bürger, die<br />
die Konsequenzen der getroffenen wirtschafts-<br />
und finanzpolitischen Entscheidungen<br />
zu tragen haben werden, tun<br />
gut daran, sich darüber zu informieren.<br />
Das Fehlverhalten vieler Banken, für das<br />
die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler<br />
aufzukommen haben, ist skandalös. Es<br />
zeigt, dass es leichtsinnig wäre, darauf zu<br />
vertrauen, dass weitreichende Entscheidungen<br />
stets in verantwortlicher Art und<br />
Weise getroffen werden.<br />
Stefan Frank ist Herausgeber des<br />
Buches What´s new, economy. Die<br />
Transformation der Weltwirtschaft<br />
(Hamburg 2007).
Winterberg-Klinikum muss nicht privatisiert werden!<br />
Vorsorge muss nicht teuer sein. Mit<br />
diesem Slogan werben Versicherungen<br />
gerne. Im Falle Winterberg-<br />
Klinikum hat sie jedoch erhebliche<br />
Kosten verursacht: Ein von der<br />
CDU-FDP-Koalition in Auftrag<br />
gegebenes Gutachten kostet die<br />
Stadt und damit letztlich die Bürgerinnen<br />
und Bürger viel Geld.<br />
Das Winterberg-Klinikum ist wirtschaftlich<br />
stabil und muss nicht privatisiert<br />
werden. Diese Position vertreten wir<br />
seit langem. Im November wurde sie<br />
vom Gutachterteam um den Bayreuther<br />
Volkswirtschaftler Prof. Dr. Dr. h.c. Peter<br />
Oberender bestätigt. Das Gutachten,<br />
dass die CDU-FDP-Koalition in Auftrag<br />
gegeben hat und das die Bürgerinnen<br />
und Bürger viel Geld kostet, belegt, dass<br />
das Winterberg-Klinikum gut am Markt<br />
positioniert ist und nicht zwingend privatisiert<br />
werden muss. Dem Handlungsbedarf,<br />
der an einigen Stellen aufgezeigt<br />
wurde, wird die Geschäftsführung nachkommen.<br />
Wir hoffen, dass damit die Privatisierungsträume<br />
von CDU, FDP und<br />
Finanzdezernent Frank Oran endlich ausgeträumt<br />
sind und die Koalitionäre die<br />
gute Arbeit des Klinikums nicht weiter<br />
in Frage stellen. Wir haben <strong>im</strong>mer darauf<br />
verwiesen, dass das Winterberg-Klinikum<br />
in den letzten Jahren unter großen<br />
Kraftanstrengungen aller MitarbeiterInnen<br />
erhebliche Strukturverbesserungen<br />
umgesetzt hat. Im Vergleich mit anderen<br />
kommunalen Kliniken steht das Winterberg-Klinikum<br />
gut da und die Geschäftsführerin,<br />
Dr. Susann Breßlein, ist bundesweit<br />
als Referentin gefragt. Die Landeshauptstadt<br />
muss keine Defizite zu Lasten<br />
des Haushalts ausgleichen.<br />
Kommunale Krankenhäuser<br />
haben viele Vorteile<br />
Wie Erfahrungen aus anderen Städten<br />
zeigen führen Privatisierungen in der<br />
Regel zu Qualitätsverlusten in der Patientenversorgung<br />
und zu Abbau von<br />
Arbeitsplätzen und Lohndumping mit<br />
unterbezahltem, schlecht ausgebildetem<br />
Personal. Außerdem wird bei Privatisierungen<br />
oft das medizinische Spek-<br />
trum eingeschränkt. Bleibt ein Krankenhaus<br />
dagegen in öffentlicher Hand, hat<br />
das viele Vorteile. Kommunale Krankenhäuser<br />
können kostendeckend, wettbewerbsfähig<br />
und wirtschaftlich arbeiten<br />
und daneben ihrem sozialpolitischen<br />
Anspruch gerecht werden. Sie können<br />
ihre Patientenzahlen steigern, z.B. durch<br />
Einbeziehung der niedergelassenen Ärztinnen<br />
und Ärzte, die Einführung neuer<br />
AKTUELL & BRISANT<br />
Teure Vorsorge von CDU und FDP<br />
Im nächsten Jahr werden<br />
wir als saarländische<br />
<strong>Grüne</strong> mit zwei Kandidatinnen<br />
ins Rennen um<br />
die Listenplätze für die<br />
Europawahl 2009 gehen.<br />
In der letzten Landesvorstandssitzung<br />
haben sowohl unsere<br />
Europaabgeordnete Hiltrud Breyer als<br />
auch ich ein Votum bekommen, worüber<br />
ich mich sehr freue.<br />
Damit bewerbe ich mich <strong>im</strong> Januar auf<br />
dem Nominierungsparteitag in Dortmund<br />
zum ersten Mal um einen Listenplatz<br />
zur Europawahl. Dabei ist es<br />
mir wichtig, dass wir gemeinsam für<br />
die europäische Sache kämpfen. Deshalb<br />
trete ich nicht gegen Hiltrud Breyer<br />
an, die schon über viele Jahre hinweg<br />
in Brüssel erfolgreich für Verbraucher-<br />
Spezialgebiete, durch BelegärztInnen,<br />
Tagesklinik und Pflege. Wir sind der Meinung,<br />
dass ein Klinikum der medizinischen<br />
Versorgung der Bevölkerung und<br />
nicht dem Profit von Investoren dienen<br />
muss. Deshalb machen wir uns weiterhin<br />
dafür stark, dass das Winterbergklinikum<br />
in öffentlicher Hand bleibt.<br />
ka r i n Bu r k a r T<br />
miTglied <strong>im</strong> ar kl i n i k u m<br />
Fo T o: Th o m a s hippchen<br />
Europawahl 2009<br />
Tina Schöpfer bewirbt sich um<br />
Listenplatz für Europaparlament<br />
schutz und Kl<strong>im</strong>amaßnahmen<br />
auf EU-Ebene kämpft. Unser<br />
Ziel ist es, gemeinsam für das<br />
Saarland als europäische Kernregion<br />
anzutreten. Wir werden<br />
deshalb unabhängig von<br />
den errungenen Plätzen auf<br />
der Bundesliste <strong>im</strong> kommenden Jahr<br />
gemeinsam für die europäische Sache<br />
werben. Als europapolitische Sprecherin<br />
der saarländischen <strong>Grüne</strong>n und<br />
<strong>Fraktion</strong>sgeschäftsführerin der <strong>Grüne</strong>n<br />
<strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong> liegt es mir besonders am<br />
Herzen, dass Europa vor Ort bei den<br />
Menschen ankommt. Deshalb möchte<br />
ich mich dafür einsetzen, die kommunale,<br />
regionale und europäische Ebene<br />
besser zu vernetzen.<br />
Ti n a schöpFer<br />
Fr a k T i o n s g e s c h äF T s F ü h r e r i n<br />
grün: konkret. 3 / 2008 5
AKTUELL & BRISANT<br />
„Die Stadt hat ihre<br />
Hausaufgaben<br />
gemacht. Jetzt muss<br />
das Land handeln.“<br />
6<br />
Stadtmitte am Fluss<br />
Die entscheidende<br />
Phase hat begonnen<br />
Die Bürgerinnen und Bürger haben<br />
entschieden: Der Entwurf des<br />
Teams Loidl - eine Arbeitsgruppe<br />
aus Berliner und Saarbrücker<br />
Architekten, Landschaftsplanern<br />
und Ingenieuren - erhält den<br />
Zuschlag, um die „Stadtmitte am<br />
Fluss“ federführend zu gestalten.<br />
Die Planungsgruppe Braunfels wird<br />
die drei neuen Brücken bauen. Eine<br />
Entscheidung, die unserer Meinung<br />
nach ausgewogen ist und das<br />
Projekt voranbringt. Für uns <strong>Grüne</strong><br />
wird sich das Großprojekt aber nur<br />
entfalten können, wenn mit ihm<br />
die Verkehrswende geschafft wird.<br />
Der dritten und letzten Bürgerwerkstatt,<br />
die am 15.11.08 in der Kongresshalle stattfand,<br />
war eine zweitägige Jurysitzung<br />
vorausgegangen, in der unsere <strong>Fraktion</strong><br />
auch vertre-<br />
gu i d o vo g e l<br />
Ba u p o l iT i s c h e r sprecher<br />
ten war. Es<br />
ging <strong>im</strong> Kern<br />
darum, aus<br />
sechs Entwürfendiejenigenauszuwählen,<br />
die am ehesten den Kriterien der Bürgerinnen<br />
und Bürger und der Fachjury entsprachen.<br />
Wichtige Kriterien waren z.B.<br />
Nachhaltigkeit, Alltagstauglichkeit und<br />
Gebrauchsqualität. Dieser Juryphase war<br />
wiederum eine Voruntersuchung vorausgegangen,<br />
die grundsätzliche Fragen<br />
wie z.B. die Einhaltung des Hochwasserschutzes<br />
behandelte. In der Jury stellte<br />
sich <strong>im</strong> Laufe der Beratungen heraus,<br />
dass die Gruppe Loidl aus Berlin am<br />
ehesten in der Lage ist, die geforderten<br />
Aufgaben zu lösen. Dazu aus der Begründung<br />
der Fachrichter:<br />
„Die Konzeption baut auf dem historischen<br />
Stadtgrundriss und den dominanten<br />
landschaftlichen Strukturen auf, um<br />
sie den neuen Bedürfnissen der Stadtbevölkerung<br />
entsprechend weiter zu entwickeln<br />
(…) Eine besondere Qualität des<br />
Konzeptes wird in der Gestaltung des<br />
grün: konkret. 3 / 2008<br />
eigentlichen Tales gesehen. Der Kanal<br />
am Rande der Stadt wird wieder zum<br />
Fluss, der sich in der Aue selbstverständlich<br />
bewegt (…).“ Die Stärke des „Braunfelsentwurfs“<br />
liegt <strong>im</strong> Bereich der Brücken:<br />
Die zwei neuen Fußgängerbrücken<br />
und die neugestaltete Luisenbrücke<br />
sind dort von der unteren Fluss- wie von<br />
der oberen Stadtebene zugänglich und<br />
wirken in ihrem Grundelement „Bogen“<br />
äußerst elegant, ohne in Konkurrenz zur<br />
Stadtbebauung zu treten. Es bleibt zu<br />
hoffen, dass beide Gruppen eine gute<br />
Abst<strong>im</strong>mung finden und der Stadt juristische<br />
Probleme erspart bleiben.<br />
Wir waren sehr von der Qualität der Jurytagung<br />
angetan. Wann hatten international<br />
renommierte Architekten und Landschaftsplaner<br />
vorher einmal schon ein so<br />
qualifiziertes Votum für die Entwicklung<br />
der Landeshauptstadt abgegeben?<br />
Verkehrswende einleiten<br />
Wie geht es nun nach der Bürgerbeteiligung<br />
und dem Juryentscheid weiter?<br />
Zuerst einmal wird die Entscheidung der<br />
Wir gratulieren Carmen<br />
Dams herzlich<br />
zu ihrer bundeswei-<br />
Fo T o: p r i v aT<br />
ten Auszeichnung. Die<br />
Grünamts-Leiterin hat<br />
<strong>im</strong> Oktober den „Goldenen<br />
Ginkgo“ von<br />
der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft<br />
1822 e.V. (DGG) erhalten. Zu den vier<br />
Kriterien für die Auszeichnung zählt die<br />
DGG unter anderem das Freiraum-Entwicklungsprogramm<br />
für Stadtteile, das<br />
in das Stadtentwicklungskonzept ein-<br />
Fo T o: sTa d T sa a r B r ü c k e n<br />
Jury und der BürgerInnen vom <strong>Stadtrat</strong><br />
formal bestätigt. Danach geht es vor allem<br />
darum, dass die Finanzierung auf solide<br />
Beine gestellt wird. Anfang des nächsten<br />
Jahres wird dazu der Großprojektantrag<br />
vom Bund in Brüssel gestellt werden.<br />
Wir haben <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong> den Antrag gestellt,<br />
dass dieses Unterfangen mit einer Präsentation<br />
der Siegerentwürfe in der saarländischen<br />
Landesvertretung in Berlin<br />
begleitet wird. Dieser Antrag wurde von<br />
den anderen <strong>Fraktion</strong>en einst<strong>im</strong>mig angenommen.<br />
Wichtig ist es nun vor allem, dass mit<br />
dem Großprojekt eine Wende in der städtischen<br />
Verkehrspolitik eingeleitet wird.<br />
Hier besteht die einmalige Chance, den<br />
Menschen neben dem Auto das zu Fuß<br />
gehen, das Rad fahren und den ÖPNV als<br />
Alternative anzubieten und die notwendigen<br />
Strukturen auszubauen. Um dies<br />
umzusetzen, haben wir schon vor einem<br />
Jahr unsere Leitlinien für eine grüne Verkehrspolitik<br />
erarbeitet. Mehr dazu unter<br />
www.gruene-fraktion-sb.de, Positionspapiere.<br />
Herzlichen Glückwunsch!<br />
Goldener Ginkgo für Carmen Dams<br />
geflossen ist. Dahinter steht die Idee,<br />
dass es in jedem Stadtteil einen zentralen<br />
Platz oder Park geben soll, der<br />
für jeden zugänglich ist. Die DGG lobt<br />
außerdem die „allumfassende Zuständigkeit“<br />
von Carmen Dams und die<br />
„Eigenständigkeit“ des Grünamts. Dies<br />
sei nicht in allen Städten selbstverständlich.<br />
Anlässlich der Preisverleihung<br />
pflanzte Carmen Dams unterhalb<br />
des Staatstheaters in den Saaranlagen<br />
einen Ginkgo-Baum.<br />
Fr a k T i o n u n d geschäFTssTelle
Stadtwerke-Teilverkauf<br />
Schleichender<br />
Entkommunalisierung<br />
Tür und Tor geöffnet<br />
In der <strong>Stadtrat</strong>ssitzung am 16. September<br />
2008 hat die <strong>Stadtrat</strong>smehrheit<br />
von CDU, FDP und SPD einen<br />
Teilverkauf der Stadtwerke von<br />
insgesamt 20 Prozent an die VSE AG<br />
an die Saar-Ferngas AG beschlossen.<br />
Wir haben nach dem Abwägen<br />
des Für und Wider geschlossen<br />
gegen diesen Verkauf gest<strong>im</strong>mt.<br />
Dafür haben wir gute Gründe.<br />
Unser Ziel ist der<br />
Einstieg in die ökologischeEnergiewirtschaft.<br />
Die Diskussion<br />
und die<br />
Ergebnisse des<br />
Bieterverfahrens<br />
haben ergeben,<br />
dass diese Forderung durch die Kooperation<br />
mit VSE und Saar Ferngas nicht ausreichend<br />
erfüllt wird. Durch die Kooperation<br />
mit der VSE AG ist auch die RWE mit<br />
<strong>im</strong> Boot. Nach den Diskussionen um das<br />
Mega-Kraftwerk in Ensdorf sind RWE und<br />
VSE für uns keine vertrauenswürdigen<br />
Partner. Die Diskussion damals vor Ort<br />
hat gezeigt, dass die VSE nicht ernsthaft<br />
an erneuerbaren Energien und dezentraler<br />
Energieversorgung interessiert ist.<br />
„RWE und VSE<br />
müssen stärker bei<br />
den erneuerbaren<br />
Energien investieren.“<br />
Entkommunalisierung der<br />
Stadtwerke<br />
Durch den Einstieg von VSE und Saar<br />
Ferngas bei den Stadtwerken ist die Tür<br />
für eine schleichende Entkommunalisierung<br />
der Stadtwerke geöffnet. Denn<br />
durch die Beteiligung der Kooperationspartner<br />
an einem möglichen Gas-Kraftwerk<br />
in Völklingen-Wehrden könnten<br />
VSE und Saar Ferngas bis zu 49 Prozent<br />
der Stadtwerke erwerben. Und falls das<br />
Th o m a s Br ü c k<br />
FrakTionsvorsiTzender<br />
Kraftwerk in Wehrden<br />
gebaut wird, gibt<br />
es keine Garantie,<br />
dass es tatsächlich<br />
ein Gas-Kraftwerk<br />
und kein kl<strong>im</strong>aschädliches<br />
Kohlekraftwerk<br />
wird.<br />
Der technische Vorstand, der eine ganz<br />
zentrale Rolle für die Weiterentwicklung<br />
der Stadtwerke spielt, soll ausschließlich<br />
von VSE und Saar Ferngas besetzt<br />
werden. Bei einer Beteiligung von 20 Prozent<br />
ist diese Machtfülle auf Seiten eines<br />
privaten Investors für uns nicht nachvollziehbar.<br />
Wir haben <strong>im</strong>mer gesagt, dass<br />
die Stadtwerke in öffentlicher Hand bleiben<br />
müssen.<br />
Das neue Stadtwerke-Modell bietet die<br />
STADTENTWICKLUNG<br />
Max Ophüls-Festival<br />
wird 30<br />
Von 500 auf 30.000 – das ist die Zuschauerbilanz<br />
des Ophüls-Festivals nach 30 Jahren. Bei<br />
der Jubiläumsausgabe vom 26. Januar bis<br />
1. Februar kommen Filmfans wieder auf ihre<br />
Kosten. Ein paar Neuigkeiten hat das Ophüls-<br />
Team bereits verraten. So gibt eine Änderung<br />
be<strong>im</strong> Wettbewerb: Die Dokumentarfilme konkurrieren<br />
nicht mehr wie bisher mit den Spielfilmen,<br />
sondern bekommen eine eigene Sparte.<br />
Der in diesem Jahr eingeführte Nachwuchspreis<br />
für mittellange Filme (30 bis 60 Minuten)<br />
läuft weiter. Insgesamt sollen 160 Filme<br />
gezeigt werden, die Sichtung der bisher eingereichten<br />
800 Produktionen läuft noch. Wer<br />
die Eröffnungsfeier moderiert, wollten die Festivalleiter<br />
Gabriella Bandel und Philipp Bräuer<br />
noch nicht verraten. Fest steht, dass Schauspieler<br />
Gregor Weber („Tatort“) die Moderation der<br />
Mitternachtsgespräche übern<strong>im</strong>mt.<br />
Ti n a schöpFer<br />
Fr a k T i o n s g e s c h äF T s F ü h r e r i n<br />
Möglichkeit, eine Gesellschaft für Erneuerbare<br />
Energien zu gründen. Das hört<br />
sich zunächst gut an, ist aus unserer Sicht<br />
aber ein weiterer Schritt zur Entkommunalisierung<br />
der Stadtwerke. Denn die<br />
Stadtwerke hätten nur eine Minderheitsbeteiligung<br />
an der neuen Gesellschaft.<br />
VSE AG und Saar Ferngas AG erhalten <strong>im</strong><br />
Aufsichtsrat Mandate, die auf städtischer<br />
Seite verloren gehen. Den Stadträten<br />
wird dadurch eine weitere Möglichkeit<br />
aus der Hand genommen, sich für erneuerbare<br />
Energien stark zu machen.<br />
Bundesgerichtshof geht gegen<br />
Stromriesen vor<br />
Durch die <strong>im</strong> November getroffene<br />
Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs,<br />
dass sich die Energieriesen Eon<br />
und RWE künftig nicht mehr an Stadtwerken<br />
beteiligen dürfen, sehen wir uns<br />
in unserer Position bestätigt. Die Grundsatzentscheidung<br />
richtet sich gegen eine<br />
schleichende Entkommunalisierung der<br />
Stadtwerke. Es stellt sich nun auch die<br />
Frage, was dies für das weitere Vorgehen<br />
in <strong>Saarbrücken</strong> bedeutet. Denn <strong>im</strong><br />
Zuge dieses Urteils könnte es auch dazu<br />
kommen, dass die Konzerne zum Verkauf<br />
ihrer Stadtwerkebeteiligungen gezwungen<br />
werden.“<br />
grün: konkret. 3 / 2008 7
STADTENTWICKLUNG<br />
„Die Vitrine<br />
de France ist ein<br />
bodenständiges<br />
Projekt.“<br />
8<br />
CDU und FDP: Sonntags reden und montags nicht handeln<br />
<strong>Saarbrücken</strong> braucht<br />
die Vitrine de France<br />
Der Eurobahnhof n<strong>im</strong>mt langsam<br />
Fahrt auf. Auf 100.000 Quadratmetern<br />
nicht genutzter Bahnflächen<br />
wurde ein neues multifunktionales<br />
Stadtquartier entwickelt. Ein<br />
wichtiges Signal für den Ausbau der<br />
deutsch-französischen Wirtschaftsbeziehungen<br />
wäre der Baubeginn<br />
der so genannten „Vitrine de<br />
France“. Bisher tritt die CDU-FDP-<br />
Koalition jedoch auf die Bremse.<br />
ha J o Br u n s<br />
Fi n a n z p o l iT i s c h e r sprecher<br />
Nicht die Finanzkrise<br />
ist das größte<br />
Problem für<br />
Europa - es ist die<br />
Nacht von Sonntag<br />
auf Montag.<br />
Vor dieser Nacht,<br />
am Wochenende,<br />
werden motivierende Reden gehalten,<br />
z.B. bei der letzten Veranstaltung des<br />
Vereins „Zukunft SaarMoselle Avenir“, der<br />
sich für die Zusammenarbeit zwischen<br />
den benachbarten Städten und Gemeinden<br />
aus dem Saarland und dem Département<br />
Moselle einsetzt. Alle anwesenden<br />
Vertreter der Kommunen waren sich<br />
einig, dass jede Kommune gefordert ist,<br />
vor Ort die Vernetzung Europas voranzutreiben.<br />
Das Wochenende ist auch die<br />
Geburtsstunde vieler Presseerklärungen.<br />
Die CDU fordert darin gern eine bessere<br />
Wirtschaftsförderung. Und die französische<br />
Seite <strong>Saarbrücken</strong>s soll gestärkt<br />
werden. Dann kommt die Nacht von<br />
Sonntag auf Montag.<br />
Kristallisationspunkt<br />
für deutsch-französische<br />
Wirtschaftsbeziehungen<br />
Am Montag diskutiert man die Vitrine<br />
de France. Dabei handelt es sich um ein<br />
Tagungs- und Unternehmerzentrum speziell<br />
für französische Unternehmen direkt<br />
am Gleis nach Paris. Der Eurobahnhof<br />
bekäme einen seinem Namen angemessenen<br />
Impuls. Ein Kristallisationspunkt<br />
für die Stärkung der regionalen deutschfranzösischen<br />
Wirtschaftbeziehungen,<br />
grün: konkret. 3 / 2008<br />
gerade auch für kleinere Unternehmen<br />
und Existenzgründer aus der Region<br />
und darüber hinaus würde geschaffen.<br />
In einer überschaubaren Größe und mit<br />
moderaten Kosten und Risiken - also kein<br />
Mult<strong>im</strong>illionen-Denkmal, sondern ein<br />
bodenständiges Projekt. Die Planungen<br />
sind fertig, diverse Unternehmen haben<br />
ihr Interesse bekundet, es könnte direkt<br />
losgehen. Wenn nicht die Nacht von<br />
Sonntag auf Montag wäre. Sonst wäre<br />
nicht zu erklären warum ein Projekt, welches<br />
alle Eigenschaften hat, die man am<br />
Sonntag gewollt hat, am Montag plötzlich<br />
nur noch auf Bedenken und Missachtung<br />
stößt. Wer Näheres wissen will, dem<br />
berichten die Ratsfraktionen von CDU<br />
und FDP sicher gerne, was sie gegen die<br />
Nacht von Sonntag auf Montag zu tun<br />
gedenken.atz: „“
<strong>Saarbrücken</strong> will erste „Fairtrade Town“ in Deutschland werden!<br />
Fairer Handel bekommt<br />
politische Unterstützung<br />
<strong>Saarbrücken</strong> soll die erste „Fairtrade<br />
Town“ in Deutschland<br />
werden. Dafür setzen sich sowohl<br />
verschiedene Fairtrade Organisationen<br />
als auch entwicklungspolitische<br />
Vereine ein. Sie machen<br />
sich stark für fairen Handel und<br />
möchten, dass <strong>Saarbrücken</strong><br />
das Zertifikat „Fairtrade Town“<br />
erhält. Wir haben die Initiative<br />
mit Anträgen <strong>im</strong> Hauptausschuss<br />
und <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong> unterstützt.<br />
Die Auszeichnung „Fair Trade Town“<br />
erhält eine Stadt, wenn sie nachweisen<br />
kann, dass ihre BürgerInnen sich auf verschiedenen<br />
Ebenen für den fairen Handel<br />
stark machen: In der Verwaltung, in den<br />
Medien, in Geschäften und Unternehmen<br />
sowie an vielen Orten des öffentlichen<br />
Lebens. In Großbritannien begann<br />
die Kampagne 2000 in Garstang. Mittlerweile<br />
sind dort 377 Städte zertifiziert und<br />
200 Städte und Gemeinden befinden sich<br />
<strong>im</strong> Bewerbungsprozess. Weltweit bewerben<br />
sich in mittlerweile 17 Ländern<br />
Städte um den Status „Fair Trade Town“.<br />
Neben Großbritannien ist vor allem Belgien<br />
sehr erfolgreich gefolgt von Irland,<br />
Österreich, Italien, Schweden und vielen<br />
weiteren europäischen Ländern. Nun<br />
steigt Deutschland ins Boot.<br />
Kaffee und Präsente aus fairem<br />
Handel<br />
Die erste deutsche Stadt, die sich <strong>im</strong> Frühjahr<br />
2008 als Fairtrade Town beworben<br />
hat, ist <strong>Saarbrücken</strong>! Damit hat unsere<br />
Landeshauptstadt die einmalige Chance<br />
bei dieser europäischen Bewegung für<br />
Deutschland ganz vorne dabei zu sein.<br />
Von dem Projekt profitieren in erster Linie<br />
die Kleinproduzenten in den Ländern<br />
des Südens, aber auch unsere Landeshauptstadt,<br />
die ein besonderes Image zu<br />
diesen hoch<strong>brisant</strong>en Themen der Nachhaltigkeit<br />
erhalten würde. Wichtig ist es<br />
deshalb auch, mit politischen Beschlüssen<br />
deutlich zu machen, dass die Stadt<br />
hinter dem Projekt steht. Bereits 2003<br />
hat der <strong>Stadtrat</strong> einst<strong>im</strong>mig beschlossen,<br />
dass die Verwaltung Kaffee für den eigenen<br />
Gebrauch<br />
und Präsente für<br />
feierliche Anlässe<br />
aus fairem Handel<br />
bezieht. Wir haben<br />
<strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong> nachgefragt,<br />
ob das<br />
auch tatsächlich<br />
so gehandhabt wird. Ergebnis: Laut Verwaltung<br />
ist der Beschluss bezüglich des<br />
Kaffees zu 75 Prozent umgesetzt. Die Vorgabe<br />
für Geschenke habe sich pr<strong>im</strong>är auf<br />
kleine Präsentkörbe mit Lebensmitteln<br />
aus fairem Handel bezogen. Aus organisatorischen<br />
Gründen wie z.B. Haltbarkeit<br />
und Lagerkapazitäten habe die Stadt<br />
nach einer Testphase auf diese Art der<br />
Geschenke verzichtet. Françoise Laroppe<br />
vom Netzwerk Entwicklungspolitik <strong>im</strong><br />
Saarland und Beate Trappen-Schweitzer<br />
vom Weltladen Kreuz des Südens haben<br />
inzwischen ihre neue Geschenkidee „Bioregional-fair“<br />
vorgestellt: Fairer Kaffee<br />
mit einem Foto des Saarbrücker Rathauses<br />
auf der Packung, ein edle Schokolade,<br />
deren Verpackung das Bild der Ludwigskirche<br />
ziert und einen Topf<br />
Honig aus dem Bliesgau. Das<br />
Ganze verpackt in einer schönen<br />
Präsentschachtel. Ein solches<br />
Geschenk ist nicht nur fair,<br />
es wäre auch ein gelungenes<br />
Werbemittel für <strong>Saarbrücken</strong>.<br />
Wir werden uns deshalb dafür<br />
stark machen, dass die Verwaltung<br />
künftig ihre Präsente aus<br />
fairem Handel bezieht.<br />
Mit Kaltgetränken<br />
weitermachen<br />
Damit <strong>Saarbrücken</strong> Chancen<br />
auf die Auszeichnung<br />
„Fair Trade Town“ hat, wollen<br />
wir, dass die Verwaltung noch<br />
viel mehr Produkte aus fairem<br />
Handel bezieht. Wir haben<br />
deshalb beantragt, dass bei<br />
Empfängen der Verwaltung<br />
„Die Auszeichnung<br />
,Fairtrade Town’ wäre<br />
ein Imagegewinn für<br />
<strong>Saarbrücken</strong>.“<br />
BILDUNG & SOZIALES<br />
<strong>im</strong> Rathausfestsaal auch ein Kaltgetränk,<br />
z.B. Fruchtsaft, über fairen Handel bezogen<br />
werden muss. Im<br />
Ti n a schöpFer<br />
Fr a k T i o n s g e s c h äF T s F ü h r e r i n<br />
Hauptausschuss und<br />
<strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong> wurde<br />
dieser Antrag einst<strong>im</strong>mig<br />
beschlossen. In<br />
der lokalen Monitoring-Gruppe<br />
des Projekts<br />
„Fair Trade Town“<br />
wird Bürgermeister Kajo Breuer die Verwaltung<br />
vertreten. Wir freuen uns, dass<br />
<strong>Saarbrücken</strong> damit sicherlich einen<br />
Schritt weitergekommen ist auf dem Weg<br />
zur ersten „Fair Trade Town“ in Deutschland.<br />
Denn das wird man nicht von heute<br />
auf morgen, sondern es bedarf vieler<br />
Anstrengungen und vor allem dem Engagement<br />
der Saarbrücker Bürgerinnen<br />
und Bürger. Was den politischen Bereich<br />
betrifft, bleiben wir am Ball und werden<br />
weiterhin ein Auge darauf haben, dass<br />
die Beschlüsse des <strong>Stadtrat</strong>s von der Verwaltung<br />
auch umgesetzt werden.<br />
So sieht die Saarbrücker Schokolade aus, die<br />
<strong>im</strong> Weltladen Kreuz des Südens erhältlich ist.<br />
Fo T o: WelTladen kr e u z d e s sü d e n s<br />
grün: konkret. 3 / 2008 9
BILDUNG & SOZIALES<br />
10<br />
Initiative der Synagogengemeinde<br />
Mit Stolpersteinen<br />
gegen das Vergessen<br />
Die Synagogengemeinde will<br />
mit „Stolpersteinen“ gegen das<br />
Vergessen kämpfen. Vor Häusern,<br />
die ehemals in jüdischem Besitz<br />
waren, sollen kleine Steine mit<br />
einer Messingplatte in das Trottoir<br />
eingelassen werden, um an die<br />
früheren Besitzer zu erinnern.<br />
Am 9. November 1938 wurden in<br />
Deutschland die jüdischen Synagogen<br />
zerstört. Ein von Naziorganisationen<br />
entfesselter Mob mordete und<br />
brandschatzte in vorher nicht gekannter<br />
Entfesselung der Gewalt. Tausende<br />
Geschäfte und Wohnhäuser wurden zerstört,<br />
die Zahl der Toten steht bis heute<br />
nicht genau fest. Es war der grauenhafte<br />
Auftakt dessen, was wenige Jahre<br />
später in den Konzentrationslagern als<br />
Fo T o: F r a u.l u e d e r s, ph o T o c a s e.c o m<br />
Mit Stolpersteinen wie<br />
diesem in Hamburg will die<br />
Synagogengemeinde auch in<br />
<strong>Saarbrücken</strong> an die jüdischen<br />
BürgerInnen erinnern.<br />
Auf der zentralen Messingplakette<br />
steht: „Hier wohnte Jonny Eduard<br />
Dabelstein; JG. 1900; Zuchthaus 1934<br />
- 39 `Volksverhetzung´; Tot 26.6.1941<br />
Bremen-Stebshausen“<br />
grün: konkret. 3 / 2008<br />
so genannte „Endlösung der Judenfrage“<br />
fortgeführt wurde. Auch in <strong>Saarbrücken</strong><br />
brannte die Synagoge, wurden jüdische<br />
BürgerInnen misshandelt und terrorisiert.<br />
Mitglieder der Nazipartei und der<br />
SS drangen in Wohnungen ein, schlugen<br />
die BewohnerInnen, zerrten die Menschen,<br />
die nur notdürftig bekleidet waren<br />
nach draußen und trieben sie durch die<br />
kalte Nacht erst zum Bahnhof, dann zum<br />
Schlossplatz. Anschließend wurden sie<br />
auf der Lerchesflur arretiert. Ein eilends<br />
herbei geführter Notar nahm Protokolle<br />
auf, laut denen viele ihren Besitz<br />
an eine Vermögens-Verwertungsgesellschaft<br />
in Neustadt übertragen mussten.<br />
<strong>Saarbrücken</strong> muss an die<br />
Verbrechen erinnern<br />
Viel jüdischer Besitz ging damit an so<br />
genannte „arische Deutsche“ über,<br />
ohne dass diese angemessen dafür<br />
bezahlten. So wurde z.B. das Bekleidungshaus<br />
Weill & Söhne von dem<br />
„arischen“ Besitzer Weinhold übernommen,<br />
wie dies stolz in einer<br />
Anzeige der Saarbrücker Zeitung<br />
vermeldet wurde. Auch die Firma<br />
Arnold Becker bediente sich aus<br />
jüdischem Besitz. Dass bis heute an<br />
diese Verbrechen nicht öffentlich<br />
erinnert wird, ist ein Armutszeugnis<br />
für <strong>Saarbrücken</strong>. Umso mehr ist<br />
dem Vorsitzenden der Saarbrücker<br />
Synagogengemeinde Richard Bermann<br />
zu danken, dass er die Initiative<br />
„Stolpersteine“ voranbringen<br />
will. Dabei werden vor Häusern, die<br />
ehemals in jüdischem Besitz waren,<br />
kleine Steine mit einer Messingplatte<br />
in das Trottoir eingelassen,<br />
um an die früheren Besitzer zu erinnern.<br />
Diese Initiative findet unsere volle Unterstützung.<br />
Und es sollten alle <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong><br />
vertretenen Parteien mitarbeiten und<br />
dieses Projekt der Synagogengemeinde<br />
unterstützen. Als Zeichen gegen Rassenhass,<br />
Barbarei und Antisemitismus.<br />
Th o m a s Br ü c k<br />
FrakTionsvorsiTzender<br />
PISA-Debatte<br />
Echte Ganzta<br />
geben dem L<br />
einen neuen<br />
„Es reicht nicht,<br />
nur den Unterricht<br />
in den Nachmittag<br />
zu verlängern.“<br />
ka r i n Bu r k a r T<br />
sc h u l p o l iT i s c h e sp r e c h e r i n<br />
Seit den PISA-Debatten sind auch<br />
die Frühpädagogik und ihr Beitrag<br />
zum Bildungserfolg der Kinder ins<br />
Blickfeld öffentlicher Aufmerksamkeit<br />
gerückt. Kinder profitieren<br />
von einem frühen Besuch<br />
guter Kindertrageseinrichtungen<br />
(Kita) für ihre Bildungsbiografie.<br />
Bei Kindern aus bildungsfernen<br />
Familien gilt das besonders, wenn<br />
solche Angebote mit speziellen<br />
Förderprogrammen verbunden<br />
sind und die Eltern einbeziehen.<br />
Kitas sind – anders als schulische Bildungseinrichtungen<br />
– in der Kinder- und<br />
Jugendhilfe verankert. Dies hat Folgen,<br />
was ihre Nutzung, ihre pädagogischen<br />
Konzepte, aber auch ihre Entscheidungs-<br />
und Finanzierungsstrukturen anbelangt.<br />
Für den pädagogischen Ansatz ist die<br />
Verknüpfung des Bildungsauftrages mit<br />
der Betreuung und Erziehung der Kinder,<br />
wie sie das Kinder- und Jugendhilfe-<br />
Gesetz best<strong>im</strong>mt, charakteristisch. Vor<br />
allem diese Trias von Bildung, Betreuung<br />
und Erziehung wurde <strong>im</strong> jüngsten OECD-<br />
Bericht als eine besondere Stärke des<br />
deutschen Konzeptes hervorgehoben.<br />
Bildung ist die wichtigste<br />
Zukunftsressource<br />
Kinder und Jugendliche wachsen heute<br />
in einer vielfältigen und sich ständig verändernden<br />
Welt auf, in der formales wie<br />
nonformales und informelles Wissen und<br />
Können als die wesentlichen Schlüssel<br />
sowohl für individuelle Entfaltungs- und<br />
Teilhabechancen als auch für den Fort-
gsschulen<br />
ernen<br />
Rhythmus<br />
bestand der ökonomischen Leistungsfähigkeit<br />
einer Gesellschaft gelten. Gelingende<br />
Bildungsprozesse gewinnen vor<br />
diesem Hintergrund <strong>im</strong>mer mehr Bedeutung.<br />
Bildung ist die Zukunftsressource<br />
nicht nur für junge Menschen, sondern<br />
auch für die Gesellschaft. Diese Voraussetzungen<br />
zu schaffen und die Prozesse<br />
erfolgreich zu steuern, ist eine gesamtgesellschaftliche<br />
Aufgabe. Vor dem Hintergrund<br />
der Ergebnisse internationaler<br />
Vergleichsstudien ist es dringend notwendig,<br />
dass die verschiedenen Systeme<br />
der Bildung, Erziehung und Betreuung<br />
sich stärker öffnen und offensiver aufeinander<br />
zu gehen. Eine Gesellschaft kann<br />
es sich sowohl sozial als auch volkswirtschaftlich<br />
nicht leisten, Ressourcen der<br />
nachwachsenden Generation nicht auszuschöpfen.<br />
Bildung ist mehr als Lernen <strong>im</strong><br />
Unterricht<br />
Wie sieht es nun in unserer Bildungslandschaft<br />
aus? „Bildungslandschaft“:<br />
ein Begriff, der seit dem 12. Kinder- und<br />
Jugendbericht die Diskussion beherrscht.<br />
Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass<br />
Bildung mehr ist als Lernen <strong>im</strong> Unterricht<br />
und dass nur <strong>im</strong> Zusammenspiel aller<br />
bildungsrelevanten Institutionen und<br />
Akteure die mit dem Aufwachsen von<br />
Kindern und Jugendlichen verbundenen<br />
Herausforderungen bewältigt werden<br />
können. Länder und Kommunen sind<br />
gleichermaßen aufgerufen, ihr Engagement<br />
<strong>im</strong> Rahmen einer staatlich-kommunalen<br />
Verantwortungsgemeinschaft mit<br />
allen relevanten Akteuren – auch den Kindern<br />
– zukunftsorientiert weiter zu entwickeln.<br />
Bildungslandschaft ist kein fertiges<br />
Einheitsmodell sondern eine Leitidee<br />
für die Akteure, in den Kommunen<br />
bereits vorhandene Vernetzungsstrukturen<br />
entsprechend der eigenen Bedarfe<br />
weiter zu entwickeln. Im Ergebnis entstehen<br />
so verschiedene Bildungsland-<br />
schaften. Wie das Ruhrgebiet musste das<br />
Saarland das Wegbrechen der Montanindustrie<br />
verkraften und die Umstellung<br />
auf Industrien mit neuen Technologien<br />
und anspruchsvollen Dienstleistungen<br />
waren und sind zu bewältigen. Entsprechende<br />
Arbeitsplätze verlangen <strong>im</strong>mer<br />
qualifizierteres Personal. Die tiefgreifende<br />
Veränderung der Erwerbsstruktur<br />
stellt für Kommunen eine besondere<br />
Verpflichtung dar. Einerseits muss auf<br />
diesen besonders ausgeprägten Wandel<br />
reagiert werden, andererseits sollte man<br />
aber auch auf künftige Herausforderungen<br />
vorbereitet sein. Vor allem die Analysen<br />
der OECD zeigen eindrucksvoll, dass<br />
der Bildung dabei eine Schlüsselfunktion<br />
zukommt.<br />
Ganztagsschule mit neuem<br />
Rhythmus<br />
Die Bildungsdiskussion, die nach den<br />
Impulsen der 70er Jahre lange zu schlafen<br />
schien ist <strong>im</strong> Gefolge des PISA-<br />
Schocks neu erwacht. Nach den ersten<br />
platten Forderungen, es müsse einfach<br />
mehr gelernt werden, richtete sich der<br />
Blick allmählich doch auf die Bedingungen<br />
des Lernens. Zu deren Störfaktoren<br />
gesellte sich die wachsend wahrgenommene<br />
Gewaltbereitschaft, die an<br />
manchen Schulen zu medienwirksamen<br />
Exzessen führte und so zum Hemmnis<br />
pädagogischer Arbeit geworden ist. Der<br />
Ruf nach Hilfsmaßnahmen gegen diese<br />
Bedrohung schwoll rasch an. Ganztagesschule<br />
und Schulsozialarbeit sind<br />
Begriffe, die nicht als Antwort auf diese<br />
Probleme konzipiert sind, die jedoch als<br />
mögliche Gegenmaßnahmen plötzlich<br />
auch dort Konjunktur bekommen, wo<br />
BILDUNG & SOZIALES<br />
Fo T o: c l a F o u T i, ph o T o c a s e.c o m<br />
Bildung ist mehr als formelle<br />
Wissensvermittlung.<br />
sie bisher eher auf Ablehnung gestoßen<br />
waren. Schulpolitik ist Ländersache.<br />
Dennoch sind die Städte an der Finanzierung<br />
in erheblichem Maße beteiligt.<br />
Die Formel für die Lastenverteilung<br />
ist scheinbar einfach: Die Länder sind<br />
zuständig für Lehrpläne, Schulstrukturen<br />
und die Bezahlung des pädagogischen<br />
Personals; die Kommunen für Gebäude,<br />
Ausstattung und das dafür benötigte<br />
Personal. So lange sich Schule <strong>im</strong> vormittäglichen<br />
45-Minuten-Rhythmus<br />
erschöpfte, war diese Aufteilung weitgehend<br />
problemlos. Mit dem Ruf nach sozialpädagogischer<br />
Unterstützung <strong>im</strong> komplexer<br />
gewordenen Schulalltag ist der<br />
Konflikt zwischen Ländern und Städten<br />
offensichtlich geworden. Erschwerend<br />
hinzu kommen die differierenden schulpolitischen<br />
Vorstellungen der vertretenen<br />
Parteien. Wir machen uns dafür stark,<br />
dass Grundschulen echte Ganztagsschulen<br />
werden. Das heißt nach unserem Verständnis<br />
nicht, den Unterricht einfach in<br />
den Nachmittag hinein zu verlängern,<br />
sondern der Schule und dem Miteinander<br />
von SchülerInnen und LehrerInnen<br />
einen neuen Rhythmus zu geben.<br />
Die Diskussion erhält durch die Veränderung<br />
der Gesellschafts- und Familienstrukturen,<br />
die auf <strong>im</strong>mer mehr ganztägige<br />
Betreuung drängt, zusätzliche Nahrung.<br />
Die Forderung nach Ganztagsschulen<br />
n<strong>im</strong>mt zu und damit auch die nach<br />
einem ganzheitlichen Bildungsbegriff,<br />
der nicht mehr – wie gewohnt – formelles<br />
Lernen in der Schule von informellem<br />
außerhalb trennt.<br />
grün: konkret. 3 / 2008 11
ExPERTENINTERVIEW<br />
12<br />
Norbert Hocke, Leiter des Vorstandsbereichs Jugendhilfe<br />
und Sozialarbeit der GEW zum Thema Ganztagsschulen<br />
„Nur echte Ganztagsschulen<br />
werden den Lebenslagen<br />
der Familien gerecht!“<br />
Zur Person:<br />
Norbert Hocke ist seit 1993 Mitglied<br />
des Geschäftsführenden Bundesvorstands<br />
der Gewerkschaft Erziehung<br />
und Wissenschaft (GEW). Der<br />
Sozialarbeiter und Erzieher ist für<br />
den Vorstandsbereich Jugendhilfe<br />
und Sozialarbeit zuständig. Zu weiteren<br />
Vorstandsaufgaben gehören<br />
die Familien- und Migrationspolitik.<br />
Von September 1998 bis Ende April<br />
2005 hatte er das Amt des stellvertretenden<br />
GEW-Vorsitzenden inne.<br />
grün: konkret: Herr Hocke, Sie haben<br />
bei unserem Hearing zum Thema Ganztagsschulen<br />
<strong>im</strong> November darüber referiert<br />
wie Ganztagschulen gestaltet sein<br />
müssen, damit sie Bildungsgerechtigkeit<br />
für alle Kinder ermöglichen. Welche Qualitätsanforderungen<br />
an Ganztagsschulen<br />
stellt die GEW?<br />
Norbert Hocke: Im Jahr 2001 hat das<br />
Forum Bildung folgende Empfehlungen<br />
unter der Überschrift „Neue Lern-<br />
und Lehrkultur“ herausgegeben. Hier<br />
die Kernpunkte: “Die Prozesse des Lernens<br />
stärker zum Gegenstand machen,<br />
den Erwerb inhaltlichen Wissens und die<br />
Fähigkeit zur Anwendung dieses Wissens<br />
sowie überfachliche Kompetenzen verknüpfen,<br />
soziales und demokratisches<br />
Handeln erfahrbar machen, Lernprozesse<br />
der Lebens- und Arbeitswelt einbeziehen.“<br />
In der Umsetzung vor Ort bedeutet<br />
dies oft eine völlig neue Didaktik und<br />
Methodik: Statt Sprachtests – Sprachlerntagebücher;<br />
statt Benotung des Klassendurchschnitts<br />
- Könnerhefte der einzelnen<br />
Kinder und Jugendlichen zur Bewertungsgrundlage<br />
machen; raus aus der<br />
Schule - rein in den Stadtteil; Lerntage-<br />
und Wochenprojekte statt 45-Minutentakt.<br />
Und ganz besonders wichtig ist die<br />
Persönlichkeitsbildung. Hierfür müssen<br />
die Schulen die Erfahrungen der Kinder-<br />
grün: konkret. 3 / 2008<br />
und Jugendhilfe stärker<br />
berücksichtigen.<br />
Eine Reihe von Schulen<br />
hat sich in diese<br />
Richtung entwickelt,<br />
aber meistens sind<br />
die Bedingungen,<br />
unter denen die Lehrerinnen<br />
und Lehrer<br />
arbeiten miserabel!<br />
So fehlt für eine<br />
neue Lernkultur der<br />
Arbeitsplatz in der<br />
Schule - ohne diesen wird eine Ganztagsschule<br />
nicht funktionieren.<br />
grün: konkret: Aus unserer Sicht ist<br />
es problematisch, dass die CDU-Landesregierung<br />
auf das Modell der freiwilligen<br />
Ganztagsschule setzt, bei der Betreuung<br />
vor Bildung geht und Eltern das auch<br />
noch teuer bezahlen müssen. Deshalb<br />
fordern wir echte Ganztagschulen, die<br />
für die Eltern beitragfrei sind. Wie ist die<br />
Position der GEW dazu und wie schätzen<br />
Sie die Ganztagsschulsituation <strong>im</strong> Saarland<br />
<strong>im</strong> Vergleich mit anderen Bundesländern<br />
ein?<br />
Norbert Hocke: Eine Ganztagsschule<br />
muss <strong>im</strong>mer drei Ebenen berücksichtigen:<br />
Erstens braucht sie eine differenzierte<br />
Lernkultur mit dem Ziel, Bildungsbenachteiligung<br />
entgegenzuwirken, zweitens<br />
muss sie in die Lage versetzt werden,<br />
familienergänzende Erziehungsleistungen<br />
zu übernehmen und drittens muss<br />
sie als Ganztagsangebot allen Kindern<br />
zur Verfügung stehen. Mit einer Freiwilligkeit<br />
werden wir den Lebenslagen der<br />
Familien nicht mehr gerecht. Das Saarland<br />
muss sich sehr anstrengen, um den<br />
Anschluss zu halten.<br />
grün: konkret: Ist es sinnvoll, mit<br />
anderen Trägern zu kooperieren?<br />
Norbert Hocke: Eines muss klar<br />
sein: Das Aufwachsen von Kindern und<br />
Jugendlichen muss in öffentlicher Verantwortung<br />
geschehen. In der Kinder- und<br />
Jugendhilfe hat sich <strong>im</strong> KJHG (Kinder- und<br />
Jugendhilfegesetz) eine bundesgesetzliche<br />
Regelung zwischen öffentlichen und<br />
freien Trägern etabliert und größtenteils<br />
auch bewährt. Für die Schulen gilt allerdings<br />
der <strong>im</strong> Grundgesetz besonders<br />
erwähnte Erziehungsauftrag der öffentlichen<br />
Schulen. Wir sollten damit nicht<br />
leichtfertig umgehen. Für die Ganztagsschulen<br />
gilt es einen Weg zu finden, der<br />
für die Entwicklung eines einheitlichen<br />
Schulkonzeptes bestmögliche Voraussetzungen<br />
schafft und <strong>im</strong> Alltagsbetrieb ein<br />
Handeln aus einer Hand ermöglicht. Hier<br />
spricht vieles für die öffentliche Trägerschaft.<br />
Dort wo Erziehung, Bildung und<br />
Betreuung schon getrennt sind, ist eine<br />
einheitliche Trägerschaft leider nicht<br />
gegeben, aber damit wird ja gerade die<br />
Chance für eine gelingende Ganztagsschule<br />
genommen. Der Schuldirektor<br />
sagt dieses und der freie Träger vielleicht<br />
genau das Gegenteil.<br />
grün: konkret: Ist die Vernetzung von<br />
Jugendhilfe und Schulsozialarbeit stärker<br />
in den Blick zu nehmen? Was müssen die<br />
Eltern leisten?<br />
Norbert Hocke: Ja. Denn wir brauchen<br />
echte Ganztagsschulen und nicht<br />
Schule hier und Betreuung dort. Das<br />
bringt nicht nur Eltern durcheinander,<br />
sondern auch die Kinder und Jugendlichen.<br />
Eltern sollten eine stärkere Verbindlichkeit<br />
der Ganztagsschule einfordern,<br />
so dass Familie und Beruf auch<br />
wirklich miteinander zu vereinbaren sind<br />
und dass alle Kinder miteinander erzo-
Fo T o: Xe n i a1972 - Fo T o l i a.c o m<br />
In echten Ganztagsschulen lässt<br />
sich ein neuer ganzheitlicher<br />
Bildungsansatz verwirklichen.<br />
gen und gebildet werden. Sie sollen sich<br />
nicht als Bittsteller verstehen. Sie haben<br />
ein Recht auf gute Bildung und unterstützende<br />
Erziehung auch wenn dies -<br />
wie fast überall in Europa - ganztags ist.<br />
Bitte keine falsche Scham.<br />
grün: konkret: PISA hat gezeigt, dass<br />
längeres gemeinsames Lernen sinnvoller<br />
ist als die Schulform bezogene Sortierung<br />
wie sie bei uns noch üblich ist. Sollte<br />
man zunächst da etwas verändern bevor<br />
weitere - wenn auch „verwässert“ Ganztagsschulen<br />
angegangen werden, denn<br />
daraus würde sich ja auch ein anderes<br />
Raumprogramm ergeben?<br />
Norbert Hocke: Beides sollte parallel<br />
begonnen werden. An Ganztagsschulen<br />
die Chance nutzen, mit LehrerInnen<br />
und sozialpädagogischen Fachkräften<br />
einen neuen ganzheitlichen Bildungsansatz<br />
verwirklichen. Die längeren gemeinsamen<br />
Lernzeiten individueller gestalten,<br />
den ganzen Tag nutzen und wenn die<br />
Räume erstmal nicht ausreichen: Raus<br />
aus der Schule – rein in den Stadtteil! So<br />
wird sich auch die Sortierung aufheben.<br />
Aber selbstverständlich muss die eine<br />
Schule für alle - wie sie die GEW fordert,<br />
weiterhin politisch eingefordert werden,<br />
auch und gerade <strong>im</strong> Saarland.<br />
grün: konkret: Wie muss ein Ganztagsschulangebot<br />
ausgerichtet sein,<br />
damit es genügend Freizeit und Freiräume<br />
für die Kinder gibt?<br />
Norbert Hocke: Kinder sind sie den<br />
ganzen Tag. Das heißt für eine echte<br />
Debatte um Vierten Pavillon der MoGa geht in nächste Runde<br />
Avanti Dilettanti!<br />
Vieles, viel zu vieles, ist bei den<br />
Planungen zum Erweiterungsbau<br />
der Modernen Galerie (MoGa)<br />
schief gelaufen. Der federführenden<br />
Stiftung Saarländischer<br />
Kulturbesitz, ihrem Vorstand<br />
Ralph Melcher und dem Ex- Kulturminister<br />
Jürgen Schreier sind<br />
die Planungen offensichtlich<br />
über den Kopf gewachsen.<br />
Denn nur so ist zu erklären, mit welcher<br />
Verve von dort nach vermeintlich<br />
Schuldigen und Verhinderern Ausschau<br />
gehalten wird. Nur, oh Graus, man wird<br />
nicht fündig. Den ehemaligen Baudezernenten<br />
<strong>Saarbrücken</strong>s, Dieter Ehrmanntraut<br />
(CDU), will man nicht <strong>im</strong><br />
Nachgang demontieren, der <strong>aktuell</strong>en<br />
Baudezernentin, Dr. Rena Wandel-<br />
Hoefer, ist nichts vorzuwerfen. Bleibt<br />
also nur die allgemeine „Politik“; und<br />
zwar die städtische. Das eigene Fehlverhalten<br />
wird tunlichst verschwiegen.<br />
Und es ist doch gerade das, was das<br />
Verfahren bundesweit in die Schlagzeilen<br />
brachte. Ob Einkassieren der Juryentscheidung<br />
wegen gesetzeswidrigem<br />
Handeln, ob bewusste Falschinformation<br />
der Öffentlichkeit, ob arrogante<br />
Nichtbeachtung städtischer Entscheidungen:<br />
alles Ursachen für die nachhaltig<br />
gestörte Kommunikation zwischen<br />
Stadt und Land. Verursacht durch oben<br />
genannte Personen. Von der offenen<br />
Finanzierungsfrage ganz zu schweigen.<br />
Ganztagsschule, sie braucht „Räume“<br />
zum Leben, zum Lernen, für Ruhe und<br />
Entspannung und Platz, um in Ruhe<br />
eine Mahlzeit einnehmen zu können.<br />
Sie muss sich an alle Kinder richten<br />
und nicht nur an einige. Sie muss einladende<br />
Räume haben, in denen Wissen<br />
abgerufen werden kann (Bibliothek und<br />
Medienräume zugänglich für die Kinder<br />
und Jugendlichen selbst). Utopie? In<br />
Deutschland vielleicht, in anderen Ländern<br />
nicht. Wir müssen endlich die<br />
Ergebnisse und Erkenntnisse der Wissenschaft<br />
umsetzen und nicht verstaubten<br />
Lernkonzepten hinterherlau-<br />
KULTUR & WIRTSCHAFT<br />
Bebauungsplan würde Probleme<br />
lösen<br />
Wären alle <strong>Fraktion</strong>en unserem Antrag<br />
gefolgt, einen Bebauungsplan zu<br />
beschließen, der das Gesamtprojekt<br />
auch in die Planungen zum Großprojekt<br />
„Stadtmitte am Fluss“ einbezieht, man<br />
wäre ein gutes Stück weiter. Zudem wäre<br />
dadurch die städtische Bürgerschaft ins<br />
Verfahren mit einbezogen gewesen. Das<br />
wollte die städtische CDU als verlängerter<br />
Arm der Landesregierung wohl verhindern.<br />
Als wäre das Ganze nicht schon<br />
genug, bedurfte es dann noch der FDP,<br />
das alles noch zu toppen. Warum diese<br />
<strong>im</strong> Abst<strong>im</strong>mungsverfahren <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong><br />
entgegen ihren vorherigen Zusagen<br />
komplett umfiel, entzieht sich der öffentlichen<br />
Erkenntnis. Das mag diese <strong>Fraktion</strong><br />
mit sich selbst ausmachen. Aus unserer<br />
Sicht ist ein solches Verhalten unglaubwürdig<br />
und in hohem Maße verantwortungslos.<br />
Hier hat man leichtfertig städtische<br />
Interessen der kurzfristigen Koalitionsräson<br />
geopfert.<br />
Jetzt hat sich der Vorsitzende der Bundesstiftung<br />
Baukultur auf Initiative der Bürgerinitiative<br />
„Stoppt die Stiftung jetzt!“<br />
zu Wort gemeldet. Herr Prof. Braum<br />
bietet sich an, die Beplanung für eine<br />
verbesserte Integration und städtebauliche<br />
Einbindung zu begleiten. Er bietet<br />
zudem an, als Moderator in der verfahren<br />
Situation aufzutreten. Das Angebot<br />
sollte man annehmen.<br />
Th o m a s Br ü c k<br />
FrakTionsvorsiTzender<br />
fen. Unsere Schulen - auch viele Ganztagsschulen<br />
- nutzen ihre Chancen für<br />
eine inklusive Bildungswelt für Kinder<br />
nicht. Hier müssen Schulen und speziell<br />
die KultusministerInnen von der Kinder-<br />
und Jugendhilfe und den Jugendministern<br />
lernen. Mit dem selektiven Schulsystem,<br />
was nur Lern-Ausschnitte bei PISA<br />
vergleicht und sich nicht an den einzelnen<br />
Kindern orientiert, werden wir den<br />
Kindern nicht gerecht - egal ob in einer<br />
Halbtagsschule oder Ganztagsschule mit<br />
und ohne Plus!<br />
da s inTervieW F ü h r T e n<br />
ka r i n Bu r k a r T u n d Ti n a schöpFer.<br />
grün: konkret. 3 / 2008 13
KULTUR & WIRTSCHAFT<br />
14<br />
Kampagne „Deutschland liest“<br />
Bibliotheken brauchen<br />
mehr Unterstützung<br />
Was die Nutzung von Bibliotheken<br />
angeht, steht das Saarland bundes-<br />
weit auf dem vorletzten Platz. An<br />
der Bibliotheks-Kampagne „Deutschland<br />
liest“ hat sich auch die Stadtbibliothek<br />
<strong>Saarbrücken</strong> beteiligt.<br />
Die Auftaktveranstaltung <strong>im</strong> Dillinger<br />
Rathaus zur Eröffnung der bundesweiten<br />
Bibliothekswoche vom 24. bis 31.<br />
Oktober erfreute sich regen Zuspruchs.<br />
Mit außergewöhnlichen Präsentationen,<br />
Ausstellungen und Vorlesestunden sowie<br />
Bibliotheksnächten und vielfältigen Aktionen<br />
nahmen die saarländischen Bibliotheken<br />
an der bundesweiten Kampagne<br />
„Deutschland liest – Treffpunkt Bibliothek“<br />
teil. Auch der saarländische Rundfunk<br />
beteiligte sich an der Aktion und überall<br />
<strong>im</strong> Land lasen PolitikerInnen und Prominente<br />
Kindern und Jugendlichen vor.<br />
Stadtbibliothek <strong>Saarbrücken</strong><br />
erreicht konstante Steigerungen<br />
Die Stadtbibliothek <strong>Saarbrücken</strong> ist die<br />
größte kommunale öffentliche Bibliothek<br />
des Saarlandes. Ihre Angebote richten<br />
sich an alle BürgerInnen der Stadt<br />
und des Umlands. Wir freuen uns, dass<br />
die Bibliothek in den letzten Jahren konstante<br />
Steigerungen bei den Entleihungen<br />
verzeichnen konnte: Mit über 530.000<br />
Entleihungen rechnet Bibliotheksleiter<br />
Leo Prawitt für das Jahr 2008. Dem allgemeinen<br />
Trend entgegenlaufend hat auch<br />
die Nutzung bei Kindern und Jugendlichen<br />
konstant zugenommen. Dies ist ein<br />
Beleg für die gute Arbeit der Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter der Bibliothek.<br />
50-60 Veranstaltungen (Lesungen, Vorträge)<br />
stellt das Bibliotheksteam jedes<br />
Jahr auf die Beine. Im nächsten Jahr erhalten<br />
die Veranstaltungsreihen Zuwachs:<br />
Dann wird der Verein Geographie ohne<br />
Grenzen die Räumlichkeiten der Stadtbibliothek<br />
für seine Vorträge nutzen.<br />
Speerspitze der Modernisierung<br />
Einem Zitat aus der bibliothekarischen<br />
Fachpresse zu Folge sind Bibliotheken<br />
grün: konkret. 3 / 2008<br />
„die Speerspitze der Modernisierung“. Wir<br />
wollen hoffen, dass das, was Marie Luise<br />
Kaschnitz in „Das letzte Buch“ beschrieben<br />
hat, nie geschehen wird: „Das Kind<br />
kommt heute spät aus der Schule he<strong>im</strong>.<br />
„Wir waren <strong>im</strong> Museum“, sagt es. „Wir<br />
haben das letzte Buch gesehen“. Unwillkürlich<br />
blickt der Vater auf die lange Wand<br />
des Wohnz<strong>im</strong>mers, die früher einmal<br />
durch meh-<br />
„Das Vorhalten von rere Regale<br />
Bibliotheken muss voller Bücher<br />
zur Pflichtaufgabe verdeckt war,<br />
werden.“<br />
die aber jetzt<br />
leer ist und<br />
weiß getüncht, damit das neue plastische<br />
Fernsehen darauf erscheinen kann.<br />
„Ja und“, sagt er erschrocken, „was war<br />
das für ein Buch?“ „Eben ein Buch“, sagt<br />
das Kind. „Es hatte einen Deckel, einen<br />
Rücken und Seiten, die man umblättern<br />
kann.“ „Und was war darin gedruckt?“<br />
„Das kann ich nicht wissen“, sagt das Kind.<br />
„Wir durften es nicht anfassen, es liegt<br />
unter Glas“. „Schade“, dachte der Vater.<br />
Aber das Kind war schon weg gesprungen,<br />
um an den Knöpfen des Fernsehapparates<br />
zu drehen. Die weiße Wand<br />
fing an, sich zu beleben, sie zeigte eine<br />
Herde von Elefanten, die <strong>im</strong> Dschungel<br />
eine Furt durchquerten. Der trübe Fluss<br />
schmatzte, die eingeborenen Treiber<br />
schrien. Das Kind hockte auf dem Teppich<br />
und sah die riesigen Tiere mit Entzücken<br />
an. „Was kann schon drin stehen“,<br />
murmelte es – „in so einem Buch“.<br />
Bibliotheken dienen der Vermittlung von<br />
Medienkompetenz in der Wissens- und<br />
Informationsgesellschaft. Und Information<br />
ist eine der wichtigsten Ressourcen<br />
unserer Zeit. Bereits <strong>im</strong> Bundesparteiprogramm<br />
der <strong>Grüne</strong>n von 1998 ist die herausragende<br />
Bedeutung von Bibliotheken<br />
ausdrücklich erwähnt. Wir setzen uns<br />
dafür ein, dass die öffentlichen Bibliotheken<br />
verstärkt gefördert werden und Fahrbüchereien<br />
für den ländlichen Raum ausgebaut<br />
werden. Und wir wollen, dass <strong>im</strong><br />
Saarland so schnell wie möglich ein Bibliotheksgesetz<br />
wie jetzt in Thüringen ver-<br />
Fo T o: Ti n a schöpFer<br />
abschiedet wird, das regelt, dass das Vorhalten<br />
von Bibliotheken und ihre Ausstattung<br />
keine freiwillige, sondern eine<br />
Pflichtaufgabe ist. Die Bibliotheken brauchen<br />
unsere Unterstützung, denn Lesen<br />
gefährdet die Dummheit.<br />
ka r i n Bu r k a r T, sc h u l p o l iT i s c h e sp r e c h e r i n<br />
Ti n a schöpFer, Fr a k T i o n s g e s c h äF T s F ü h r e r i n<br />
Stadtbibliothek <strong>Saarbrücken</strong><br />
Gustav-Regler-Platz 1<br />
66111 <strong>Saarbrücken</strong><br />
Information: 0681-905-2200<br />
Öffnungszeiten:<br />
Dienstag bis Freitag: 11.00-18.00 Uhr<br />
Samstag: 10.00-13.00 Uhr<br />
Montags geschlossen<br />
Internet: www.saarbruecken.de<br />
(Rubrik Kultur oder Bildung)<br />
Nahversorgung<br />
Konzept muss<br />
Der <strong>Stadtrat</strong> hat <strong>im</strong> September<br />
die Leitlinien für ein Nahversorgungskonzept<br />
beschlossen. Diese<br />
sollen sicherstellen, dass zukünftig<br />
Discounter, Vollversorger oder<br />
ganze Nahversorgungszentren<br />
nur noch in Stadtteilzentren<br />
und nicht mehr an deren Peripherie<br />
zugelassen werden.<br />
Der Kerngedanke wird von uns ohne<br />
wenn und aber geteilt: Stadtteilzentren<br />
sollen gestärkt, eingesessene Geschäfte<br />
<strong>im</strong> Zentrum unterstützt und unnötige<br />
Autofahrten vermieden werden.<br />
Ein Konsultationskreis aus Verwaltung,<br />
ExpertInnen und <strong>Stadtrat</strong>sfraktionen<br />
soll dafür Sorge tragen, dass die Interessen<br />
der Investoren diesen Grundsät-
Die <strong>Grüne</strong>n vor Ort<br />
Stadtteile stärken<br />
zen nicht zuwider laufen. Es soll an dieser<br />
Stelle nicht vergessen werden, dass wir<br />
als <strong>Fraktion</strong> bereits <strong>im</strong> Jahr 2005 mit einer<br />
ähnlichen Initiative an der Ratsmehrheit<br />
von CDU und FDP gescheitert sind.<br />
Damals wollte man sich nicht auf eine<br />
„Planwirtschaft“ (O-Ton CDU Stadtverordneter)<br />
einlassen. Alle sind seit dieser<br />
Zeit wohl etwas schlauer geworden. Alle?<br />
Oder fast alle? Wie ist es sonst zu verstehen,<br />
dass es in Gersweiler, St.Arnual und<br />
ganz <strong>aktuell</strong> in Burbach <strong>im</strong>mer wieder<br />
Bemühungen gibt, Nahversorger nicht <strong>im</strong><br />
Kern, sondern am Ortsrand anzusiedeln.<br />
In Burbach z.B. konterkariert die CDU die<br />
Bemühungen der Verwaltung, eine Ballung<br />
von Nahversorgern in der Jakob-<br />
straße, welche nicht zum Burbacher Zentrum<br />
gehört, zu verhindern. Dies wird<br />
KULTUR & WIRTSCHAFT<br />
Heinrich Böll Stiftung bezieht<br />
modernes Öko-Quartier in Berlin<br />
Die neue Stiftungszentrale der Heinrich<br />
Böll Stiftung gehört energetisch<br />
zur ökologischen Avantgarde. Im<br />
September wurde das neue Haus<br />
in Berlin eingeweiht. Tina Schöpfer<br />
und ich waren als Vertreterinnen<br />
der saarländischen <strong>Grüne</strong>n bei der<br />
offiziellen Eröffnungsfeier vor Ort.<br />
Wenig, aber hoch innovative Technik<br />
sorgt in dem modernen Bürogebäude für<br />
ein angenehmes Raumkl<strong>im</strong>a. Der Energieverbrauch<br />
unterbietet die gesetzlich<br />
vorgeschriebenen Werte um die Hälfte.<br />
Damit n<strong>im</strong>mt das Gebäude eine Vorreiterrolle<br />
<strong>im</strong> modernen Büro- und Konferenzgebäudebau<br />
ein. Nachhaltigkeit ist<br />
einer der Grundwerte der Heinrich-Böll-<br />
Stiftung, der auch das Leitmotiv für das<br />
Energiekonzept war: Wenig Geräte, Nutzung<br />
der Abwärme, möglichst natürliche<br />
und nutzerbest<strong>im</strong>mte Lüftung und<br />
Kühlung tragen dazu bei, die Installations-<br />
und Betriebskosten gering zu<br />
halten. Eine Photovoltaikanlage erbringt<br />
einen Beitrag von etwa 53.000 kWh jährlich<br />
und wird dem Netz zugeführt. Diese<br />
energetische Glanzleistung stand <strong>im</strong> Mittelpunkt<br />
der Reden der beiden Vorsitzenden<br />
der Heinrich Böll Stiftung, Barbara<br />
Unmüßig und Ralf Fücks, und des<br />
Architekten Piet Eckert aus dem Züricher<br />
Architektenbüro e2a.<br />
Stiftung verwirklicht weltweit<br />
wichtige Projekte<br />
René Böll, der Sohn von Heinrich Böll,<br />
sprach neben dem ehemaligen grünen<br />
Parteivorsitzenden, Reinhard Bütikofer,<br />
und Bundespräsident Dr. Horst Köhler<br />
als Vertreter der Erbengemeinschaft zur<br />
Eröffnung des neuen Stiftungshauses.<br />
Seinen Ausführungen war zu entnehmen,<br />
dass es ein weiter, oft schwieriger<br />
Weg von den ersten Vorgesprächen zur<br />
Gründung der Heinrich-Böll-Stiftung vor<br />
nunmehr über 20 Jahren bis zur Einweihung<br />
dieses großartigen Gebäudes war.<br />
Von der Entwicklung zu einer Stiftung<br />
mit nunmehr fast 190 MitarbeiterInnen<br />
unweigerlich zur Folge haben, dass<br />
der Burbacher Markt weiter an Bedeutung<br />
verlieren wird. Sich seitens der<br />
CDU als Begründung dann auch noch<br />
auf vermeintliche Zusagen des ehemaligen<br />
Baudezernenten gegenüber dem<br />
Investor zu stützen, werten wir als Verweigerungshaltung<br />
vor dem eigenen<br />
Erkenntnisgewinn.<br />
Neben dieser politischen Auseinandersetzung<br />
hat sich die Verwaltung<br />
mit dem Nahversorgungskonzept aber<br />
auch selbst in Zugzwang gesetzt: Sie ist<br />
gefordert, die Idee des Konzeptes mit<br />
Leben zu füllen: An einem personell wie<br />
materiell unterfütterten Flächenmanagement<br />
<strong>im</strong> Bereich Nahversorgung<br />
führt kein Weg vorbei.<br />
gu i d o vo g e l<br />
Ba u p o l iT i s c h e r sprecher<br />
Fo T o: Ti n a schöpFer<br />
Das Berliner Quartier der Heinrich<br />
Böll Stiftung überzeugt durch kluge<br />
Energiekonzepte.<br />
alleine in Berlin, den 16 assoziierten Landesstiftungen<br />
und den weit über 20 Auslandsvertretungen<br />
konnte man vor über<br />
20 Jahren nicht einmal träumen. Für Heinrich<br />
Böll gab es kein Lagerdenken, sein Eintreten<br />
für Menschenrechte war unteilbar,<br />
keineswegs selbstverständlich zu Zeiten<br />
des Kalten Krieges. Er war nicht – wie so<br />
viele – auf einem Auge blind. Zu Lebzeiten<br />
wurde Heinrich Böll von vielen Politikern<br />
bis hin zu amtierenden Bundespräsidenten<br />
und Bundeskanzlern diffamiert<br />
und angegriffen. Heute gibt es diese Stiftung<br />
mit seinem Namen und der amtierende<br />
Bundespräsident Dr. Horst Köhler<br />
feierte mit uns die Einweihung des neuen<br />
Hauses. Nicht nur in Deutschland, vielleicht<br />
noch viel mehr in den vielen Schwellen-<br />
und Entwicklungsländern spielt die<br />
Stiftung mit ihren einzelnen Projekten<br />
eine wichtige Rolle. Ihr weltweiter Einsatz<br />
für eine menschlichere, friedlichere und<br />
gerechtere Welt ist sehr erfolgreich. Viele<br />
Projekte sind zu wenig bekannt geworden,<br />
so taucht der Name Heinrich-Böll-Stiftung<br />
nicht <strong>im</strong> Zusammenhang mit der Entschädigung<br />
hunderttausender Zwangsarbeiter<br />
des Nazi-Reg<strong>im</strong>es auf. Dies wurde<br />
wesentlich durch die Arbeit der russischen<br />
Menschenrechtsorganisation Memorial<br />
bewirkt, die von der Stiftung maßgeblich<br />
über Jahre unterstützt wurde.<br />
Wir wünschen den Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern weiterhin eine so gute<br />
Arbeit! ka r i n Bu r k a r T<br />
sTa d T v e r o r d n e T e<br />
grün: konkret. 3 / 2008 15
UMWELT & VERKEHR<br />
„Die Stadt muss<br />
restriktiv gegen<br />
Falschparker<br />
vorgehen.“<br />
16<br />
ADFC weist auf massives Falsch-<br />
parken in der Stadt hin<br />
Von der<br />
„Parkunkultur“<br />
in der Innenstadt<br />
<strong>Saarbrücken</strong>s Parkhäuser stehen<br />
oft halb leer. Dafür wird <strong>im</strong> öffentlichen<br />
Raum umso ungehemmter<br />
- und oft falsch - geparkt. Neben<br />
einer zunehmenden Verwahrlosung<br />
des öffentlichen Raumes<br />
birgt dies ein konkretes Gefährdungspotenzial<br />
insbesondere für<br />
Radfahrer. Auf einer Fahrt mit<br />
dem ADFC durch die Saarbrücker<br />
Innenstadt wurde dies deutlich.<br />
gu i d o vo g e l<br />
verkehrspoliTischer sprecher<br />
Es gibt augenscheinlichrichtige„Falschpark-Hotspots“:<br />
Unter<br />
der Berliner<br />
Promenade<br />
hat sich bei-<br />
spielsweise eine ausgeprägte „Falschparkkultur“<br />
etabliert. Hier werden insbesondere<br />
auf der saaraufwärts rechten<br />
Seite jede Parkverbotshinweise penetrant<br />
ignoriert. Scheinbar unberührt von<br />
jeglichem Schulbewusstsein sind es hier<br />
besonders die Autofahrer mit der Ziffer<br />
57 auf dem Nummernschild, die diesen<br />
Bereich zum kostenlosen (Falsch)Parken<br />
missbrauchen. Gefahrpotenziale werden<br />
hier insbesondere für Fahrradfahrer provoziert.<br />
Ein unvorsichtiges Türaufschlagen<br />
oder zu schnelles Herausfahren aus<br />
der Parklücke kann schnell das Ende eines<br />
Fahrradausflugs bedeuten. Die Aufräumversuche<br />
des Ordnungsamtes wirken oft<br />
schon <strong>im</strong> Ansatz mut- und kraftlos und<br />
lächerlich gegenüber der Penetranz der<br />
Parksünder. In der Bleichstraße ist ein<br />
ähnliches Phänomen zu beobachten:<br />
Hier ist der stadtauswärts rechte Fahrradstreifen<br />
schon aus Gewohnheitsrecht<br />
ein reiner Parkstreifen. In der Mainzerstraße<br />
dagegen hat sich ein ausgeprägtes<br />
Falschparken auf dem breiten Fuß-<br />
grün: konkret. 3 / 2008<br />
gängerweg etabliert. Eltern mit Kinderwägen<br />
müssen hier teilweise beschwerliche<br />
– und auch nicht ungefährliche -<br />
Umwege in Kauf nehmen. Wenn also in<br />
<strong>Saarbrücken</strong> über eine Verwahrlosung<br />
der Sitten <strong>im</strong> öffentlichen Raum geredet<br />
wird, sollte man nicht nur die Müll- sondern<br />
auch auf die Parksünder ins Visier<br />
nehmen.<br />
Große Park-Preisunterschiede<br />
Wie ist das Phänomen zu erklären? Das<br />
Argument, dass die Parkplätze bzw. Parkhäuser<br />
der privaten Betreibergesellschaft<br />
Q-Park zu teuer sind gerät dann ins<br />
Wanken, wenn man sieht, welche hochpreisigen<br />
L<strong>im</strong>ousinen <strong>im</strong> absoluten Parkverbot<br />
stehen. Schwer vorstellbar, dass<br />
diesem Klientel das nötige Kleingeld für<br />
drei Stunden Parken in den Parkhäusern<br />
fehlt. Tatsache ist aber auch, dass es in<br />
<strong>Saarbrücken</strong> einen bemerkenswerten<br />
Preisunterschied zwischen den städtischen<br />
und den privaten Parkplätzen gibt.<br />
So kann dieser Unterschied in der Kernstadt<br />
pro Stunde bis zu 1 Euro betragen.<br />
Diese Inhomogenität der Gebühren trägt<br />
sicherlich mit dazu bei, dass die Q-Parkhäuser<br />
gemieden und die Autofahrer auf<br />
der öffentlichen Fläche ausweichen.<br />
Eine weitere Erklärung ist mit Sicherheit<br />
die aggressive Parkpreispolitik der saarländischen<br />
Nachbarstädte. Der durchschnittliche<br />
Saarländer ist in der Folge<br />
der Meinung, dass er ein Gewohnheitsrecht<br />
auf billige oder kostenlose Parkplätze<br />
in der Innenstadt habe. Was in<br />
Neunkirchen und Saarlouis gilt, muss in<br />
der Landeshauptstadt erst recht gelten!<br />
Das Argument, dass die Landeshauptstadt<br />
für diesen Preis auch etwas bietet,<br />
verhallt ungehört. Wird dieses Verhalten<br />
dann von städtischer Seite aus nicht<br />
entsprechend geahndet, fühlt sich der<br />
Falschparker subjektiv sogar <strong>im</strong> Recht.<br />
Kommunikation zwischen Stadt<br />
und Q-Park verbessern<br />
Was ist zu tun? Kurzfristig ist eine restriktive<br />
Vorgehensweise gegenüber<br />
Falschparkern an erster Stelle zu nennen.<br />
Warum ist es in <strong>Saarbrücken</strong> so selten zu<br />
beobachten, dass Parkkrallen angelegt<br />
oder Fahrzeuge abgeschleppt werden?<br />
Insbesondere müsste mit Frankreich ein<br />
Abkommen über Amts- und Rechtshilfe<br />
geschlossen werden, um Ordnungswidrigkeiten<br />
auch <strong>im</strong> Nachbarland verfolgen<br />
zu können. Dass darüber hinaus die<br />
Anzahl der Ordnungsdienstmitarbeiter<br />
deutlich erhöht werden muss, versteht<br />
sich von selbst.<br />
Eine Grundproblematik liegt aber auch<br />
in dem besonderen Verhältnis zwischen<br />
der LHS und dem privaten Parkplatzbetreiber<br />
Q-Park. Mittelfristig müsste<br />
deren Kommunikation erheblich verbessert<br />
werden. Eine Hauptzielgröße muss<br />
darin liegen, eine Homogenität in den<br />
Gebühren zwischen Stadt- und Q-Park<br />
herzustellen. Die Preisunterschiede zwischen<br />
Q-Park und den städtischen Parkplätzen<br />
müssen weitestgehend ausgeglichen<br />
werden. Dass dabei die Parkplätze<br />
in der Kernstadt teurer sein müssen, als<br />
die in den Außenbezirken, versteht sich<br />
von selbst.<br />
Q-Park müsste darüber hinaus seinem<br />
selbst gesteckten Ziel gerechter werden,<br />
dass die hohen Preise durch hohe Qualität<br />
gerechtfertigt werden.<br />
Langfristig muss darüber hinaus dafür<br />
gesorgt werden, dass mehr Menschen<br />
vom Auto auf Bus und Bahn oder Fahrrad<br />
umsteigen. An einem effektiven Mobilitätsmanagement<br />
führt in der Stadt letztendlich<br />
kein Weg vorbei.<br />
Fo T o: cl a u d i a sc h ö p s d a u
GASTKOMMENTAR<br />
Theater <strong>im</strong> Viertel seit über 20 Jahren aktiv<br />
„Eine größere Bühne würde die<br />
künstlerische Spielfreiheit verbessern“<br />
Von Veronika Häfele-Zumbusch,<br />
Gründungsmitglied des Trägervereins<br />
und Vorsitzende des TiV<br />
Bereits seit 1986 gibt es das Theater<br />
<strong>im</strong> Viertel-Studiotheater, kurz<br />
TiV genannt in <strong>Saarbrücken</strong>, doch<br />
noch <strong>im</strong>mer haben uns einige<br />
wenige Menschen mitten <strong>im</strong><br />
Herzen des Nauwieser Viertels<br />
nicht „entdeckt“. Deshalb freuen<br />
wir uns über die Gelegenheit, uns<br />
an dieser Stelle vorzustellen.<br />
In den ersten Jahren betrieben als Kleinkunstbühne,<br />
ist das Programm des TiV<br />
- unter der künstlerischen Leitung von<br />
Dieter Desgranges seit 1998 - verstärkt<br />
auf Schauspiel, Sprechtheater und Neue<br />
Musik ausgerichtet. Die Konzerte der<br />
ini-art haben ihren festen Platz, ebenso<br />
unsere Reihe „Klezmer Spezial“ und die<br />
Lesungen „Federmenschen“ mit Werken<br />
jiddischer AutorInnen. Alle zwei Jahre<br />
sind für eine Woche „Die Geschichtenerzähler“<br />
zu Gast. Dann geht es ums<br />
Geschichtenerzählen in den unterschiedlichsten<br />
Spielarten und Ausprägungen.<br />
Ansonsten best<strong>im</strong>men Theateraufführungen<br />
von <strong>im</strong> Saarland ansässigen<br />
Profis und auch von Amateurgruppen<br />
unser Programm.<br />
Spartenübergreifende Arbeit<br />
Das TiV fördert darüber hinaus die Möglichkeit,<br />
spartenübergreifend zu arbeiten.<br />
Es gibt weder inhaltliche noch formalistische<br />
Vorgaben für die jeweiligen<br />
Gruppen, doch der Schwerpunkt<br />
liegt auf exper<strong>im</strong>entellem Theater. Seit<br />
Jahren besteht in Zusammenarbeit mit<br />
dem Theater Überzwerg eine eigene<br />
Kindertheatergruppe für 6 bis 9-Jährige<br />
und ab einem Alter von neun bis zehn<br />
Jahren bis ins gute Erwachsenenalter<br />
das TiV-Ensemble. Etabliert hat sich das<br />
Nauwieser-Erzählcafé, entstanden vor<br />
zwei Jahren aus der Veranstaltung „Wie<br />
das Chinesenviertel zu seinem Namen<br />
kam“. Jeden letzten Samstagnachmittag<br />
„Ein zweiter Raum für Proben<br />
würde uns die Organisation<br />
erleichtern.“<br />
ve r o n i k a häFele-zu m B u s c h<br />
<strong>im</strong> Monat treffen sich Interessierte, die<br />
um und über das Viertel Geschichten zu<br />
erzählen wissen.<br />
Träger des Theaters ist seit 1990 der Studiotheater<br />
e.V. Im Schnitt halten acht bis<br />
zehn aktive Mitarbeiter den Geschäftsbetrieb<br />
aufrecht, mitunter dank der<br />
Unterstützung durch die ARGE in Festanstellung,<br />
ehrenamtlich und in Praktika.<br />
Als finanzielle Grundlage erhält das<br />
TiV durch die Landeshauptstadt <strong>Saarbrücken</strong><br />
einen Jahreszuschuss zur Deckung<br />
der Hauskosten sowie einen kleinen<br />
zweckgebundenen Etat für Gastspiele<br />
professioneller Theatergruppen aus ganz<br />
Deutschland. Dank der Fördermitglieder,<br />
Sponsoren und Werbepartner können<br />
<strong>im</strong>mer wieder besondere Projekte realisiert<br />
und sonstige Ausgaben bestritten<br />
werden. Gelder für Eigenproduktionen<br />
wie 2007/2008 „Das letzte Band“<br />
von Samuel Beckett unter der Regie von<br />
Dieter Desgranges, sowie für Personalkosten<br />
müssen zusätzlich aufgebracht<br />
werden.<br />
Kristallisationspunkt der freien<br />
Szene <strong>im</strong> Saarland<br />
Für Kontakt, Austausch und Zusammenarbeit<br />
mit anderen Institutionen ist<br />
das TiV stets offen. So kommen <strong>im</strong>mer<br />
wieder Kooperationen mit Gruppen und<br />
anderen Institutionen zustande. Aktuell<br />
hat das TiV mit vier weiteren kulturellen<br />
Institutionen aus dem Nauwieser Vier-<br />
tel, wie kino achteinhalb, Saarländisches<br />
Filmbüro, DAJC und Café Exodus, das<br />
Projekt „70. Jahrestag der Reichspogromnacht“<br />
realisiert. Die Veranstaltungsreihe<br />
zum Gedenken des 9. November fand <strong>im</strong><br />
Rahmen und mit Förderung des Bundesprogramms<br />
„Vielfalt tut gut. Jugend für<br />
Toleranz und Demokratie“ statt, um insbesondere<br />
Jugendliche dafür zu sensibilisieren.<br />
Für uns ist es wichtig, solche Themenreihen<br />
wie auch „70 Jahre Abst<strong>im</strong>mungskampf<br />
an der Saar“ in unser Programm<br />
aufzunehmen.<br />
Das Theater <strong>im</strong> Viertel will ein Ort sein,<br />
an dem sich Künstlerinnen und Künstler<br />
mit Freude ausprobieren und präsentieren<br />
können. Gute professionelle<br />
Künstler auf der einen Seite, aber auch<br />
gute Amateure sollen hier eine Chance<br />
haben. Mittlerweile ist es ein Kristallisationspunkt<br />
der freien Theater- und Musikszene<br />
<strong>im</strong> Saarland geworden. Mit bis zu<br />
75 Sitzplätzen ist es zwar ein kleines Theater,<br />
wird aber gerade deshalb von vielen<br />
KünstlerInnen und ZuschauerInnen -<br />
auch wegen der Nähe zum Bühnengeschehen<br />
und seiner besonderen Atmosphäre<br />
- sehr geschätzt. Mitunter wäre<br />
eine größere Bühne schon von Vorteil,<br />
da sie künstlerisch eine größere Spielfreiheit<br />
bieten würde, dazu wäre ein zweiter<br />
Raum für Proben eine organisatorische<br />
Erleichterung.<br />
Das TiV ist Mitglied des Netzwerks „Freie<br />
Szene Saar“, durch das mittlerweile Kontakte<br />
zum Netzwerk der Freien Theater<br />
auf Länderebene aufgebaut wurden und<br />
damit für das Saarland auch Mitglied <strong>im</strong><br />
Bundesverband freier Theater.<br />
Theater <strong>im</strong> Viertel (TIV)<br />
Studiotheater<br />
Nauwieserstrasse 13<br />
66111 <strong>Saarbrücken</strong><br />
Telefon: +49(0681) 390 46 02<br />
E-Mail: info@dastiv.de<br />
Das Theater <strong>im</strong> Viertel <strong>im</strong> Internet:<br />
www.dastiv.de<br />
grün: konkret. 3 / 2008 17
GRÜNE ANDERSWO<br />
18<br />
Gastbeitrag aus dem Regionalverband<br />
Kompetenz-<br />
agentur be<strong>im</strong><br />
AZB kann<br />
weiterarbeiten Fo<br />
Immer häufiger wird auch der Regionalverband<br />
<strong>Saarbrücken</strong> mit Finanzierungsproblemen<br />
bei sozialen<br />
Projekten konfrontiert. Fehlende<br />
Haushaltsmittel, aber auch das<br />
schon obligatorische Kompetenzgerangel<br />
um Zuständigkeit und Finanzierungsverpflichtung<br />
führen dazu,<br />
dass Projekte ins Stocken geraten.<br />
Viele Projekte werden von Bund, Land,<br />
Stadt und Regionalverband anteilig<br />
finanziert. Bricht ein Partner weg, kürzt<br />
ein anderer die Mittel, steht das Projekt<br />
auf der Kippe, <strong>im</strong> schl<strong>im</strong>msten Falle Hil-<br />
„In den Haushaltsberatungen<br />
haben<br />
alle <strong>Fraktion</strong>en die<br />
Möglichkeit, sich zum<br />
AZB zu bekennen.“<br />
sTephan kö r n e r, FrakTionsvorsiTzender<br />
d e r re g i o n a lv e r s a m m l u n g<br />
febedürftige<br />
auf<br />
der Straße.<br />
Dann heißt<br />
es rasch zu<br />
handeln<br />
und nach<br />
neuen<br />
Finanzierungslösungen zu suchen.<br />
Jüngst geschehen bei der Kompetenzagentur<br />
be<strong>im</strong> Ausbildungszentrum Burbach<br />
(AZB). Hier werden sozial stark<br />
benachteiligte Jugendliche betreut, die<br />
Schwierigkeiten be<strong>im</strong> Übergang von der<br />
Schule in den Beruf haben oder die nicht<br />
ohne weiteres in den Ausbildungs- oder<br />
Arbeitsmarkt integrierbar sind und von<br />
anderen Hilfsangeboten nicht profitieren<br />
können. Finanziert von ARGE (55%)<br />
und Bund (45%) arbeitete die Kompetenzagentur<br />
erfolgreich, bis die Bundesregierung<br />
Ende Juli 2008 mitteilte, dass der<br />
Finanzierungsanteil der ARGE in Zukunft<br />
nicht mehr 20 Prozent übersteigen dürfe.<br />
Die schlechte Nachricht traf fast exakt<br />
vier Wochen vor dem Auslaufen des Projektes<br />
in <strong>Saarbrücken</strong> ein. Der Hinweis<br />
der Berliner Ministerialbürokraten, dass<br />
die nun klaffende Finanzierungslücke<br />
grün: konkret. 3 / 2008<br />
von 35 Prozent durch die Kommunen<br />
und den Träger der öffentlichen Jugendhilfe<br />
zu decken sei, verdeutlichte, wie<br />
salopp sich mancher seiner sozialpolitischen<br />
Verpflichtungen entledigt.<br />
Ulf Huppert (FDP) handelte<br />
verantwortungslos<br />
Wir haben den Vorgang öffentlich<br />
gemacht, das Verhalten des Bundes<br />
massiv gerügt und Landeshauptstadt,<br />
ARGE und Regionalverband dazu aufgefordert,<br />
sich mit der prekären Situation<br />
der Kompetenzagentur auseinander<br />
zu setzen und zunächst nach einer<br />
schnellen Übergangslösung bis zum Jahresende<br />
zu suchen. Gleichzeitig haben<br />
wir einen Eilantrag in der Regionalversammlung<br />
gestellt, um die Weiterfinanzierung<br />
des Projektes zu sichern. Dabei<br />
wurde die Regionalverbandverwaltung<br />
aufgefordert, sich kurzfristig mit Stadt,<br />
AZB und ARGE in Verbindung zu setzen,<br />
um eine Weiterführung des Projektes<br />
zu gewährleisten. Zur großen Überraschung<br />
stellte sich sehr bald heraus, dass<br />
bereits Wochen vorher ein Gespräch zwischen<br />
dem AZB und dem Beauftragten<br />
für das Amt des Regionalverbandsdirektors<br />
Ulf Huppert (FDP) stattgefunden<br />
hatte. Huppert teilte darin ohne Absprache<br />
mit den <strong>Fraktion</strong>en mit, er sähe keine<br />
Möglichkeit zur Weiterfinanzierung. Erst<br />
frühestens für das Haushaltsjahr 2009<br />
könnten Gelder eingestellt werden. Wir<br />
bemängelten, dass das AZB wohl aufgrund<br />
von Hupperts Aussagen auf einen<br />
weiteren Förderantrag verzichtet hat.<br />
Dabei konnte der Beauftragte Huppert<br />
gar nicht entscheiden. Die Finanzhoheit<br />
hat <strong>im</strong>mer noch die Regionalversammlung.<br />
Ihr hätte Gelegenheit gegeben<br />
werden müssen, zu beschließen, ob man<br />
die Kompetenzagentur wirklich „absau-<br />
T o: azB<br />
Das AZB in Burbach bietet vielfältige<br />
Bildungs- und Hilfeangebote für auf<br />
dem Arbeitsmarkt benachteiligte<br />
Personengruppen.<br />
fen“ lassen will. Skandalös war, dass Huppert<br />
die <strong>Fraktion</strong>en nicht einmal rechtzeitig<br />
informiert hatte – und auch nicht die<br />
zuständige Beigeordnete <strong>im</strong> Regionalverband,<br />
Elfriede Nikodemus!<br />
AZB stellt Antrag auf<br />
Weiterfinanzierung des Projekts<br />
Die Mehrheitsfraktionen CDU und<br />
FDP hielten sich bezeichnenderweise<br />
bedeckt. Unseren Antrag zur Weiterfinanzierung<br />
des Projektes vertagte (!)<br />
man. Die peinliche Begründung: Die<br />
Sache sei nicht dringlich - ein unfreiwilliger<br />
Beweis dafür, dass man in der Koalition<br />
entweder den Zeitdruck nicht verstanden<br />
hatte oder das wichtige soziale<br />
Projekt tatsächlich untergehen lassen<br />
wollte. Der öffentliche Druck auf den<br />
Regionalverband jedoch wuchs. Sogar<br />
CDU-Politiker wie der Saarbrücker Dezernent<br />
Paul Borgard griffen Huppert scharf<br />
an. Die Saarbrücker Zeitung thematisierte<br />
den Vorgang in großen Beiträgen.<br />
Schließlich kam Bewegung in die Angelegenheit.<br />
Die Bundesagentur entschloss<br />
sich, die Finanzierungslücke von August<br />
bis Dezember noch nach der alten Regelung<br />
zu decken. Daraufhin stellte das AZB<br />
einen Antrag auf Weiterfinanzierung des<br />
Projektes. Die in der Regionalversammlung<br />
vertretenen <strong>Fraktion</strong>en haben jetzt<br />
die Möglichkeit, bei den anstehenden<br />
Haushaltsberatungen Gelder für das<br />
Saarbrücker Sozialprojekt einzustellen.<br />
Wir <strong>Grüne</strong> kämpfen weiter für eine Fortsetzung<br />
des Projekts <strong>im</strong> Rahmen der<br />
finanziellen Möglichkeiten des Regionalverbandes!
Integration und interkulturelle<br />
Öffnung werden von der Landesregierung<br />
<strong>im</strong>mer noch sträflich<br />
vernachlässigt. Auch wenn in den<br />
unterschiedlichsten Politikfeldern<br />
<strong>im</strong>mer wieder deutlich wird, dass<br />
Integration einen viel stärkeren<br />
Stellenwert bekommen muss, ist<br />
ein Gesamtkonzept nicht einmal in<br />
Ansätzen zu erkennen. Vor diesem<br />
Hintergrund haben wir nochmals<br />
mehr Geld für die Bildung von<br />
Migrantenkindern gefordert.<br />
In der Vergangenheit haben Studien<br />
<strong>im</strong>mer wieder gezeigt, dass Potenziale<br />
gerade von Migrantenkindern durch<br />
eine falsche Bildungspolitik vergeudet<br />
werdet. Dabei wissen wir alle, dass Bildung<br />
den Schlüssel zur Integration darstellt.<br />
Wenn diesen strukturellen Benachteiligungen<br />
nicht entgegen gewirkt wird,<br />
werden weitreichende wirtschaftliche<br />
und soziale Folgen für unsere Gesellschaft<br />
nicht ausbleiben. Dabei liegt es<br />
auf der Hand, dass gerade die Sprachkompetenz<br />
intensiver gefördert werden<br />
muss. Eine durchgängige Sprachförderung<br />
für jedes Bildungssegment ist in der<br />
Bildungskette unerlässlich. Sie muss verbindlich<br />
und flächendeckend eingeführt<br />
werden.<br />
Gemeinsam lernen –<br />
Ausgrenzung verhindern<br />
Da sehr viele Integrationsprobleme<br />
keine ethnischen Gründe haben, sondern<br />
auch vor den Hintergrund entstanden<br />
sind, dass sehr viele Zuwandererinnen<br />
und Zuwanderer bereits in<br />
ihren Herkunftsländern zu den ärmeren<br />
und weniger gebildeten Bevölkerungsgruppen<br />
gehört haben und in Deutschland<br />
insgesamt der Bildungserfolg wie<br />
in keinem anderen europäischen Land<br />
von der sozialen Herkunft<br />
abhängt, ist vollkommen<br />
klar, dass hier<br />
nur vernetzte politische<br />
Handlungsansätze<br />
greifen, die den unterschiedlichenProblemfeldern<br />
gerecht werden.<br />
Gerade mit unseren<br />
Konzepten für ein längeres<br />
gemeinsames<br />
Lernen und attraktiven,<br />
kostenfreien Angeboten<br />
der Ganztagsbetreuung <strong>im</strong> Schulwesen<br />
können wir die sich stetig verfestigende<br />
Ausgrenzung stoppen und ein<br />
zukunftsfähiges, gesellschaftliches Miteinander<br />
ermöglichen.<br />
Islamunterricht an staatlichen<br />
Schulen integrieren<br />
Notwendig ist aber auch, dass schulische<br />
Angebote an die Herausforderungen der<br />
Zuwanderungsgesellschaft angepasst<br />
werden. So ist es aus unserer Sicht heraus<br />
unerlässlich, dass die Kinder, die aus musl<strong>im</strong>ischen<br />
Familien stammen und bei uns<br />
leben und aufwachsen auch ein Angebot<br />
auf Islamunterricht erhalten. Für uns<br />
ist dies nicht nur ein Zeichen der gegenseitigen<br />
Wertschätzung, sondern auch<br />
ein wichtiger Beitrag zur Integration. Nur<br />
wenn dieser Unterricht in den staatlichen<br />
Schulen integriert wird, kann eine<br />
Verständigung der Kulturen und Religionen<br />
auf der Basis der Werte des Grundgesetzes<br />
auch stattfinden. Ansonsten wird<br />
der Grundstein dafür gelegt, dass <strong>im</strong>mer<br />
mehr Musl<strong>im</strong>e in abgeschotteten Kulturen<br />
leben und Parallelstrukturen entstehen.<br />
Daher muss die Frage des Islamunterrichtes<br />
an öffentlichen Schulen<br />
wesentlich nachdrücklicher angegangen<br />
werden. Auch wenn es eines Dachverbandes<br />
bedarf, um nach den Regeln<br />
des staatlichen Kirchenrechtes entsprechende<br />
Grundlagen zu schaffen, so muss<br />
die Landesregierung schnellstmöglich<br />
den Austausch mit den unterschiedlichen<br />
musl<strong>im</strong>ischen Gruppen suchen und<br />
als Moderator lösungsorientierte Gespräche<br />
führen. Wir sehen hier die saarländische<br />
Landesregierung in der Pflicht: Man<br />
GRÜNE ANDERSWO<br />
Gastbeitrag aus dem Landtag<br />
Zuwanderungsgesellschaft gestalten<br />
„Eine gute<br />
Bildungspolitik muss<br />
auf die Potenziale von<br />
Migrantenkindern<br />
setzen.“<br />
cl a u d i a Willger-la m B e r T<br />
la n d Ta g s a B g e o r d n e T e<br />
Fo T o: Wo J c i e c h ga J d a - Fo T o l i a.c o m<br />
Längeres gemeinsames Lernen vermittelt<br />
die Grundlagen für ein zukunftsfähiges,<br />
gesellschaftliches Miteinander.<br />
darf musl<strong>im</strong>ischen Kindern nicht das<br />
vorenthalten, was christlichen Kindern<br />
garantiert ist.<br />
Mehr Geld für<br />
Bibliotheken<br />
Das Saarland ist bei weitem nicht ausreichend<br />
mit Büchereien ausgestattet.<br />
Der Spardruck der vergangenen Jahre<br />
hat dazu geführt, dass zahlreiche<br />
öffentliche Bibliotheken ihr Angebot<br />
nicht mehr ausbauen und aktualisieren<br />
konnten. Dieser Spardruck wurde<br />
verstärkt durch Auflagen der Kommunalaufsicht.<br />
Das Schattendasein der<br />
saarländischen Bibliotheken muss<br />
jedoch unbedingt beendet werden;<br />
auch hier muss ein klares Zeichen<br />
<strong>im</strong> Landeshaushalt gesetzt werden.<br />
Gerade angesichts der gesellschaftlichen<br />
und ökonomischen Veränderungen<br />
kann man die Bedeutung von Bildung<br />
und damit auch der Bibliotheken<br />
nicht hoch genug bewerten. Deshalb<br />
brauchen wir auch <strong>im</strong> Saarland<br />
flächendeckend ein leistungsfähiges<br />
Bibliothekswesen. Die Büchereien<br />
müssen deutlich mehr als bisher in<br />
einer bildungspolitischen Gesamtstrategie<br />
verankert werden.<br />
cl a u d i a Willger-la m B e r T<br />
la n d Ta g s a B g e o r d n e T e<br />
grün: konkret. 3 / 2008 19
Die letzte Seite<br />
Glosse: Die Zukunft des<br />
„Saarländ“ hat begonnen<br />
„Mit dem ,Willy-Land’<br />
und dem ,Military-Land’<br />
ist das Saarland auf<br />
dem Weg zur Freizeit-<br />
Metropole.“<br />
ma r c u s BiTTerlich<br />
sTadTverordneTer<br />
Während sich andernorts noch die von<br />
PISA-Test, Finanz- und sonstigen Krisen<br />
geschlagenen Wunden geleckt werden,<br />
hat die Zukunft des Saarlands hat schon<br />
begonnen. Unweit der Landeshauptstadt,<br />
hinter den sieben Bergen, bei den<br />
sieben (Wirtschafts-) Zwergen erheben<br />
sich die Silhouetten dessen, was dereinst<br />
als Ke<strong>im</strong>zelle saarländischer Prosperität<br />
betrachtet werden wird - der Gondwana-Park!<br />
Halbe Jahrhunderte wurde<br />
von Groß und Klein, Grün und Rot, Dick<br />
und Doof gerätselt, wie der chronischen<br />
Strukturschwäche des sanft gewellten<br />
Landes an der Saar beizukommen sei.<br />
Nun scheint - ganz nach dem Muster der<br />
sächsischen Porzellan-Metropole Meißen<br />
- be<strong>im</strong> Suchen nach dem industrie- und<br />
standortpolitischen Stein der Weisen<br />
ein ganz anderer Stein - eher vom Typ<br />
YTONG - gefunden und fruchtbringend<br />
eingesetzt. Ausgehend vom unauffällig<br />
gelegenen Jurassic Park des Saarlands<br />
wird eine landschaftsplanerische Metamorphose<br />
schließlich von Homburg bis<br />
Perl das historische Kapital der Saarhistorie<br />
konsequent ausschlachten, einschlägige<br />
museale Synergieeffekte realisieren<br />
und so die Eigenständigkeit bis weit in<br />
das 21. Jahrhundert hinein sichern.<br />
Den erfolgversprechenden ersten Schritten<br />
in Landsweiler-Reden werden schon<br />
bald nachgerade menschheitsbedeutsame<br />
Sprünge folgen. Gerade erst wurde<br />
von den politischen Verantwortungs- und<br />
Mehrheitsträgern <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong> der Landeshauptstadt<br />
befunden, dass doch die gloriose<br />
wilhelminische Epoche sich hervor-<br />
grün: konkret. 3 / 2008<br />
ragend zu Imagezwecken in einem „Willy<br />
Land“ verwerten ließe; ganz zu schweigen<br />
von den Aussichten, den Ableger<br />
„Military Land“ rund um die Hardenbergstraße<br />
bis zur Bismarckbrücke zu etablieren.<br />
Der reiche Schatz historischer<br />
Denkmäler wird dabei sicher ein Übriges<br />
tun. Irgendwo in den in der Vergangenheit<br />
so nachlässig gepflegten Archiven<br />
der Landeshauptstadt harren Zenturien<br />
von bronzenen Reiterstandbildern<br />
nebst Feldgeschützen, geruchsauthentischen<br />
Knobelbechern und anderen<br />
Reliquien einer besseren Zeit ihrer Erweckung,<br />
Entstaubung und Wiedereinsetzung<br />
- vivat princeps! So würde - nach<br />
und nach, Gründlichkeit geht schließlich<br />
vor Schnelligkeit! - aus dem einstmals<br />
regional randständigen Saarland das<br />
metropolitisch glänzende, mit Ikonen<br />
der Freizeitkultur wie Hassloch, Bottrop-<br />
Kirchhellen oder Soltau konkurrierende<br />
„Saarländ“.<br />
Wir wünschen Ihnen fröhliche Weihnachten<br />
und laden Sie herzlich ein<br />
zu unserem Neujahrsempfang<br />
<strong>im</strong> Kulturbistro Malzeit<br />
am Dienstag,<br />
13. Januar, 19 Uhr!<br />
Fo T o: Ti n a schöpFer