2. Textsorten und Gattungen: eine Einführung in zwei ... - Buch.de
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<strong>2.</strong> TEXTSORTEN UND GATTUNGEN<br />
<strong>2.</strong>1.2 <strong>Textsorten</strong>: fiktionale <strong>und</strong> nicht-fiktionale Texte<br />
Durch die E<strong>in</strong>beziehung l<strong>in</strong>guistischer Verfahren <strong>und</strong> Metho<strong>de</strong>n hat sich bei <strong>de</strong>r<br />
E<strong>in</strong>teilung von Texten <strong>e<strong>in</strong>e</strong> grobe Zweiteilung durchgesetzt. Es wird allgeme<strong>in</strong><br />
unterschie<strong>de</strong>n zwischen fiktionalen (literarischen/ästhetischen) <strong>und</strong> nicht-fiktionalen<br />
(referentiellen/expositorischen) Texten.<br />
Der nicht-fiktionale Text (etwa e<strong>in</strong> Sachtext, z. B. e<strong>in</strong> Artikel über die Stahlregionen<br />
Europas <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Erdk<strong>und</strong>elehrwerk) bil<strong>de</strong>t <strong>e<strong>in</strong>e</strong> bestimmte Situation (<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Gegenstand) referentiell ab (referentiell = auf die Wirklichkeit bezogen). Die geschil<strong>de</strong>rte<br />
Situation (<strong>de</strong>r Gegenstand) existiert unabhängig vom Geschriebenbzw.<br />
Gelesen-Wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Textes, unabhängig sogar von <strong>de</strong>r Existenz <strong>de</strong>s Verfassers<br />
<strong>de</strong>s Artikels <strong>und</strong> von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m potentiellen Leser <strong>de</strong>s Artikels. So existiert/ereignet<br />
sich <strong>de</strong>r Autounfall auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Landstraße unabhängig davon, ob später <strong>in</strong><br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Zeitungsartikel o<strong>de</strong>r <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Radiobeitrag darüber berichtet wird.<br />
Bei fiktionalen Texten ist das völlig an<strong>de</strong>rs, selbst wenn sie Wirklichkeitsausschnitte<br />
(z. B. <strong>de</strong>n Autounfall) aufgreifen. Der fiktionale Text schafft s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> eigene Wirklichkeit,<br />
<strong>in</strong><strong>de</strong>m er Erdachtes/Erf<strong>und</strong>enes o<strong>de</strong>r Elemente <strong>de</strong>r Realität durch die<br />
Phantasie <strong>de</strong>s Autors <strong>und</strong> <strong>de</strong>s Rezipienten unter Verwendung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s eigenen Zeichenrepertoires<br />
<strong>und</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Dekodierung durch <strong>de</strong>n Empfänger zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r f<strong>in</strong>gierten<br />
Wirklichkeit wer<strong>de</strong>n lässt. Für die Analyse be<strong>de</strong>utet das: „Nichtfiktionale Texte<br />
können also nur dann adäquat erklärt <strong>und</strong> verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, wenn die <strong>in</strong> ihnen<br />
dargestellte Wirklichkeit <strong>und</strong> <strong>de</strong>r pragmatische Bezugsrahmen, <strong>in</strong> <strong>de</strong>n sie h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gestellt<br />
s<strong>in</strong>d, bewusst gemacht <strong>und</strong> konkretisiert wer<strong>de</strong>n; fiktionale Texte erstellen<br />
ihren Bezugsrahmen erst im Prozess <strong>de</strong>r Textkonstitution, dieser muss als umfassen<strong>de</strong>r<br />
S<strong>in</strong>nzusammenhang ge<strong>de</strong>utet wer<strong>de</strong>n.“ 11<br />
E<strong>in</strong> nicht-fiktionaler Text ist zumeist dadurch bestimmt, dass die Be<strong>de</strong>utungsvielfalt<br />
von Textkonstituenten möglichst e<strong>in</strong>gegrenzt wird, <strong>de</strong>r nicht-fiktionale Text<br />
vermittelt e<strong>in</strong><strong>de</strong>utige Signifikate (etwa durch die Verwendung klar <strong>de</strong>f<strong>in</strong>ierter<br />
Fachbegriffe). Bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m fiktionalen Text ist es eher umgekehrt; e<strong>in</strong>zelne Textkonstituenten<br />
können polyfunktional/mehr<strong>de</strong>utig se<strong>in</strong>, <strong>de</strong>r Text kann Leer- <strong>und</strong><br />
Unbestimmtheitsstellen aufweisen, die <strong>de</strong>r Empfänger mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Vorstellungskraft<br />
ausfüllen muss. Somit existiert <strong>de</strong>r fiktionale Text auch <strong>in</strong> weitaus höherem<br />
Maße überhaupt erst durch <strong>de</strong>n Leser (<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Alltagserfahrung: nach <strong>de</strong>m ersten<br />
Lesen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Textes <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Lerngruppe wer<strong>de</strong>n unterschiedliche Textkonstituenten<br />
als wichtig empf<strong>und</strong>en o<strong>de</strong>r gleiche Textkonstituenten unterschiedlich<br />
„<strong>in</strong>terpretiert“). 12<br />
Aus <strong>de</strong>n bisher genannten Merkmalen <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n großen <strong>Textsorten</strong> ergeben sich<br />
jeweils spezifische Fragestellungen <strong>und</strong> Aufgaben bei ihrer Analyse/Interpretation,<br />
die u. a. mit <strong>de</strong>r sprachlichen Gestaltung <strong>und</strong> <strong>de</strong>m Wirklichkeitsbezug <strong>de</strong>r <strong>Textsorten</strong><br />
<strong>in</strong> Zusammenhang stehen (siehe hierzu die Abschnitte 3–6 <strong>de</strong>s Ban<strong>de</strong>s).<br />
11 Richtl<strong>in</strong>ien, ebd., S. 36.<br />
12 Vgl. hierzu u. a.: G. Waldmann, Referentielle <strong>und</strong> ästhetische Texte, <strong>in</strong> J. Jansen, ebd., S. 33 ff.<br />
Info<br />
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