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2. Textsorten und Gattungen: eine Einführung in zwei ... - Buch.de

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22<br />

<strong>2.</strong> TEXTSORTEN UND GATTUNGEN<br />

<strong>2.</strong>1.3 Texte <strong>und</strong> ihre Funktion<br />

Bereits <strong>in</strong> <strong>de</strong>n ersten Jahrzehnten unseres Jahrh<strong>und</strong>erts hat sich <strong>de</strong>r Psychologe<br />

<strong>und</strong> Sprachphilosoph Karl Bühler mit <strong>de</strong>r Leistung <strong>de</strong>r menschlichen Sprache beschäftigt<br />

<strong>und</strong> sie als e<strong>in</strong> Werkzeug (organon) mit drei wesentlichen Funktionen<br />

<strong>de</strong>f<strong>in</strong>iert: Ausdruck, Appell <strong>und</strong> Darstellung. In Sprechakten bzw. Texten existieren<br />

diese drei Funktionen immer gleichzeitig, wobei jedoch jeweils <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Dimension<br />

dom<strong>in</strong>ieren kann. Die Ausdrucksfunktion (Symptomfunktion) überwiegt,<br />

wenn das sprachliche Zeichen (<strong>de</strong>r Text) hauptsächlich etwas über <strong>de</strong>n Sen<strong>de</strong>r<br />

selbst an <strong>de</strong>n Empfänger vermittelt, z. B. s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Gefühle, s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> E<strong>in</strong>stellung zu<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Gegenstand o<strong>de</strong>r Sachverhalt. Die Darstellungsfunktion (Symbolfunktion)<br />

herrscht vor, wenn <strong>de</strong>r Sachverhalt o<strong>de</strong>r Gegenstand, über <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Sen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m<br />

Empfänger etwas mitteilt, <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rgr<strong>und</strong> gerückt wird. Will <strong>de</strong>r Sen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />

Empfänger zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Haltung gegenüber <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Gegenstand o<strong>de</strong>r Sachverhalt bewegen<br />

<strong>und</strong> ihn vielleicht sogar zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Verhaltensän<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r Handlung auffor<strong>de</strong>rn,<br />

rückt die Appellfunktion <strong>de</strong>s sprachlichen Zeichens <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rgr<strong>und</strong>.<br />

13<br />

Wen<strong>de</strong>t man die Überlegungen Bühlers bei <strong>de</strong>r Bestimmung von Texten an, so<br />

kommt es zu drei <strong>Textsorten</strong>. Es gibt Texte, <strong>in</strong> <strong>de</strong>nen die Appellfunktion dom<strong>in</strong>iert<br />

(Spen<strong>de</strong>naufruf, politische Re<strong>de</strong>, Predigt); es gibt Textgruppen, <strong>in</strong> <strong>de</strong>nen die<br />

Symptomfunktion von beson<strong>de</strong>rer Be<strong>de</strong>utung ist (z. B. Tagebuch, Lyrik), <strong>und</strong> es<br />

gibt Texte, <strong>in</strong> <strong>de</strong>nen die Symbolfunktion vorherrscht (Lexikonartikel, Zeitungsbericht).<br />

Da die drei Funktionen <strong>de</strong>s sprachlichen Zeichens aber immer <strong>in</strong>tegriert zur<br />

Geltung kommen (bei gesprochenen <strong>und</strong> verschriftlichten Texten), gibt es zwischen<br />

<strong>de</strong>n nach <strong>de</strong>m Bühler’schen Ansatz geordneten <strong>Textsorten</strong> zahlreiche<br />

Mischformen <strong>und</strong> Übergänge. Bei <strong>de</strong>r Analyse von Texten kann das Organon-<br />

Mo<strong>de</strong>ll <strong>in</strong>sofern hilfreich se<strong>in</strong>, als sich mit ihm u. a. die Intention <strong>de</strong>s Textes erfassen<br />

lässt. Wenn wir z. B. davon ausgehen, dass <strong>e<strong>in</strong>e</strong> politische Re<strong>de</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> appellative<br />

Textsorte ist, können wir bei <strong>de</strong>r Analyse <strong>de</strong>s Textes unseren S<strong>in</strong>n dafür<br />

schärfen, wozu uns <strong>de</strong>r Redner auffor<strong>de</strong>rn will <strong>und</strong> mit welchen rhetorischen<br />

(sprachlich-stilistischen) Mitteln er s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Absicht verfolgt.<br />

13 Bühler selbst hat das e<strong>in</strong>mal so formuliert: „Es (geme<strong>in</strong>t ist das sprachliche Zeichen, B.M.) ist Symbol<br />

kraft s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Zuordnung zu Gegenstän<strong>de</strong>n <strong>und</strong> Sachverhalten, Symptom (Anzeichen, Indicum) kraft<br />

s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Abhängigkeit vom Sen<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>ssen Innerlichkeit es ausdrückt, <strong>und</strong> Signal kraft s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Appells<br />

an <strong>de</strong>n Hörer, <strong>de</strong>ssen äußeres o<strong>de</strong>r <strong>in</strong>neres Verhalten es steuert wie e<strong>in</strong> Verkehrszeichen.“ (Zitiert<br />

nach N. He<strong>in</strong>ze/B. Schurf, Deutschunterricht auf <strong>de</strong>r Sek<strong>und</strong>arstufe II, Text <strong>und</strong> Dialog/Gr<strong>und</strong>band,<br />

Düsseldorf 1980, S. 143)

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